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BSG, 01.02.1968 - 10 RV 333/66 - Hinterbliebenenversorgung im Wege des Härteausgleiches; Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der besonderen Härte; Kein Erfordernis eines Kindes aus dem Verlöbnis für die Bräuteversorgung; Wirtschaftlicher Schaden bei der hinterlassenen Braut
Bundessozialgericht
Urt. v. 01.02.1968, Az.: 10 RV 333/66
Hinterbliebenenversorgung im Wege des Härteausgleiches; Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der besonderen Härte; Kein Erfordernis eines Kindes aus dem Verlöbnis für die Bräuteversorgung; Wirtschaftlicher Schaden bei der hinterlassenen Braut
Fundstelle:
BSGE 27, 286 - 292
BSG, 01.02.1968 - 10 RV 333/66
Redaktioneller Leitsatz:
Für die sog. Bräuteversorgung im Sinne von § 89 Abs.1 BVG ist nicht als besondere Härte zu fordern, daß die hinterbliebene Braut ein Kind zu versorgen hat, welches aus dem Verlöbnis mit ihrem später gefallenen Verlobten hervorgegangen ist.
Der 10. Senat des Bundessozialgerichts hat
auf die mündliche Verhandlung vom 1. Februar 1968
durch
Senatspräsident Dr. Tesmer - Vorsitzender -,
Bundesrichter Sautter und
Bundesrichter Dr. Brocke,
Bundessozialrichter Haas und
Bundessozialrichter Dr. Berthold
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17. März 1966 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Gründe:
1
Die Klägerin, die im Jahre 1916 geboren ist, beantragte im Dezember 1960, ihr Hinterbliebenenversorgung im Wege des Härteausgleichs zu gewähren. Sie führte dazu aus, sie sei die Braut des Alois W. (W.) gewesen, der im Jahre 1945 als Soldat in französischer Gefangenschaft verstorben ist. Zu der beabsichtigten Eheschließung sei es deshalb nicht gekommen, weil W. als Soldat seit April 1944 keinen Heimaturlaub mehr erhalten habe. Jetzt sei sie erwerbsunfähig und daher nicht in der Lage, sich zu ernähren.
2
Die Versorgungsbehörde lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 10. Februar 1961 ab. Sie führte darin aus, daß nach den von ihr getroffenen Feststellungen W. am 29. Oktober 1945 an den Folgen einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) verstorben ist. Voraussetzung für die Gewährung der Brautversorgung sei neben der Absicht der Verlobten zur alsbaldigen Eheschließung und deren Verhinderung durch Kriegsereignisse, daß aus dem Verlöbnis ein Kind hervorgegangen ist, für das die Mutter sorge oder gesorgt habe. Da aus dem Verlöbnis der Klägerin mit W. kein Kind hervorgegangen sei, müsse der Antrag abgelehnt werden. Der Widerspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 1961).
3
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 21. März 1963 den Bescheid vom 10. Februar 1961 in der Passung des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 1961 aufgehoben. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Beklagten Gegen das Urteil des SG München vom 21. März 1963 zurückgewiesen. In dem Urteil ist ausgeführt, es könne zur Gewährung von Brautversorgung im Wege des Härteausgleichs nach § 89 BVG nicht gefordert werden, daß aus dem Verlöbnis ein Kind hervorgegangen ist. Der Auffassung des Beklagten, das Gericht dürfe die für das Vorliegen einer "besonderen Härte" im Sinne des § 89 BVG von der Versorgungsverwaltung geforderten Voraussetzungen nicht als sachfremd ablehnen, könne nicht gefolgt werden. Der Begriff "besondere Härte" sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, der ausgelegt werden müsse. Hieraus folge, daß die Gerichte nachzuprüfen hätten, ob die Auslegung seitens der Verwaltungsbehörde dem Gesetz entspricht. Im vorliegenden Fall habe die Verwaltungsbehörde den Begriff der "besonderen Härte" im Sinne des § 89 BVG insofern verkannt, als sie verlange, daß aus dem Verlöbnis ein Kind hervorgegangen ist. Für seine Auslegung könne der Beklagte sich nicht auf die von den Länderreferenten der Kriegsopferversorgung mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) festgelegten Richtlinien berufen. Zutreffend habe das SG darauf hingewiesen, daß der Tod des zum Unterhalt eines Kindes verpflichteten Vaters durch die Waisenrente entschädigt werden solle. Da durch eine etwaige Versorgung der Braut weder die rechtliche Stellung des aus dem Verlöbnis hervorgegangenen unehelichen Kindes noch die der Braut als unverheirateter Mutter geändert werde, sei nicht einzusehen, daß bei der Brautversorgung eine "besondere Härte" im Sinne des § 89 BVG generell nur dann bestehen solle, wenn aus dem Verlöbnis ein Kind hervorgegangen ist. Wollte man das Vorhandensein eines Kindes als Voraussetzung für die Braut Versorgung fordern, so wäre diejenige Braut, die keinen vorehelichen Geschlechtsverkehr ausgeübt oder aus anderen Gründen keine Kinder aus dem Verlöbnis geboren hat, benachteiligt. Das sei jedoch nicht gerechtfertigt, denn es komme allein darauf an, wann das Fehlen einer Brautversorgung im Kriegsopferrecht eine "besondere Härte" darstelle. Hierbei müsse berücksichtigt werden, daß es nicht zum Wesen des Verlöbnisses gehört, Kinder zu zeugen. Diese Auffassung schließe nicht aus, daß im Einzelfall das Vorhandensein eines Kindes eine "besondere Härte" darstellen könne, jedoch sei das Vorhandensein eines Kindes als unabdingbare Voraussetzung für die Gewährung von Braut Versorgung nicht zu fordern. Der Beklagte habe somit den Begriff "besondere Härte" im Sinne des § 89 BVG bei der Brautversorgung nicht richtig ausgelegt, so daß der angefochtene Bescheid zu Recht aufgehoben worden sei. Der Beklagte müsse nunmehr über den Antrag der Klägerin neu entscheiden, wobei er die Gewährung der Braut Versorgung nicht deshalb ablehnen dürfe, weil aus dem Verlöbnis kein Kind hervorgegangen ist.
4
Das LSG hat die Revision zugelassen.
5
Gegen dieses, dem Beklagten am 18. April 1966 zugestellte Urteil hat dieser mit Schriftsatz vom 19. April 1966, beim Bundessozialgericht (BSG) am 21. April 1966 eingegangen, Revision eingelegt und diese innerhalb der bis zum 18. Juli 1966 verlängerten Revisionsbegründungsfrist mit einem am 14. Juli 1966 eingegangenen Schriftsatz vom 12. Juli 1966 begründet.
6
Er beantragt,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 17. März 1966 - AZ.: L 17/V 544/63 - und des SG München vom 21. März 1963 - Az.: S 954/61 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7
Er rügt die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des § 89 BVG durch das LSG, Hierzu trägt er vor, das LSG habe den Begriff der "besonderen Härte" im Sinne des § 89 BVG verkannt. Sowohl die Formulierung dieser Vorschrift als auch die Beschränkung auf die Versorgung einzelner Fälle deute auf eine weitgehend einengende Auslegung dieses Begriffes hin. Der Gesetzgeber habe die Bräute bewußt nicht in den Kreis der Versorgungsberechtigten einbezogen, Wenn dennoch diesem Personenkreis über § 89 BVG in Einzelfallen Versorgung zu leisten sei, könnte es sich nur um besondere Härtefälle handeln. Im Interesse der Gleichbehandlung dieses Personenkreises habe daher der BMA Richtlinien ausgegeben, denen zu entnehmen sei, wann eine derartige besondere Härte vorliegt. Es sei hierbei besonders Wert darauf gelegt worden, daß aus dem Verlöbnis ein Kind hervorgegangen ist, weil in diesen Fällen diese Bräute härter betroffen seien als andere Bräute, die kein Kind von ihrem Verlobten empfangen haben. Durch den Tod des Kindsvaters sei eine alsbaldige Heirat unterblieben und damit die spätere Ehelichkeit des Kindes verhindert worden. Die Kindsmutter sei durch die Sorgepflicht für ihr Kind wirtschaftlich schlechter gestellt und als Mutter eines unehelichen Kindes in der sozialen Einstufung wie hinsichtlich ihrer Heiratsaussichten gegenüber den Bräuten ohne Kind benachteiligt. Im übrigen komme die Bräuteversorgung auch dem Kinde zugute, da seine Mutter infolge ihrer eigenen Versorgung sich um die Erziehung des Kindes besser kümmern könne. Entfiele die Bedingung, daß aus dem Verlöbnis ein Kind hervorgegangen sein muß, so würde der unter § 89 BVG fallende Personenkreis in einem solchen Umfange ausgedehnt werden, daß es sich dann nicht mehr um "Einzelfälle" handeln würde. Bei einer derartigen Ausdehnung hätte der Gesetzgeber die Bräuteversorgung in das Gesetz aufgenommen.
8
Im übrigen habe das LSG den allgemeinen Sinngehalt des Begriffs "besondere Härte" in § 89 BVG nicht ermittelt, sondern nur ausgeführt, es sei nicht einzusehen, daß bei der Braut Versorgung eine besondere Härte generell nur dann bestehen solle, wenn aus dem Verlöbnis ein Kind hervorgegangen ist. Demnach müßte im vorliegenden Fall - da die sonstigen Voraussetzungen vorlägen - Versorgung zu gewähren sein, ohne daß eine "besondere Härte", zu erblicken ist. Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Revisionsbegründung vom 12. Juli 1966 verwiesen.
9
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen und dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Revisionsverfahren aufzuerlegen.
10
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Im übrigen wird wegen ihres Vorbringens auf ihren Schriftsatz vor. 22. August 1966 verwiesen.
11
Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet worden (§§ 164, 166 SGG); sie ist daher zulässig. Die Revision ist auch begründet.
12
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Bescheid vom 10. Februar 1961 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 1961, mit dem der Beklagte die Gewährung von "Bräuteversorgung" im Wege des Härteausgleichs gemäß § 89 BVG versagt hat, rechtmäßig ist. Hierzu ist der Auffassung des LSG dahin zu folgen, daß zu der sog. Bräute Versorgung nicht als besondere Hurte zu fordern ist, daß die hinterbliebene Braut ein Kind zu versorgen hat, welches aus dem Verlöbnis mit ihrem später gefallenen Verlobten hervorgegangen ist. Nach § 89 Abs. 1 BVG in der bei Erlaß des angefochtenen Bescheids maßgeblichen Passung des Ersten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (1. NOG) vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453), der durch das spätere 2. NOG vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) und das 3. NOG vom 28. Dezember 1966 (BGBl I 756) nicht geändert worden ist, "kann" ein Ausgleich gewährt werden, "sofern sich in einzelnen Fällen aus den Vorschriften dieses Gesetzes besondere Härten ergeben". Aus dem Wort "kann" ergibt sich, daß es sich bei der Gewährung des Härteausgleichs um eine sog. Ermessensleistung handelt, auf die ein Rechtsanspruch nicht besteht. Die Ausübung des Ermessens durch die Verwaltungsbehörden ist von dem Gericht nur daraufhin nachprüfbar, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Bei der Gewährung der Bräuteversorgung macht die Versorgungsbehörde in Ausübung ihres Ermessens die Gewährung von Leistungen regelmäßig von der Bedürftigkeit der Antragstellerin abhängig. Im vorliegenden Fall hat die Versorgungsbehörde jedoch gar nicht von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht; sie hat nämlich nicht etwa wegen fehlender Bedürftigkeit oder wegen eines anderen Umstandes, den sie bei Ausübung ihres Ermessens für erheblich gehalten hat, die Gewährung einer Versorgung abgelehnt, sondern deshalb, weil eine besondere Härte nicht vorliege. Das Vorliegen einer besonderen Härte hat das Gesetz zur Voraussetzung ("sofern") dafür gemacht, daß die Versorgungsbehörde ihr Ermessen ausüben und nach diesem Ermessen eine Leistung Gewähren kann. Das Vorliegen einer besonderen Härte ist demnach materiell-rechtliche Voraussetzung für das Ermessenshandeln der Versorgungsbehörde. Als materiellrechtliches Tatbestandsmerkmal des § 89 Abs. 1 BVG ist aber das Vorliegen oder Nichtvorliegen dieses Tatbestandsmerkmals von den Gerichten bei einer Entscheidung der Versorgungsbehörde über einen beantragten Härteausgleich nachzuprüfen. Das bedeutet, daß im vorliegenden Fall nachzuprüfen ist, ob bei der Klägerin eine besondere Härte nicht vorgelegen hat, mit welcher Begründung der ablehnende Bescheid der Versorgungsbehörde erteilt worden ist.
13
Bei dem Begriff "besondere Härte" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Inhalt und Begrenzung weitgehend ungewiß ist und der mit einem bestimmten Inhalt ausgefüllt werden muß (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 7. Dezember 1965 - 10 RV 291/64 - in BVBl 1966, 66 und Urteil vom 15. August 1967 - 10 RV 927/65; Urteil des 9. Senats vom 27. Mai 1959 - 9 RV 1062/57 - in BSG 10, 51 ff; Urteil des 7. Senats vom 18. Dezember 1963 - 7 RV 1302/61 - in Breithaupt 1964, 327; s. insbesondere auch Bachof, JZ 1955 S. 97 ff). Die Wertung der gegebenen Tatsachen daraufhin, ob diese eine besondere Härte darstellen, d.h. die Beurteilung der Tatsachen daraufhin, ob sie sich unter den Begriff besondere Härte subsummieren lassen, läßt zwar der Verwaltungsbehörde einen gewissen Spielraum, jedoch ändert das nichts an der Nachprüfbarkeit der Verwaltungsentscheidung daraufhin, ob sie den Spielraum bei der Abgrenzung und Auslegung des Begriffs "besondere Härte" eingehalten hat. Diese Nachprüfung ergibt für den vorliegenden Fall, daß der Beklagte zu Unrecht bei der sog. Bräuteversorgung eine besondere Härte nur bei denjenigen Bräuten angenommen hat, die für ein Kind zu sorgen haben, das aus dem Verlöbnis mit dem später gefallenen Verlobten hervorgegangen ist. Ganz allgemein widerspricht es schon - worauf Bachof a.a.O. unter V. hinweist - dem Gebrauch eines unbestimmten Rechtsbegriffs, womit dem ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, in seinem Umfang auf eine einzige "richtige" Lösung im konkreten Fall zu beschränken. Dies ist für den Begriff der besonderen Härte im Rahmen des. § 89 BVG um so weniger möglich, als hier eine besondere Härte "aus den Vorschriften dieses Gesetzes" bei verschiedensten Ansprüchen eintreten kann, welche das BVG nach seinen Vorschriften gewährt. Die Beurteilung von Tatsachen auf ihre Einordnung unter den Begriff "besondere Härte", hin muß sich daher notwendig an dem jeweiligen Anspruch orientieren, der geltend gemacht wird. Somit kann die besondere Härte nur darin liegen, daß bei Ablehnung des Anspruchs wegen Fehlens eines Tatbestandsmerkmals des gerade geltend gemachten Anspruchs diese Ablehnung als besonders hart empfunden werden muß. Wegen dieser inneren Verknüpfung des Begriffs "besondere Härte" mit dem jeweils geltend gemachten Versorgungsanspruch lassen sich auch Gesichtspunkte zur Auslegung des in § 89 BVG gebrauchten Begriffs nicht aus der Rechtsprechung zu dem in § 47 Abs. 4 BVG gleichlautenden Begriff "besondere Härte" gewinnen, weil die Auslegung des in jener Vorschrift gebrauchten Begriffs völlig auf den dort behandelten Rückerstattungsanspruch ausgerichtet ist. Wenn demnach der Begriff besondere Härte nur im Hinblick auf den jeweils geltend gemachten Versorgungsanspruch seinen Inhalt und seine Bedeutung gewinnen kann, so muß dieser Begriff im vorliegenden Fall an dem Anspruch der Witwe auf Hinterbliebenenrente (§ 38 BVG) seine Deutung finden. Die Klägerin erhebt nämlich einen solchen Anspruch (wie auch die Beklagte in ihrem Hinweis auf das Rdschr. des BMA vom 11. Juli 1966 und den darin erwähnten § 38 BVG nicht verkennt), dessen Durchsetzung daran scheitert, daß sie nicht die Witwe des Gefallenen ist, was im § 38 BVG als Tatbestandsmerkmal für die Gewährung der Witwenrente gefordert ist. Die Klägerin macht demnach eine Hinterbliebenenrente über die Vorschrift des § 89 BVG geltend, weil sie die Verlobte des Gefallenen gewesen sei und sich in ihrem Falle aus der Anwendung der Vorschriften dieses Gesetzes (§ 38 BVG) und der damit begründeten Ablehnung dieses Anspruchs eine besondere Härte ergäbe. In Anbetracht dessen, daß in unserer gesamten Rechtsordnung eine Verlobte nicht rechtlich einer Ehefrau ganz oder auch nur annähernd gleichgestellt ist, und daß auch das BVG ausdrücklich Verlobten keinerlei Ansprüche gewährt, kann in dem Umstand, daß die Klägerin als Verlobte keinen Hinterbliebenenrentenanspruch nach den sonstigen Vorschriften des BVG hat, nur dann eine besondere Härte i.S. des § 89 BVG liegen, wenn sie wegen ihrer Verlobung mit dem später Gefallenen in eine Lage geraten ist, die der einer versorgungsberechtigten Witwe nahekommt. Soweit der Beklagte wie auch das LSG - wenngleich es dies auch nicht ausdrücklich hervorgehoben hat - allgemein für die Bräuteversorgung im Härteausgleich und im besonderen Fall bei der Klägerin gefordert haben, daß ein Verlöbnis bestanden hat und die beabsichtigte Heirat durch Kriegsereignisse verhindert worden ist, bestehen keine Bedenken, solche Tatsachen als Merkmale zur Erfüllung des Begriffs "besondere Härte" bei der Bräuteversorgung zu fordern. Wenn nämlich eine besondere Härte darin liegen soll, daß eine unverheiratete weibliche Person nicht gleicherweise wie die frühere Ehefrau eines Gefallenen versorgt wird, dann ist zu fordern, daß diese Person lediglich durch Kriegsereignisse gehindert worden ist, Ehefrau des später Gefallenen zu werden und damit jetzt Versorgung wie eine Witwe zu erhalten; das aber kann billigerweise - im Hinblick auf die Annahme einer besonderen Härte - aber nur angenommen werden, wenn sie schon verlobt war und ernste Heiratsabsichten bestanden, deren Verwirklichung allein durch Kriegsereignisse verhindert worden ist. Soweit aber der Beklagte über diese Erfordernisse hinaus zum Begriff der "besonderen Härte" bei der Bräuteversorgung unbedingt fordert, daß aus dem Verlöbnis ein Kind hervorgegangen ist, für das die Antragstellerin sorgt, kann ihm nicht gefolgt werden.
14
Zuzugeben ist, daß eine Verlobte, die aus dem Verlöbnis mit ihrem später gefallenen Verlobten ein Kind empfangen und dieses zu versorgen hat, regelmäßig in eine ähnliche wirtschaftliche Lage geraten ist wie eine Witwe, die für ein Kind aus der Ehe mit ihrem gefallenen Ehemann zu sorgen hat.
15
Sie wird fast immer wirtschaftlich schlechter gestellt sein als eine Verlobte, die nicht für ein Kind des später gefallenen Verlobten zu sorgen hat. Damit ist in ihrer Person der für die Versorgung nach dem BVG maßgebende Grundgedanke erfüllt, daß eine Versorgung nur für die wirtschaftlichen Folgen der Schädigung - gesundheitliche Folgen (§ 1 Abs. 1 BVG) kommen bei der Hinterbliebenenversorgung nicht in Frage - gewährt werden soll. Bei der Hinterbliebenenversorgung der Witwe liegt die Schädigung in dem Kriegstod des Ehemannes, durch den nachteilige wirtschaftliche Folgen eingetreten sind und entschädigt werden sollen; entsprechend muß bei der sog. Bräuteversorgung durch den Kriegstod des Verlobten der hinterbliebenen Braut ein wirtschaftlicher Schaden entstanden sein, damit überhaupt nach dem Grundgedanken der Versorgung im BVG eine Versorgungsleistung wegen besonderer Härte gewährt werden kann. Dieser wirtschaftliche Schaden wird in der Regel durch den Kriegstod des Verlobten dadurch bei der Braut eingetreten sein, daß sie ein Kind ihres Verlobten zu versorgen hat, welches sie im Hinblick auf die bräutliche Verbindung mit ihrem Verlobten und im Vertrauen auf die beabsichtigte eheliche Verbindung und Versorgung empfangen hat. Wenn auch das Kind durch seinen Waisenrentenanspruch versorgt ist, so ist doch die Mutter gegenüber einer kinderlosen weiblichen Person stets wirtschaftlich insofern benachteiligt, als sie schon allein durch die Betreuung und Erziehung des Kindes so in Anspruch genommen wird, daß sie einer Erwerbstätigkeit nicht in dem Umfang nachgehen kann, wie eine weibliche Person, die kein Kind zu erziehen und zu betreuen hat. Wenn nun auch die mit einem Kind des Gefallenen hinterbliebene Braut regelmäßig in eine ähnliche Lage wie eine Witwe geraten ist und durch den Kriegstod des Verlobten wirtschaftliche Nachteile zu tragen hat, so daß regelmäßig eine besondere Härte in der Versagung einer Hinterbliebenenversorgung liegen wird, so rechtfertigt es dennoch kein Gesichtspunkt, den Begriff der besonderen Härte und damit die Braut Versorgung gemäß § 89 BVG allein auf die mit einem Kind des Gefallenen hinterbliebene Braut zu beschränken. Denkbar und möglich sind auch andere Tatsachen, durch die eine Kriegerbraut nach dem Tode ihres Verlobten in eine ähnliche Lage wie eine Witwe gekommen ist und wirtschaftliche Nachteile zu tragen hat. Beispielsweise soll der Fall erwähnt werden, daß eine Verlobte in Hinblick auf die beabsichtigte Eheschließung und die eheliche Versorgung ihren Beruf oder eine andere Erwerbsquelle aufgegeben hat wodurch ihr Lebensunterhalt auch weiterhin gesichert gewesen wäre. Diese Verlobte hat durch den Tod ihres Verlobten erheblichen wirtschaftlichen Schaden erlitten und ist ähnlich wie eine Witwe auf eine Versorgung angewiesen. Ferner dürfte an den Fall zu denken sein, daß eine Verlobte wegen der langdauernden Pflege ihres schwerverwundeten Verlobter die Pflichten einer Ehefrau übernommen hat und für ihren Verlobten Vermögen aufgewendet oder Erwerbsaussichten aufgegeben oder allgemein wie eine Ehefrau für ihn gesorgt und gelebt hat. Derartige Beispiele einer besonderen Härte lassen sich in beliebiger Zahl bilden. Wenn es aber neben der mit einem Kind hinterbliebenen Braut auch noch andere Fälle gibt, in denen gleicherweise die Braut durch den Kriegstod ihres Verlobten in eine ähnliche Lage wie eine Witwe geraten ist und wirtschaftlich nachteilige Folgen zutragen hat, dann hat der unbestimmte Rechtsbegriff "besondere Härte" durch den Beklagten eine Einengung erfahren, die weder tatsächlich noch rechtlich eine Grundlage hat. Die Ausschließung aller anderen Fälle als der mit einem Kind hinterbliebenen Braut von den Fällen der besonderen Härte wäre Willkür und damit eine unzulässige Einengung des Begriffs.
16
Soweit der Beklagte aus der Formulierung des § 89 BVG herleitet, die Versorgung wegen besonderer Härte sei nach dem Willen des Gesetzes auf Einzelfälle zu beschränken, ist gegen diese Ansicht nichts vorzubringen. Mit der Beschränkung auf Einzelfälle im Abs. 1 der Vorschrift ist jedoch nur zum Ausdruck gebracht, daß die Versorgung wegen besonderer Härte nicht generell für Fälle erfolgen soll, die nach allgemeinen Gesichtspunkten bestimmt sind. Das ergibt sich deutlich aus dem Abs. 3 idF des 1. NOG (Abs. 2 idF des 2. u. 3. NOG) in welchem ausnahmsweise eine generelle Regelung von Härtefällen vorgesehen ist.
17
Aus der Formulierung des Gesetzes läßt sich daher nicht schließen, daß der Begriff besondere Härte, zumal in seiner Anwendung auf den Einzelfall, noch eine ganz besondere enge Auslegung erfordere; noch weniger aber läßt sich daraus folgern, daß eine besondere Härte nur bei der hinterbliebenen Braut mit einem zu versorgenden Kind angenommen werden solle.
18
Soweit der Beklagte vorbringt, der Wegfall der Bedingung, daß aus dem Verlöbnis ein Kind hervorgegangen sein muß, würde den zu versorgenden Personenkreis in einem solchen Umfang erweitern, daß es sich nicht mehr um "Einzelfälle" handele, kann ihm nicht gefolgt werden. Der Beklagte verkennt dabei, daß mit dem Entfallen der erwähnten Bedingung nicht jede Kriegerbraut eine Versorgung erhalten soll oder kann, daß vielmehr gerade immer in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob eine besondere Härte vorliegt. An sich bedeutet dies, daß auch bei einer Braut mit einem zu versorgenden Kind im Einzelfall zu prüfen wäre, ob eine besondere Härte vorliegt. Es lassen sich auch Fälle denken, in denen das nicht der Fall ist. Ob sich insoweit die im Bundschreiben des BMA vertretene Ansicht, eine besondere Härte liege immer bei einer mit einem Kind hinterbliebenen Kriegerbraut vor, mit der Rechtslage verträgt, ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden.
19
Schließlich kann der Beklagte seine Ansicht auch nicht mit dem Vorbringen rechtfertigen, daß bei einem Wegfall der Bedingung, daß die hinterbliebene Kriegerbraut ein Kind zu versorgen hat, der Gesetzgeber die Braut Versorgung in das Gesetz aufgenommen hätte. Auch hierbei verkennt der Beklagte, daß mit der oben dargelegten Auslegung des Begriffs besondere Härte durchaus nicht jede Kriegerbraut im Härteausgleich zu versorgen ist, daß mithin der Gesetzgeber auch keinen Anlaß hatte, die Kriegerbräute gleich neben den Witwen als versorgungsberechtigte Hinterbliebene im § 38 BVG zu erwähnen. In diesem Zusammenhang muß dem Beklagten entgegengehalten werden, daß vielmehr der Gesetzgeber, wenn er nur die mit einem Kind hinterbliebenen Kriegerbräute hätte versorgen wollen, dies vermutlich auch im BVG getan hätte, wie es seinerzeit in der - dem Gesetzgeber sicher bekannten - Verordnung über ergänzende Vorschriften zum Einsatzfürsorge- und -versorgungsgesetz vom 3. April 1941 (RGBl I 194) geschehen ist. Im § 2 dieser Vorordnung war nämlich bestimmt, daß der unverheirateten Mutter eines unehelichen Kindes eines Verstorbenen, dessen Tod die Folge einer Beschädigung bei besonderem Einsatz ... ist, ein Unterhaltsbeitrag in Höhe der Witwenrente nach dem Wehrmachtsfürsorge- und -versorgungsgesetz gewährt werden kann, Gerade auch im Hinblick auf diese früher ausdrücklich im einzelnen geregelte sogenannte Bräuteversorgung, die allein die Mütter mit einem unehelichen Kind bedachte, ist der Schluß berechtigt, daß der Gesetzgeber diese Bräuteversorgung nicht in das BVGübernehmen, sondern sie dem weiten lahmen des § 89 BVGüberlassen und bei einer "besonderen Härte" zulassen wollte.
20
Dem LSG ist somit zuzustimmen, soweit es die Ansicht vertreten hat, daß es zur Bräuteversorgung nicht unbedingt erforderlich ist, daß die Kriegerbraut ein Kind aus dem Verlöbnis mit dem Gefallenen zu versorgen hat. Das LSG hat jedoch nicht geprüft, ob im vorliegenden Falle bei der Klägerin in anderer Beziehung eine besondere Harte vorliegt, welche die Gewährung eines Härteausgleichs gemäß § 89 BVG an die Klägerin zuließe. Der Senat konnte daher in der Sache nicht entscheiden, sondern mußte den Rechtsstreit an das LSG zurückverweisen, damit das LSG entsprechende Pest Stellungen treffen kann. Sollte das LSG wieder zu einer dem Begehren der Klägerin entsprechenden Sachentscheidung kommen, so wird es zu prüfen haben, ob der Tenor des Urteils des SG es zuläßt, sich mit der Abweisung der Berufung des Beklagten zu begnügen, da im Urteil des SG nur die Aufhebung des ablehnenden Bescheides der Beklagten ausgesprochen worden ist.
Dr. Tesmer, Senatspräsident (Vorsitzender) zugleich für Bundesrichter Sautter, der durch seine Versetzung als Präsident, des Landessozialgerichts Baden - Württemberg nach Stuttgart verhindert ist, seine Unterschrift beizufügen.
Dr. Brocke, Bundesrichter
Verkündet am 1. Febr. 1968
Bittner Reg.Hauptsekretär Schriftführer