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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Bewerbung - zulässige Fragen
Bewerbung - zulässige Fragen
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Dass ein Unternehmen bei Einstellungen nicht die sprichwörtliche "Katze im Sack kaufen" möchte, ist nachvollziehbar. Daher erkennt die Rechtsprechung ein Fragerecht des Arbeitgebers im Rahmen des Bewerbungsverfahrens an. Allerdings sind dabei rechtlich nicht alle Fragen zulässig, zum Teil kann der Bewerber sogar bewusst die Unwahrheit sagen.
Der folgende Beitrag informiert Sie über die maßgeblichen Einzelheiten.
2. Der rechtliche Rahmen
2.1 Grundsätzliches
Im Rahmen der Vertragsfreiheit darf der Arbeitgeber sich für die Einstellung relevante Informationen über den Bewerber verschaffen. Er kann daher entsprechende Auskünfte von ihm verlangen. Grundsätzlich sind dabei alle Fragen zulässig, die mit den Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle im Zusammenhang stehen und die damit objektiv für den Betrieb wichtig sind. Der Arbeitgeber muss also ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung haben (BAG, 07.06.1984 - 2 AZR 270/83).
Dieses Interesse muss allerdings so gewichtig sein, dass ausnahmsweise das Persönlichkeitsrecht und der Schutz der Individualsphäre des Arbeitnehmers dahinter zurückzutreten haben. Der Stellenwert des Persönlichkeitsrechts ergibt sich bereits daraus, dass es verfassungsrechtlich garantiert ist (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Zwischen den berechtigten Interessen des Arbeitgebers und dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers muss eine Abwägung stattfinden. Nur wenn die berechtigten Interessen des Arbeitgebers überwiegen, ist eine Frage zulässig und muss wahrheitsgemäß beantwortet werden. Für den öffentlichen Dienst ist auch Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten; danach hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern. Durch die Fragen darf dieses Recht nicht beeinträchtigt werden.
Ist eine Frage unzulässig, hat der Bewerber ein "Recht auf Lüge", um sich die Chance auf eine Einstellung zu erhalten. Schweigen würde in dieser Situation den Verdacht erregen, der Kandidat habe etwas zu verbergen. Beantwortet er auf eine unzulässige Frage mit einer Lüge, hat der Arbeitgeber kein Recht zur Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB, BAG, 05.10.1995 - 2 AZR 923/94).
Nicht wahrheitsgemäß beantworten muss der Bewerber insbesondere Fragen nach:
Familienplanung (Heirat, Kinderwunsch etc.),
Gewerkschaftszugehörigkeit,
Parteizugehörigkeit,
Religionszugehörigkeit,
Schwangerschaft,
Vorstrafen, wenn kein konkreter Bezug zu der ausgeschriebenen Stelle besteht oder diese bereits im Bundeszentralregister getilgt sind.
Ist umgekehrt die Frage zulässig, führt eine Falschbeantwortung zu einem Anfechtungsrecht der anderen Vertragspartei.
Die Anfechtung ist jedoch nur dann zulässig, wenn die Täuschung ursächlich für die Einstellung war (BAG, 07.07.2011 - 2 AZR 396/10). Voraussetzung für das Anfechtungsrecht nach § 123 BGB ist nämlich, dass der Arbeitgeber durch die Täuschung zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst wird. War die unwahr beantwortete Frage dagegen für die Einstellung nicht entscheidend, besteht auch kein Anfechtungsrecht (LAG Hessen, 24.03.2010 - 6/7 Sa 1373/09). Die Ausübung dieses Rechts verstößt außerdem gegen Treu und Glauben, wenn die Rechtslage des Getäuschten im Zeitpunkt der Anfechtung durch die arglistige Täuschung nicht mehr beeinträchtigt ist (BAG, 20.05.1999 - 2 AZR 320/98). Insbesondere bei langjähriger beanstandungsfreier Tätigkeit des Arbeitnehmers kann das Anfechtungsrecht so viel an Bedeutung verloren haben, dass es eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr rechtfertigen kann (BAG, 12.02.1970 – 2 AZR 184/69).
Neben dem Recht auf Anfechtung kann die Täuschung auch zur Kündigung des Arbeitsvertrages berechtigen (BAG, 07.07.2011 - 2 AZR 396/10). Beide Möglichkeiten zur Beendigung des Arbeitsvertrages stehen gleichrangig nebeneinander (BAG, 16.12.2004 – 2 AZR 148/04). Dabei wirkt die Anfechtung auf den Beginn des Arbeitsverhältnisses zurück, während die Kündigung das Arbeitsverhältnis frühestens mit dem Zugang der Kündigung beenden kann.
Auch für das Einstellungsverfahren gelten die Benachteiligungsverbote nach dem AGG, sodass der Spielraum für Erkundigungen dadurch weiter eingeschränkt ist. Besondere Aufmerksamkeit verdient in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des EuGH, wonach krankhafte Fettleibigkeit als Behinderung gelten kann, wenn sie zu deutlichen Einschränkungen bei der Teilhabe am Arbeitsleben führt (EuGH, 18.12.2014 – C-354/13). Selbst die durch entsprechende Fragen belegte Vermutung einer Diskriminierung kann Ansprüche auf Entschädigungszahlungen nach sich ziehen (§ 15 Abs. 2 AGG; BAG, 17.12.2009 - 8 AZR 670/08). Dies gilt auch für eine abschreckende Einladung eines schwerbehinderten Bewerbers zum Einstellungsgespräch (Passus in der Einladung, dass die Bewerbung nach der "Papierform" nur eine geringe Erfolgsaussicht hat, LAG Baden-Württemberg, 03.11.2014 – 1 Sa 13/14).
2.2 Datenschutz
Der Datenschutz und auch der Beschäftigten-Datenschutz wurden durch die DSGVO der EU und die Neufassung des BSDG mit Wirkung vom 25.05.2018 in vielen Punkten verändert. Damit soll der Datenschutz als wichtiges Grundrecht noch besser als bisher sichergestellt werden. Den Beschäftigten-Datenschutz hat der nationale Gesetzgeber aufgrund der Öffnungsklausel in Art. 88 DSGVO durch § 26 BDSG geregelt. Nach § 26 Abs. 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Entscheidung über seine Begründung erforderlich ist. Aber auch bei Anwendung dieser Vorschrift sind die generellen Vorgaben der DSGVO zu beachten. Die Verarbeitung (dazu gehören z.B. das Erheben, Erfassen, Organisieren, Speichern, Löschen und Vernichten) der Daten von Beschäftigten ist u.a. zulässig, soweit die Informationen im Zusammenhang mit der Begründung (Bewerbungsverfahren) des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind. Die "Erforderlichkeit" der Datenerhebung im Bewerbungsverfahren richtet sich danach, welche Informationen für den Abschluss eines Arbeitsvertrages benötigt werden. Die Zugriffsberechtigung auf Bewerberdatenbanken muss in einem Berechtigungskonzept festgelegt werden. Dabei darf der Zugriff nur solchen Personen gestattet werden, die aufgrund ihrer dienstlichen Aufgaben Einblick haben müssen. Es ist ein Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten i.S.v. Art. 30 der DSGVO anzulegen. Darin sind alle Verarbeitungsschritte zu beschreiben, die mit dem Bewerbungsmanagement einhergehen.
Die Datenerhebung muss nach Treu und Glauben erfolgen (Art. 5 Abs. 1 Buchst. a DSGVO). Dazu gehört, dass die Erhebung nicht heimlich (z.B. durch Online-Abfragen) durchgeführt wird. Es ist daher erforderlich, bei Online-Abfragen die Zustimmung des Bewerbers einzuholen und die Erhebung auf die Daten zu beschränken, die für die Einstellungsentscheidung von Bedeutung sind. Insbesondere das Erheben von privaten Daten in sozialen Netzwerken, die hauptsächlich privat genutzt werden, ist tabu. Dagegen dürfte die Nutzung von berufsorientierten Netzwerken (wie z.B. XING) eher zulässig sein, da diese gerade der Präsentation beruflicher Qualifikationen und Erfahrungen dienen.
Bei der Nutzung von automatisierten Bewerbungsportalen von Dienstleistern sind die Besonderheiten für die Auftragsdatenverarbeitung zu beachten.
Unter die Regelungen des Datenschutzes fallen z.B.: Bewerbungsbogen, Lebenslauf, Foto, Schul- und Arbeitszeugnisse, Kontaktdaten, Staatsangehörigkeit, Arbeitserlaubnis, Erkenntnisse aus dem Bewerbungsgespräch wie Gehaltsvorstellung, Reisebereitschaft, Sprachkenntnisse; soweit Reisekosten zu erstatten sind: Bankverbindung.
Bereits beim Eingang der Bewerbung ist der Betrieb verpflichtet, den Bewerber auf die Datenerhebung, insbesondere deren Verwendungszweck und Umfang sowie die Rechtsgrundlage dafür hinzuweisen. Ferner ist anzugeben wer "Verantwortlicher" für die Datenerhebung ist und für welche Dauer die Speicherung erfolgt. Ggf. ist auch der Datenschutzbeauftragte anzugeben. Außerdem ist auch darauf hinzuweisen, dass der Betroffene Anspruch auf Auskunft über die erhobenen Daten sowie auf Berichtigung oder Löschung hat (Art. 13 DSGVO).
Nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens sind die Unterlagen zurückzugeben oder zu vernichten (dabei sollte aber berücksichtigt werden, dass einer der Bewerber ggf. Ansprüche nach dem AGG geltend machen könnte – für die Abwehr ungerechtfertigter Forderungen könnten die Daten hilfreich sein). Die Daten über die Bewerber sind ebenfalls zu löschen. Die dafür maßgebenden Fristen sind in einem Löschkonzept zu regeln. Dabei kann eine kurze Aufbewahrungsfrist (maximal sechs Monate) festgelegt werden, die angemessen ist, um ggf. bei Entschädigungsklagen nach § 15 AGG auf die Daten zurückgreifen zu können.
Dass nur "erforderliche" Daten erhoben werden dürfen, schränkt auch das Fragerecht im Bewerbungsverfahren entsprechend ein. Erforderlich i.d.S. sind die Daten, die tatsächlich für die Entscheidungsfindung benötigt werden.
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zu dem neuen BDSG hat sich der Gesetzgeber vorbehalten, Fragen des Datenschutzes im Beschäftigungsverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt gesetzlich zu regeln. Dazu gehört auch das Fragerecht bei der Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses (BT-Drs. 18/11325 S. 97).
2.3 Form
Ob die Fragen mündlich, also insbesondere in Vorstellungsgesprächen oder sonst im Rahmen des Bewerbungsverfahrens oder schriftlich, z.B. in sogenannten Personalfragebogen (vgl. § 94 BetrVG) gestellt werden, spielt für die Beurteilung der Zulässigkeit keine Rolle.
Anstatt zu fragen, wird häufig die Möglichkeit genutzt, im Internet zu recherchieren. Aber auch dabei muss das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers beachtet werden. Außerdem sind die Regelungen des Datenschutzes zu beachten. Verstöße dagegen können teuer werden.
2.4 Offenbarungspflicht
Der Bewerber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, von sich aus auf Umstände hinzuweisen, die den Arbeitgeber von der Einstellung abhalten können. Lediglich in Bezug auf individuelle Eigenschaften, die die Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich machen oder erheblich erschweren können, hat er nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 241 Abs. 2 BGB) die Pflicht, den Arbeitgeber auch ungefragt zu informieren. Dies gilt z.B. für bestehende Behinderungen, die den Bewerber daran hindern würden, die angestrebte Tätigkeit auszuüben oder für bestehende Wettbewerbsverbote. Eine Offenbarungspflicht besteht aber nur für Tatsachen, für die eine Aufklärungspflicht besteht, d.h. der Vertragspartner nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung Aufklärung erwarten durfte. Im Hinblick auf eine Schwangerschaft ist das zur Vermeidung einer Geschlechtsdiskriminierung zu verneinen (LAG Köln, 11.10.2012 – 6 Sa 641/12). Die Entscheidung dürfte auch für andere, im AGG geregelte Diskriminierungsverbote, richtungsweisend sein.
2.5 Absagen
Zwangsläufig müssen die meisten der Bewerber abgelehnt werden. Oft fühlen sie sich – teils auch wegen des Verlaufes des Vorstellungsgespräches – diskriminiert. Und es ist zwischenzeitlich an der Tagesordnung, dass dann mit Hinweis auf das AGG Entschädigungsforderungen gestellt werden. Nach § 22 AGG ist es dafür ausreichend, wenn der abgelehnte Bewerber Indizien darlegt, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Der Betrieb muss dann beweisen, dass dies nicht der Fall ist. Wichtig ist es, die Absage allgemein zu halten, insbesondere die Entscheidung nicht zu begründen. Damit werden Angriffsflächen vermieden. Intern sollte aber in einem Vermerk festgehalten werden, weshalb der jeweilige Bewerber nicht geeignet erschien, um bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung argumentieren zu können. Erfolglose Bewerber können von dem Unternehmen keine Auskunft verlangen, weshalb sie nicht zum Zuge kamen. Allerdings kann eine Verweigerung dieser Auskunft ein Indiz für eine Diskriminierung sein (EuGH, 19.04.2012 – C 415/10). Der abgelehnte Bewerber hat auch keinen Anspruch auf Auskunft, wer eingestellt wurde (BAG, 23.11.2017 – 8 AZR 372/16). Dies begegnet auch datenschutzrechtlichen Bedenken.
Der EuGH hat auf Vorlage des BAG auch dem sogenannten AGG-Hopping einen Riegel vorgeschoben. Manche Personen haben sich nur beworben, um eine Diskriminierung mit einer entsprechenden Entschädigungsforderung geltend zu machen. Der EuGH hat entschieden, dass eine Person, die sich nur bewirbt, um den formalen Status als Bewerber mit dem Ziel zu erhalten, eine Entschädigung geltend zu machen, nicht unter den EU-rechtlichen Begriff des Zugangs zur Beschäftigung fällt. Sie kann sich sogar des Rechtsmissbrauchs schuldig machen (EuGH, 28.07.2016, Rs. C-423/15). Das BAG hat den Rechtsstreit, der zu dem Vorlagebeschluss führte, an des LAG Hessen zurückverwiesen (BAG, 26.01.2017 – 8 AZR 848/13). Dieses hat dem Kläger eine Entschädigung aufgrund Diskriminierung wegen Alters zugesprochen (LAG Hessen, 18.06.2018 – 7 Sa 851/17). Nach Auffassung des Gerichts hat der Arbeitgeber nicht in ausreichendem Umfang objektive Umstände vorgetragen, dass der Kläger nur den formalen Status als Bewerber angestrebt hat (Nichtzulassungsbeschwerde wurde als unbegründet zurückgewiesen – BAG, 12.12.2018 - 8 AZN 507/18). Bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten des Bewerbers besteht kein Anspruch auf Entschädigung nach dem AGG. Dies gilt insbesondere, wenn entsprechende objektive Indizien bereits aus dem Bewerbungsschreiben hervorgehen (ArbG Bonn, 23.10.2019 – 5 Ca 1201/19). Auf Rechtsmissbrauch kann aber nicht bereits geschlossen werden, wenn eine Person eine Vielzahl erfolgloser Bewerbungen versandt und mehrere Entschädigungsprozesse geführt hat bzw. führt (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 07.01.2020 – 5 Sa 128/19). Von Rechtsmissbrauch kann erst ausgegangen werden, wenn nachgewiesen ist, dass kein ernsthaftes Interesse an der ausgeschriebenen Stelle besteht und die Bewerbung darauf abzieht, eine Entschädigung zu erlangen (LAG Rheinland-Pfalz, 19.05.2022 – 2 Sa 362/21). Auch das BAG hat entschieden, dass kein Anspruch auf Entschädigung besteht, wenn diese dem Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt ist. Rechtsmissbrauch ist anzunehmen, sofern eine Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihr darum ging, nur den formalen Status als Bewerber i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen, mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung und/oder Schadensersatz geltend zu machen (BAG, 31.03.2022 - 8 AZR 238/21).
Wird ein Arbeitnehmer wegen des Bezugs einer Altersrente weniger günstig behandelt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, liegt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Eine rechtmäßige Altersgrenzenregelung (im Tarifvertrag) rechtfertigt es nicht, Altersrentner von vorneherein nicht in die Auswahl einzubeziehen, sondern vorab auszuscheiden und ihnen damit die Möglichkeit zu versagen, den Arbeitgeber von ihrer Bewerbung zu überzeugen. Wird eine Absage mit dem Hinweis darauf, dass keine Rentner eingestellt werden, begründet, können Bewerber einen Anspruch auf Entschädigung wegen Diskriminierung haben (LAG Hamburg, 01.08.2018 – 17 Sa 1302/17).
3. Zulässige bzw. nicht zulässige Fragen
3.1 Grundsätzliches
Unter Berücksichtigung der unter 2. dargestellten Kriterien gibt es Fragen, die grundsätzlich unzulässig sind. Dies gilt insbesondere für die Bereiche, die unter die Diskriminierungsverbote des AGG fallen, da hier ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers ausscheidet (teilweise wird auch die Auffassung vertreten, das AGG berühre das Fragerecht nicht, weil die Diskriminierung erst mit der Entscheidung über die Bewerbung eintrete). Andere Fragen sind dann zulässig, wenn der Betrieb an ihrer Beantwortung im Hinblick auf die Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes ein schutzwürdiges Interesse hat. Schließlich gibt es Auskünfte, die ihrer Natur nach immer zulässig sind. Der folgende Katalog kann naturgemäß nur allgemeingültige Aussagen beinhalten. Durch die Anforderungen des konkreten Arbeitsplatzes und die Art des Betriebes kann sich im Einzelnen auch eine abweichende Zuordnung ergeben.
3.2 Katalog der Fragen
Frage | Zulässig | Unzulässig | Bemerkung / Rechtsprechung |
AIDS-Erkrankung | X | Bei einer AIDS-Erkrankung ist die Einsatzfähigkeit meist so stark eingeschränkt, dass die Frage als zulässig angesehen wird (vgl. § 8 Abs. 1 AGG). Vgl. aber unter HIV-Infizierung. | |
Alter | X | §§ 1, 3 Abs. 1 AGG - auch ein Lichtbild gibt Aufschluss über das Alter eines Bewerbers und sollte daher nicht gefordert werden. | |
Arbeitgeber, früherer | X | ||
Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis | X | ||
Ausbildung | X | LAG Hamm, 08.02.1995 - 18 Sa 2136/93 - LAGE § 123 BGB Nr. 21.; LAG Hamm, 28.08.2015 – 18 Sa 335/15 | |
Behinderung | X | § 3 Abs. 1 AGG, § 164 Abs. 2 SGB IX. Die Frage ist ausnahmsweise zulässig, wenn durch die Behinderung die Arbeitsleistung auf Dauer unmöglich ist und das Nichtvorliegen eine wesentliche berufliche Anforderung darstellt. Ob dagegen eine tätigkeitsneutrale Frage nach einer anerkannten Schwerbehinderung oder Gleichstellung zulässig ist, ist umstritten (bejahend: vgl. zuletzt BAG, 18.10.2000 - 2 AZR 380/99; verneinend: LAG Hessen, 24.03.2010 - 6/7 Sa 1373/09). Zulässig ist sie jedenfalls bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis nach sechs Monaten, also nach dem Erwerb des Sonderkündigungsschutzes (§§ 168; 173 Abs. 1 SGB IX; BAG, 16.02.2012 - 6 AZR 553/10). | |
Beruflicher Werdegang | X | BAG, 12.02.1970 - 2 AZR 184/69 - AP Nr. 17 zu § 123 BGB; LAG Hamm, 28.08.2015 – 18 Sa 335/15. | |
Berufserfahrung | X | Soweit für die zu besetzende Stelle die Berufserfahrung tatsächlich erforderlich ist (LAG Schleswig-Holstein, 30.09.2014 – 1 Sa 107/14). | |
Betriebsratstätigkeit (vorherige) | X | ||
Disziplinarmaßnahmen | X | Frage zulässig, wenn Bezug zur angestrebten Tätigkeit besteht und deswegen ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht (LAG Schleswig-Holstein, 12.01.2012 – 5 Sa 339/11). | |
Ehepartner, Beruf | X | Ausnahmsweise erlaubt, wenn die ausgeschriebene Position mit dem Zugang zu wichtigen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen verbunden ist. | |
Eheschließung - beabsichtigte | X | ||
Eidesstattliche Versicherung | X | Frage ist zulässig, wenn eine Vertrauensposition besetzt werden soll. | |
Ermittlungsverfahren, laufendes- | X | Zulässig, wenn die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies erfordert (BAG, 20.05.1999 - 2 AZR 320/98; BAG, 06.09.2012 – 2 AZR 270/11). Gegenüber einem Auszubildenden für den Beruf einer Fachkraft für Lagerlogistik ist die pauschale Frage nach Ermittlungsverfahren zu weitgehend und daher unzulässig (ArbG Bonn, 20.05.2020 – 5 Ca 83/20). | |
Ermittlungsverfahren, eingestelltes - abgeschlossenes | X | Frage verstößt gegen Datenschutz und die Wertentscheidungen nach § 53 Bundeszentralregistergesetz (BZRG) Lüge des eingestellten Bewerbers berechtigt nicht zur Kündigung oder zur Anfechtung. Zudem gilt bei eingestellten Ermittlungsverfahren die Unschuldsvermutung (BAG, 15.11.2012 - 6 AZR 339/11 und 20.03.2014 - 2 AZR 1071/12). | |
Fahrerlaubnis | X | Frage ist zulässig, wenn die Fahrerlaubnis für die vereinbarte Arbeit erforderlich ist. | |
Familienplanung | X | § 3 Abs. 2, § 1 AGG, ArbG Düsseldorf, 12.03.2013 – 11 Ca 7393/11 | |
Familienstand | X | § 3 Abs. 2, § 1 AGG. Frage nach Anzahl und Alter der Kinder kann in besonderen Ausnahmefällen zulässig sein (wenn z.B. der Beruf oft den unvorhergesehenen Einsatz zu ungewöhnlichen Zeiten erforderlich macht). | |
Fremdsprachen | X | Frage ist zulässig, wenn die Sprachkenntnisse für die vereinbarte Arbeit erforderlich sind. | |
Geburtsdatum | X | Zulässig, wenn die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies erfordert (BAG, 20.05.1999 - 2 AZR 320/98). | |
Genetische Veranlagungen | X | Die Frage nach genetisch bedingter Anfälligkeit für Krankheiten ist – ebenso wie solche zum Gesundheitszustand des Bewerbers – tabu. | |
Gesundheitszustand | X | Siehe unter "Krankheiten" | |
Gewerkschaftszugehörigkeit | X | Art. 9 Abs. 3 GG; BAG, 28.03.2000 - 1 ABR 16/99; vgl. auch BAG, 18.11.2014 – 1 AZR 257/13. Frage kann im weiteren Verlauf des Einstellungsverfahrens ausnahmsweise zulässig sein, wenn es in einem tarifpluralen Betrieb zur Klärung von tarifvertraglichen Arbeitsbedingungen erforderlich ist (vgl. LAG Hessen, 07.11.2012 – 12 Sa 654/11). | |
HIV-Infizierung | X | Frage ist zulässig, wenn infolge der Infektion keine Eignung für die ausgeschriebene Stelle (z.B. bei Heilberufen) besteht. Siehe aber BAG, 19.12.2013 – 6 AZR 190/12. Danach ist HIV-Infektion mit einer Behinderung gleichzusetzen – es gilt der Diskriminierungsschutz des AGG, wenn der Arbeitgeber durch entsprechende Vorkehrungen die Beschäftigung ermöglichen kann. | |
Homosexualität | X | ||
Impfstatus | X | Frage ist zulässig, soweit nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) der Impfschutz Voraussetzung für die Beschäftigung ist. Ggf. kann auch ein Nachweis über einen natürlich erlangten Immunschutz ausreichen (§ 23a i.V.m. § 23 Abs. 3; § 20 Abs. 8 u. §§ 20a, 36 Abs. 3 IfSG). | |
Insolvenzverfahren - privates | X | Frage ist zulässig, wenn eine Vertrauensposition besetzt werden soll. | |
Kenntnisse | X | ||
Krankheiten | X | Ist durch eine Erkrankung in absehbarer Zeit mit erheblichen Ausfällen zu rechnen bzw. besteht eine Ansteckungsgefahr für Kollegen oder Kunden, hat der Bewerber eine Offenbarungspflicht. In diesen Fällen auch Fragerecht. Frage nach früheren Krankheiten ist insoweit zulässig, als ein berechtigtes Interesse des Betriebes bzw. der übrigen Mitarbeiter besteht. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht, wenn bestimmte Krankheiten der angestrebten beruflichen Tätigkeit entgegenstehen (siehe auch unter "Impfstatus"). Dies kann z.B. auch bei psychischen Krankheiten zutreffen, wenn sich daraus eine Gefahr für die Leistungserbringung im Arbeitsverhältnis oder für Kunden ergeben kann. | |
Lohnabtretung | X | Frage ist zulässig, wenn eine Vertrauensposition besetzt werden soll. | |
Nachtarbeitstauglichkeit | X | Frage ist zulässig, wenn die angestrebte Tätigkeit teilweise in Nachtarbeit ausgeübt werden muss. Wahrheitswidrige Beantwortung berechtigt in diesem Fall zur Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung (LAG Hessen, 21.09.2011 - 8 Sa 109/11). | |
Nebentätigkeit | X | Zulässig, wenn eine Nebentätigkeit die Vertragserfüllung beeinträchtigen kann (z.B. Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen). | |
Parteizugehörigkeit | X | Ausnahmen können für bestimmte Tendenzbetriebe (Verlage, Parteien etc.) gelten. | |
Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse | Zulässig, wenn durch besondere Vertrauensposition gerechtfertigt; im Übrigen umstritten. Vgl. auch BAG, 04.11.1981 - 7 AZR 264/79. | ||
Prüfungen | X | Fragerecht erstreckt sich auch auf Prüfungsnote. | |
Raucher | X | ||
Qualifikation | X | LAG Hamm, 28.08.2015 – 18 Sa 335/15; LAG Baden-Württemberg, 21.02.2019 – 3 Sa 65/17 | |
Religionszugehörigkeit | X | § 3 Abs. 1, § 1 AGG, Ausnahmen können für Tendenzbetriebe, wie z.B. kirchliche Einrichtungen, gelten. | |
Schichtdienst, Bereitschaft zum- | X | ||
Schwangerschaft | X | § 3 Abs. 1 S. 2 AGG. Frage auch nicht zulässig bei Bewerbung für befristete Stelle (EuGH, 04.10.2001 - C 109/00). Darüber hinaus selbst dann nicht zulässig, wenn die befristete Stelle zur Schwangerschaftsvertretung ausgeschrieben wurde (LAG Köln, 11.10.2012 – 6 Sa 641/12). | |
Schwerbehinderteneigenschaft | X | § 3 Abs. 1 AGG, § 164 Abs. 2 SGB IX (umstritten, ob Frage in bestimmten Fällen zulässig). Gefragt werden darf, wenn infolge der Behinderung die vertragsgemäße Erfüllung der Aufgaben unmöglich ist. Zulässig ist die Frage jedenfalls bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis nach sechs Monaten, also nach dem Erwerb des Sonderkündigungsschutzes, §§ 168; 173 Abs. 1 SGB IX; BAG, 16.02.2012 - 6 AZR 553/10). Für öffentlichen Dienst siehe § 165 SGB IX sowie BAG, 22.08.2013 – 8 AZR 563/12. | |
Sektenzugehörigkeit | X | Ausnahme, wenn Zugehörigkeit der Sekte zu einer Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft zu bezweifeln ist und die Bewerbung sich auf eine besondere Vertrauensstellung bezieht (zu "Scientology" siehe BAG, 22.03.1995 - 5 AZB 21/94 - Frage zulässig, wenn es sich nicht um eine ganz untergeordnete Tätigkeit handelt). | |
Sexuelle Identität | X | § 3 Abs. 1 ; vgl. auch BAG, 17.12.2015 – 8 AZR 421/14 | |
Sport (gefährliche Sportart) | X | ||
Sprachkenntnisse | X | Soweit für die ausgeschriebene Stelle von Bedeutung. | |
Staatsangehörigkeit | X | § 3 Abs. 2, § 1 AGG | |
Stasi-Zusammenarbeit | X | Öffentlicher Dienst: St. Repr. – BVerfG, 08.07.1997 – 1 BvR 2111/94; BAG, 16.12.2004 – 2 AZR 148/04 | |
Strafverfahren | X | Zulässig, wenn die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies erfordert (BAG, 20.05.1999 - 2 AZR 320/98). | |
Verdienst, letzter- | X | BAG, 19.05.1983 - 2 AZR 171/81. Ausnahmsweise zulässig, wenn Zusammenhang mit neuem Arbeitsplatz gegeben ist oder das Gehalt Rückschlüsse auf die erforderliche Qualifikation zulässt. | |
Vermögensverhältnisse | X | Ausnahme: Bewerbung um Stelle, die ein besonderes Vertrauensverhältnis erfordert. Dann darf auch nach Schufa-Einträgen und/oder Schulden gefragt werden. | |
Versetzungsbereitschaft | X | ||
Vorbeschäftigung | X | Ausnahme: Es soll ein befristeter Arbeitsvertrag ohne sachlichen Grund abgeschlossen werden. Dann Frage nach früherem Arbeitsvertrag bei demselben Arbeitgeber zulässig (vgl. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG und LAG Baden-Württemberg, 11.08.2016 – 3 Sa 8/16). Es ist dem Arbeitgeber nicht zuzumuten, die für die Feststellung der Vorbeschäftigung erforderlichen Daten langfristig zu speichern. Er muss diese Daten auch nicht notwendig selbst vorhalten, sondern hat in diesen Fällen gegenüber dem Bewerber ein Fragerecht (BAG, 23.01.2019 – 7 AZR 151/15). Ein Fragerecht kann z.B. auch bestehen, wenn dadurch die Berufserfahrung in Bezug auf die ausgeschriebene Stelle geklärt werden soll. | |
Vorstrafen in Bezug auf Sexualdelikte | X | Die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses (§ 30a BZRG) kann nur dann verlangt werden, wenn der Nachweis tatsächlich benötigt wird, weil der betreffenden Person eine konkrete berufliche oder ehrenamtliche Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger übertragen werden soll oder aber eine Tätigkeit, die in vergleichbarer Weise geeignet ist, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen (LAG Hamm, 26.01.2018 – 10 Sa 1122/17). Unter diesen Voraussetzungen dürfte auch ein Fragerecht bestehen. | |
Vorstrafen | X | Zulässig, wenn die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies erfordert (BAG, 20.05.1999 - 2 AZR 320/98BAG, 06.09.2012 – 2 AZR 270/11). Bewerber darf Vorstrafen verneinen, wenn diese nicht mehr in ein Führungszeugnis aufzunehmen und im Bundeszentralregister getilgt sind (§§ 51 , 53 BZRG - BAG, 20.03.2014 – 2 AZR 1071/12).Gegenüber einem Auszubildenden für den Beruf einer Fachkraft für Lagerlogistik ist die pauschale Frage nach Vorstrafen zu weitgehend und daher unzulässig (ArbG Bonn, 20.05.2020 – 5 Ca 83/20 – noch nicht rechtskräftig). Daraus ergibt sich, dass es nicht zulässig ist, ohne eine gesetzliche oder tarifvertragliche Grundlage ein polizeiliches Führungszeugnis zu verlangen. | |
Weltanschauung | X | § 3 Abs. 1, § 1 AGG | |
Wettbewerbsverbote (Vereinbarungen mit früherem Arbeitgeber) | X | Zulässig, wenn die Arbeitsleistung dadurch in der ausgeschriebenen Position für eine bestimmte Zeit eingeschränkt wäre. | |
Weiterbildung | X | ||
Zeugnisnote | X | Zulässig, soweit für die Eignung für die angebotene Stelle relevant. Unter diesen Voraussetzungen kann auch die Vorlage von Bildungsnachweisen verlangt werden. |