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BFH, 15.11.2005 - IX R 3/04 - Abziehbarkeit vergeblicher Werbungskosten nach Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht; Abziehbarkeit von Werbungskosten im Hinblick auf die Vornahme zum Auffangen einer gescheiterten Investition; Fortwirken der Kausalität der Einkünfteerzielung im Hinblick auf den Veranlassungszusammenhang; Definition des Begriffs der Werbungskosten; Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Revision
Bundesfinanzhof
Urt. v. 15.11.2005, Az.: IX R 3/04
Werbungskosten: Auch im Keim Ersticktes kann Steuern sparen helfen
Will ein Mann eine Eigentumswohnung bauen, um damit nach der Fertigstellung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, kommt es mit dem Bauträger jedoch zum Streit und wird das Vorhaben verworfen, so kann der gestoppte Bauwillige die ihm bis zur Zerschlagung des Projekts entstandenen Kosten (hier 30 000 € Vergleichszahlung an den Bauträger sowie 4 000 € Rechtsverfolgungskosten) als vorweggenommene Werbungskosten vom steuerpflichtigen Einkommen abziehen. Bei allen Aufwendungen, die durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind, handelt es sich um Werbungskosten. Das gilt auch, wenn die mit dem Aufwand zusammenhängenden Einnahmen noch nicht erzielt werden. Entscheidend ist der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der (geplanten) Einkunftsart.
Quelle: Wolfgang Büser
Abziehbarkeit vergeblicher Werbungskosten nach Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht; Abziehbarkeit von Werbungskosten im Hinblick auf die Vornahme zum Auffangen einer gescheiterten Investition; Fortwirken der Kausalität der Einkünfteerzielung im Hinblick auf den Veranlassungszusammenhang; Definition des Begriffs der Werbungskosten; Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Revision
Verfahrensgang:
vorgehend:
FG Hamburg - 12.12.2003 - AZ: VII 307/01
Fundstellen:
BFHE 212, 45 - 47
BB 2006, 258 (amtl. Leitsatz)
BB 2006, 303-304 (Volltext mit amtl. LS)
BFH/NV 2006, 667 (Volltext mit amtl. LS)
BStBl II 2006, 258-259 (Volltext mit amtl. LS)
DB 2006, VI Heft 4 (amtl. Leitsatz)
DB 2006, 195 (Volltext mit amtl. LS)
DStR 2006, VIII Heft 4 (amtl. Leitsatz)
DStRE 2006, 194-196 (Volltext mit amtl. LS)
DStZ 2006, 131-132 (Volltext mit amtl. LS)
DStZ 2006, 99 (Kurzinformation)
EStB 2006, 88-89 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
FR 2006, 336
GuT 2006, 94
HFR 2006, 258 (Volltext mit amtl. LS)
INF 2006, 165
KÖSDI 2006, 14964 (Kurzinformation)
MBP 2006, 37
NJW-Spezial 2006, 149 (Kurzinformation)
NWB 2006, 232-233 (Kurzinformation)
NWB 2007, 3444 (Kurzinformation)
NWB direkt 2006, 4
NZG 2006, VI Heft 3 (Volltext)
NZM 2006, 350 (Volltext mit amtl. LS)
RdW 2006, XII Heft 11 (Kurzinformation)
SJ 2006, 6-7
stak 2006
StB 2006, 81
StBW 2006, 2
SteuerBriefe 2006, 317-318
StuB 2006, 112
SWK 2006, 367
SWK 2006, 565-566
ZfIR 2006, 261 (amtl. Leitsatz)
BFH, 15.11.2005 - IX R 3/04
Amtlicher Leitsatz:
Auch nach Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht können vorab entstandene vergebliche Werbungskosten abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige sie tätigt, um sich aus einer gescheiterten Investition zu lösen und so die Höhe der vergeblich aufgewendeten Kosten zu begrenzen. Der durch die Absicht der Einkünfteerzielung begründete Veranlassungszusammenhang wirkt fort, solange er nicht durch eine der privaten Vermögenssphäre zuzuweisende neue Veranlassung überlagert wird.
Gründe
1
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) schlossen im Jahre 1994 einen notariellen Vertrag über den Erwerb einer noch zu errichtenden Eigentumswohnung, die sie zum Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nutzen wollten.
2
In der Folgezeit kam es zwischen den Klägern und dem Bauträger zu Differenzen. Der Bauträger verlangte Abnahme und Zahlung des Kaufpreises. Die Kläger machten geltend, dass er seine vertraglichen Leistungen nicht vollständig und im Übrigenim Übrigen mangelhaft erbracht habe. Sie setzten ihm für die vertragsgemäße Erfüllung eine Frist mit Ablehnungsandrohung und erhoben --nachdem diese fruchtlos abgelaufen war-- vor dem Landgericht Klage auf Feststellung, dass der Bauträger nicht berechtigt sei, aus der notariellen Urkunde Zahlungsansprüche geltend zu machen.
3
Nachdem die Klage in der ersten Instanz ohne Erfolg geblieben war, schlossen die Kläger im Berufungsverfahren auf Anraten des Gerichts einen Vergleich, in dem der Vertrag wegen des Rücktritts der Kläger aufgehoben wurde und diese an den Bauträger 60 000 DM zu zahlen hatten.
4
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ließ die von den Klägern im Streitjahr (1999) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemachten 66 692 DM (Vergleichszahlung 60 000 DM; Rechtsverfolgungskosten 6 692 DM) nicht zum Abzug zu.
5
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 719 veröffentlicht.
6
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
7
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Streitjahres weitere Werbungskosten in Höhe von 34 099,08 EUR (entsprechend 66 692 DM) zu berücksichtigen.
8
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
9
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Das FG hat zu Unrecht den Werbungskostenabzug versagt, weil die Aufwendungen nach Aufgabe der Einkünfteerzielung entstanden seien.
10
1.
Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) sind alle Aufwendungen, die durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Sie können schon anfallen, wenn mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen noch nicht erzielt werden. Voraussetzung für die Berücksichtigung vorab entstandener Werbungskosten ist, dass ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. Dieser ist gegeben, wenn sich anhand objektiver Umstände feststellen lässt, dass der Steuerpflichtige den Entschluss, Einkünfte aus einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefasst hat. Führen solche Aufwendungen nicht zum beabsichtigten Erfolg, bleibt hiervon ihre Abziehbarkeit als Werbungskosten unberührt. Maßgebend ist, ob die vergeblichen Aufwendungen im Falle ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung stünden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. März 1997 IX R 29/93, BFHE 183, 75, BStBl II 1997, 610, m.w.N.).
11
2.
Auch nach Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht können vorab entstandene vergebliche Werbungskosten weiter abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige sie --nachdem er das Scheitern seiner Investition erkannt hat-- tätigt, um sich aus der vertraglichen Verbindung zu lösen und so die Höhe der vergeblich aufgewendeten Kosten zu begrenzen (BFH-Beschluss vom 5. November 2001 IX B 92/01, BFHE 197, 139 [BFH 05.11.2001 - IX B 92/01], BStBl II 2002, 144; vgl. auch BFH-Urteil vom 14. Januar 2003 IX R 74/00, BFH/NV 2003, 752, unter II. 3.). Der durch die Absicht der Einkünfteerzielung begründete Veranlassungszusammenhang wirkt fort, solange er nicht durch eine der Vermögenssphäre zuzuweisende neue Veranlassung (z.B. dem Zusammenhang mit einem nicht steuerbaren Veräußerungsverlust) überlagert wird (Kreft in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 9 EStG Anm. 163; Spindler, Die Steuerberatung 2001, 49, 55; vgl. dazu auch Valentin, EFG 2004, 720, 721).
12
3.
Prozesskosten teilen als Folgekosten die einkommensteuerrechtliche Qualifikation derjenigen Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren (z.B. BFH-Urteile vom 6. Dezember 1983 VIII R 102/79, BFHE 140, 219, BStBl II 1984, 314; vom 21. Juli 1992 IX R 72/90, BFHE 169, 317, BStBl II 1993, 486; vom 17. Mai 2000 X R 13/97, BFHE 192, 463, BStBl II 2000, 665, unter II. 1. e).
13
4.
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Vorentscheidung aufzuheben und die nicht spruchreife Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
14
a)
Die strittigen Aufwendungen sind dem Grunde nach als vorab entstandene vergebliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Die Kläger haben sie getätigt, um die gescheiterte Investition zu beenden. Ein die ursprüngliche Veranlassung überlagernder neuer Zusammenhang ist vom FG weder festgestellt noch sonst ersichtlich.
15
b)
Das FG hat ausgehend von seiner Rechtsauffassung keine näheren Feststellungen zur Höhe der bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anzusetzenden Werbungskosten getroffen. Dies muss es nachholen.
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