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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Kündigung - ordentliche: Allgemeines
Kündigung - ordentliche: Allgemeines
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Der Arbeitgeber muss sich vor einer Kündigung für die richtige Weise entscheiden. Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ist über eine ordentliche Kündigung oder über eine außerordentliche Kündigung möglich. Das Gesetz knüpft beide an unterschiedliche Voraussetzungen. Wesensmerkmal der ordentlichen Kündigung ist der Umstand, dass der Kündigende dabei eine durch Arbeitvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag vorgegebene Kündigungsfrist zu beachten hat - er muss eben ordentlich und nicht außerordentlich kündigen (s. dazu die Stichwörter Kündigungsfristen - Allgemeines ff).
Praxistipp:
Arbeitsrecht ist Arbeitnehmerschutzrecht. Eine fristlose Kündigung, bei der ein Mitarbeiter von heute auf morgen auf der Straße steht, ist das Schlimmste, was ihm passieren kann. Das Gesetz verlangt für außerordentliche Kündigungen deshalb einen wichtigen Grund. Dieser wichtige Grund muss bei Abwägung aller Interessen, zu denen auch das Bestandsinteresse des Mitarbeiters gehört, den Schluss rechtfertigen, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Auch wenn es keinen gesetzlichen Vorrang der ordentlichen vor der außerordentlichen Kündigung gibt: der Arbeitgeber ist kündigungsrechtlich nach dem Ultima-Ratio-Prinzip gehalten, das jeweils mildeste Mittel zu wählen - und das ist meistens die ordentliche, fristgemäße Kündigung.
Bei einer ordentlichen Kündigung sind gewisse Formalien einzuhalten. § 623 BGB verlangt Schriftform (dazu: Kündigung - ordentliche: Schriftform). Eine mündlich ausgesprochene ordentliche Kündigung ist unwirksam. Dann muss die maßgebliche Kündigungsfrist (s. dazu: Kündigungsfristen - Allgemeines ff.) eingehalten werden. Des Weiteren muss die ordentliche Kündigung auch den Empfänger erreichen. Sie muss zugehen. Ein besonderer Kündigungsgrund ist nur dort erforderlich, wo das Kündigungsschutzgesetz greift. In mitbestimmten Betrieben der Betriebsrat vor der Kündigung anzuhören. Macht der Arbeitgeber das nicht, ist seine Kündigung unwirksam. Und dann gibt es noch die - lösbaren - Fälle, in denen eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist: hier hilft dann eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist.
2. Abgrenzung
Der Arbeitgeber hat mehrere Möglichkeiten, ein Arbeitsverhältnis per Kündigung zu gestalten oder zu beenden. Er kann eine
Änderungskündigung oder
eine Beendigungskündigung
vornehmen. Beide können
außerordentlich oder
ordentlich
erklärt werden:
außerordentlich heißt, ohne Einhalten eine Kündigungsfrist;
ordentlich heißt, mit Einhalten einer Kündigungsfrist.
Jede Art von Kündigung folgt ihren eigenen Regeln (weitere Informationen sind in den Stichwörtern Kündigung - außerordentliche: Abgrenzung und Kündigung - ordentliche: Abgrenzung hinterlegt).
3. Formalien
Bei einer ordentlichen Kündigung ist - wie bei allen Kündigungen - zunächst das Schriftformerfordernis des § 623 BGB zu beachten (dazu: Kündigung - ordentliche: Schriftform). Die Kündigungserklärung muss vom Kündigenden
eigenhändig durch Namensunterschrift oder
mittels notariell beglaubigten Handzeichens
unterzeichnet werden (§ 126 Abs. 1 BGB). Fehlt die Unterschrift, ist das Rechtsgeschäft Kündigung wegen Formmangels nichtig (§ 125 Satz 1 BGB). Das gilt
sowohl für die Arbeitgeber- als auch
für die Arbeitnehmerkündigung (Kündigung - ordentliche: Arbeitnehmer).
Darüber hinaus ist es erforderlich, dass der Kündigende bei der ordentlichen Kündigung die maßgebliche Kündigungsfrist einhält (s. dazu die Stichwörter Kündigungsfristen - Allgemeines ff. und Kündigung - ordentliche: Kündigungsfristen). Diese Kündigungsfrist kann sich aus
dem Arbeitsvertrag
einem Tarifvertrag oder
einem Gesetz
ergeben (s. dazu auch das Stichwort Kündigung - ordentliche: Kündigungsfristen). Trifft der Kündigende nicht die richtige Frist, ist seine Erklärung in der Regel als Kündigung zum richtigen - fristgemäßen - Kündigungstermin auszulegen.
4. Erklärung, Zugang, Zustellung
Die ordentliche Kündigung ist eine
einseitige
empfangsbedürftige
Willenserklärung.
Damit die Kündigung wirksam wird, muss sie erklärt werden und beim Kündigungsempfänger ankommen. Sie muss zugehen. Dabei wird zwischen dem Zugang unter
Anwesenden und
Abwesenden
unterschieden. Der Kündigungsempfänger braucht die Kündigungserklärung nicht zu lesen. Er muss nur die Möglichkeit haben, unter gewöhnlichen Verhältnissen von ihr Kenntnis zu nehmen (s. dazu das Stichwort Kündigung - ordentliche: Erklärung).
Die Kündigung unter Anwesenden erfolgt in der Regel dadurch, dass der Kündigende, sein Bevollmächtigter oder sein Bote dem Kündigungsempfänger das Kündigungsschreiben übergibt. Die Kündigung unter Abwesenden erfordert eine Zustellung der Kündigung. Als Möglichkeiten gibt es:
persönliche Zustellung durch den Arbeitgeber
persönliche Zustellung durch einen Bevollmächtigten des Arbeitgebers
persönliche Zustellung durch einen Boten des Arbeitgebers
nicht persönliche Zustellung
über das Postfach des Arbeitnehmers
mit einfachem Brief
per Einschreiben
oder via Gerichtsvollzieher
Der Kündigende trägt die prozessuale Darlegungs- und Beweislast für den Zugang seiner Kündigungserklärung. Er sollte sich daher immer für den einfachsten, nachvollziehbarsten und sichersten Weg der Zustellung entscheiden (s. dazu das Stichwort Kündigung - ordentliche: Zustellung).
5. Kündigungsgrund, Mitbestimmung, Ausschluss
In einem Kleinbetrieb, das heißt nach § 23 Abs. 1 KSchG
bis zum 31.12.2003 fünf und weniger Vollzeitarbeitnehmer,
ab dem 01.01.2004 zehn und weniger Vollzeitarbeitnehmer (Kündigungsschutz - Allgemeines),
braucht eine ordentliche Kündigung nur
form- und
fristgemäß
zu sein. In mitbestimmten und größeren Unternehmen sind weitere Anforderungen zu erfüllen.
Seit dem 18.08.2006 gibt es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz - AGG. Nach § 2 Abs. 4 AGG gelten für Kündigungen zwar "ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz". Trotzdem wird sich das AGG mehr und mehr im Kündigungsrecht auswirken - und das auch in Fällen, in denen eine Kündigung nicht nach § 1 Abs. 1 KSchG sozial gerechtfertigt sein muss: eine AGG-widrige Kündigung könnte nämlich auch unwirksam sein, § 134 BGB).
5.1 Kündigungsgrund
In Betrieben, in denen nach § 23 Abs. 1 KSchG das Kündigungsschutzgesetz greift, muss eine ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt sein, § 1 Abs. 1 KSchG. Der Arbeitgeber braucht für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen einen Kündigungsgrund (Kündigung - ordentliche: Kündigungsgrund). Dieser Kündigungsgrund kann
betriebs-
personen- oder
verhaltensbedingt
sein. Einzelheiten zu den unterschiedlichen KSchG-Kündigungsgründen sind in den Stichwörtern
hinterlegt.
5.2 Mitbestimmung
In Betrieben mit Betriebsrat muss der Arbeitgeber vor jeder Kündigung seinen Betriebsrat anhören, § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG (s. dazu: Kündigung - ordentliche: Mitbestimmung).
Der Arbeitgeber ist im Anhörungsverfahren verpflichtet, seinem Betriebsrat die Kündigungsgründe so ausführlich mitzuteilen, dass der keine eigenen Nachforschungen mehr anstellen muss. Dabei muss der Betriebsrat nicht darüber entscheiden, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Er muss ihm aber die aus seiner Sicht subjektiv tragenden Kündigungsgründe nennen.
Für das Anhörungsverfahren gilt:
Hat der Betriebsrat Bedenken gegen die ordentliche Kündigung, muss er sie dem Arbeitgeber unter Angabe der Gründe innerhalb einer Woche mitteilen (§ 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG).
Äußert sich der Betriebsrat innerhalb der Wochenfrist nicht, gilt seine Zustimmung zur ordentlichen Kündigung als erteilt (§ 102 Abs. 2 Satz 2 BetrVG).
Liegen Gründe aus dem Katalog des § 102 Abs. 3 BetrVG vor, kann der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung widersprechen. Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall einen betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch (§ 102 Abs. 5 BetrVG).
Eine ohne Anhörung des Betriebsrats erklärte Kündigung ist unwirksam, § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG.
5.3 Ausschluss
Es gibt Arbeitsverhältnisse, in denen die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist (s. dazu Kündigung - ordentliche: Ausschluss). Dieser Kündigungsausschluss kann
im Arbeitsvertrag,
in einer Betriebsvereinbarung oder
in einem Tarifvertrag
geregelt sein.
Alle Ausschlusstatbestände knüpfen in der Regel an
ein höheres Lebensalter und
eine längere Betriebszugehörigkeit
an. Arbeitnehmer sollen im Prinzip für ihre Betriebstreue belohnt werden und deswegen vor einer ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers geschützt sein.
Die außerordentliche Kündigung lässt sich im Dauerschuldverhältnis Arbeitsvertrag nicht ausschließen. In vielen Fällen führt der Ausschluss einer ordentlichen Kündigung allerdings zu unzumutbaren Verhältnissen. Die Rechtsprechung hat dazu das Institut der außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist entwickelt.
Beispiel:
Arbeitnehmer N ist seit mehreren Jahren arbeitsunfähig krank. Seine Gesundheitsprognose ist negativ. Das Beschäftigungsverhältnis mit Arbeitgeber A besteht "nur noch auf dem Papier". Der Branchentarifvertrag sieht für Arbeitnehmer nach dem vollendeten 50. Lebensjahr und mindestens 20-jähriger Betriebszugehörigkeit einen Ausschluss der ordentlichen Kündigung vor. Würde man A nun für verpflichtet halten, das Arbeitsverhältnis des N bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze fortzusetzen, hieße das, ihn zu zwingen, ein völlig sinnentleertes Arbeitsverhältnis, aus dem die Gegenleistung Arbeit nicht mehr zurückfließt, aufrecht zu halten. Das ist unzumutbar. A darf außerordentlich mit notwendiger Auslauffrist kündigen.
Die notwendige Auslauffrist entspricht von der Länge her der Frist, die sonst bei einer ordentlichen Kündigung einzuhalten wäre (mehr dazu im Stichwort Kündigung - ordentliche: Ausschluss).
6. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zu allgemeinen Fragen bei einer ordentlichen Kündigung in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet hinterlegt:
6.1 Anhörungspflicht?
Das BAG vertritt die Auffassung, dass ein Arbeitgeber seinen Mitarbeiter vor Ausspruch einer Verdachtskündigung anhören müsse. Tut er das nicht, ist die Kündigung unwirksam. Für die Arbeitgeberkündigung in einem Betrieb, in dem weder das KSchG noch das BetrVG greift, hält das ArbG Gelsenkirchen eine vorherige Anhörung des Arbeitnehmers schon vor Ausspruch einer normalen Kündigung für erforderlich. Das verlange ein gewisser verfassungsrechtlich verankerter Mindestschutz von Arbeitnehmern. Sie müssen die Möglichkeit haben, auf die Willensbildung des Arbeitgebers vor der Kündigung Einfluss zu nehmen. Das gebiete unter anderem der verfassungsrechtlich verankerte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht (ArbG Gelsenkirchen, 17.03.2010 - 2 Ca 319/10 - aber nur eine Mindermeinung).
6.2 Arbeitnehmer
Wird ein Arbeitsverhältnis ordentlich gekündigt, obwohl die ordentliche Kündigung aufgrund vertraglicher Absprachen ausgeschlossen ist, ist eine gleichwohl ausgesprochene ordentliche Kündigung unwirksam. Auch wenn sich der Arbeitnehmer auf Mobbing als Kündigungsgrund beruft: Es gilt nichts anderes. Unter Umständen stehen dem "herausgemobbten" Arbeitnehmer jedoch Schadensersatzansprüche zu (BAG, 09.12.2008 - 3 AZR 432/07).
6.3 Ausschluss des Zurückweisungsrechts
Das Zurückweisungsrecht nach § 174 Satz 1 BGB bei Kündigung durch einen Bevollmächtigten ohne Vorlage der Vollmacht wird nach § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen, "wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte." Das Gesetz sieht für das In-Kenntnis-Setzen keine besondere Form vor. Insoweit genügt eine Mitteilung des Vollmachtgebers, die sich unter anderem an den (späteren) Empfänger der Kündigung richtet (s. dazu BAG, 24.09.2015 - 6 AZR 492/14). "Ein In-Kenntnis-Setzen liegt auch dann vor, wenn der Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter - zB durch die Bestellung zum Prokuristen, Generalbevollmächtigten oder Leiter der Personalabteilung - in eine Position berufen hat, die üblicherweise mit dem Kündigungsrecht verbunden ist. Dabei reicht allerdings die bloße Übertragung einer solchen Funktion nicht aus, wenn diese Funktionsübertragung aufgrund der Stellung des Bevollmächtigten im Betrieb nicht ersichtlich ist und auch keine sonstige Bekanntmachung erfolgt" (BAG, 05.12.2019 - 2 AZR 147/19).
6.4 BGB-Gesellschaft
Für einseitige Rechtsgeschäfte wie die Kündigung sieht § 174 Satz 1 BGB vor: "Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist." Das Kündigungsschreiben einer BGB-Gesellschaft muss in der Regel von allen Gesellschaftern unterschrieben sein. Hat nur einer das Kündigungsschreiben unterschrieben, gilt: "§ 174 BGB findet analoge Anwendung auf einseitige Rechtsgeschäfte, die ein abweichend von der gesetzlichen Grundregel der §§ 709, 714 BGB allein vertretungsberechtigter Gesellschafter im Namen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts vornimmt" (BAG, 05.12.2019 - 2 AZR 147/19 - Leitsatz).
6.5 "Hilfweise ordentlich"
Viele außerordentliche Kündigungen werden mit dem Zusatz "hilfsweise ordentlich zum >Datum>" ausgesprochen. Nun ist eine Kündigung zwar ein bedingungsfeindliches Rechtsgeschäft, die Verwendung dieses Zusatzes stellt aber keine zur Unwirksamkeit einer Kündigung führende Bedingung auf. Auch ist der unbedingte Wille des Arbeitgebers erkennbar, das Arbeitsverhältnis beenden zu wollen. Er bringt mit "hilfsweise" oder "vorsorglich" bloß zum Ausdruck, dass er vorrangig auf einen anderen Beendigungstatbestand (nämlich die außerordentliche Kündigung) setzt - auf dessen Rechtswirkung er gerade nicht verzichten will.
"Die 'hilfsweise' oder 'vorsorglich' erklärte Kündigung steht unter einer - zulässigen [es folgt ein Hinweis auf BAG, 03.04.2008 - 2 AZR 500/06] - auflösenden Rechtsbedingung i.S.v. § 158 Abs. 2 BGB. Ihre Wirkung endigt, wenn feststeht, dass das Arbeitsverhältnis bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufgelöst worden ist" (BAG, 23.05.2013 - 2 AZR 54/12).
6.6 Kündigungsverzicht durch Abmahnung
Kein Arbeitgeber ist verpflichtet, nach einem bestimmten Vorfall wegen des Geschehenen zu kündigen – weder ordentlich noch außerordentlich. Auf sein Kündigungsrecht darf ein Arbeitgeber sogar durch eine entsprechende Willenserklärung verzichten (s. dazu BAG, 26.11.2009 – 2 AZR 751/08). Das kann er zum einen durch eine ausdrückliche Erklärung tun, zum anderen aber auch durch schlüssiges Verhalten (= konkludent). Daher wird im Ausspruch einer Abmahnung in der Regel ein konkludenter Verzicht auf eine Kündigung wegen des konkreten Sachverhalts, der Gegenstand der Abmahnung ist, gesehen werden. Denn mit seiner Abmahnung gibt der Arbeitgeber zu verstehen, dass er das Arbeitsverhältnis doch noch nicht als so gestört ansieht, dass er es mit dem abgemahnten Mitarbeiter nicht weiter fortsetzen möchte (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 16.03.2021 – 2 Sa 360/20 – mit dem Hinweis, dass der Verzicht durch Abmahnung keine hinzutretenden oder erst später bekanntgewordenen Gründe erfasst).
6.7 Mitteilungspflicht
Finden bloß gesetzliche, tarifliche oder arbeitsvertraglich vereinbarte Kündigungsfristen Anwendung, verlangt die wirksame Beteiligung des Personalrats nicht, dass der Arbeitgeber ihm die Berechnung der Kündigungsfrist und den konkreten Endtermin angibt. Vorausgesetzt, der Arbeitgeber hat dem Personalrat die "personalen Daten" des Arbeitnehmers mitgeteilt. Für die Personalvertretung reicht es aus, wenn sich aus ihrer Unterrichtung ergibt, dass es sich um eine ordentliche Kündigung - im Zweifel zum nächst zulässigen Kündigungstermin - handelt (BAG, 13.03.2008 - 2 AZR 88/07).
6.8 Organschaftliche Vertretung
Der Kündigungsempfänger kann die einseitige Willenserklärung Kündigung eines Bevollmächtigten gem. § 174 Satz 1 BGB zurückweisen, wenn der Bevollmächtigte ihm keine Vollmachtsurkunde vorlegt. Dieses Zurückweisungsrecht besteht allerdings nicht im Fall organschaftlicher Vertretung. "Die organschaftliche Vertretungsmacht beruht auf der Bestellung des Vertreters zum Organ einer juristischen Person, die nur durch ihre Organe am Rechtsverkehr teilnehmen kann" (s. dazu BAG, 10.02.2005 - 2 AZR 584/03). Der organschaftliche Vertreter (z.B. ein GmbH-Geschäftsführer, Anm. d. Verf.) ist mit Namen und Umfang seiner Vertretungsmacht in ein öffentliches Register eingetragen - und das wirkt der Unsicherheit über die in Anspruch genommene organschaftliche Vertretungsmacht entgegen (BAG, 05.12.2019 - 2 AZR 147/19 - mit Hinweis auf BGH, 20.02.2014 - III ZR 443/13 u. BGH, 09.11.2001 - LwZR 4/01).
6.9 Teilurlaub
Wird ein Arbeitsverhältnis zum 30.06. eines Kalenderjahres beendet, scheidet der Arbeitnehmer in der ersten Jahreshälfte - wenn auch mit dem letzten Tag dieser ersten Jahreshälfte - aus dem Arbeitsverhältnis aus. Das führt nach § 5 Abs. 1 lit. c) BUrlG selbst nach Erfüllung der 6-monatigen Wartezeit des § 4 BUrlG dazu, dass für das Jahr des Ausscheidens nur ein Teilurlaubsanspruch entsteht, nämlich 6/12. Beginnt das Arbeitsverhältnis eines Mitarbeiters am 01.07. eines Kalenderjahres, kann ebenfalls kein voller Urlaubsanspruch entstehen. Nach § 4 BUrlG wird der volle Urlaubsanspruch "erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben." "§ 1 BUrlG ordnet i.V.m. § 3 Abs. 1 BUrlG an, dass jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 24 Werktage bezahlten Erholungsurlaub hat. Die gesetzliche Regelung geht damit nicht davon aus, dass ein Arbeitnehmer, der bei einem Arbeitgeber vom 1. Januar bis zum 30. Juni und bei einem anderen Arbeitgeber vom 1. Juli bis zum 31. Dezember desselben Jahres beschäftigt war, zweimal einen vollen Urlaubsanspruch im Umfang von jeweils 24 Werktagen erwirbt" (BAG, 17.11.2015 - 9 AZR 179/15 - mit Hinweis auf BAG, 21.02.2012 - 9 AZR 487/10).
6.10 Umdeutung - 1
Eine unwirksame außerordentliche Kündigung kann nach § 140 BGB grundsätzlich in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden. Da im Personalvertretungsrecht der Bundesländer - hier: Nordrhein-Westfalen - oft unterschiedliche Beteiligungsformen für die einzelnen Kündigungsformen verankert sind, gilt: "Die Umdeutung einer außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung ist grundsätzlich auch nur insoweit möglich, als die Beteiligung der Personalvertretung den Voraussetzungen entspricht, die für eine ordentliche Kündigung in den einzelnen Personalvertretungsgesetzen der Länder oder des Bundes vorgesehen sind" (BAG, 23.10.2008 - 2 AZR 388/07).
6.11 Umdeutung - 2
"Ob bei einer ordentlichen Kündigung die Nichteinhaltung der objektiv richtigen Kündigungsfrist mit der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht werden muss, hängt davon ab, ob die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist zur Unwirksamkeit der Kündigungserklärung führt. Das ist der Fall, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen lässt. Bedürfte die Kündigung der Umdeutung in ein anderes Rechtsgeschäft, nämlich in eine Kündigung mit zulässiger Frist, gilt die mit zu kurzer Frist ausgesprochene nach § 7 KSchG als rechtswirksam und beendet das Arbeitsverhältnis zum 'falschen Termin', wenn die zu kurze Kündigungsfrist nicht als anderer Rechtsunwirksamkeitsgrund binnen drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege (§ 4 Satz 1, § 6 KSchG) geltend gemacht worden ist" (BAG, 15.05.2013 - 5 AZR 130/12 - mit Hinweis auf BAG, 01.09.2010 - 5 AZR 700/09).
6.12 Verwirkung
Wie jedes Recht unterliegt auch das Kündigungsrecht des Arbeitgebers nach § 242 BGB der Verwirkung. So kann ein Kündigungssachverhalt beispielsweise durch Zeitablauf dermaßen an Bedeutung verlieren, dass ein Arbeitnehmer vor einer Beendigung seines Arbeitsverhältnisses geschützt werden muss (s. dazu BAG, 23.01.2014 - 2 AZR 638/13 u. BAG, 15.08.2002 - 2 AZR 514/01). "Der Arbeitgeber hat das Recht zur ordentlichen Kündigung verwirkt, wenn er in Kenntnis eines Kündigungsgrundes längere Zeit untätig bleibt, d.h. die Kündigung nicht erklärt, obwohl ihm dies möglich und zumutbar gewesen wäre (Zeitmoment), und er dadurch beim Arbeitnehmer das berechtigte Vertrauen erweckt [Umstandsmoment], die Kündigung werde auch künftig unterbleiben" (BAG, 15.12.2016 - 2 AZR 42/16 - mit Hinweis auf BAG, 23.01.2014 - 2 AZR 638/13 u. BAG, 15.08.2002 - 2 AZR 514/01).
Siehe auch
Kündigung - außerordentliche: AbgrenzungKündigung - betriebsbedingt: AllgemeinesKündigung - ordentliche: ArbeitnehmerKündigung - ordentliche: KündigungsfristenKündigung - ordentliche: KündigungsgrundKündigung - ordentliche: SchriftformKündigung - ordentliche: ZustellungKündigung - personenbedingt: AllgemeinesKündigungsfristen - AllgemeinesKündigungsschutz - Allgemeines