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BFH, 25.07.2001 - VI R 77/00 - Berücksichtigung von Werbungskosten im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses; Berücksichtigung von ausbildungbedingtem Mehrbedarf
Bundesfinanzhof
Urt. v. 25.07.2001, Az.: VI R 77/00
Kindergeld: Besondere Ausbildungskosten dürfen abgezogen werden
Wohnt ein Auszubildender, der noch zum Haushalt seiner Eltern gehört, wegen seiner Ausbildung auswärts, so können seine Aufwendungen sowohl für die Fahrten zwischen seiner auswärtigen Wohnung und der Ausbildungsstelle als auch für Fahrten von und zum Haushalt seiner Eltern als „besondere Ausbildungskosten“ vom steuerpflichtigen Einkommen abgezogen werden. Die Eltern behalten daraufhin ggf. den Anspruch auf Kindergeld.
Quelle: Wolfgang Büser
Berücksichtigung von Werbungskosten im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses; Berücksichtigung von ausbildungbedingtem Mehrbedarf
Verfahrensgang:
vorgehend:
FG Thüringen
Fundstellen:
BFHE 196, 159 - 160
b&b 2001, 449
b&b 2001, 446
BB 2001, 1942 (amtl. Leitsatz)
BB 2001, 2251 (Volltext mit amtl. LS)
BFH/NV 2001, 1497-1498
BStBl II 2002, 12 (Volltext mit amtl. LS)
DStRE 2001, 1217-1218 (Volltext mit amtl. LS)
DStZ 2001, 757 (Kurzinformation)
DStZ 2001, 786 (amtl. Leitsatz)
EStB 2001, 374
FR 2001, 1013-1014
KÖSDI 2001, 13019 (Kurzinformation)
NWB 2001, 3144-3145
stak 2001
StSem 2002
WPg 2001, 1335
BFH, 25.07.2001 - VI R 77/00
Amtlicher Leitsatz:
Wohnt ein in dem Haushalt des Kindergeldberechtigten aufgenommenes Kind am auswärtigen Ausbildungsort, können regelmäßig Aufwendungen sowohl für Fahrten zwischen der Wohnung am Ausbildungsort und der Ausbildungsstelle als auch für Fahrten von und zum Haushalt des Kindergeldberechtigten als besondere Ausbildungskosten berücksichtigt werden.
Tatbestand
1
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erhielt bis Dezember 1998 für seinen am 11. Juni 1978 geborenen Sohn M Kindergeld. Mit Bescheid vom 24. November 1998 hob der Beklagte und Revisionskläger (das Arbeitsamt --Familienkasse--) die Festsetzung des Kindergeldes ab 1. Januar 1999 auf, da die maßgebende Einkommensgrenze überschritten werde. M begann am 1. Oktober 1998 bei der staatlich anerkannten Berufsfachschule für Automatisierungs-, Daten- und Nachrichtentechnik in X (im Folgenden: Schule) eine zweijährige Ausbildung zum Industrietechnologen. Träger der Schule ist die rechtsfähige Stiftung Y Akademie. Grundlage der Ausbildung ist der Vertrag zwischen M und der Schule vom 27. Mai 1998. Gemäß Nr. 8 des Ausbildungsvertrages wird kein Anstellungsverhältnis mit der Y AG begründet. Während der Ausbildung erhält M von der Y AG ein monatliches Stipendium von 1.150,00 DM im ersten und 1.250,00 DM im zweiten Ausbildungsjahr. M bewohnt in X ein möbliertes Zimmer, das ca. drei Kilometer von der Schule entfernt liegt.
2
Die Familienkasse ging davon aus, dass das Stipendium steuerfreie Bezüge darstelle. Diese würden im Kalenderjahr 1999 13.740,00 DM betragen und damit die Einkommensgrenze von 13.020,00 DM überschreiten. Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage wurde vorgetragen, bei dem Stipendium handle es sich um steuerpflichtige Einnahmen i.S. von § 22 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die um Fahrtkosten, Schulgeld und Aufwendungen für die Wochenendheimfahrten zu vermindern seien.
3
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der der Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 24. November 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung beantragt hatte, statt. M, der als noch nicht 27-Jähriger im ganzen Kalenderjahr 1999 ausgebildet worden sei, habe den maßgebenden Jahresgrenzbetrag von 13.020,00 DM nicht überschritten. Bei dem Stipendium in Höhe von 14.100,00 DM habe es sich weder um Arbeitslohn, noch um nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfreie Bezüge, sondern um Einnahmen i.S. von § 22 Nr. 1 EStG gehandelt. Hiervon seien die vom Kläger substantiiert und glaubhaft dargelegten Aufwendungen des M für Fahrten zwischen seinem Zimmer und der Schule (200 x 6 x 0,52 DM = 624,00 DM) und für Heimfahrten (30 x 680 x 0,52 DM = 10.608,00 DM) abzuziehen, sodass der Jahresgrenzbetrag unterschritten werde.
4
Mit der Revision rügt die Familienkasse die Verletzung von § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG.
5
Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
6
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
7
Die Revision ist unbegründet.
8
Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Jahresgrenzbetrag nicht überschritten wird. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob das Stipendium bei den Einkünften oder bei den Bezügen zu erfassen war. Wie der Senat nach Ergehen der Vorentscheidung im Urteil vom 14. November 2000 VI R 128/00 (BFHE 193, 457, BStBl II 2001, 495 [BFH 14.11.2000 - VI R 128/00]) ausgeführt hat, ist ausbildungsbedingter Mehrbedarf --wenn er mit erzielten steuerpflichtigen Einnahmen im Zusammenhang steht gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei diesen-- und andernfalls gemäß § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG von der Summe aus Einkünften und Bezügen abzuziehen. Da sich die ausbildungsbedingten Mehraufwendungen dem Grunde und der Höhe nach an den Beträgen orientieren, die im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses als Werbungskosten zu berücksichtigen wären (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. November 2000 VI R 62/97, BFHE 193, 444 [BFH 14.11.2000 - VI R 62/97], BStBl II 2001, 491, unter 2. c), können sowohl Aufwendungen für Fahrten zwischen der Wohnung am Ausbildungsort und der Ausbildungsstätte abgezogen werden, also auch solche für Fahrten von und zu einer weiter entfernt liegenden Wohnung zum Ausbildungsort, wenn diese Wohnung den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Kindes bildet (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1985 VI R 7/83, BFHE 145, 386, BStBl II 1986, 221 [BFH 13.12.1985 - VI R 7/83]). Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Kindes wird sich regelmäßig bei der Wohnung des Kindergeldberechtigten befinden, zu dessen Haushalt das Kind gehört (vgl. § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG).
9
Danach zählen zu den ausbildungsbedingten Mehraufwendungen dem Grunde nach auch die vom FG berücksichtigten Fahrtkosten, die allerdings nicht mit den bei Dienstreisen, sondern mit den bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zum Zuge kommenden Beträgen anzusetzen sind (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 2000 VI R 52/98, BFHE 193, 453 [BFH 14.11.2000 - VI R 52/98], BStBl II 2001, 489 [BFH 14.11.2000 - VI R 52/98]). Zusätzlich können Studiengebühren abgezogen werden (BFH-Urteil in BFHE 193, 444 [BFH 14.11.2000 - VI R 62/97], BStBl II 2001, 491). Geht man von den vom FG dem Grunde nach festgestellten Fahrten aus, wird der Jahresgrenzbetrag auch dann deutlich unterschritten, wenn die Aufwendungen statt mit 0,52 DM je gefahrenen Kilometer lediglich mit 0,70 DM je Entfernungskilometer berücksichtigt werden.