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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Stolpersteine - GmbH - Unternehmensleitung und Sozialversicherung
Stolpersteine - GmbH - Unternehmensleitung und Sozialversicherung
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Die Beurteilung der Versicherungspflicht von Unternehmensleitern einer GmbH ist schon immer umstritten. Die umfangreiche Rechtsprechung zu diesem Thema zeigt, wie hoch die Bedeutung für die Praxis der Betriebe ist. Falsche Einschätzungen können erhebliche Nachforderungen an Beiträgen nach sich ziehen. Lesen Sie, welche Rechtslage sich aus den höchstrichterlichen Entscheidungen der letzten Zeit ergeben hat. Die Ausführungen gelten sinngemäß auch für die haftungsbeschränkte UG.
Praxistipp:
Zur Vergleichbarkeit von EU-mitgliedsstaatlicher Kapitalgesellschaften mit der deutschen AG und mit der deutschen GmbH siehe TOP 1 der Besprechung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger vom 08.11.2017 (www.aok.de/Arbeitgeber/Sozialversicherung/Besprechungsergebnisse).
2. Selbstständig oder nicht?
Viele Unternehmensleiter fühlen sich als selbstständig Tätige – aus der faktischen Rechtsmacht in der täglichen Praxis sicher zu recht. Doch die Rechtsprechung legt für die Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung andere, recht formale Kriterien an.
2.1 Definition abhängige Beschäftigung
Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung i.S.d. Sozialversicherung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Betriebes. Eine Definition der selbstständigen Tätigkeit enthält das Gesetz nicht; es ist jedoch im Umkehrschluss davon auszugehen, dass darunter alle Erwerbstätigkeiten fallen, die nicht als Beschäftigungsverhältnis anzusehen sind. Die Regelung des § 7 Abs. 1 SGB IV ist nicht verfassungswidrig (BVerfG, 20.05.1996 – 1 BvR 21/96).
Durch die Einfügung des § 611a BGB wurde mit Wirkung vom 01.04.2017 für das Arbeitsrecht eine Definition des Begriffes "Arbeitsvertrag" vorgenommen. Sie enthält im Wesentlichen die Kriterien, die bereits zuvor von der Rechtsprechung entwickelt und die daher bereits in der Praxis angewandt wurden (vgl. BT-Drs. 9232 S. 31). Der Annahme eines Arbeitsverhältnisses steht es nicht entgegen, wenn der Vertrag der Parteien nicht als Arbeitsverhältnis bezeichnet ist. In diesem Fall kommt es auf die tatsächliche Vertragsdurchführung und nicht auf die Bezeichnung im Vertrag an. Durch Parteivereinbarung kann die Bewertung einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedungen und der Geltungsbereich des Arbeitnehmerschutzrechts nicht eingeschränkt werden. Anders ist dies jedoch im umgekehrten Fall, in dem die Vertragsparteien einen als Arbeitsvertrag bezeichneten Vertrag abschließen und für ein Arbeitsverhältnis typische Rechte und Pflichten im Vertrag regeln. Haben die Parteien ein Arbeitsverhältnis vereinbart, so ist es auch regelmäßig als solches einzuordnen. Die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses ist nur maßgebend, wenn die Parteien ein Vertragsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis bezeichnet haben, tatsächlich jedoch ein solches gelebt wurde. Wollen die Parteien eines Arbeitsverhältnisses ihre Rechtsbeziehungen künftig als freies Dienstverhältnis fortsetzen, müssen sie das hinreichend klar unter Beachtung von § 623 BGB vereinbaren. Hieran hat sich durch die Kodifizierung des Arbeitsvertrags in § 611a BGB nichts geändert. § 611a Abs. 1 S. 6 BGB regelt nur, dass die abweichende Bezeichnung des Vertrags dann nicht maßgeblich ist, wenn die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses ergibt, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt. Den umgekehrten Fall, dass der Vertrag als Arbeitsvertrag bezeichnet ist und in diesem ein Arbeitsverhältnis vertraglich geregelt ist, betrifft § 611a Abs. 1 S. 6 BGB nicht. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist in einem solchen Fall eröffnet (LAG Hessen, 01.02.2022 - 19 Ta 507/21).
Nach ständiger Rechtsprechung (z.B. BSG, 29.07.2015 – B 12 KR 23/13 R) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies ist der Fall, wenn der Mitarbeiter in den Betrieb eingegliedert ist und dabei in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Arbeit einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Wichtig für die Leitungskräfte ist, dass die Weisungsgebundenheit – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein kann (st. Rspr. siehe z.B. LSG Niedersachen-Bremen, 16.12.2015 – L 2 R 268/15 m.w.N. und § 611a Abs. 1 BGB). Auch die Ausübung von Arbeitgeberfunktionen gegenüber den Arbeitnehmern des Betriebes schließt eine abhängige Beschäftigung des leitenden Angestellten nicht aus (LSG Nordrhein-Westfalen, 11.05.2016 – L 8 R 988/15). So steht eine Geschäftsführerin eines Abwasserzweckverbandes in einem Arbeitsverhältnis, wenn diese jederzeit dem Arbeitgeber zu einer Verfügung zu stehen sowie seine Interessen wahrzunehmen hat und in dem geschlossenen Vertrag als leitende Angestellte bezeichnet wird.
Ist der Auftragnehmer eine Gesellschaft in Form einer juristischen Person (z.B. AG, SE, GmbH, UG [haftungsbeschränkt]), schließt dies ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zum Auftraggeber grundsätzlich aus. (LSG Baden-Württemberg, 27.06.2017 – L 11 R 3853/16). Der Ausschluss eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses wirkt jedoch nur auf die Beurteilung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer, nicht jedoch auf die Frage, ob die in der Gesellschaft Tätigen Arbeitnehmer dieser Gesellschaft sein können.
Ist der Auftragnehmer eine rechtsfähige Personengesellschaft (z.B. OHG, KG, GmbH & Co. KG, Partnerschaftsgesellschaft, GbR), schließt dies ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zum Auftraggeber im Regelfall ebenfalls aus. Dies gilt jedoch nicht, wenn im Einzelfall die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung mit entsprechender Weisungsgebundenheit gegenüber den Merkmalen einer selbständigen Tätigkeit überwiegen. Die gleiche Beurteilung gilt grundsätzlich auch, sofern es sich bei dem Auftragnehmer um eine Ein-Personen-Gesellschaft (z.B. Ein-Personen-GmbH bzw. Ein-Personen-Limited) handelt (Abschn. 3.10 Gemeinsames Rundschreiben zur Statusfeststellung von Erwerbstätigen vom 01.04.2022).
2.2 Definition selbstständige Tätigkeit
Aus § 611a BGB kann im Wege des Umkehrschlusses abgeleitet werden, unter welchen Bedingungen kein Arbeitsvertrag und daher eine selbstständige Tätigkeit in Form eines Dienst- oder Werkvertrages vorliegt. Auch hier sind die bereits durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze nach wie vor anwendbar. Eine selbstständige Tätigkeit ist vornehmlich durch das eigene Unternehmensrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Typisches Merkmal der selbstständigen Tätigkeit ist, dass eigenes Kapital bzw. die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird und dafür größere Freiheiten bei der Gestaltung und des Umfangs beim Einsatz der Arbeitskraft bestehen (BSG, 11.11.2015 – B 12 R 2/14 R). Eine Bürgschaft für die Verbindlichkeiten des Unternehmens oder die Hingabe eines Darlehns an den Betrieb haben nach der Rechtsprechung für die versicherungsrechtliche Beurteilung nur eine untergeordnete Bedeutung, weil die Gründe dafür regelmäßig außerhalb der Beschäftigung bzw. des Dienstvertrages liegen (BSG, 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R). Insbesondere werden durch die Bürgschaft die rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft nicht erhöht (LSG Nordrhein-Westfalen, 14.10.2015 – L 8 R 474/15). Darüber hinaus begründet ein verzinsliches Darlehn des Arbeitnehmers an seinen Arbeitgeber nicht schon ein Unternehmerrisiko. Ist (arbeits-)vertraglich eingeräumt, dass der Betroffene in Bezug auf einzelne Entscheidungsgegenstände Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern kann, genügt dies ebenfalls nicht, um einen Status als selbstständig Tätiger zu begründen (BSG, 11.11.2015 – B 12 KR 10/14 R). Eine solche Klausel kann durch Kündigung leicht umgangen werden.
2.3 Abgrenzung nach den Gesamtumständen
Gerade bei Leitungskräften finden sich oft Merkmale sowohl einer abhängigen Beschäftigung wie auch für eine selbstständige Tätigkeit. Dann richtet sich die Zuordnung nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung; entscheidend ist, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr., siehe z.B. LSG Berlin-Brandenburg, 04.12.2015 – L 1 KR 356/13, § 611a Abs. 1 BGB). Im Streitfall prüft das Gericht, ob alle in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, "in die Gesamtschau der Umstände mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen" wurden (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, 30.10.2013 – B 12 KR 17/11 R).
Während die Gerichte früher für die Abgrenzung stärker die tatsächliche Gestaltung der Tätigkeit in der Praxis der Betriebe berücksichtigt haben, ist das nach der aktuellen Rechtsprechung nicht mehr der Fall (vgl. BSG, 29.07.2015 – B 12 KR 18/14 R; B 12 KR 23/13 R u. B 12 R 1/15 R – Abkehr von der sogenannten "Kopf- und Seele"-Rechtsprechung). Diese frühere "Kopf und Seele"-Rechtsprechung, wonach ein Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft ausnahmsweise als selbständig angesehen werden konnte, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn die Gesellschafter daran hinderten, hat das BSG ausdrücklich aufgegeben (BSG, 01.04.2019 – B 12 KR 98/18 B – siehe auch LSG Nordrhein-Westfalen, 21.06.2021 – L 8 BA 41/21 B ER). Die Maßgeblichkeit des rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhaltens der Beteiligten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungsrechtlicher- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren (LSG Nordrhein-Westfalen, 20.09.2018 – L 8 BA 44/18 B ER). Aufgrund der Abkehr von der früheren Kopf- und Seele-Rechtsprechung kann von den Betroffenen kein Vertrauensschutz nach Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitet werden. Nach Ansicht des BSG war diese Rechtsprechung nicht als gefestigt anzusehen (BSG, 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R; B 12 KR 21/19 R; B 12 R 7/19 R u. B 12 R 9/19 R). Damit gelten die Maßstäbe für die Abgrenzung von selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung grundsätzlich auch für Geschäftsführer einer GmbH (LSG Niedersachsen-Bremen, 26.02.2020 – L 2/12 BA 42/18).
Maßgebend ist der Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen. Dazu muss deren Inhalt konkret festgestellt werden. Liegen schriftliche Verträge vor, ist neben der Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind (BSG, 29.07.2015 – B 12 KR 23/13 R). Diese sind aber nur maßgeblich, soweit sie rechtlich zulässig sind (BSG, 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R), d.h. ggf. eine formlose Abbedingung rechtlich möglich ist (LSG Bayern, 20.10.2016 – L 7 R 920/15). Darüber hinaus ist auch festzustellen, ob die dokumentierten Vereinbarungen ernsthaft getroffen wurden; es darf sich nicht um einen "Etikettenschwindel" handeln. Dies würde die Nichtigkeit der Vereinbarungen zur Folge haben – ggf. als Scheingeschäft i.S.d. § 117 BGB (LSG Baden-Württemberg, 27.06.2017 – L 11 R 3853/16 u. LSG Nordrhein-Westfalen, 08.02.2017 – L 8 R 497/16). Erst auf Grundlage dieser Feststellungen über den wahren Inhalt der Vereinbarungen und deren Wertungen ist dann die Zuordnung des Rechtsverhältnisses zur selbstständigen Tätigkeit bzw. zur abhängigen Beschäftigung möglich. Bei der Feststellung des Gesamtbilds kommt dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, 29.08.2012 - B 12 R 14/10 R). Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (LSG Bayern, 06.10.2017 - L 7 R 504/15). Dabei ist auch zu prüfen, ob besondere Umstände eine davon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, 29.07.2015 – B 12 KR 23/13 R). Die bloße Nichtausübung eines Rechts führt dagegen nicht zu einer anderen Beurteilung (wenn z.B. der Geschäftsführer einer GmbH einem mit ihm verwandten leitenden Angestellten seit Jahren keine Weisungen erteilt hat). Denn eine bestehende Rechtsmacht, die mangels tatsächlichen Anlasses in der Geschäftspraxis nicht ausgeübt wird, ist unerheblich solange sie nur aufrechterhalten bleibt und von ihr bei gegebenem Anlass, etwa bei einem Zerwürfnis, Gebrauch gemacht werden kann (LSG Baden-Württemberg, 28.03.2017 – L 11 R 1310/16)). Allein weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines leitenden Angestellten, der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem gemilderten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen ebenfalls nicht schon zu einem Selbstständigen (LSG Nordrhein-Westfalen, 21.10.2015 – L 8 R 67/15).
Ebenso ist die Gewährung eines Teils der Vergütung in Form einer (erfolgsabhängigen) Tantieme nur von untergeordneter Bedeutung (BSG, 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R, siehe auch LSG Nordrhein-Westfalen (29.07.2017 - L 8 R 443/17 B ER): Danach kommt der Zahlung von Tantiemen grundsätzlich nur Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist. Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist, sei deren Gewicht für die Abgrenzung der Beschäftigung gegenüber einer selbstständigen Tätigkeit nicht allen erheblich. Auch eine von den Beteiligten gewollte, vertraglich fixierte Selbständigkeit muss aber vor den tatsächlichen Verhältnissen bestehen können. Denn das Entstehen von Versicherungspflicht ergibt sich aus dem Gesetz und kann nicht Gegenstand einzelvertraglicher Vereinbarungen sein (LSG Berlin-Brandenburg, 27.04.2017 – L 1 KR 405/15). Daher ist der Wille der Beteiligten, dass der Geschäftsführer selbstständig tätig sein soll, grundsätzlich nicht geeignet, Selbstständigkeit zu begründen (LSG Nordrhein-Westfalen, 26.07.2017 – L 8 R 443/17 B ER). Erst wenn der Abwägungsprozess kein Überwiegen von Gesichtspunkten für einen Status ergibt, gibt der Wille der Beteiligten den Ausschlag (LSG Nordrhein-Westfalen, 04.01.2018 – L 8 R 985/17 B ER).
Grundsätzlich wird das Verschulden des Geschäftsführers einer GmbH nach § 64 S. 2 GmbHG vermutet, wenn er trotz objektiv bestehender Insolvenzreife der Gesellschaft Zahlungen leistet. Da insoweit einfache Fahrlässigkeit genügt, scheidet ein Rückgriff auf die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs, die eine zumindest teilweise Haftungsfreistellung bei leichter und mittlerer Fahrlässigkeit vorsehen, schon begrifflich aus. Auch eine Sanierungsabsicht allein entschuldigt Zahlungen nach Insolvenzreife nicht (BGH, 24.09.2019 - II ZR 248/17). Ungeachtet dieser erweiterten Haftung ist die sozialversicherungsrechtliche Zuordnung entsprechend der dargelegten Grundsätze vorzunehmen.
2.4 Keine "Schönwetter"-Selbstständigkeit
Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit" bei der der Unternehmensleitung in harmonischen Zeiten freie Hand gelassen wird, aber für den Fall des Zerwürfnisses das Weisungsrecht nach dem Gesellschaftervertrag ausgeübt werden kann, wird von der neueren Rechtsprechung der abhängigen Beschäftigung zugeordnet (BSG, 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R u. B 12 R 14/10 R).
Eine hiervon abweichende Beurteilung erkennt die Rechtsprechung (LSG Nordrhein-Westfalen, 14.10.2015 – L 8 R 474/15; 19.10.2016 – L 8 R 880/15 u. LSG Thüringen 20.12.2016 – L 6 KR 1417/13) mit Verweis auf frühere Rechtsprechung des BSG (BSG, 04.07.2007 - B 11a AL 5/06 R) ausnahmsweise an, wenn besondere Umstände des Einzelfalles den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor. Solche besonderen Umstände werden dann angenommen, wenn die übrigen Gesellschafter tatsächlich ihre Gesellschafterrechte nicht wahrgenommen, in keiner Weise in die Betriebsführung eingegriffen haben und der Geschäftsführer wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken geführt hat, d.h. schalten und walten konnte, wie er wollte (a.M. siehe LSG Hessen, 07.05.2015 – L 8 KR 273/13 – siehe auch BSG, 11.11.2015 – B 12 R 2/14 R).
Praxistipp:
Weitere Informationen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung der GmbH-Unternehmensleitung können Sie auch der Anlage 3 des Gemeinsamen Rundschreibens der Spitzenverbände der Sozialversicherung zur Statusfeststellung von Erwerbstätigen vom 13.04.2010 i.d.F.v. 08.11.2017 entnehmen (www.aok.de/Arbeitgeber/Sozialversicherung/Rundschreiben).
Im Wesentlichen gilt: Nur wenn der Betroffene kraft seiner Stimmanteile die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich beeinflussen kann, liegt eine selbstständige Tätigkeit vor.
3. Die Anwendungsfälle
3.1 Leitende Angestellte (ggf. mit familiärer Bindung)
Oft ist der leitende Angestellte Verwandter der Gesellschafter oder des Gesellschafter-Geschäftsführers. Da sich die Familie weitgehend aus dem Geschäft heraushält, kann er faktisch nach eigenem Gutdünken schalten und walten. Nicht selten werden solche Konstellationen auch aus Gründen der Zweckmäßigkeit (z.B. im Hinblick auf steuerliche oder unternehmenspolitische Aspekte) gewählt. Der Anstellungsvertrag enthält in der Regel die typischen Merkmale eines Arbeitsvertrages, wie Arbeitszeit, Festgehalt, Anspruch auf Urlaub und Entgeltfortzahlung.
In solchen Fällen ist von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Dies gilt selbst dann, wenn der leitende Angestellte im Gegensatz zu den Gesellschaftern über die notwendigen fachlichen und branchenspezifischen Kenntnisse verfügt und daher als "Kopf und Seele" des Unternehmens dieses nach eigenem Gutdünken leitet. Die zum Leistungsrecht der Arbeitslosenversicherung ergangene, entgegenstehende Rechtsprechung ist nach den neueren Urteilen des BSG nicht auf die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB V anwendbar (BSG, 29.07.2015 – B 12 KR 18/14 R u. B 12 KR 23/13 R). Die frühere "Kopf- und Seele"-Rechtsprechung wurde vom BSG ausdrücklich aufgegeben (BSG, 01.04.2019 – B 12 KR 98/18 B). Aus der herausragenden Stellung ergibt sich zwar eine faktische Machtposition; ohne eine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht, die den leitenden Angestellten in die Lage versetzt, Weisungen zu verhindern, kann nicht von vornherein eine selbstständige Tätigkeit angenommen werden (BSG, 29.07.2015 – B 12 R 1/15 R). Insbesondere kann aus der faktischen Nichtwahrnehmung eines Weisungs- Aufsichts- und Überwachungsrechts nicht auf einen rechtswirksamen Verzicht auf dieses Recht geschlossen werden (BSG, 29.08.2012 – B 12 R 14/10 R). Darüber hinaus gilt auch nichts anderes, wenn vertraglich auf das Weisungsrecht verzichtet wurde (BSG, 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R) bzw. dem leitenden Angestellten ein Vetorecht gegen sämtliche Entscheidungen, die die Gesellschaft betreffen, eingeräumt wurde (LSG Bayern, 20.10.2016 – L 7 R 5045/16). Die Rechtsmachtverhältnisse verschieben sich auch nicht durch außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffene Abreden (LSG Schleswig-Holstein, 15.06.2020 – L 5 KR 18/17 u. LSG Nordrhein-Westfalen, 26.01.2022 – L 8 BA 51/20). Auch die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot spricht nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit (BSG, 06.03.2003 – B 11 AL 25/02 R u. BSG, 11.11.2015 – 12 KR 10/14 R). Dies gilt ebenso für eine selbstständige Führung des Geschäftsbereichs mit gelockerter Führungsdichte (LSG Sachsen-Anhalt, 17.01.2019 – L 3 BA 15/18). Letztlich können die Gesellschafter an dem leitenden Angestellten vorbei den Arbeitsvertrag kündigen, das Unternehmen neu ausrichten oder es gar liquidieren (BSG, 29.07.2015 – B 12 R 1/15 R).
Neben diesen Aspekten spielt es für die Beurteilung der Versicherungspflicht auch keine Rolle, wenn das Weisungsrecht aus familienhafter Bindung und Rücksichtnahme nur eingeschränkt ausgeübt wird.
Daher ist in diesen Fällen von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen (BSG, 29.07.2015 – B 12 KR 23/13 R).
Der leitende Angestellte ist oft bei Familien-GmbHs gleichzeitig auch Gesellschafter. Entscheidend ist dann, ob er die Rechtsmacht hat, Beschlüsse zu verhindern. Dies ist der Fall, wenn er über einen Stimmanteil von mindestens 50 Prozent verfügt und zum Geschäftsführer bestellt ist. Ist dies der Fall, liegt eine selbstständige Tätigkeit vor. Je nach dem Gesellschaftervertrag kann eine hälftige Beteiligung am Stammkapital nicht ausreichen, um Weisungen an den beschäftigten Gesellschafter zu verhindern – BSG, 29.06.2021 – B 12 R 8/19 R). Dies gilt auch, wenn der leitende Angestellte Gesellschaftsanteile per Treuhandvertrag ganz oder teilweise übertragen hat, da dies keine gesellschaftsrechtliche, sondern nur schuldrechtliche Auswirkungen hat (LSG Hessen, 16.05.2019 – L 8 KR 303/17 u. BSG, 12.05.2020 - B 12 KR 30/19 R). Ist keine Bestellung zum Geschäftsführer erfolgt, geht die Rechtsprechung davon aus, dass bei Mitarbeit des Gesellschafters aufgrund eines Arbeitsvertrages auch dann ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, wenn er über 50 Prozent (oder mehr) der Stimmanteile in der Gesellschafterversammlung verfügt. Denn im Rahmen des Arbeitsverhältnisses untersteht auch der Gesellschafter – vorbehaltlich anderer Regelungen des Gesellschaftsvertrages - den Weisungen des Geschäftsführers (LSG Berlin-Brandenburg – 07.01.2016 – L 9 KR 84/13). LSG Nordrhein-Westfalen, 29.01.2020 – L 8 BA 153/19; 26.02.2020 – L 8 BA 126/19; L 8 BA 121/19 u. LSG Schleswig-Holstein, 26.08.2020 – L 5 KR 66/17 – Revision unter dem Az.: B 12 KR 16/20 R anhängig). Wird der Arbeitsvertrag eines Gesellschafters, der nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, gekündigt, ist daher die Arbeitsgerichtsbarkeit für eine evtl. Kündigungsschutzklage zuständig (LAG Köln, 12.11.2021 – 9 Ta 161/21).
Die Bestellung zum Geschäftsführer ist nur rechtswirksam, wenn sie im Handelsregister eingetragen ist. Eine Niederschrift über einen entsprechenden Beschluss der Gesellschafterversammlung reicht in der Regel nicht aus (LSG Nordrhein-Westfalen, 22.02.2021 - L 8 BA 106/20 B ER u. LSG Nordrhein-Westfalen - 01.03.2021 - L 8 BA 114/20 B ER). Die Rechtsmacht des mitarbeitenden Gesellschafters, der nicht zum Geschäftsführer bestellt wurde, erschöpft sich in solchen Fällen allein darin, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern zu können. Vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der Gesellschaft Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung (LSG Nordrhein-Westfalen, 26.02.2020 – a.a.O.). Dies gilt nur dann nicht, wenn der Gesellschafter seine eigene Abhängigkeit von den Weisungen jederzeit durch Abberufung des Geschäftsführers beenden kann. Ist im Gesellschaftsvertrag festgelegt, dass Beschlüsse, die die Geschäftsführung betreffen, mit einer Mehrheit von 75 Prozent der Stimmen getroffen werden müssen und verfügt der mitarbeitende Gesellschafter nur über einen Stimmenanteil von 70 Prozent, kann er keine Beschränkungen der Geschäftsführung bewirken. Daher besteht eine abhängige Beschäftigung (BSG, 12.05.2020 – B 12 KR 30/19 R). Voraussetzung für eine selbstständige Tätigkeit ist in solchen Fällen eine "Gestaltungsrechtsmacht" des Gesellschafters, kraft derer der Gesellschafter selbst aufgrund eigener rechtlicher Befugnis Entscheidungen mit Blick auf die Unternehmensführung der GmbH treffen und realisieren kann. Diese "Gestaltungsrechtsmacht" erfordert einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschafterversammlung (LSG Schleswig-Holstein, 26.08.2020 - L 5 KR 66/17).
Die Beteiligung an einer stillen Gesellschaft steht einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen (BSG, 24.11.2020 – B 12 KR 23/19 R).
Fazit: Leitende Angestellte sind in der Regel nicht selbstständig tätig.
3.2 Fremdgeschäftsführer
Von einem Fremdgeschäftsführer spricht man, wenn der Geschäftsführer der GmbH nicht gleichzeitig auch Gesellschafter ist (er kann aber durchaus familiär mit den Gesellschaftern verbunden sein). In diesem Fall gelten die Ausführungen in Abschnitt 3.1. Ein Fremdgeschäftsführer ist ausnahmslos i.S.d. Sozialversicherung abhängig beschäftigt (LSG Bayern, 16.07.2018 – L 7 R 5189/16). Der Geschäftsführer hat eigene, gesetzlich definierte Befugnisse (z.B. als gesetzlicher Vertreter und verantwortlicher Leiter der GmbH - § 35 Abs. 1 GmbHG); er ist aber gegenüber der Gesellschafterversammlung weisungsgebunden und unterliegt der Überwachung durch die Gesellschafter (§ 46 Nr. 6 GmbHG). Darüber hinaus kann er jederzeit abberufen werden (§ 38 GmbHG). Ein Fremdgeschäftsführer hat grundsätzlich keine arbeitnehmerähnliche, sondern eine arbeitgeberähnliche Stellung. Die Mindestkündigungsfrist für den Geschäftsführervertrag ergibt sich daher nicht aus § 622 BGB, sondern aus § 621 BGB(BAG, 11.06.2020 – 2 AZR 374/19). Die durch § 5 ArbGG vorgenommene Zuordnung zu den arbeitgeberähnlichen Personen ist jedoch für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status ohne Bedeutung (LSG Berlin-Brandenburg, 08.05.2019 – L 9 KR 484/16). Ein Fremdgeschäftsführer ist grundsätzlich kein Arbeitnehmer i.S.v. § 1 AAG. Es besteht kein Anspruch auf Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen wegen Arbeitsunfähigkeit, da Rechtsgrundlage für die Entgeltfortzahlung nicht § 3 EFZG sein kann (LSG Baden-Württemberg, 20.07.2021 – L 11 KR 714/20).
Nach Abberufung hat der Geschäftsführer bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis grundsätzlich keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung in einer seiner früheren Tätigkeit vergleichbaren leitenden Funktion, es sei denn, etwas anderes ist ausdrücklich geregelt (BGH, 11.10.2010 - II ZR 266/08). Der Abschluss eines Geschäftsführervertrages mit einem angestellten Mitarbeiter bedeutet in der Regel die konkludente Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses (LAG München, 30.01.2019 – 4 Sa 336/18). Im Einzelfall ist es nach dem Urteil aber zulässig, dass nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien das Arbeitsverhältnis neben dem Geschäftsführervertrag ruhend fortbesteht. Dieser Wille der Parteien müsse aber klar und eindeutig erkennbar sein. Vereinbaren die Vertragsparteien als vertragliche Grundlage der Tätigkeit eines Fremdgeschäftsführers ausdrücklich einen Arbeitsvertrag ist diese Wahl regelmäßig bindend.
Der Geschäftsführer einer GmbH ist weder wegen seiner Organstellung noch deshalb von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er in der Regel im Alltagsgeschäft keinen Einzelweisungen Dritter bezüglich Zeit, Art und Ort der Beschäftigung unterliegt oder gegenüber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausübt (LSG Nordrhein-Westfalen, 05.07.2017 – L 8 R 622/16). Ebenso ist ein Fremdgeschäftsführer nicht allein wegen einer familiären Verbundenheit mit den Gesellschaftern als selbstständig anzusehen (LSG Nordrhein-Westfalen, 17.10.2018 – L 8 R 1031/17 u. BSG, 19.09.2019 – B 12 R 7/19 R). Einen Leit- oder Obersatz, nach dem bei familiären Bindungen regelmäßig keine Beschäftigung vorgelegen hätte, hat das BSG nicht gebildet (BSG, 10.12.2019 - B 12 KR 34/19 B). Auch einen Vertrauensschutz im Hinblick auf die frühere "Kopf- und Seele"-Rechtsprechung hat das BSG verneint. Unerheblich ist auch, dass er gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer gilt (LSG Nordrhein-Westfalen, 08.02.2017 – L 8 R 497/16).
Zwar ist die Weisungsgebundenheit des Fremdgeschäftsführers zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert, dennoch besteht eine abhängige Beschäftigung (ständige Rechtsprechung, siehe BSG, 29.07.2015 – B 12 R 1/15 R).
Da durch die Neufassung des Mutterschutzgesetzes zum 01.01.2018 für den persönlichen Geltungsbereich auf das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses abgestellt wird, ist es nunmehr auch für Fremdgeschäftsführerinnen anzuwenden (BT-Drs. 18/8963 S. 49).
Hat der Fremdgeschäftsführer jedoch mittelbar einen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft, kann dies ausnahmsweise ein entscheidendes Indiz für eine selbstständige Tätigkeit sein: Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH, der an der die GmbH beherrschenden Gesellschaft (hier: Aktiengesellschaft nach Schweizer Recht) eine Sperrminorität hält, die es ihm ermöglicht, jede auf seine Funktion als Geschäftsführer der GmbH bezogene Weisung durch die Alleingesellschafterin der GmbH zu verhindern, ist nicht abhängig beschäftigt (LSG Hessen, 06.07.2017 – L 8 KR 61/16). Umgekehrt liegt ein maßgebender Einfluss nicht vor, wenn die Beteiligung an der Muttergesellschaft nicht ausreicht, um jederzeit Beschlüsse, die den Interessen des Geschäftsführers entgegenstehen, zu blockieren. Dies gilt insbesondere auch, wenn der Geschäftsführer bei Beschlüssen über Weisungen an sich oder seiner Abberufung als Geschäftsführer einem Stimmverbot unterliegt (BSG, 08.07.2020 - B 12 R 26/18 R; siehe auch LSG Nordrhein-Westfalen, 13.02.2019 – L 8 BA 38/18). In einem anderen Fall hat das BSG entschieden, dass eine abhängige Beschäftigung auch vorliegt, wenn ein Geschäftsführer einer GmbH, deren Stammkapital vollständig von einer weiteren, herrschenden GmbH gehalten wird, als Gesellschafter der herrschenden GmbH an deren Stammkapital mit 10 v.H. beteiligt ist. Die Beschlüsse werden dort mit einer Mehrheit von 91 v.H. gefasst; die Sperrminorität sollte nach einem Gesellschafterbeschluss auch auf alle Entscheidungen der beherrschten GmbH Anwendung finden. Als entscheidend für den Status sah das BSG an, dass der Geschäftsführer an der beherrschten GmbH nicht als Gesellschafter beteiligt und daher als Fremdgeschäftsführer den Weisungen von deren Gesellschafterversammlung unterworfen war. Auch ergebe sich für den Geschäftsführer aus seiner Stellung als Gesellschafter mit Sperrminorität der herrschenden Muttergesellschaft keine Rechtsmacht, ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung der beherrschten GmbH zu verhindern, weil er bei der Muttergesellschaft nicht zum Geschäftsführer bestellt gewesen sei (BSG, 23.02.2021 – B 12 R 18/18 R).
Der Geschäftsführer einer GmbH ohne Anteile am Gesellschaftsvermögen ist auch dann abhängig beschäftigt, wenn in seinem Geschäftsführervertrag jegliche Weisungen, auch durch die Gesellschafterversammlung, ausgeschlossen sind. Diese schuldrechtliche Stellung (Dienstvertrag) ist von der gesellschaftsrechtlichen Organstellung als Geschäftsführer, die durch ein umfassendes Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung geprägt wird (§ 37 GmbHG), zu trennen (LSG Baden-Württemberg, 19.07.2019 - L 10 BA 282/19.
Das LAG Köln hat im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses für einen Fremdgeschäftsführer aufgrund der fehlenden Weisungsabhängigkeit das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses verneint (LAG Köln, 18.01.2018 – 7 Sa 292/17). Die gleiche Auffassung vertritt das BAG im Hinblick auf die zuständige Gerichtsbarkeit (BAG, 21.01.2019 – 9 AZB 23/18). Der (Fremd-)Geschäftsführer einer GmbH werde für diese in aller Regel auf der Grundlage eines freien Dienstvertrags, nicht eines Arbeitsvertrags tätig. Von einem Arbeitsverhältnis ist nur auszugehen, wenn die Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer eine - über ihr gesellschaftsrechtliches Weisungsrecht hinausgehende - Weisungsbefugnis auch bezüglich der Umstände hat, unter denen dieser seine Leistung zu erbringen hat, und die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung durch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen bestimmen kann. Dass eine GmbH-Geschäftsführerin, die nicht am Gesellschaftskapital beteiligt ist (sog. Fremdgeschäftsführerin), abhängig beschäftigt i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV ist (vgl. BSG, 14.03.2018 - B 12 KR 13/17 R), stehe einem freien Dienstverhältnis nicht entgegen. Der Begriff des Arbeitnehmers i.S.v. § 5 ArbGG und der des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses seien nicht deckungsgleich. Macht ein abberufenes Organmitglied im Rahmen einer Kündigungsschutzklage den Fortbestand eines seiner Auffassung nach begründeten und weiter bestehenden Arbeitsverhältnisses geltend, so liegt ein sogenannter sic-non-Fall vor. In diesen Fällen eröffnet bei streitiger Tatsachengrundlage die bloße Rechtsansicht der Klagepartei, es handele sich um ein Arbeitsverhältnis, den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten (LAG Rheinland-Pfalz, 16.10.2018 – 8 Sa 39/18 m.w.N.). Eine Klage einer früheren Fremdgeschäftsführerin auf Urlaubsabgeltung fällt in der Regel nicht in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte, da das vorherige Rechtsverhältnis meist nicht als Arbeitsverhältnis einzustufen ist (BAG, 08.02.2022 – 9 AZB 40/21).
Fremdgeschäftsführer sind keine Arbeitnehmer i.S.d. KSchG. Zur Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft oder aber zu ihrer Verneinung kann § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG herangezogen werden. Danach gelten die Vorschriften des ersten Abschnitts des KSchG im Betrieb einer juristischen Person nicht für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist; mit der Folge, dass Fremdgeschäftsführer nicht als Arbeitnehmer zu gelten haben. Sie stehen arbeitsrechtlich nicht in einem Arbeitsverhältnis, sondern in einem freien Dienstverhältnis (BAG,08.05.2022 – 9 AZB 40/21). Der Geschäftsführer einer GmbH verkörpert als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft (§ 35 Abs. 1 GmbHG) den Arbeitgeber. Er nimmt Arbeitgeberfunktionen wahr und ist deshalb keine arbeitnehmerähnliche, sondern eine arbeitgebergleiche Person; im Fall des Fremdgeschäftsführers jedenfalls aber eine arbeitgeberähnliche Person (vgl. BAG, 08.05.2022 a.a.O.). Durch die gesetzlichen und nach außen nicht beschränkbaren Vertretungsbefugnisse unterscheidet sich der Geschäftsführer einer GmbH grundlegend von anderen leitenden oder nicht leitenden Arbeitnehmern (LAG München, 09.07.2020 - 7 Sa 444/20). An dieser Einordnung ändert die abweichende Statuszuordnung im Sozialversicherungsrecht nichts. Dennoch ist ein Fremdgeschäftsführer, der nicht aufgrund eines Dienst- sondern eines Arbeitsvertrages bei einer GmbH tätig ist, bei der Feststellung der Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG mit (BAG, 27.04.2021 – 2 AZR 540/20).
Ein Geschäftsführer hat auch dann keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft, wenn er mit der Alleingesellschafterin der GmbH, die zugleich seine Ehefrau ist, ein Treuhandverhältnis hinsichtlich der Geschäftsanteile vereinbart hat (BSG, 10.12.2019 – B 12 KR 9/18 R). Nach der Entscheidung hat der notarielle Treuhandvertrag - ebenso wie ein etwaiger mündlich geschlossener Vorläufervertrag - auf die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung keinen Einfluss. Er vermittelt keine unmittelbare gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht, sondern entfaltet lediglich eine schuldrechtliche Wirkung zwischen den Vertragsparteien des Treuhandvertrages. Dadurch werden die Rechtsmachtverhältnisse innerhalb der GmbH nicht verschoben. Die gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht geht durch einen Treuhandvertrag auch nicht deshalb verloren, weil in Fällen der Beendigung des Treuhandverhältnisses die Verpflichtung besteht, Geschäftsanteile auf die Treugeber zu übertragen. Eine solche Herausgabepflicht ergibt sich auch ohne ausdrückliche Regelung im Treuhandvertrag kraft Gesetzes aus § 667 BGB(BSG, 25.01.2006 - B 12 KR 30/04 R) oder im Wege ergänzender Vertragsauslegung (BSG, 12.05.2020 – a.a.O.).
Die frühere höchstrichterliche Rechtsprechung zur Statusbeurteilung einer Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH löst keinen Vertrauensschutz nach Art. 20 Abs. 3 GG aus (BSG, 19.09.2019 – B 12 KR 21/19 R; B 12 R 25/18 R; B 12 R 7/19 R u. B 12 R 9/19 R). Das BSG verneint, dass die frühere "Kopf- und Seele"-Rechtsprechung als gefestigt anzusehen ist.
Nicht am Gesellschaftskapital beteiligte Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG verfügen als Fremdgeschäftsführer nicht über eine Rechtsmacht, kraft welcher sie auch nur ihnen nicht genehme, sich auf die Geschäftstätigkeit der KG beziehende Gesellschafterbeschlüsse verhindern könnten. Sie sind daher bei der KG abhängig beschäftigt. Dies gilt auch, wenn die alleinige Kommanditistin und zugleich Alleingesellschafterin und -geschäftsführerin der Komplementär-GmbH der KG ihre Kommanditanteile und ihre Anteile an der Komplementär-GmbH aufgrund eines außerhalb der Gesellschaftsverträge geschlossenen Treuhandvertrages im wirtschaftlichen Interesse der KG-Geschäftsführer hält. Aus der in einem solchen Treuhandvertrag enthaltenen Bevollmächtigung der Geschäftsführer zur Ausübung der der Treuhänderin zustehenden Stimmrechte folgt nichts anderes. Denn trotz der Stimmrechtsvollmacht bleibt die alleinige Kommanditistin und Treuhänderin als Vollrechtsinhaberin zur Stimmrechtsausübung befugt. Auch eine im Treuhandvertrag vereinbarte aufschiebend bedingte Übertragung der Kommanditanteile auf die treugebenden Geschäftsführer ist im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Statusbeurteilung so lange irrelevant, wie die vertraglich vorgesehene Bedingung nicht eingetreten ist (LSG Schleswig-Holstein, 01.10.2021 - L 10 BA 95/21 B ER).
Hinsichtlich der Einbeziehung der Fremdgeschäftsführer in den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen ist die unterschiedliche arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft zu berücksichtigen. Als Beschäftigte i.S.d. Sozialversicherung sind diese Personen in das U2-Verfahren einbezogen. Vom U1-Verfahren sind sie jedoch ausgenommen, weil sie als Organmitglieder juristischer Personen arbeitsrechtlich nicht zu den Arbeitnehmern zählen (Abschn. 2.1 der Grundsätzlichen Hinweise Ausgleichsverfahren der Arbeitgeberaufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit (U1-Verfahren) und für Mutterschaftsleistungen (U2-Verfahren) vom 19.11.2019.
Fazit: Fremdgeschäftsführer stehen in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis.
3.3 Gesellschafter-Geschäftsführer
Oft ist der Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter der GmbH. Bei ihrer statusrechtlichen Beurteilung kommt es wegen des Grundsatzes der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände maßgeblich auf deren Eintragung in das Handelsregister an. Erst durch Eintragung des Geschäftsführers in das Handelsregister (vgl. § 39 Abs. 1 GmbHG) erlangt die Bestellung für die Beurteilung der Versicherungspflicht Bedeutung. Dagegen vermögen außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) bestehende Abreden zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer sowie anderen Gesellschaftern und/oder der GmbH statusrechtlich die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben (LSG Baden-Württemberg, 13.11.2020 - L 8 BA 889/20 u. LSG Nordrhein-Westfalen, 26.01.2022 – L 8 BA 51/20).
Aber auch dann kann der Geschäftsführer zu der Gesellschaft in einem Beschäftigungsverhältnis stehen (st. Rspr., siehe LSG Bayern, 16.07.2015 – L 7 R 181/15). Die allgemeinen Grundsätze zur Unterscheidung einer abhängigen Beschäftigung von einer selbstständigen Tätigkeit gelten auch für Minderheiten-Gesellschafter, die in der Gesellschaft mitarbeiten (LSG Bayern, 28.09.2017 – L 7 R 504/15 m.w.N.). Entscheidend für die Zuordnung ist dann, welche Rechtsmacht ihm durch das Gesellschaftsrecht, insbesondere durch den Gesellschaftsvertrag, zusteht. Dabei kommt es auf den Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft an (LSG Niedersachsen-Bremen, 28.02.2018 – L 2 R 488/17). Maßgeblich ist dabei, ob er kraft seiner Stimmanteile in der Gesellschafterversammlung Beschlüsse, die seinen Interessen entgegenstehen, blockieren und so die für ein Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit des Arbeitnehmers von seinem Arbeitgeber verhindern kann (st. Rspr., siehe BSG, 08.08.1990 - 11 Rar 77/89; LSG Baden–Württemberg, 23.11.2016 – L 5 R 50/16; LSG Bayern, 20.10.2016 - L 7 R 920/15 u. LSG Niedersachsen-Bremen, 28.02.2018 – L 2 R 488/17). Nur wenn dies möglich ist, hat er einen entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft und ist als selbstständig Tätiger anzusehen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, 16.12.2015 – L 2 R 268/15).
In der Regel ist dies der Fall, wenn der Geschäftsführer mindestens 50 % der Anteile hält oder zumindest eine umfassende (echte) Sperrminorität hat (BSG, 14.03.2018 – B 12 KR 13/17 R; B 12 R 5/16 R; B 12 R 25/18 u. B 12 R 9/19 R). Sie muss hinreichend beständig sein, darf also nicht durch Beschlüsse der Gesellschafterversammlung aufgehoben werden können (LSG Baden-Württemberg, 17.10.2019 – 7 BA 2028/18 u. 7 BA 704/18). Relevanz für die statusrechtliche Beurteilung entfaltet eine echte Sperrminorität nur, wenn dem betroffenen Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer eine umfassende und unbeschränkte Verhinderungsmacht eindeutig und mit der notwendigen Klarheit gesellschaftsvertraglich eingeräumt wurde (LSG Niedersachsen-Bremen, 10.03.2021 - L 2 BA 29/20). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund einer notariellen Pool-Vereinbarung mit einem weiteren Gesellschafter zwar in der Regel, nicht jedoch in jedem denkbaren Fall mindestens 50 v.H. der Stimmen auf sich vereinen kann. Dies gilt unabhängig davon, ob dieser Fall in der Praxis bisher nicht aufgetreten ist oder voraussichtlich nicht auftreten wird. Darüber hinaus ist eine nur schuldrechtliche Vereinbarung jederzeit aus wichtigem Grund kündbar und genügt mangels Eintragung in das Handelsregister nicht den formalen Anforderungen an die Änderung eines Gesellschaftsvertrages und damit nicht dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit beitragsrechtlicher Tatbestände (LSG Bayern, 12.07.2018 – L 14 R 5104/16 u. BSG, 07.07.2020 - B 12 R 17/18 R). Daher muss die Sperrminorität im Gesellschaftsvertrag verankert sein (LSG Berlin-Brandenburg, 27.05.2020 – L 9 BA 104/19 - Nichtzulassungsbeschwerde vom BSG als unzulässig verworfen – BSG, 05.10.2020 – B 12 R 25/20 B).
Eine umfassende Rechtsmacht i.d.S. liegt auch nicht vor, wenn der Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer von Weisungen der Gesellschafterversammlung frei ist, aber der Überwachung durch einen Aufsichtsrat unterliegt. Die Einrichtung eines Aufsichtsrates und die ihm übertragene Überwachung der Geschäftsführung führt zu einem Weniger und nicht zu einem Mehr an Rechtsmacht aufgrund der Gesellschafterstellung. Auch der in den Geschäftsführer-Dienstverträgen erklärten Verzicht des Aufsichtsrates auf Gesellschafterweisungen räumt den Geschäftsführern noch keine umfassende Einflussmöglichkeit auf die gesamte Unternehmenspolitik der GmbH ein (BSG, 01.02.2022 – B 12 R 20/19 R).
Verfügt der Gesellschafter-Geschäftsführer dagegen über keine Sperrminorität, ist er abhängig beschäftigt, weil er bei seiner Tätigkeit als Geschäftsführer an die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung gebunden ist und im Bedarfsfall etwaige ihm unangenehme Weisungen nicht jederzeit verhindern kann (BSG, 14.03.2018 - B 12 R 5/16 R u. BSG, 19.09.2019 - B 12 R 25/18 R). Die Auflistung der von der Sperre erfassten Geschäftsgegenstände in dem Gesellschaftervertrag bedeutet umgekehrt, dass alle anderen Geschäfte nicht der Sperrminorität unterliegen. Daher kann daraus keine umfassende Rechtsmacht abgeleitet werden (LSG Baden-Württemberg, 30.04.2020 – L 10 BA 1483/19). Eine qualifizierte Sperrminorität liegt nicht vor bei einem Stimmenanteil des Geschäftsführers von 26 %, wenn nach dem Gesellschaftervertrag nur für bestimmte Angelegenheiten eine Mehrheit von 75 % erforderlich ist. Der Geschäftsführer wird dadurch nicht in die Lage versetzt, die Geschicke der Gesellschaft i.S. einer Einflussnahme auf alle Entscheidungen zu lenken und damit die gesamte Unternehmenspolitik mitzubestimmen (BSG, 01.02.2022 – B 12 R 19/19 R). Ein Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ist auch dann abhängig beschäftigt, wenn er kraft Satzungsregelung seine Abberufung verhindern kann. Eine solche Klausel verhindert zwar die jederzeitige Abberufung als Geschäftsführer und schränkt womöglich Weisung im Bereich der gewöhnlichen Geschäftsführung ein, überträgt ihm aber nicht eine Gestaltungsmacht, kraft derer er auf alle Gesellschafterentscheidungen und damit auf die gesamte Unternehmenspolitik Einfluss nehmen könnte (BSG, 01.02.2022 – B 12 KR 37/19 R). Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze gelten aktuell selbst dann, wenn nach dem Anstellungsvertrag mehr für eine selbstständige Tätigkeit als für eine abhängige Beschäftigung spricht. Werden die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit 2/3-Mehrheit gefasst und verfügt der Gesellschafter-Geschäftsführer über einen Stimmanteil von 40 Prozent, liegt eine echte Sperrminorität vor, die eine abhängige Beschäftigung ausschließt. Unschädlich ist dabei, wenn von der 2/3 Mehrheit eine etwaige Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund ausgenommen und in diesem Fall eine Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit möglich ist (LSG Hessen, 21.03.2019 – L 8 KR 142/17 – siehe auch § 47 Abs. 4 GmbHG). Werden die Beschlüsse mit einer Mehrheit von 65 Prozent der Stimmen gefasst und verfügt der Gesellschafter-Geschäftsführer über einen Anteil von 33.3 Prozent, hat er keine umfassende Rechtsmacht und steht daher in einer abhängigen Beschäftigung (LSG Berlin-Brandenburg, 09.12.2020 – L 9 BA 13/18). Nur im Gesellschaftsvertrag geregelte Minderheitenrechte haben sozialversicherungsrechtliche Bedeutung (LSG Sachsen, 13.01.2021 – L 2 KR 202/16). Vereinbarungen außerhalb des Gesellschaftsvertrages (hier: Stimmrechtsvereinbarung), die nicht notariell beurkundet und nicht ins Handelsregister eingetragen sind, haben hingegen keine sozialversicherungsrechtliche Bedeutung (BSG, 14.03.2018 - B 12 KR 13/17 R; siehe auch BSG, 28.01.2019 – B 12 KR 94/18 B u. LSG Nordrhein-Westfalen, 26.01.2022 – L 8 BA 51/20). Zu dieser Kategorie zählen z.B. außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffene Stimmbindungsvereinbarungen zur einheitlichen Stimmabgabe der Gesellschafter oder ohne Sperrminorität im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers eingeräumte Veto-Rechte gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung. Beide Vereinbarungen können im Konfliktfall einseitig von den Gesellschaftern gekündigt werden. Dass das Gesellschaftsrecht demgegenüber an anderen praktischen Bedürfnissen ausgerichtet sein kann, steht dem nicht entgegen (LSG Berlin-Brandenburg, 30.11.2020 - L 9 BA 74/18, Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen: BSG, 11.05.2021 – B 12 KR 104/20 B). Ebenso hat eine Stimmrechtsvereinbarung, nach der jeder Gesellschafter, unabhängig von seinem Gesellschaftsanteil über die Hälfte der Stimmrechte verfügen soll, für die Beurteilung, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, keine Auswirkungen (BSG, 19.09.2019 – B 12 KR 21/19 R). Ein nur schuldrechtlich außerhalb des Gesellschaftsvertrages geregeltes Veto-Recht in einzelnen Angelegenheiten ist sozialversicherungsrechtlich unbeachtlich (LSG Baden-Württemberg, 22.02.2019 – L 4 BA 313/18; 15.05.2019 – L 2 BA 594/18 u. LSG Nordrhein-Westfalen, 12.02.2019 – L 8 BA 169/18 B ER). Dies gilt auch für Regelungen in einer auf dem Gesellschaftsvertrag beruhenden Geschäftsordnung, da diese schon mangels notarieller Beurkundung den Gesellschaftsvertrag nicht ändert (BSG, 29.06.2021 – B 12 R 8/19 R). Das Gleiche gilt auch für einen außerhalb des Gesellschaftsvertrages nicht notariell beurkundeten Vertrag über die treuhänderische Haltung von Geschäftsanteilen (LSG Sachsen, 08.11.2018 – L 9 KR 263/15u. LSG Nordrhein-Westfalen, 19.06.2019 – L 8 BA 42/19 – teilweise umstritten; siehe LSG Schleswig-Holstein, 13.08.2018 – L 5 BA 104/18 B ER). Auch eine außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffene Vereinbarung, die den Geschäftsführer ermächtigt, die Rechte aus der Gesellschafterstellung des Mehrheitsgesellschafters wahrzunehmen spricht nicht gegen eine abhängige Beschäftigung, wenn sie nur solange gilt, wie sie "nicht schriftlich eingeschränkt oder zurückgenommen wird" (LSG Nordrhein-Westfalen, 06.12.2017 – L 8 R 1141/16). Ebenso führt eine Klausel im Anstellungsvertrag, der Geschäftsführer sei weisungsfrei, nicht zur Zuordnung zur selbstständigen Tätigkeit, wenn er über keine Sperrminorität verfügt (LSG Baden-Württemberg, 14.10.2016 – L 4 R 899/15). Nicht ausreichend ist auch eine partielle Sperrminorität, bei der die Geschäftsordnung vorsieht, dass einzeln benannte Handlungen der einstimmigen Zustimmung der Gesellschafter bedürfen (LSG Nordrhein-Westfalen, 07.02.2018 – L 8 R 234/17). Denn Voraussetzung für eine selbstständige Tätigkeit ist, dass der Geschäftsführer ihm unangenehme Weisungen jederzeit abwenden kann (LSG Nordrhein-Westfalen, 20.04.2016 – L 8 R 761/15; 07.02.2018 a.a.O.).
Keinen Einfluss auf die Beurteilung hat es, wenn die Beteiligten sich unabhängig von dem Gesellschaftsvertrag anders gebunden und zur Einheitlichkeit und Einstimmigkeit verpflichtet haben. Das BSG hat für die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht des betreffenden Personenkreises einen klaren Maßstab gesetzt, wonach dafür ausschließlich auf die Regelungen in dem Gesellschaftsvertrag der GmbH (Satzung) abzustellen ist (LSG Hessen, 03.06.2020 - L 3 U 150/19).
Im Gegensatz zu dieser rechtlich begründeten Rechtsmacht geht die Rechtsprechung teilweise davon aus, dass auch einen faktisch begründeter Einfluss des Geschäftsführers für eine selbstständige Tätigkeit spricht: "Darüber hinaus ist von Bedeutung, ob der Einfluss des Geschäftsführers auf die Willensbildung der GmbH aufgrund besonderer Einzelfallumstände unabhängig von seiner Gesellschafterstellung so erheblich ist, dass ihm gegenüber nicht genehme Beschlüsse und Weisungen ausgeschlossen sind und er die Geschäfte nach eigenem Gutdünken führen, d.h. frei schalten und walten kann. Dann ist eine persönliche Abhängigkeit auch bei Diensten höherer Art zu verneinen, weil die Gesellschafter tatsächlich keinerlei Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen und sich der Geschäftsführer nur in der von ihm selbst gegebenen Ordnung des Betriebes einfügt (BSG, 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R; BSG, 11.02.1993 - 7 RAr 48/92 u. LSG Nordrhein-Westfalen, 19.10.2016 – L 8 R 880/15).
Die Befugnisse der Gesellschafterversammlung sowie die Ausübung der Rechte sind in dem Gesellschaftsvertrag festgelegt (§ 45 GmbHG). Soweit dies nicht der Fall ist, gelten die gesetzlichen Bestimmungen des GmbHG. Nach § 47 GmbHG werden die Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst, wobei sich die Stimmanteile nach der Einlage des jeweiligen Gesellschafters richten. Nach diesen gesetzlichen Regelungen hat ein Gesellschafter-Geschäftsführer maßgeblichen Einfluss, wenn er mehr als 50 Prozent der Stimmanteile hat. Ausnahmsweise kann ein maßgeblicher Einfluss auch dann bestehen, wenn die Stimmanteile exakt 50 Prozent betragen. Denn dann kann kein Beschluss gegen seinen Willen getroffen werden. Allgemein gilt daher für den Geschäftsführer einer GmbH, dass grundsätzlich kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, wenn er mindestens über die Hälfte des Stammkapitals verfügt und damit einen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft besitzt (BSG, 11.11.2015 - B 12 KR 10/14 R). Verfügt der Gesellschafter dagegen über weniger als 50 v.H. des Stammkapitals, stellt dieser Umstand in der Regel ein Indiz dafür dar, dass er abhängig beschäftigt ist. Das Indiz kann zwar durch besondere Umstände entkräftet werden, sodass auch bei einem unter 50 v.H. liegenden Anteil Selbstständigkeit möglich ist. Allerdings wird der mitarbeitende Gesellschafter bei diesem Kapitalanteil in der Regel an Entscheidungen der Gesellschafterversammlung, die er nicht endgültig beeinflussen kann und durch die ihm Weisungen erteilt werden, gebunden sein, sodass von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen ist (siehe BSG, 14.03.2018 – B 12 KR 13/17 R u. LSG Berlin-Brandenburg, 10.05.2017 – L 1 KR 281/15). Die Maßgeblichkeit des rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhaltens der Beteiligten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren (BSG, 14.03.2018 a.a.O.). Soweit der Gesellschaftervertrag von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Regelungen beinhaltet, sind diese maßgebend.
Für satzungsändernde Beschlüsse, wie z.B. eine Änderung der Stammeinlage, ist eine Drei-Viertel-Mehrheit vorgeschrieben (§ 53 GmbHG). Einen solchen Beschluss kann ein Geschäftsführer-Gesellschafter verhindern, wenn er wenigstens über 25,01 Prozent der Stimmanteile verfügt. Das BSG hat bei einem Minderheitsgesellschafter mit 30 Prozent Stammkapitalanteil ohne gesellschaftsvertraglich begründete (darüber hinausgehende) Sperrminorität entschieden, dass eine abhängige Beschäftigung vorliegt (BSG, 11.11.2015 – B 12 KR 10/14 R). Sieht der Gesellschaftervertrag jedoch vor, dass der Geschäftsführer trotz geringerer Stimmanteile sämtliche Beschlüsse verhindern kann, handelt es sich um eine selbstständige Tätigkeit. Ein nur im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag eingeräumtes Vetorecht begründet jedoch keine vergleichbare Rechtsstellung – daher liegt dann eine abhängige Beschäftigung vor.
Keinen Einfluss auf die Rechtsmacht des Geschäftsführers hat es, wenn die Gesellschafter einen Vertrag schließen, künftig nur noch einheitlich abzustimmen (siehe LSG Rheinland-Pfalz, 18.05.2016 – L 4 R 296/15). Auch dies hat keine Auswirkung auf die Versicherungspflicht, wenn die Klausel nicht gleichzeitig in den Gesellschaftervertrag aufgenommen wird. Dies gilt auch im Fall einer außerhalb des Gesellschaftsvertrags erteilte widerrufliche persönliche Generalvollmacht zugunsten des Geschäftsführers nichts (LSG Baden-Württemberg, 30.03.2021 – L 11 BA 1575/20 – Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen: BSG, 12.08.2021 - B 12 R 11/21 B). Schließlich führt auch ein notarieller Vertrag, der dem Gesellschafter-Geschäftsführer eine unwiderrufliche Option einräumt, Anteile anderer Gesellschafter zu erwerben, nicht dazu, eine abhängige Beschäftigung zu verneinen. Eine solche Option führt zu keinem anderen Ergebnis, weil sie außerhalb des Gesellschaftervertrages vereinbart wurde; außerdem kommt es nicht auf die optionale Stimmführerschaft, sondern auf die zum Zeitpunkt der Beurteilung bestehende faktische Rechtsmacht an (BSG, 14.03.2018 – B 12 KR 13/17 R).
Aufgrund eines Treuhandverhältnisses ist allein der Treuhänder vollberechtigter und vollverpflichteter Gesellschafter, dem alle Mitgliedschaftsrechte aus dem Geschäftsanteil zustehen und den alle Pflichten aus dem Geschäftsanteil treffen (LSG Nordrhein-Westfalen, 24.04.2019 – L 8 BA 31/18 m.w.N.). Eine Beschränkung der Rechtsmacht rein schuldrechtlicher Natur kann daher das Abstimmungsverhalten des Treuhänders in der Gesellschafterversammlung nicht unwirksam machen. Regelungen eines außerhalb des Gesellschaftsvertrages geschlossenen Treuhandvertrages sind daher nicht geeignet, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben, und sind deshalb im Rahmen der Statusbeurteilung unbeachtlich; sie widersprechen dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungsrechtlicher und beitragsrechtlicher Tatbestände (LSG Schleswig-Holstein, 01.10.2021 - L 10 BA 95/21 B ER). Ist der Treuhänder gleichzeitig Geschäftsführer und hält er mehr als 50 Prozent der Stimmanteile, ist er selbstständig tätig. Unbeachtlich ist dabei, in welchem Umfang der Treuhänder Stimmrechte abgetreten hat (BSG, 12.05.2020 – B 12 R 11/19 R). Außerhalb des Gesellschaftsvertrages bestehende wirtschaftliche Verflechtungen zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer und der GmbH sind nicht zu berücksichtigen. Sie vermögen die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben (BSG, 12.05.2020 – a.a.O.). Das Weisungsrecht gegenüber einer Alleingesellschafterin einer GmbH wird nicht durch einen Treuhandvertrag eingeschränkt, da dieser zwischen den Beteiligten nur schuldrechtlich wirkt. Ein weisungswidriges Abstimmungsverhalten durch die Alleingesellschafterin führt nicht zur Unwirksamkeit der gefassten Beschlüsse (BSG, 12.05.2020 – B 12 R 5/18 R). Ein weiteres Verfahren zu dieser Problematik ist unter dem Az. B 12 KR 9/18 R anhängig. Auch das LSG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass ein Treuhandvertrag, der die Rechte des Mehrheitsgesellschafters zugunsten des Geschäftsführers sehr stark einschränkt, dazu führen kann, dass er als selbstständig Tätiger einzustufen ist (LSG Schleswig-Holstein, 13.08.2018 – L 5 BA 104/18 B ER). Siehe dazu auch LSG Sachsen-Anhalt, 24.01.2019 – L 1 BA 34/18: Soweit danach der Geschäftsführer das notariell begründete, 100 % der Stimmanteile umfassende, Treuhandverhältnis vollumfänglich beherrscht, hat er letztlich eine Stellung als faktischer Alleingesellschafter inne. Er besitzt eine uneingeschränkte Rechtsmacht und kann die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung nach seinen eigenen Vorstellungen frei gestalten. Daher unterliegt er keinem Weisungsrecht und ist selbstständig tätig.
Nach § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG gelten Personen in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrages allein oder als Mitglieder eines Vertretungsorgans zur Vertretung berufen sind, nicht als Arbeitnehmer. Dies steht einer abhängigen Beschäftigung von Geschäftsführern aber nicht entgegen, weil sich diese Regelung auf das ArbGG beschränkt und keine Bedeutung für das Sozialversicherungsrecht hat (BSG, 14.03.2018 – B 12 R 5/16 R).
Auch bei der Statusfeststellung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH & Co KG kommt es maßgebend darauf an, ob dieser Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern kann. Hierfür gelten dieselben Grundsätze wie bei der GmbH. Die Rechtsmacht des Geschäftsführers kann sich sowohl aus der Kommanditistenstellung bei der GmbH & Co. KG als auch aus der beherrschenden Kapitalbeteiligung an einer Gesellschaft ergeben, die ihrerseits als Gesellschafterin der GmbH & Co. KG in der Lage ist, deren Entscheidungen zu beeinflussen (BSG, 08.07.2020 - B 12 R 4/19 R). Daran ändert sich auch nichts, wenn dem Geschäftsführer eine nur begrenzte Sperrminorität eingeräumt wird (BSG, 08.07.2020 - B 12 R 6/19 R). Eine Klausel im Gesellschaftsvertrag, nach der der Geschäftsführer- Gesellschafter nicht überstimmt werden kann, kann nur dann i.S. einer hinreichenden Rechtsmacht gedeutet werden, wenn sie hinreichend klar und eindeutig ist (BSG, 08.07.2020 - B 12 R 1/19 R). Kommanditisten einer GmbH & Co. KG, deren Mitarbeit in der KG auf einem (zivilrechtlichen) Dienstvertrag beruht, sind daher selbständig tätig, wenn sie als Mitunternehmer zu betrachten sind. Dies ist nur der Fall, wenn sie aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Regelungen die Stellung eines geschäftsführenden (unternehmensleitenden) Kommanditisten innehaben oder über ein Weisungsrecht gegenüber der Komplementär-GmbH verfügen. Die Darlehensgewährung eines Kommanditisten begründet kein mit seiner Tätigkeit für die KG verbundenes Unternehmerrisiko. Der Gesellschafter übernimmt damit nur ein Haftungs- oder Ausfallrisiko, wie es mit jeder Darlehensgewährung verbunden ist (LSG Baden-Württemberg, 30.03.2021 - L 11 BA 2509/20). Die genannten Grundsätze gelten auch für den Geschäftsführer einer GmbH die ihrerseits persönlich haftende Gesellschafterin (Komplementärin) einer GmbH & Co. KG ist (BSG, 08.07.2020 - B 12 R 2/19 R).
Da bei einer Einheitsgesellschaft der Geschäftsführer der GmbH nicht (unmittelbar) an dieser beteiligt sein kann, sind die von dem BSG zur Beurteilung der Versicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern entwickelten Grundsätze auf den Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH bei einer Einheits-GmbH & Co. KG nicht übertragbar (LSG Nordrhein-Westfalen, 24.01.2018 – L 8 R 696/16. Die Revision hat das BSG zur Nachholung von Tatsachenfeststellungen an das LSG zurückverwiesen – BSG, 08.07.2020 - B 12 R 1/19).
Die frühere höchstrichterliche Rechtsprechung zur Statusbeurteilung einer Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH löst keinen Vertrauensschutz nach Art. 20 Abs. 3 GG aus (BSG, 19.09.2019 – B 12 KR 21/19 R). Das BSG verneint, dass die frühere "Kopf- und Seele"-Rechtsprechung als gefestigt anzusehen ist.
Aus den vorherigen Ausführungen ergibt sich, dass es sich bei einem Alleingesellschafter um einen selbstständig Tätigen handelt. Schließt ein Krankenhausträger mit einer juristischen Person des Privatrechts (hier: einer haftungsbeschränkten UG) Dienstleistungsverträge mit dem Ziel der Erbringung von Pflegeleistungen auf Honorarbasis, ist diese Vertragsgestaltung – abgesehen von Fällen des Rechtsmissbrauchs - auch im Sozialversicherungsrecht zu berücksichtigen (LSG Berlin-Brandenburg, 05.11.2021 – L 26 BA 6/20).
Besteht nach den dargestellten Kriterien eine abhängige Beschäftigung, ist bei Geschäftsführerinnen seit der Neufassung des Mutterschutzgesetzes zum 01.01.2018 auch das Mutterschutzgesetz anzuwenden. Der persönliche Geltungsbereich des Gesetzes bezieht sich jetzt auf das Bestehen einer Beschäftigung (BT-Drs. 18/8963 S. 49). Hinsichtlich der Einbeziehung der Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer in den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen ist die unterschiedliche arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft zu berücksichtigen. Als Beschäftigte i.S.d. Sozialversicherung sind diese Personen in das U2-Verfahren einbezogen. Vom U1-Verfahren sind sie jedoch ausgenommen, weil sie als Organmitglieder juristischer Personen arbeitsrechtlich nicht zu den Arbeitnehmern zählen (Abschn. 2.1 der Grundsätzlichen Hinweise Ausgleichsverfahren der Arbeitgeberaufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit (U1-Verfahren) und für Mutterschaftsleistungen (U2-Verfahren) vom 19.11.2019.
Zu der Frage, inwieweit die allgemeinen Kriterien für die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht eines GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers gelten, wenn es um die Zahlung des Arbeitgeberanteils in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bei Versicherungsfreiheit wegen Altersrentenbezugs geht, ist unter dem Az. B 12 R 3/21 R ein Revisionsverfahren beim BSG anhängig.
Ein weiteres Verfahren ist zu der Frage, ob es für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung eines zu 50 % am Stammkapital einer GmbH beteiligten Gesellschafters, dessen Stellung als Geschäftsführers durch die eines Assistenten des Liquidators ersetzt wird, auf den Zeitpunkt der Vereinbarung dieser Änderungen oder auf deren Eintragung im Handelsregister ankommt, unter dem Az.: B 12 KR 3/22 R beim BSG anhängig.
Fazit: Minderheitsgesellschafter mit einem Stimmrechtsanteil von weniger als 50 Prozent sind in der Regel versicherungspflichtig.
4. Was können Sie tun?
Es ist davon auszugehen, dass die Betriebsprüfer der Rentenversicherung im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung verstärkt die versicherungsrechtliche Beurteilung dieses Personenkreises überprüfen. Dabei kann es zu erheblichen Nachforderungen an Sozialversicherungsbeiträgen kommen. Nach der Rechtsprechung besteht dabei kein Vertrauensschutz im Hinblick auf die frühere, großzügigere Auslegung (ebenso: BSG, 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R; B 12 KR 21/19 R; B 12 R 7/19 R u. B 12 R 9/19 R). Ob dies auch gilt, wenn früher rechtswirksam über die versicherungsrechtliche Zuordnung entschieden wurde, ist unklar. Zumindest für die Vergangenheit kann mit dem Bestandsschutz argumentiert werden. Ein Bescheid über die Versicherungspflicht kann nach § 48 SGB X aufgehoben werden, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Der Verwaltungsakt ist dann mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Im Einzelfall kommt eine Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft auch dann in Betracht, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt, als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt dabei unberührt (§ 48 Abs. 2 SGB X). Eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegt dann vor, wenn sich nach dem Erlass des zu beurteilenden Verwaltungsaktes die zugrundeliegenden Rechtsnormen geändert haben. Dies ist hinsichtlich der "Kopf- und Seele-Rechtsprechung" eindeutig nicht der Fall (LSG Bayern, 19.02.2020 - L 6 BA 169/18). Soweit Sie dies frühzeitig klären möchten, können Sie die zuständige Krankenkasse einschalten. Der Beitragspflicht stehen natürlich auch Leistungsansprüche z.B. bei Arbeitslosigkeit gegenüber.
Wurde seitens der Sozialversicherungsträger bereits über die Versicherungspflicht entschieden, sollten Sie überprüfen, ob sich seit diesem Zeitpunkt Änderungen (z.B. hinsichtlich des Anteils am Stammkapital) ergeben haben. Ist dies der Fall, können Sie ebenfalls die Einzugsstelle einschalten, damit diese eine neue Beurteilung vornimmt. Seit 01.01.2005 ist bei geschäftsführenden Gesellschaftern bei der Anmeldung zur Sozialversicherung ein Statusfeststellungsverfahren obligatorisch. In Altfällen oder wenn noch keine Anmeldung erfolgt ist, kann es jetzt sinnvoll sein, die auch optional mögliche Statusfeststellung zu beantragen, um Rechtssicherheit zu erhalten. Wird die Möglichkeit der Statusfeststellung nicht in Anspruch genommen, kann sich der Beitragsschuldner bei einer Nachforderung im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung nicht auf einen Vertrauenstatbestand berufen (LSG Nordrhein-Westfalen, 27.06.2018 – L 8 R 884/17; BSG, 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R). Zu der Frage, ob ein Bestandsschutz aus einer früheren, beanstandungsfrei verlaufenen Betriebsprüfung auch dann zu verneinen ist, wenn für eine GmbH hauptsächlich nur die Gesellschafter-Geschäftsführer tätig waren und zusätzliche Mitarbeiter nur in geringem Umfang eingesetzt waren, war unter dem Az. B 12 R 12/19 R ein Revisionsverfahren beim BSG anhängig. Das Verfahren endete mit einem Vergleich.
Durch Art. 2c des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen und zur Änderung anderer Gesetze vom 16.07.2021 (BGBl. I Nr. 46 S. 2970) wurde § 7a SGB IV mit Wirkung vom 01.04.2022 umfassend geändert. Neu ist im Wesentlichen, dass künftig über den Erwerbsstatus (abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit) entschieden wird und nicht mehr wie bisher über die Versicherungspflicht. Festgestellt wird daher – über die bisherige Praxis hinaus – auch das Vorliegen einer selbstständigen Erwerbstätigkeit. Auch künftig beziehen sich die Feststellungen der Clearingstelle ausschließlich auf ein konkretes Beschäftigungs- oder Auftragsverhältnis.
Befristet bis zum 30.06.2027 soll probeweise auch eine Statusfeststellung bereits vor Aufnahme einer Tätigkeit eingeführt werden. Dabei erfolgt die Entscheidung auf der Basis der vertraglichen Regelungen und der beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung. Ebenfalls bis zu diesem Zeitpunkt befristet ist auch eine gutachterliche Stellungnahme der Clearingstelle für gleiche Auftragsverhältnisse (wenn die Tätigkeiten nach Art und Ausübung übereinstimmen und ihren die gleichen vertraglichen Vereinbarungen zugrunde liegen).
Ob es im Hinblick auf die neuere Rechtslage sinnvoll ist, die vertraglichen Verhältnisse zu ändern, muss das einzelne Unternehmen für sich entscheiden. Dann ist aber eine fundierte rechtliche Beratung sinnvoll. Da die Beurteilung der Versicherungspflicht aufgrund der neuen Rechtsprechung anhand der vertraglichen Gegebenheiten vorgenommen wird, bieten diese jetzt eine verlässliche Grundlage für die Argumentation gegenüber den Sozialversicherungsträgern.