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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Telearbeit - Sonstige Rechtsverhältnisse
Telearbeit - Sonstige Rechtsverhältnisse
Inhaltsübersicht
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Information
1. Heimarbeitsverhältnis
Hinweis:
Die Verwendung und Definition der Begriffe Telearbeit, mobile Arbeit und Homeoffice ist in der wissenschaftlichen Literatur und betrieblichen Praxis uneinheitlich.
Auch werden in arbeitsrechtlichen Vorschriften unterschiedliche Begriffe verwendet und definiert; sie umfassen zudem unterschiedliche Anwendungsbereiche und sind untereinander nicht kongruent.
Im Wesentlichen anerkannt ist die Definition der Telearbeit als einer Tätigkeit, die regelmäßig (aber nicht notwendig ausschließlich) außerhalb der zentralen Betriebsstätte des Auftraggebers oder des Arbeitgebers erbracht wird, wobei bei der Ausführung dieser Tätigkeit Informations- und Kommunikationstechniken verwandt werden, die die Verbindung mit dem Betrieb des Arbeitgebers oder des Auftraggebers herstellen.
Deshalb wird hier der herkömmliche und ältere Begriff der Telearbeit als Oberbegriff verwendet.
Vgl. zu den unterschiedlichen Begriffen von Telearbeit, mobile Arbeit und Homeoffice und deren Definition und Formen Telearbeit – Allgemeines und Telearbeit – Definition und Formen.
Das Heimarbeitsverhältnis unterscheidet sich vom Arbeitsverhältnis durch eine geringere persönliche bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Auftraggeber. Das Heimarbeitsgesetz (HAG) bietet Heimarbeitern, Hausgewerbetreibenden und ihnen Gleichgestellten eine gewisse soziale Absicherung, die aber nicht so weit reicht wie bei Außenarbeitnehmern. Die vom HAG geschützte Gruppe zählt zu den arbeitnehmerähnlichen Personen.
1.1 Definition des Heimarbeitsplatzes
Heimarbeiter ist nach § 2 Abs. 1 HAG, wer in selbstgewählter Arbeitsstätte (eigener Wohnung oder selbstgewählter Betriebsstätte) allein oder mit seinen Familienangehörigen (§ 2 Abs. 5 HAG) im Auftrag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistern erwerbsmäßig arbeitet, jedoch die Verwertung der Arbeitsergebnisse dem unmittelbar oder mittelbar Auftrag gebenden Gewerbetreibenden überlässt.
1.2 Form der Telearbeit
Telearbeit in Form von einfacher Dateneingabe oder Schreibarbeiten kann unter diesen Voraussetzungen unter den Geltungsbereich des Heimarbeitsgesetzes(HAG) fallen. Ob das Heimarbeitsgesetz für höherqualifizierte Angestelltentätigkeiten zur Anwendung kommen kann, war lange Zeit umstritten. Ein derartiger Ausschluss, wäre allerdings weder vom Gesetzeswortlaut noch vom Sinn und Zweck des Heimarbeitsgesetzes gedeckt und wird daher von der herrschenden Meinung abgelehnt. Es wäre nicht einzusehen, warum beispielsweise ein Software Programmierer weniger schutzbedürftig sein sollte als eine Schreibkraft, wenn die übrigen Voraussetzungen der Heimarbeit vorliegen.
Auch eine Gleichstellung nach § 1 Abs. 2 Buchst. a HAG kommt bei entsprechender Schutzbedürftigkeit in Betracht.
1.3 Hausgewerbetreibender
Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 HAG kommen für den Status des Hausgewerbetreibenden nur bestimmte produzierende oder bearbeitende Tätigkeiten in Betracht, die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses Arbeitertätigkeiten wären. Für die Telearbeit ist diese Einordnung daher von seltenen Ausnahmefällen abgesehen nicht relevant.
2. Telearbeit in arbeitnehmerähnlicher Tätigkeit
Kommt weder ein Arbeitsverhältnis noch das Heimarbeitsgesetz zur Anwendung, kann gleichwohl Arbeitnehmerähnlichkeit vorliegen. Arbeitnehmerähnliche Personen sind Selbständige, die im Gegensatz zum Arbeitnehmer nicht persönlich, aber wirtschaftlich abhängig sind. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit ist dann gegeben, wenn die Person auf die Verwertung ihrer Arbeitskraft und die Einkünfte aus der Dienstleistung zur Sicherung ihrer Existenzgrundlage angewiesen ist. Die Person muss ihrer gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar schutzbedürftig sein. Die Vertragsbeziehung muss von einer gewissen Dauer sein. Für diese Gruppe gelten nur einzelne arbeitsrechtliche Bestimmungen. Nach § 12a TVG können auch für arbeitnehmerähnliche Personen Tarifverträge abgeschlossen werden.
3. Telearbeit als selbstständige Tätigkeit
Telearbeit kann schließlich auch als selbstständige Tätigkeit, vor allem im Rahmen eines Werkvertrages oder (freien) Dienstvertrages erbracht werden. Dies wird meist dann der Fall sein, wenn diese Person unmittelbar "am freien Markt" tätig ist und keine nennenswerten organisatorischen Bindungen oder persönlichen Abhängigkeiten gegenüber dem Auftraggeber oder dem Auftraggebers bestehen.
Das Tätigwerden für mehrere Auftraggeber, eine eigene Unternehmensorganisation und ein eigenes unternehmerisches Risiko sind Indizien für persönliche Selbstständigkeit. Entscheidend ist nicht die rechtliche Qualifikation des Vertragsverhältnisses durch die Parteien (z.B. Werkvertrag), sondern die praktische Handhabung des Vertrages.
4. Telearbeit in Crowdworking
Neben der Beschäftigungsform der selbständigen Arbeit als freier Mitarbeiter (auch Freelancer genannt) und mit dem Abschluss von Werk- oder Dienstverträgen kann Telearbeit auch in der Beschäftigungsform des sog. Crowdworking geleistet werden.
Crowdworking ist eine Plattformökonomie und hat seinen Ursprung in den USA. Dabei schreiben Unternehmen über webbasierte Plattformen Arbeitsaufgaben an die Crowd aus, deren Nutzer, die Crowdworker, ihre Dienstleistung dort anbieten und die ausgeschriebenen Tätigkeiten nach Erhalt des Zuschlags ortsunabhängig erledigen.
Beim internen Crowdworking wird eine unternehmensinterne Plattform zur Verfügung gestellt, auf die nur unternehmenseigene Mitarbeiter eine Zugriffsmöglichkeit haben.
Beim externen Crowdworking erledigen nach erteiltem Zuschlag unternehmensfremde Arbeitskräfte die ausgeschriebenen Tätigkeiten. Diese werden meist als Selbständige angesehen; d.h. sie sind keine Arbeitnehmer, tragen das unternehmerische Risiko selbst, sie gehören keinen Sozialsystemen für Arbeitnehmer an und unterliegen keinen arbeitschutzrechtlichen Vorschriften (so die herrschende Meinung; vgl. Preis, in Erfurter Kommentar Arbeitsrecht, 22.A. 2022, § 611a BGB, Rn. 60a).
Überraschenderweise und im Gegensatz zur bisher herrschenden Meinung hat das Bundesarbeitsgericht dagegen in seinem Urteil v. 1.12.2020 (BAG v. 1.12.2020 - 9 AZR 102/20) festgestellt, dass der dort beschäftigte Crowdworker in einem Arbeitsverhältnis bei dem beklagten Betreiber („Crowdsourcer“) stand.
Nach dem Urteil des BAG kann die tatsächliche Durchführung von Kleinstaufträgen („Mikrojobs“) durch Nutzer einer Online-Plattform („Crowdworker“) auf der Grundlage einer mit deren Betreiber („Crowdsourcer“) getroffenen Rahmenvereinbarung ergeben, dass die rechtliche Beziehung als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist.
In dem vom BAG entschiedenen Fall kontrollierte der Betreiber im Auftrag ihrer Kunden die Präsentation von Markenprodukten im Einzelhandel und an Tankstellen. Die Kontrolltätigkeiten selbst ließ sie durch Crowdworker ausführen. Deren Aufgabe bestand insbesondere darin, Fotos von der Warenpräsentation anzufertigen und Fragen zur Werbung von Produkten zu beantworten. Auf der Grundlage einer „Basis-Vereinbarung“ und Allgemeiner Geschäftsbedingungen bot der Betreiber die „Mikrojobs“ über eine Online-Plattform an. Über einen persönlich eingerichteten Account konnte jeder Nutzer der Online-Plattform auf bestimmte Verkaufsstellen bezogene Aufträge annehmen, ohne dazu vertraglich verpflichtet zu sein. Übernahm der Crowdworker einen Auftrag, musste er diesen regelmäßig binnen zwei Stunden nach detaillierten Vorgaben des Crowdsourcers erledigen.
Das BAG hat – bezogen auf diesen Sachverhalt festgestellt, dass der Crowdworker in einem Arbeitsverhältnis bei dem beklagten Betreiber („Crowdsourcer“) stand.
Für ein Arbeitsverhältnis spricht es – so das BAG –, wenn der Auftraggeber die Zusammenarbeit über die von ihm betriebene Online-Plattform so steuert, dass der Auftragnehmer infolge dessen seine Tätigkeit nach Ort, Zeit und Inhalt nicht frei gestalten kann. So liege der entschiedene Fall. Der Crowdworker leistete in arbeitnehmertypischer Weise weisungsgebundene und fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit. Zwar war er vertraglich nicht zur Annahme von Angeboten der Beklagten verpflichtet. Die Organisationsstruktur der von dem Betreiber betriebenen Online-Plattform war aber darauf ausgerichtet, dass über einen Account angemeldete und eingearbeitete Nutzer kontinuierlich Bündel einfacher, Schritt für Schritt vertraglich vorgegebener Kleinstaufträge annehmen, um diese persönlich zu erledigen. Erst ein mit der Anzahl durchgeführter Aufträge erhöhtes Level im Bewertungssystem ermöglicht es den Nutzern der Online-Plattform, gleichzeitig mehrere Aufträge anzunehmen, um diese auf einer Route zu erledigen und damit faktisch einen höheren Stundenlohn zu erzielen. Durch dieses Anreizsystem wurde der Kläger dazu veranlasst, in dem Bezirk seines gewöhnlichen Aufenthaltsorts kontinuierlich Kontrolltätigkeiten zu erledigen.
5. Übersicht über anzuwendende Gesetze
Übersicht über die Anwendbarkeit einzelner Gesetze, jeweils bezogen auf den Status eines Arbeitnehmers, Heimarbeiters oder Sonstigen (Selbständiger oder freier Mitarbeiter):
Arbeitnehmer | Heimarbeiter | sonstiger Status | |
BetriebsverfassungsG | ja | ja, soweit hauptsächlich für den Betrieb tätig | nein |
KündigungsschutzG | ja | nein | nein |
MutterschutzG | ja | ja | nein |
JugendarbeitsschutzG | ja | ja | nein, für Selbstständige ja, für arbeitnehmerähnliche Personen |
BundesurlaubsG | ja | teilweise gem. § 12 BUrlG | nein, für Selbstständige; ja, für arbeitnehmerähnliche Personen |
HeimarbeitsG | nein | ja | nein |
ArbeitsplatzschutzG | ja | teilweise gem. § 7 ArbPlSchG | nein |
ArbeitszeitG | ja | nein (stattdessen §§ 10, 11 HAG) | nein |
EntgeltfortzahlungsG | ja | ja (§§ 10, 11 EFZG) | nein |
SGB IX | ja | Vorschriften gem. § 127 SGB IX | nein |