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BFH, 01.07.1977 - III B 28/76 - Anfechtung; Gesonderte Feststellung des gemeinen Wertes ; Nichtdotierte Anteile an Kapitalgesellschaften; Rechtsstreit über die Feststellung von Einheitswerten; Jahresbetrag der Vermögensteuer; Rechtsmittelbelehrung
Bundesfinanzhof
Beschl. v. 01.07.1977, Az.: III B 28/76
Anfechtung; Gesonderte Feststellung des gemeinen Wertes ; Nichtdotierte Anteile an Kapitalgesellschaften; Rechtsstreit über die Feststellung von Einheitswerten; Jahresbetrag der Vermögensteuer; Rechtsmittelbelehrung
Fundstellen:
BFHE 122, 434 - 437
BStBl II 1977, 698
DB 1977, 2262 (Volltext mit amtl. LS)
DStR 1977, 610 (amtl. Leitsatz)
NJW 1977, 1936 (amtl. Leitsatz)
BFH, 01.07.1977 - III B 28/76
Amtlicher Leitsatz:
1. Die Anfechtung der gesonderten Feststellung des gemeinen Werts nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften ist nicht ein Rechtsstreit über die Feststellung von Einheitswerten i. S. des BFH-EntlastG.
2. Der Streitwert bei der Anfechtung der gesonderten Feststellung des gemeinen Werts nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften entspricht dem einfachen Jahresbetrag der Vermögensteuer, die auf dem streitigen Wertunterschied der Anteile des Klägers lastet.
3. Eine während der Geltungsdauer des BFH-EntlastG gegebene Rechtsmittelbelehrung, die die Revisionssumme mit 1 000 DM angibt und im übrigen nur allgemein auf das BFH-EntlastG verweist, ist unrichtig.
Tatbestand:
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Der Rechtsstreit wird um die gesonderte Feststellung des gemeinen Werts nichtnotierter Aktien zum 31. Dezember 1965 geführt. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hielt ein Aktienkapital von nominal 1 Mio. DM. Der Beklagte und Beschwerdegegner (FA) stellte den gemeinen Wert dieser Aktien mit 68 DM je 100 DM Grundkapital fest. Der Kläger begehrte mit der Klage einen gemeinen Wert von 19,20 DM je 100 DM Grundkapital.
2
Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Es ließ die Revision nicht unabhängig vom Streitwert zu.
3
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, mit der der Kläger grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, hat in der Sache keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
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Die Beschwerde ist zulässig.
5
1. Die Zulässigkeit kann nicht deshalb in Frage gestellt werden, weil eine zulassungsfreie Revision gegeben sei; denn es liegt weder einer der Fälle des § 116 FGO vor noch übersteigt der Streitwert der Revision die für eine zulassungsfreie Revision erforderliche Streitwertgrenze von 10 000 DM des für die Entscheidung anzuwendenden Art. 1 Nr. 5 Satz 1 BFH-EntlastG.
6
a) Der Kläger hat allerdings auch vorgetragen, die Anfechtung der gesonderten Feststellung des gemeinen Werts nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften sei ein Rechtsstreit "über die Feststellung von Einheitswerten" i. S. des Art. 1 Nr. 5 Satz 2 BFH-EntlastG, so daß die Revisionssumme von 1 000 DM maßgebend sei. Dies trifft indessen nicht zu.
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Aus § 214 der Reichsabgabenordnung (AO) ergibt sich, daß Einheitswerte nur für die wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, des Grundvermögens und des Betriebsvermögens, sowie für Mineralgewinnungsrechte, die nicht zu einem gewerblichen Betrieb gehören, und außerdem für die wirtschaftlichen Untereinheiten des Betriebsvermögens festgestellt werden. Aktien können zum sonstigen Vermögen (§ 110 Abs. 1 Nr. 3 BewG 1965) und zum Betriebsvermögen gehören. In keinem Fall der beiden möglichen Zuordnungen werden für Aktien Einheitswerte festgestellt; denn für sonstiges Vermögen ist die Feststellung von Einheitswerten überhaupt nicht vorgesehen und als Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens sind Aktien keine wirtschaftlichen Untereinheiten i. S. des § 214 Nr. 2 AO.
8
Auch die vom Kläger angestellte Erwägung, der Gesetzgeber habe mit der Beibehaltung der Revisionssumme von 1 000 DM für Rechtsstreitigkeiten über Einheitswerte Revisionsverfahren über Wertfeststellungen erleichtern wollen, die gemessen am Verkehrswert relativ niedrig seien, aber trotz des niedrigen Werts eine erhebliche steuerliche und wirtschaftliche Bedeutung hätten, trifft auf die Feststellung des gemeinen Werts für nichtnotierte Aktien nicht zu. Denn das unter Berücksichtigung der Rechtsvorschriften des § 11 Abs. 2 BewG 1965 durch Verwaltungsanweisung geregelte sog. Stuttgarter Verfahren zur Bewertung nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften dient der Ermittlung des tatsächlichen Verkehrswerts der Anteile am jeweiligen Stichtag. Dies zeigen u. a. die vielfältigen Korrekturen am Einheitswert des Betriebsvermögens der Gesellschaft, damit dieser bereinigte Wert eine geeignete Ausgangsgröße für die Schätzung des gemeinen Werts der Anteile ist (vgl. Abschn. 77 VStR und Urteil des BFH vom 12. Dezember 1975 III R 30/74, BFHE 118, 66, BStBl II 1976, 238 [BFH 12.12.1975 - III R 30/74] unter 2.). Aus der Zielsetzung des Stuttgarter Verfahrens ergibt sich weiter, daß auch das bei der Beratung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs im Bundestag (BT) angeführte Motiv, bei der Anfechtung von Einheitswerten werde die Revisionssumme von 10 000 DM kaum erreicht, so daß die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gefährdet werden könnte (vgl. BT-Drucksache 7/3654 vom 16. Mai 1975 S. 5), auf die Bewertung nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften nicht zutrifft. Schließlich kann auch der Umstand, daß die §§ 64 f. BewDV, die das Verfahren zur gesonderten Feststellung des gemeinen Werts nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften am maßgebenden Stichtag regelten, auf der Ermächtigung des § 220 Nr. 2 AO beruhen und diese Vorschrift eine Erweiterung der §§ 214 und 215 AO zulasse, zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn die Erweiterung, die der Verordnungsgeber aufgrund dieser Ermächtigung vorgenommen hat, bezieht sich nur auf die gesonderte Feststellung von Werten, dagegen nicht auf die Einheitsbewertung (vgl. hierzu auch BFH-Entscheidung vom 10. Dezember 1971 III R 35/71, BFHE 104, 282, BStBl II 1972, 331).
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b) Der Streitwert des Revisionsverfahrens übersteigt nicht die durch das Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs auf 10 000 DM erhöhte Revisionssumme. Streitig ist ein Wertunterschied von (68,- DM ./. 19,20 DM =) 48,80 DM je 100 DM Grundkapital. Der Kläger hielt Anteile am Grundkapital der AG von nominal 1 Mio. DM, so daß die vom Kläger begehrte Bewertung der Aktien zu einer Minderung seines vermögensteuerpflichtigen Vermögens um 488 000 DM führen würde. Die auf der streitigen Vermögensminderung lastende Vermögensteuer beträgt 4 880 DM (§ 8 VStG i. d. F. vor dem Vermögensteuerreformgesetz 1974). Aktien sind nach § 112 BewG 1965 jährlich zu bewerten; damit bleibt der festgestellte Wert längstens für ein Jahr Besteuerungsgrundlage für die Vermögensteuer. Aus diesem Grund kann der Senat den Streitwert der Revision nur mit dem einfachen Jahresbetrag der vermögensteuerlichen Belastung des streitigen Wertunterschieds bemessen.
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2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger die Beschwerdefrist des § 115 Abs. 3 FGO von einem Monat nicht eingehalten hat. Denn das FG hat dem Kläger eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt, so daß die Beschwerde noch innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Vorentscheidung erhoben werden konnte (§ 55 Abs. 2 FGO). Diese Jahresfrist hat der Kläger eingehalten.
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Der Sinn der Rechtsmittelbelehrung besteht u. a. darin, den Adressaten darüber zu unterrichten, welche Rechtsmittel er gegen die ihm zugestellte Entscheidung ergreifen kann. Gegen das Urteil eines FG kommen als Rechtsmittel sowohl die Revision als auch die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in Betracht. Ob im Einzelfall dieses oder jenes Rechtsmittel zu ergreifen ist, hängt entscheidend davon ab, daß der Empfänger der Rechtsmittelbelehrung richtig über den Streitwert belehrt wird, bei dessen Überschreiten eine zulassungsfreie Revision gegeben ist. Das FG hat den Kläger zwar über die Revisionssumme belehrt, es hat aber hierbei unzutreffenderweise ausgeführt, die Revision an den BFH sei zulässig, wenn der Streitwert der Revision 1 000 DM übersteige. Nacht Art. 1 Nr. 5 BFH-EntlastG beträgt die Revisionssumme aber seit dem 15. September 1975 regelmäßig 10 000 DM und nur noch in Ausnahmefällen 1 000 DM. Das FG hat zwar am Ende seiner Rechtsmittelbelehrung auf die Vorschriften des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs allgemein hingewiesen, ohne die entscheidende Vorschrift dieses Gesetzes darzustellen. Dieser allgemeine Hinweis reicht nicht aus, um die einleitende konkrete Belehrung, eine zulassungsfreie Revision sei gegeben, wenn der Streitwert 1 000 DM übersteige, als Ausnahmefall erkennen zu lassen. Der Senat folgt dem Kläger, daß sich die Revisionssumme aus der Rechtmittelbelehrung unmißverständlich und zutreffend ergeben muß.
12
II.
Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
13
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