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BAG, 16.07.2003 - 2 AZB 50/02 - Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren im arbeitsgerichtlichen Verfahren; Abhängigkeit der Gebührenerstattung von der Notwendigkeit der Maßnahmen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung
Bundesarbeitsgericht
Beschl. v. 16.07.2003, Az.: 2 AZB 50/02
Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren im arbeitsgerichtlichen Verfahren; Abhängigkeit der Gebührenerstattung von der Notwendigkeit der Maßnahmen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung
Verfahrensgang:
vorgehend:
ArbG Senftenberg - 18.03.2002 - AZ: 1 Ca 724/01
LAG Brandenburg - 12.08.2002 - AZ: 6 Ta 60/02
Fundstellen:
AGS 2004, 82-83 (Volltext mit amtl. LS)
BAGReport 2004, 28-29
JurBüro 2004, 200-201 (Volltext mit red. LS)
KF 2004, 58
NJW 2003, 1324
NJW 2003, 3796-3797 (Volltext mit amtl. LS)
NZA 2003, 1293-1294 (Volltext mit red. LS)
RVGreport 2004, 35-36 (Volltext mit red. LS)
ZAP 2004, 116 (Kurzinformation)
BAG, 16.07.2003 - 2 AZB 50/02
In dem Rechtsstreit
hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts
am 16. Juli 2003 beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 12. August 2002 - 6 Ta 60/02 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Gründe
1
I.
Die Beklagte hat gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Senftenberg vom 7. August 2001 -1 Ca 724/01 - am 18. September 2001 Berufung eingelegt und den Antrag angekündigt, das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Mit dem am 28. September 2001 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz haben sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers bestellt und die Zurückweisung der Berufung beantragt. Am 10. Oktober 2001 hat die Beklagte die eingelegte Berufung zurückgenommen. Das Arbeitsgericht hat die dem Kläger von der Beklagten zu erstattenden Kosten auf 582,37 Euro festgesetzt und dabei eine Prozessgebühr i.H.v. 13/10 als erstattungsfähig angesehen. Auf die Beschwerde der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf lediglich 365,76 Euro nebst Zinsen festgesetzt und dabei eine 13/20-Gebühr nach dem Streitwert der Hauptsache und eine 13/10-Gebühr nach dem Kostenstreitwert berücksichtigt.
2
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger seinen
Antrag auf Festsetzung der vollen 13/10-Gebühr weiter.
3
Die Beklagte beantragt
Zurückweisung der Beschwerde.
4
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
5
1.
Gem. § 574 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO nF ist gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder das Beschwerdegericht sie in dem Beschluss zugelassen hat. Das Rechtsbeschwerdegericht ist gem. § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO nF an die Zulassung gebunden.
6
Die §§ 574 ff. ZPO gelten jedenfalls für Beschwerden, die dem Recht der Zivilprozessordnung unterliegen (BAG vom 20. August 2002 - 2 AZB 16/02 - AP KSchG 1969 § 5 Nr. 14 = EzA KSchG § 5 Nr. 34). Dazu gehört das Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO (GK-ArbGG/Wenzel Stand Mai 2003 § 78 Rn. 120).
7
Die Rechtsbeschwerde ist auch im übrigen zulässig, insbesondere ist die gem. § 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO nF einzuhaltende Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses gewahrt (§ 222 Abs. 1 und 2 ZPO iVm. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, §193 BGB).
8
2.
Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
9
a)
Das Beschwerdegericht ist davon ausgegangen, der Kläger sei nach Einlegung der Berufung durch die Beklagte seinerseits berechtigt gewesen, sich auf seine Rechtsverteidigung einzurichten und die dafür gebotenen Maßnahmen zu veranlassen; hierzu habe auch die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Prozessvertretung gehört.
10
Das Beschwerdegericht hat jedoch nur eine 13/20-Prozeßgebühr als erstattungsfähig angesehen. Das Entstehen einer Gebühr führe noch nicht zu ihrer Erstattungsfähigkeit. Erstattungsfähig sei sie nur dann, wenn der Antrag i.S.d.. § 91 ZPO notwendig war. Notwendig sei aber nur eine nach dem Streitwert von 15.000,00 DM berechnete 13/20-Gebühr gem. § 31 Abs. 1 Nr. 1, § 32 BRAGO, nicht aber die durch den Antrag auf Zurückweisung der Berufung ausgelöste 13/10-Gebühr nach §31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO.
11
b)
Die hiergegen gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde sind nicht begründet.
12
Es ist mit der überwiegend in Rechtsprechung (OLG Nürnberg 10. Januar 2000 - 10 WF 4338/99 - MDR 2000, 415; OLG Karlsruhe 2. September 1996 -11 W 95/96 - Rpfleger 1997, 128) und Schrifttum (Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte 15. Aufl. §31 Rn. 20) vertretenen Ansicht davon auszugehen, dass der Rechtsmittelbeklagte einen Rechtsanwalt für die Rechtsmittelinstanz beauftragen und dieser seine Vertretung gegenüber dem Rechtsmittelgericht anzeigen darf, sobald das Rechtsmittel eingelegt ist.
13
Von der grundsätzlichen Anerkennung der Notwendigkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts ist aber die Frage zu unterscheiden, welche Maßnahmen der einmal bestellte Rechtsanwalt zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung für erforderlich halten darf.
14
Die Beklagte hat ihre Berufung innerhalb der Berufungsfrist zurückgenommen. Eine nachträgliche Ermäßigung der angefallenen vollen 13/10-Prozeßgebühr auf eine halbe 13/10-Prozeßgebühr gem. § 32 Abs. 1 BRAGO ist im vorliegenden Fall ausgeschlossen, nachdem der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 27. September 2001 den Antrag auf Zurückweisung der Berufung angekündigt hat (vgl. LAG Sachsen-Anhalt 16. Juni 2000 - 10 Ta 112/00-). Denn ein solcher Antrag auf Zurückweisung der Berufung ist jedenfalls im Sinne des Gebührenrechts als Sachantrag anzusehen, so dass dem zum Prozessbevollmächtigten bestellten Rechtsanwalt des Rechtsmittelbeklagten, der einen Schriftsatz mit diesem Inhalt bei Gericht eingereicht hat, die volle Prozessgebühr zusteht (BGH 13. Oktober 1969 - III ZR 186/66 - BGHZ 52, 385; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte 15. Aufl. §31 Rn. 20 und § 32 Rn. 15).
15
Für die Entstehung einer Gebühr kommt es nicht darauf an, ob die den gesetzlichen Gebührentatbestand ausfüllenden Maßnahmen erforderlich waren. Ihre Erstattungsfähigkeit nach § 91 ZPO ist jedoch grundsätzlich von der Notwendigkeit der Maßnahmen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -Verteidigung abhängig. Die Erstattung der aufgewandten Kosten kann eine Partei nur insoweit erwarten, als sie der ihr aus dem Prozessrechtsverhältnis obliegenden Pflicht nachgekommen ist, die Kosten möglichst niedrig zu halten (BVerfG 30. Januar 1990 - 2 BvR 1085/89 - NJW 1990, 3072, 3073).
16
Es besteht im Normalfall kein Anlass für den Berufungsgegner, mit der Vertretungsanzeige seines Prozessbevollmächtigten zugleich den Sachantrag auf Zurückweisung der Berufung anzukündigen (BGH 17. Dezember 2002 - X ZB 27/02 - NJW 2003, 1324; LAG Thüringen 12. Dezember 2000 - 8 Ja 138/2000 - MDR 2001, 477; OLG Naumburg 18. Februar 1997 - 4 W 243/96 - Anwaltsblatt 1999, 56).
17
Die Beklagte hat mit dem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 17. September 2001 nicht nur Berufung eingelegt, sondern zugleich beantragt, das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Auch diese Verbindung der Berufungseinlegung mit einem Sachantrag führt entgegen einer vereinzelt in Rechtsprechung (OLG Köln 15. September 1997 - 17 W 243/97- BB 1997, 2452) und Literatur (MünchKommZPO-Belz 2. Aufl. Bd. 1 § 91 Rn. 39) vertretenen Auffassung nicht dazu, dass die Ankündigung des Antrags auf Zurückweisung der Berufung als notwendig angesehen werden könnte. Denn entscheidend ist, dass sich der Berufungsbeklagte erst nach Vorliegen der Berufungsbegründung mit Inhalt und Umfang des Angriffs auf das erstinstanzliche Urteil sachlich auseinandersetzen kann (LAG Sachsen-Anhalt 16. Juni 2000 - 10 Ja 112/00 -; LAG Thüringen 12. Dezember 2000 - 8 Ja 138/2000 -; OLG Koblenz 13. Juni 2001 - 14 W 395/01 -; OLG Naumburg 21. September 2001 - 13 W 166/01 -; offengelassen LAG Schleswig-Holstein 23. April 2001 - 1 Ja 45 e/01 - NZA-RR 2001, 494). Es ist nicht ersichtlich, welche Prozessförderung von einem Antrag auf Zurückweisung der Berufung ausgehen könnte, solange mangels einer Berufungsbegründung eine sachgerechte Prüfung des Rechtsmittels nicht möglich ist (OLG München 29. Juli 1997 -11 W 1953/97 - Anwaltsblatt 1998, 214). Dies gilt unabhängig davon, ob die Berufung ausdrücklich nur zur Fristwahrung eingelegt wurde oder nicht (OLG Nürnberg 17. Juli 1992 - 4 W1674/92 - JurBüro 1993, 91). Auch das Prinzip der "Waffengleichheit" besagt nicht, dass es dem Rechtsmittelgegner stets möglich sein muss, Anwaltskosten in gleicher Höhe erstattet zu verlangen, wie sie dem Rechtsmittelführer entstanden sind (BGH 17. Dezember 2002 - X ZB 27/02 - NJW 2003, 1324).
18
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 216,61 Euro
Rost
Bröhl
Schmitz-Scholemann
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