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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Zuschläge - Inhaltskontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten
Zuschläge - Inhaltskontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
In seiner Entscheidung vom 25.04.2007 - 5 AZR 627/06 - hat sich das BAG mit der Frage befasst, wie eine Leistungszulage zu behandeln ist, die unter Ausschluss jeglichen Rechtsanspruchs gewährt und dann plötzlich eingestellt wird.
Der Leitsatz der Entscheidung lautet: Sieht ein vom Arbeitgeber vorformulierter Arbeitsvertrag eine monatlich zu zahlende Leistungszulage unter Ausschluss jeden Rechtsanspruchs vor, benachteiligt dies den Arbeitnehmer unangemessen. Die Klausel ist unwirksam (BGB §§ 307, 308 Nr. 4, 611).
Die Entscheidung hat große Bedeutung für die betriebliche Praxis.
2. Unwirksamkeit der Klausel
Wird in einem vorformulierten Arbeitsvertrag eine monatlich zahlbare Leistungszulage unter Ausschluss jeden Rechtsanspruchs zugesagt, ist dieser Teil der vertraglichen Regelung unwirksam.
Die Klausel hält als Allgemeine Geschäftsbedingung einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB nicht stand.
Der Ausschluss jeden Rechtsanspruchs bei der Zusage einer monatlich zusammen mit der Grundvergütung zahlbaren Leistungszulage weicht von Rechtsvorschriften ab und unterliegt deshalb gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB. Rechtsvorschriften i.S.d. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind nicht nur die Gesetzesbestimmungen selbst, sondern die dem Gerechtigkeitsgebot entsprechenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze, d.h. auch alle ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die aufgrund ergänzender Auslegung nach §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten.
Einseitige Leistungsbestimmungsrechte, die dem Verwender das Recht einräumen, die Hauptleistungspflichten einzuschränken, zu verändern, auszugestalten oder zu modifizieren, unterliegen einer gerichtlichen Inhaltskontrolle anhand der §§ 305 ff. BGB.
Solche Klauseln weichen von dem allgemeinen Grundsatz ab, dass Verträge und die sich aus ihnen ergebenden Verpflichtungen für jede Seite bindend sind (pacta sunt servanda).
3. Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers
Ein vertraglich vereinbarter Ausschluss jeden Rechtsanspruchs bei laufendem Arbeitsentgelt benachteiligt den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Von maßgeblicher Bedeutung ist insoweit, ob die gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots darstellt.
Die Frage, ob eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders vorliegt, ist auf der Grundlage einer Abwägung der berechtigten Interessen der Beteiligten zu beantworten. Hierbei ist das Interesse des Verwenders an der Aufrechterhaltung der Klausel mit dem Interesse des Vertragspartners an der Ersetzung der Klausel durch das Gesetz abzuwägen. Es ist ein genereller, typisierender Maßstab anzulegen.
Der Ausschluss jeden Rechtsanspruchs bei laufendem Arbeitsentgelt widerspricht dem Zweck des Arbeitsvertrags. Denn dem Arbeitgeber soll ermöglicht werden, vom Arbeitnehmer die vollständige Erbringung der geschuldeten Leistung zu verlangen und seinerseits über die von ihm geschuldete Gegenleistung zu disponieren. Damit verhindert der Ausschluss des Rechtsanspruchs die Verwirklichung des Prinzips der Vertragsbindung und löst die synallagmatische Verknüpfung der Leistungen bei den Vertragsparteien.
Die Möglichkeit, die zugesagte Zahlung grundlos und dazu noch ohne jegliche Erklärung einzustellen, beeinträchtigt die Interessen des Arbeitnehmers grundlegend. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei den unter einem Vorbehalt stehenden Leistungen nicht um die eigentliche Grundvergütung, sondern um eine zusätzliche Abgeltung der Arbeitsleistung in Form einer Zulage handelt. Auch derartige Zulagen stellen laufendes Arbeitsentgelt dar, sind also in das vertragliche Synallagma eingebundene Leistungen. Der Umfang der unter einem "Freiwilligkeitsvorbehalt" zugesagten Leistungen ist dabei unerheblich.
4. Kein Widerrufsvorbehalt anstelle des unwirksamen Freiwilligkeitsvorbehaltes
Während Gerichtsentscheidungen üblicherweise nur - am Einzelfall orientiert - feststellen "was nicht geht", enthält das vorliegende Urteil wertvolle Hinweise für alternative Regelungsmöglichkeiten durch den Arbeitgeber.
So weist das BAG zunächst noch einmal darauf hin, dass die vertraglichen Regelungen im Übrigen wirksam bleiben (§ 306 Abs. 1 BGB; vgl. auch BGH, 05.06.1989 - 11 ZR 227/88). Anstelle eines unwirksamen Freiwilligkeitsvorbehalts tritt bei Leistungszulagen kein Widerrufsvorbehalt.
Sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, ist nach § 306 Abs. 2 BGB das (dispositive) Gesetz maßgebend. Ist der Gegenstand der unwirksamen Vereinbarung nicht gesetzlich geregelt, ist zu fragen, ob ein ersatzloser Wegfall der unwirksamen Klausel eine sachgerechte Lösung darstellt. Scheiden beide Möglichkeiten aus, ist zu prüfen, ob nach den anerkannten Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung eine Ersatzregelung gefunden werden kann.
Bei unwirksamen Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat die ergänzende Vertragsauslegung ebenso wie die Auslegung und Inhaltskontrolle solcher Bestimmungen nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu erfolgen, der am Willen und Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise (und nicht nur der konkret beteiligten Parteien) ausgerichtet sein muss. Die Vertragsergänzung muss deshalb für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein.
Es ist zu fragen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre.
Bei einer Konstellation wie im Streitfall kann offenbleiben, ob ein ersatzloser Wegfall der unwirksamen Klausel sachgerecht wäre oder eine Ersatzregelung nach den Grundsätzen ergänzender Vertragsauslegung den Vorzug verdient. Eine Vertragsergänzung in Gestalt eines Widerrufsvorbehalts ist bei Leistungszulagen nicht als allgemeine Lösung angemessen. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar in der Vergangenheit einen unzulässigen "Freiwilligkeitsvorbehalt" als nicht näher konkretisierten Widerrufsvorbehalt behandelt.
Das ist nach Inkrafttreten des § 308 Nr. 4 BGB jedoch nicht mehr möglich. Danach müssen Voraussetzungen und Umfang der vorbehaltenen Änderungen vertraglich konkretisiert sein.
Der Hinweis auf "Leistungen", wie er dem Begriff "Leistungszulage" entnommen werden kann, ist zu pauschal, um im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung den Widerrufsgrund zu konkretisieren. So ist nicht erkennbar, ob bereits durchschnittliche oder erst unterdurchschnittliche Leistungen den Widerruf rechtfertigen sollen.
Siehe auch
Zuschläge - Mitbestimmung des Betriebsrats