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BSG, 22.02.1989 - 8 RKn 8/88 - Antragstellung; Arbeitsunfähigkeit; Meldung; Entbehrlichkeit
Bundessozialgericht
Urt. v. 22.02.1989, Az.: 8 RKn 8/88
Antragstellung; Arbeitsunfähigkeit; Meldung; Entbehrlichkeit
Verfahrensgang:
vorgehend:
SG Koblenz - 20.11.1986 - AZ: S 5 Kn 46/85
LSG Rheinland-Pfalz - 06.08.1987 - AZ: L 5 Kn 22/86
Fundstelle:
SozR 2200 § 216 Nr 11
BSG, 22.02.1989 - 8 RKn 8/88
Amtlicher Leitsatz:
Eine Antragstellung iS des § 28 SGB X macht die Meldung der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 216 Abs 3 RVO nicht entbehrlich.
Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat
ohne mündliche Verhandlung
am 22. Februar 1989
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. August 1987 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Revisions-und Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand und Entscheidungsgründe
1
I
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 24. März bis 13. November 1983 und die anderweitige Berechnung des gesamten Krankengeldes für die dritte Blockfrist.
2
Das letzte Arbeitsverhältnis des Klägers hatte am 4. Mai 1977 mit dem Ende eines Lohnfortzahlungszeitraumes geendet. In der streitigen Zeit war der Kläger infolge einer Coxarthrose beiderseits arbeitsunfähig krank. Wegen der durch dieses Leiden bedingten Arbeitsunfähigkeit hatte die Beklagte dem Kläger bereits für die Zeit vom 4. Mai 1977 bis zum 20. September 1977 (sogenannte erste Blockfrist) sowie in der Zeit vom 24. März 1980 bis 20. September 1981 (sogenannte zweite Blockfrist) Krankengeld gezahlt.
3
Der Kläger hatte bereits im Juni 1977 beantragt, ihm Knappschaftsruhegeld wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren. Das Klageverfahren gegen die ablehnenden Bescheide der Beklagten hatte mit der Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das klagabweisende erstinstanzliche Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz (LSG) vom 28. Juli 1983 geendet. Zeitweilig parallel dazu hatte der Kläger Arbeitslosenhilfe (Alhi) beansprucht; sein am 11. Juni 1980 gestellter Antrag war - zuletzt durch das rechtskräftige Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 13. April 1984 - wegen des Fehlens der Leistungsvoraussetzungen des § 134 Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) abgelehnt worden.
4
Am 14. November 1983 beantragte der Kläger, ihm wegen der durch die beiderseitige Coxarthrose bedingten Arbeitsunfähigkeit rückwirkend ab 24. März 1983 - Beginn der dritten Blockfrist - Krankengeld zu zahlen. Die Beklagte entsprach diesem Begehren nur ab Antragstellung bis zum 20. September 1984. Für die streitige Zeit (24. März bis 13. November 1983) lehnte sie die Gewährung der Leistung durch Bescheid vom 3. Dezember 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 1985 mit der Begründung ab, der Krankengeld-Anspruch habe während dieser Zeit gemäß § 20 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) i.V.m. § 216 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) geruht. Daran ändere nichts, daß die Arbeitsunfähigkeit des Klägers möglicherweise seit der zweiten Blockfrist ununterbrochen bestanden habe, weil es nicht ihre Aufgabe gewesen sei, das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit zwischen den einzelnen Blockfristen zu überwachen.
5
Klage und Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg. Das LSG hat zur Begründung des angefochtenen Urteils ausgeführt, der Krankengeldanspruch sei nicht bereits mit dem Beginn der dritten Blockfrist von selbst wieder aufgelebt; vielmehr habe der Anspruch zunächst gemäß § 216 Abs 3 RVO geruht; die Beklagte habe daher zutreffend das Krankengeld erst mit der Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch den Kläger am 13. November 1983 ab 14. November 1983 gezahlt. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Herstellungsanspruchs zu. Insbesondere habe er nicht darauf vertrauen dürfen, daß die Beklagte ihm das Krankengeld nachzahlen werde. Ebensowenig könne der Kläger sein Nachzahlungsbegehren auf § 28 des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch (SGB X) stützen. Schließlich sei das gezahlte Krankengeld zutreffend berechnet.
6
Mit der Begründung seiner - vom erkennenden Senat zugelassenen Revision wendet sich der Kläger gegen diese rechtliche Beurteilung durch die Beklagte und die Vorinstanzen. Insbesondere sei die Vorschrift des § 28 SGB X anzuwenden, weil er während der streitigen Zeit Ansprüche gegen andere Sozialleistungsträger gerichtlich verfolgt habe. In jedem Falle sei der Anspruch aus dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründet, weil er darauf habe vertrauen dürfen, daß die Beklagte ihm - wie zuvor bei der Krankengeldzahlung für die beiden ersten Blockfristen - das Krankengeld rückwirkend zahlen würde.
7
Sein Revisionsbegehren auf anderweitige Berechnung des Krankengeldes hat der Kläger nicht begründet.
8
Er beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. August 1987, das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 20. November 1986 und den Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 1985 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Krankengeld für die am 24. März 1983 begonnene Blockfrist im Umfang von 78 Wochen zu gewähren und die Höhe des Krankengeldes nach dem zuletzt als Bauleiter erzielten Arbeitsentgelt zu berechnen.
9
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
10
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
11
II
Der Senat hat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
12
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision hat keinen Erfolg. Dem Kläger steht das streitige Krankengeld aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
13
Die Beklagte und die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, daß der dem Kläger nach § 20 RKG i.V.m. § 183 Abs 2 RVO in der streitigen Zeit möglicherweise zustehende Krankengeldanspruch gemäß § 20 RKG i.V.m. § 216 Abs 3 RVO geruht hat. Denn das LSG hat unwidersprochen festgestellt, daß der Kläger die nach § 216 Abs 3 RVO erforderliche Meldung der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit erst am 14. November 1983 abgegeben hat. Da die dritte Blockfrist vom 24. März 1983 bis 20. September 1984 lief, hat das LSG aus dieser Feststellung auch zutreffend abgeleitet, daß die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 216 Abs 3 Satz 1 2. Halbsatz, Satz 2 RVO für die Gewährung des Krankengeldes für die letzte Woche vor der Meldung nicht vorgelegen haben.
14
Wie das LSG ferner zutreffend entschieden hat, ändert an dem Ruhen des Anspruches nichts, daß die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Klägers möglicherweise über das Ende der zweiten Blockfrist - über den 20. September 1981 - hinaus ununterbrochen fortbestanden hat. Schon aus dem Wortlaut des § 216 Abs 3 RVO, aber auch aus der Zielsetzung dieser Vorschrift folgt, daß mit ihr die unverzüglich einsetzende und wirksame Überwachung des Versicherten sichergestellt und die Kasse vor Schwierigkeiten geschützt werden soll, die durch die verspätete Anmeldung bei der Abwicklung des Krankengeldanspruchs entstehen können (vgl dazu Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Auflage, S 435 b mwN aus der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes und des Bundessozialgerichts -BSG-). Das BSG (BSGE 31, 125, 128 = SozR RVO § 183 Nr 49) hat deshalb bereits entschieden, daß der Anspruch auf das Krankengeld auch bei ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit ruht, solange der Berechtigte, dessen Leistungsanspruch innerhalb des ersten Dreijahreszeitraumes nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erschöpft war (§ 183 Abs 2 RVO), nach Beginn des nächsten Dreijahreszeitraumes die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht erneut gemeldet hat; dem Versicherten als demjenigen, der Leistungen von der Krankenkasse begehre, könne zugemutet werden, nach Ablauf des leistungsfreien Intervalls beim Einsetzen der neuen Dreijahresfrist seine Arbeitsunfähigkeit bei der Krankenkasse zu melden und seine Ansprüche auf abermalige Gewährung des Krankengeldes geltend zu machen.
15
Mit Recht weist das LSG im Anschluß an Grüner (Sozialgesetzbuch, Band 3, Teil X 3, Anm I 3 und II 5 zu § 28 SGB X) darauf hin, daß die Vorschrift des § 216 Abs 3 RVO nicht nur der Vermeidung von Schwierigkeiten bei der rückwirkenden Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und der damit im Zusammenhang stehenden Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche dient, sondern auch sichern soll, daß die Krankenkasse Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gesundheit oder der Rehabilitation prüfen kann und gegebenenfalls pflichtgemäß einleitet (§ 369b Abs 1 Nrn 2 und 3 RVO). Diese Prüfung und Entscheidung ist gerade zu Beginn einer neuen Blockfrist von besonderer Bedeutung, weil die Krankenkasse sie in Zeiten der Leistungsfreiheit zwischen zwei Blockfristen nicht durchführt. Demgemäß hat, wie Grüner (aa0) zu Recht hervorhebt, die Meldung iS des § 216 Abs 3 RVO neben der Funktion der Stellung des Antrages auf Gewährung des Krankengeldes hier der Wiedergewährung des Krankengeldes für die dritte Blockfrist - zum Inhalt, daß die Krankenkasse die ihr im Versicherungsfall obliegenden Aufgaben, auch soweit sie nicht die Ansprüche des Versicherten zum Gegenstand haben, erfüllen können (BSGE 52, 254, 257). Die Vorschrift des § 216 Abs 3 RVO regelt mithin vorrangig eine Obliegenheit des Versicherten. Demgegenüber zielt § 28 SGB X auf den Schutz des Versicherten ab, der es im Hinblick auf die Geltendmachung einer konkurrierenden Sozialleistung unterlassen hat, die jetzt beanspruchte Sozialleistung geltend zu machen (vgl dazu die Begründung für die Einführung dieser Vorschrift in BT-Drucks 8/4022, S 81f). Bereits hieraus folgt, daß die Unterlassung der in § 216 Abs 3 RVO vorgeschriebenen Meldung der Arbeitsunfähigkeit wesensmäßig von der Unterlassung der Geltendmachung eines konkurrierenden Anspruches so weit entfernt ist, daß die unmittelbare Anwendung des § 28 SGB X auf die Fälle des § 216 Abs 3 RVO schon nach dem Wortlaut beider Vorschriften entfällt und daß auch die entsprechende Anwendung des § 28 SGB X im Hinblick auf die erheblich unterschiedliche Zielsetzung beider Vorschriften nicht in Betracht kommen kann.
16
Ferner hat das LSG zu Recht entschieden, daß dem Kläger auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auf das begehrte Krankengeld nicht zusteht. Das LSG hat insbesondere unwidersprochen festgestellt, daß die Unterlassung der Geltendmachung des Krankengeldanspruches für die dritte Blockfrist nicht auf einem Fehlverhalten der Beklagten, insbesondere nicht auf einer fehlerhaften Auskunft oder der Unterlassung der für sie im Rahmen der Erfüllung des Versicherungsverhältnisses gebotenen Auskunftspflicht, beruht. Die Beklagte hat auch die ihr obliegende Betreuungspflicht des Klägers nicht verletzt. Denn da der Krankengeldanspruch für jede Blockfrist gesondert geltend gemacht werden muß, ist auch die Krankenkasse nicht verpflichtet, nach dem Ablauf eines Krankengeldzahlungszeitraumes (einer Blockfrist) unter Kontrolle zu halten, ob die Arbeitsunfähigkeit auch nach dem Ende dieses Zahlungszeitraums fortbesteht und bis zum Beginn der nächsten Blockfrist andauert. Infolgedessen konnte der Kläger auch nicht darauf vertrauen, daß die Beklagte das kraft Gesetzes eintretende Ruhen des Krankengeldanspruches nicht berücksichtigen und ihm das Krankengeld nachzahlen werde. Aus dem gleichen Grunde würde auch der Umstand, daß die Beklagte sowohl für die erste als auch für die zweite Blockfrist - nach den Feststellungen des LSG aus anderen Rechtsgründen - Teile des Krankengeldes nachgezahlt hat, das Vertrauen des Klägers nicht rechtfertigen, ihm werde auch im Falle der Unterlassung der Anzeige iS des § 216 Abs 3 RVO das Krankengeld für die gesamte Blockfrist nachgezahlt werden.
17
Die Revision ist schließlich unbegründet, soweit der Kläger die anderweitige Berechnung des ihm für die Zeit ab 14. November 1983 gewährten Krankengeldes begehrt. Denn der Kläger hat nicht dargelegt, aus welchen Gründen er das angefochtene Urteil insoweit für fehlerhaft hält. Zur formgerechten Revisionsbegründung iS des § 164 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist erforderlich, daß die Revision sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt und darlegt, inwieweit diese Gründe der Sach- und Rechtslage nicht gerecht werden (vgl dazu BSG SozR 1500 § 164 Nr 28).
18
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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