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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Tendenzbetrieb
Tendenzbetrieb
Information
Für Tendenzbetriebe gelten in Bezug auf die Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis hinsichtlich Kündigungsschutz und Betriebsverfassung Besonderheiten, die sich aus dem Zweck des Unternehmens ergeben. Hat ein Unternehmen mehrere Betriebe, so ist für jeden einzelnen Betrieb zu prüfen, ob es sich um einen Tendenzbetrieb handelt.
Ein Tendenzbetrieb liegt gemäß § 118 Abs. 1 BetrVG vor, wenn das Unternehmen/der Betrieb
politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen dient ode
Zwecke der Berichterstattung und Meinungsäußerung verfolgt, die durch Art. 5 Grundgesetz (GG) besonders geschützt sind.
Die Tendenz muss unmittelbar und überwiegend verfolgt werden. Unmittelbar bedeutet, dass die betriebliche Tätigkeit selbst im Dienste dieser Tendenz stehen muss und nicht etwa nur Gewinne für einen tendenziösen Zweck abgeführt werden. Überwiegend bedeutet, dass das Unternehmen/der Betrieb nach der Quantität (Umsatz, Produkte) zu mehr als 50 % der Tendenz dient.
Tendenzträger sind solche Arbeitnehmer, deren Arbeitstätigkeit unmittelbar mit der Tendenz des Unternehmens/ des Betriebs verbunden ist, z.B.
Lehrer an Privatschulen in kirchlicher Trägerschaft
hauptamtliche Funktionäre in Partei- oder Gewerkschaftsbüros
Sozialarbeiter in kirchlichen Einrichtungen
Redakteure und sogar Anzeigenredakteure
Keine Tendenzträger dagegen sind z.B. Bühnenarbeiter, Hausmeister, Telefonistinnen, Sekretärinnen, Redaktionsboten usw.
Im Arbeitsverhältnis des Tendenzträgers besteht eine besondere Treuepflicht des Arbeitnehmers.
Hinweis:
Um als Tendenzträger zu gelten, müssen die entsprechenden Arbeitnehmer - zumindest in karitativen Einrichtungen - "bei den tendenzbezogenen Tätigkeitsinhalten im Wesentlichen frei über die Aufgabenerledigung entscheiden können". In zeitlicher Hinsicht müssen diese Tätigkeiten zudem "einen bedeutenden Anteil an der Gesamtarbeitszeit umfassen" (BAG, 14.05.2013 - 1 ABR 10/12).
Das Direktionsrecht des Arbeitgebers gilt weiter gehender als in anderen Arbeitsverhältnissen und erstreckt sich auf den Arbeitsinhalt.
Tendenzträger sind insbesondere gehalten, in ihrer dienstlichen Tätigkeit der Tendenz des Unternehmens / des Betriebes zu entsprechen; sie können auch auf ein außerdienstliches Verhalten verpflichtet werden, das der Tendenz zumindest nicht widerspricht. Entscheidend ist jedoch immer, ob das Arbeitsverhältnis von dem Verhalten konkret berührt wird.
Eine Nichtübereinstimmung mit der Tendenz begründet in der Regel eine Abmahnung, im häufigeren Fall eine verhaltensbedingte Kündigung.
Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats sind in Tendenzbetrieben eingeschränkt:
Die Mitgestaltung sozialer Angelegenheiten unterliegt dem Vorbehalt, dass die Verfolgung der Tendenz nicht behindert werden darf.
Dies kommt z.B. bei Arbeitszeiten für Redakteure in Betracht, sofern die Aktualität der Berichterstattung dadurch berührt wird, oder für die Dauer von Bühnenproben u.Ä.Auch berufliche Fortbildungen für Redakteure können ohne Beteiligung des Betriebsrats angeordnet werden, weil nach Auffassung des BAG die Teilnahme an innerbetrieblichen Bildungsmaßnahmen der Vermittlung von Fachwissen dient, das wiederum der Tendenzverwirklichung eines Presseunternehmens dienlich ist. Dieser Grundsatz gilt auch für Anzeigenredakteure, da sie auf die Anzeigentexte Einfluss nehmen können (BAG, 20.04.2010 – 1 ABR 78/08).
Die Verpflichtung zur Bildung eines Wirtschaftsausschusses (Mitbestimmung) entfällt.
In personellen Angelegenheiten gelten in Bezug auf Tendenzträger Besonderheiten: Informations-, Anhörungs- und Beratungsrechte bleiben bestehen, ebenso die Mitbestimmung bei der Eingruppierung. Das Recht zur Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrates bei Einstellung entfällt jedoch zugunsten eines Informationsrechtes, wenn tendenzbezogene Einstellungen oder Versetzungen geplant sind. Im Falle der Kündigung ist nach der Rechtsprechung des BAG der Betriebsrat vor dem Ausspruch einer Kündigung zu hören, wenn die Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt. Auch bei Kündigung von Tendenzträgern ist der Betriebsrat vorher zu hören, da nach der gesetzlichen Regelung eine Mitbestimmung, nicht Anhörungs- und Informationsrechte des Betriebsrates ausgeschlossen sein sollen.
Die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes entfällt gänzlich auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen unbeschadet deren Rechtsform (§ 118 Abs. 2 BetrVG). Hierzu zählen z.B. die Innere Mission, das diakonische Werk der evangelischen Kirche etc. Anwendbar ist es daher z.B. auf die wirtschaftlichen Betriebe einer Religionsgemeinschaft, z.B. Brauereien.
Das Recht von Gewerkschaften, im Betrieb für sich zu werben, wird durch den Tendenzschutz nicht berührt.
Siehe auch
Mitbestimmung