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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Schmiergeld - Betriebsrat
Schmiergeld - Betriebsrat
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Während Korruption im Wirtschaftsleben i. d. R. so verläuft, dass sich ein Mitarbeiter eines Unternehmens korrumpieren lässt und damit der Firma schadet, geht es auch anders herum: Der Arbeitgeber "schmiert" den Betriebsrat, um diesen für die Interessen der Firmenleitung zu gewinnen. Die moralische Bewertung derartiger Vorkommnisse unterscheidet sich bisweilen von der rechtlichen - insbesondere, wenn es um die strafrechtliche Bewertung geht.
2. Begünstigung des Betriebsrates
Gem. § 78 S. 2 BetrVG dürfen Betriebsratmitglieder weder benachteiligt noch begünstigt werden.
Eine Begünstigung liegt vor bei einer Bevorzugung, d. h. Gewährung eines Sondervorteils, der wegen der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied und nicht aus sachlichen Gründen geschieht. Dies ist bereits dann der Fall, wenn ein Betriebsratsmitglied allein wegen dieser Mitgliedschaft im Betriebsrat Sondervorteile erhält, die vergleichbar Arbeitnehmer nicht erhalten.
Von der Rechtsprechung sind in folgenden Fällen eine Begünstigung angenommen worden:
Pauschale Heraufsetzung der Arbeitzeit von 19,25 Stunden auf 30 Stunden während der Freistellung aus "Abrechungsgründen"
Gewährung besonderer Zuwendungen oder Zahlung überhöhter Entschädigung für auslagen oder Reisekosten (BAG v. 29.1.1974 - 1 ABR 34/73)
Unentgeltliche Ferienreisen oder Bordellbesuche (BGH v. 17.9.2009 - 5 Str 521/08)
Zusätzliche Sozialplanleistungen für Betriebsratsmitglider (LAG Düsseldorf v. 13.9.2001)
Ermäßigung einer Haftungsquote bei schuldhaft verursachten Verkehrsunfällen aufgrund der Eigenschaft als Betriebsratsvorsitzender (LAG Bremen v. 26.7.1999 - 4 Sa 116/99).
Nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ist nicht nur die Benachteiligung, sondern - anknüpfend an § 78 S. 2 BetrVG - auch die Begünstigung eines Betriebsrats strafbar. Das bloße Annehmen (z. B. von unüblich günstiger Darlehen, Sonderurlaub, (Lust-)Reisen, Gehaltserhöhungen oder zusätzlichen Sozialplanleistungen an Betriebsratsmitglieder) also bleibt straffrei.
3. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, § 299 StGB
Die Strafbarkeit nach § 299 Abs. 1 StGB, hängt zunächst davon ab, ob der Betriebsrat im geschäftlichen Verkehr als Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes handelt.
Der Betriebsrat fällt unter den weiten Angestelltenbegriff (wie bei § 17 UWG). Notwendig ist überdies ein Handeln im geschäftlichen Verkehr, womit alle Maßnahmen erfasst sind, die der Förderung eines beliebigen Geschäftszweckes dienen, und mit denen eine Teilnahme am Wettbewerb zum Ausdruck kommt.
Das setzt ein Auftreten am Markt voraus. An diesem fehlt es, solange sich das Betriebsratshandeln in betriebsinternen Fragen erschöpft (vgl. u.a. Schönke/Schröder/Cramer/Heine, StGB, § 299, Rdnr. 9).
Das Marktverhalten nach außen bestimmt der Betriebsrat, soweit es um Schulungsveranstaltungen nach § 37 Abs. 6 und 7 BetrVG geht. Dort kann der Betriebsrat, der über die Auswahl der Schulungsveranstaltungen entscheidet und damit gleich einem "Einkäufer" für das Unternehmen tätig ist, durch Vorteilsgewährung dahin beeinflusst werden, seinen Entscheidungsspielraum sachwidrig auszuüben, also nicht die für den Schulungszweck geeignete und zugleich kostengünstige Veranstaltung auszuwählen - sondern etwa einem gewerkschaftlichen Anbieter einen Auftrag "zuzuschanzen".
Erhält das Betriebsratsmitglied hierfür einen individuellen geldwerten Vorteil, tritt neben die Strafbarkeit des Veranstalters nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG diejenige nach § 299 StGB.
Wenn der Betriebsrat vermögenswerte Vorteile fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, macht er sich seinerseits strafbar nach § 299 Abs. 1 StGB. Die einseitige Bevorzugung der gewerblichen Leistung, also der Schulungs- und Bildungsveranstaltung ist jedenfalls dann unlauter, wenn die Besserstellung nicht mehr auf sachlichen Erwägungen beruht, sondern nur noch durch den zugewendeten Vorteil erklärbar ist, und Mitbewerber wettbewerbswidrig geschädigt werden.
Der Betriebsrat muss den Vorteil als Gegenleistung für eine (zukünftige) unlautere Bevorzugung fordern oder annehmen. Die notwendige Unrechtsvereinbarung setzt kein konkretes Leistungs- und Gegenleistungsverhältnis voraus.
Da für die Strafbarkeit nach § 299 StGB Vorteile für Dritte genügen, ist die Koppelung zwischen dem Buchen gewerkschaftlicher Schulungsveranstaltungen und der (kostenfreien) gewerkschaftlichen Rechtsberatung für den Betriebsrat als Kollektiv strafbar.
Dass der Arbeitgeber als Geschäftsherr entsprechende Kenntnis von den Schmiergeldzahlungen hat und diese womöglich billigt, schließt die Strafbarkeit nicht aus. § 299 StGB schützt vorrangig das Allgemeininteresse an lauteren Wettbewerbsbedingungen - in deren Beeinträchtigung kann der Arbeitgeber nicht einwilligen.
4. Beihilfe zur Steuerhinterziehung
Die Annahme von Schmiergeldern und anderen Betriebsratsbegünstigungen hat eine (weithin unbekannte) steuerstrafrechtliche Seite: Bei der Betriebsratsbegünstigung greift zur Korruptionsbekämpfung das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 S. 1 EStG (vgl. etwa: BFH 13.10.1998 - VIII R 4/98).
Rechtswidrige Zuwendungen, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllen, dürfen nicht als Betriebsausgabe geltend gemacht werden (vgl. u.a. Kiesel, DStR 2000, 949, 950; Bürger, DStR 2003, 1421, 1422).
Zuwendungen an Betriebsräte sind in § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG unter Strafe gestellt. Arbeitgeber, die Gelder für strafbare Betriebsratsbegünstigungen steuerlich als Betriebsausgaben in Ansatz bringen, machen sich wegen Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO strafbar.
Die begünstigten Betriebsratsmitglieder machen sich der Beihilfe gem. § 369 Abs. 2 AO i. V. mit den allgemeinen Vorschriften des StGB strafbar, wenn sie Belege über die Zuwendung ausstellen.
Betriebsräte, die Begünstigungen annehmen, müssen diese gegenüber den Finanzbehörden als steuerpflichtige Einkünfte angeben. Die Gesetzeswidrigkeit i. S. von § 134 BGB, § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ändert daran nichts, da Einkünfte aus gesetzeswidrigem Verhalten bei der Besteuerung gem. § 40 AO in gleicher Weise berücksichtigt werden wie Einkünfte aus gesetzmäßigem Handeln. Kommen Betriebsratsmitglieder dieser Verpflichtung nicht nach, machen sie sich also u.U. täterschaftlich wegen Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO strafbar.
Siehe auch