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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Ausschlussfristen - Beginn und Ende
Ausschlussfristen - Beginn und Ende
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.
- 4.
- 5.
- 6.Rechtsprechungs-ABC
- 6.1
- 6.2
- 6.3
- 6.4
- 6.5
- 6.6
- 6.7
- 6.8
- 6.9
- 6.10
- 6.11
- 6.12
- 6.13
Information
1. Einführung
Der Anspruch eines Arbeitgebers gegen seinen Arbeitnehmer oder seines Mitarbeiters gegen ihn besteht nicht auf Dauer. Die Durchsetzung von Ansprüchen scheitert regelmäßig an ihrer Verjährung (s. dazu die §§ 194 ff. BGB und das Stichwort Verjährung). Das Aus für etwaige Arbeitgeber-/Arbeitnehmeransprüche kann aber auch schon früher eintreten. Gibt es arbeits- oder tarifvertragliche Ausschluss- oder Verfallfristen, werden Ansprüche schon wesentlich vor der Verjährung wertlos. Darauf müssen Arbeitgeber und Personaler achten. Zudem sind Ausschlussfristen nicht gleich Ausschlussfristen. Sie unterscheiden sich zum einen von der jeweiligen Länge her, zum anderen aber auch durch das Ereignis und/oder den Zeitpunkt, die den Beginn der Ausschlussfrist in Gang setzen (s. dazu Gliederungspunkt 2.).
Praxistipp:
Arbeitgeber und Personaler behandeln die vereinbarten oder wegen Tarifgebundenheit geltenden Ausschluss- und Verfallfristen oft sehr nachlässig. Nicht nur Arbeitnehmer müssen sich an Ausschluss- und Verfallklauseln hatten, auch der Arbeitgeber ist dazu verpflichtet. Stellt sich bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses heraus, dass es noch Rückzahlungsansprüche oder andere Forderungen gegen den Mitarbeiter gibt, müssen diese Ansprüche innerhalb der dafür vorgesehenen Ausschlussfrist geltend gemacht werden. Wer das unterlässt, verliert seine Rechte. Empfehlung: Spätestens bei Beendigung eines Arbeits-/Ausbildungsverhältnisses prüfen, ob noch Ansprüche gegen den ausscheidenden Mitarbeiter/Auszubildenden bestehen und innerhalb welcher Frist diese geltend zu machen sind.
Den Beginn einer Ausschlussfrist auslösende Ereignisse gibt es viele. Wohl am häufigsten wird in kollektiv- und individualvertraglichen Regelungen an die Fälligkeit des Anspruchs angeknüpft (s. dazu Gliederungspunkt 3.). Ebenso gut können das Ende des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses, ein bestimmter Stichtag oder die Abrechnung des Arbeitsentgelts Startpunkt einer Ausschlussfrist sein. Grundsätzlich ist es möglich, auch das Ende einer Ausschlussfrist mit einem Ereignis oder einem konkreten Zeitpunkt zu verbinden. In der Regel wird das Ende einer Ausschlussfrist durch bloßen Zeitablauf erreicht (s. Gliederungspunkt 4.). Ein besonderer Fall sind mehrstufige Ausschlussfristen. Hier müssen Ansprüche zunächst innerhalb einer vorgegebenen Frist (1. Stufe) gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht und nach Ablehnung innerhalb einer weiteren Frist (2. Stufe) gerichtlich eingeklagt werden (s. dazu Gliederungspunkt 5.). Auslegungsschwierigkeiten und Anwendungsprobleme klärt die Rechtsprechung (s. dazu Gliederungspunkt 6.).
2. Der Beginn einer Ausschlussfrist
Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht in
in den §§ 186 ff. BGB Bestimmungen für Fristen und Termine und
in den §§ 193 ff. BGB Bestimmungen für die Verjährung
vor (s. dazu die Stichwörter Kündigungsfristen - Berechnung und Verjährung). Der Beginn einer Ausschlussfrist ist gesetzlich nicht geregelt. Hier kommt es auf den vereinbarten Wortlaut der Ausschlussklausel
im Arbeitsvertrag,
im Tarifvertrag oder
in der Betriebsvereinbarung
und ihren konkreten Inhalt an - der möglicherweise erst durch Auslegung festzustellen ist.
Regelmäßig beginnt eine Ausschlussfrist mit der Fälligkeit einer Forderung.
Beispiel:
Der Branchenmanteltarifvertrag sieht vor: "Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden." Der Branchenentgelttarifvertrag sagt: "Das Arbeitsentgelt ist monatlich zu zahlen. Es wird - soweit die Parteien keine anderslautende Vereinbarung getroffen haben - jeweils am Monatsletzten fällig."
Die Januar-Vergütung von Arbeitnehmer A ist nach dem Entgelttarifvertrag am 31.01. fällig. Die 3-monatige tarifliche Ausschlussfrist des Manteltarifvertrags beginnt mit dem 01.02. und endet mit Ablauf des 30.04., 24:00 Uhr. Bis dahin muss A seinen Entgeltanspruch - wenn sein Arbeitgeber nicht freiwillig zahlt - schriftlich geltend machen.
Knüpft die Ausschlussfrist für ihren Beginn an ein "Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages" fallenden "Zeitpunkt" an, wird der Tag, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, nicht mitgerechnet, § 187 Abs. 1 BGB. Eine ausführliche Darstellung zur Berechnung des Fristbeginns nach § 187 Abs. 1 BGB mit vielen Beispielen enthält das Stichwort Kündigungsfristen - Berechnung.
3. Die Ereignisse und Zeitpunkte des Fristbeginns
Das Gesetz spricht in § 187 Abs. 1 BGB keine bestimmten Sachverhalte als Start des Fristbeginns an. Es macht den Beginn einer Frist lediglich an
einem Ereignis oder
einem in den Lauf eines Tages fallenden Zeitpunkt
fest. Das Ereignis oder den Zeitpunkt dürfen die Parteien von Arbeits- und Tarifverträgen oder die Betriebspartner in einer Betriebsvereinbarung im Rahmen des gesetzlich Zulässigen selbst festlegen. Nach den gängigen Ausschlussklauseln aus der Arbeitswelt können folgende Ereignisse für den Fristbeginn maßgeblich sein:
das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis
ein bestimmter Kalendertag
das Ende des Berufsausbildungsverhältnisses
das Ende des Beschäftigungsverhältnisses
das Ende eines Kalendermonats
das Ende des Monats, in dem Mehrarbeit geleistet wurde
das Ende des Kalenderjahres
das Ende des Urlaubsjahres
das Entstehen des Anspruchs
der Erhalt einer Entgeltabrechnung
die Fälligkeit der Arbeitsvergütung (Lohn/Gehalt)
nach erfolgter Abrechnung
die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung
der Stichtag für die Auszahlung einer Gratifikation
der Stichtag für die Auszahlung von Urlaubs-/Weihnachtsgeld
ein Tag, an dem ein Arbeitnehmer die Voraussetzungen für einen Anspruch erfüllt
der Zugang einer Lohnabrechnung
In den meisten Fällen knüpft der Beginn einer Ausschlussfrist an die Fälligkeit des Anspruchs.
Beispiele:
(1) Der Tarifvertrag über Sonderzahlungen gewährt Arbeitnehmern eine Sonderzahlung in Höhe der Hälfte des Novembergehalts, die am 30.11. fällig ist. (2) Bei Arbeitgeber A haben alle Arbeitnehmer Anspruch auf ein Urlaubsgeld, das zum 30.06. mit dem Junilohn ausgezahlt wird. (3) Die Überstundenvergütung aus dem laufenden Monat wird nach dem Branchentarif mit dem Letzten des Folgemonats fällig. In allen drei Fällen beträgt die maßgebliche Ausschlussfrist drei Monate.
Die Ausschlussfrist endet in Fall (1) für alle Arbeitnehmer am 28. - bzw. im Schaltjahr 29. - 02. des Folgejahres. In Fall (2) muss ein Urlaubsgeldanspruch bis spätestens 30.09. eingefordert werden. Und hat ein Arbeitnehmer in Fall (3) im August 18 Überstunden geleistet, wird die Vergütung für diese 18 Überstunden am 30.09. fällig und muss im Rahmen der Ausschlussfrist von drei Monaten bis zum 31.12. eingefordert werden.
Ansonsten - möchte man fast sagen - sind der Fantasie der Tarif-, Betriebs- und Arbeitsvertragspartner kaum Grenzen gesetzt. Wichtig ist jedoch, dass sich das Ereignis oder der Zeitpunkt klar eingrenzen und darstellen lässt.
4. Das Ende einer Ausschlussfrist
Es ist im Arbeitsleben eher unüblich, dass Tarifpartner ein bestimmtes Ereignis als konkreten Endzeitpunkt für die Geltendmachung von Ansprüchen vorsehen. Auch Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge sehen in der Regel nur Fristen, aber keine "Endzeitereignisse" vor. Möglich wäre das allerdings.
Beispiel:
Der Branchentarifvertrag bestimmt: "Ansprüche auf Urlaubsgeld sind bis spätestens 31.03. des Folgejahres beim Arbeitgeber in Textform geltend zu machen. Ansprüche, die bis dahin nicht geltend gemacht worden sind, verfallen." Arbeitgeber A zahlt seinen Mitarbeitern das Urlaubsgeld immer mit dem Arbeitsentgelt für den Monat Mai aus. Wenn Arbeitnehmer N im Mai kein Urlaubsgeld von A bekommt, kann er seinen Anspruch noch bis zum 31.03. des Folgejahres einfordern. Hätte der Tarifvertrag die 3-monatige Ausschlussfrist bloß an die Fälligkeit angeknüpft, wäre N's Anspruch schon am 31.08., 24:00 Uhr, des laufenden Jahres verfallen.
Üblicherweise enthalten tarifliche Ausschlussklauseln für die zu beachtende Frist nur eine Zeitangabe: in der Regel drei Monate, es geht aber auch kürzer oder länger.
Beispiel:
(1) Der Branchentarifvertrag sieht eine 3-monatige Verfallklausel für Entgeltansprüche vor, deren Beginn er an den jeweils Monatsletzten knüpft. (2) In Arbeitgeber A's Betrieb gilt ein Tarifvertrag, der eine generelle 3-monatige Ausschlussfrist vorgibt, dann aber sagt: "Beim Ausscheiden aus dem Betrieb verfallen Ansprüche nach zwei Monaten." (3) Arbeitgeber B hat mit seinen Leuten eine Verfallklausel vereinbart, nach der Urlaub, der im laufenden Jahr wegen dringender betrieblicher Belange nicht gewährt und genommen werden kann, noch bis zum 30.06. des Folgejahres gewährt und genommen werden kann.
Die 3-monatige Ausschlussfrist für Entgeltansprüche des Monats Dezember endet in Fall (1) mit Ablauf des 31.03. In Fall (2) würden Entgeltansprpüche im Normalfall auch erst in drei Monaten verfallen, bei Ausscheiden aus dem Betrieb jedoch schon einen Monat früher. Bei Arbeitgeber B in Fall (3) haben Arbeitnehmer dagegen mit der vereinbarten Verfallklausel Glück: Nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG wären ihre Urlaubsansprüche bereits mit dem 31.03. des Folgejahres Geschichte.
Für das Ende einer Frist sagt § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB:
"Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt".
Eine ausführliche Darstellung zur Berechnung des Fristendes gemäß § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB mit vielen Beispielen enthält das Stichwort Kündigungsfristen - Berechnung.
5. Die Besonderheit: mehrstufige Ausschlussfristen
Es gibt Ausschluss- und Verfallklauseln, die bloßeine Frist enthalten.
Beispiel:
Der Branchentarifvertrag enthält die Regelung: "Alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erlöschen innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit, wenn sie nicht vorher gegenüber dem jeweils anderen schriftlich geltend gemacht wurden." Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer reicht es hier aus, den offenen Anspruch rechtzeitig innerhalb der 3-Monats-Frist schriftlich geltend zu machen, um ihn vor dem Verfall zu retten. Danach läuft dann die gesetzliche Verjährung.
In vielen Tarif- und Arbeitsverträgen werden doppelte Ausschlussfristen verwendet, z.B. in § 9 des Manteltarifvertrags für Sicherheitsdienstleistungen in Nordrhein-Westfalen:
"1. Sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erlöschen beiderseits drei Monate nach Fälligkeit, sofern sie nicht vorher unter Angabe der Gründe schriftlich geltend gemacht worden sind."
"2. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht wird."
Bei einer doppelten Ausschlussfrist müssen beide Fristen beachtet und eingehalten werden, wenn der Verfall des Anspruchs verhindert werden soll.
Beispiel:
Es gilt die oben zitierte Verfallklausel. Arbeitnehmer N hat gegen Arbeitgeber G noch Ansprüche auf Zahlung von Sonn- und Feiertagszuschlägen. Die Sonn- und Feiertagsarbeit hat N im Mai geleistet, sein Zahlungsanspruch war mit dem 31.05. fällig. Er muss nun zusehen, dass er seinen Anspruch auf der ersten Stufe der Verfallklausel bis zum 31.08.2018 schriftlich geltend macht. Erklärt sich G nicht dazu, reicht die einmalige schriftliche Geltendmachung aus, den Entgeltanspruch vor dem Verfall zu retten.
G bekommt N's Zahlungsaufforderung am 17.07. Er prüft sie und kommt zu dem Ergebnis, dass N keinen Anspruch auf die Zuschläge hat. Das teilt er dem N mit. Sein Ablehnungsschreiben geht N am 24.07. zu. Nun muss N seinen - von G abgelehnten - Anspruch auf Zahlung von Sonn- und Feiertagszuschlägen innerhalb von drei Monaten - das heißt bis spätestens 24.10. - gerichtlich geltend machen. Tut er das nicht, verfällt sein Anspruch mit Ablauf des 24.10. um 24:00 Uhr.
Mit Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs beginnt auf der zweiten Stufe eine neue Frist zu laufen. Der Rest der nicht verbrauchten Verfallfrist aus der ersten Stufe wird nicht hinzugezählt.
6. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema Beginn und Ende von Ausschlussfristen in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet vorgestellt.
6.1 Beendigung des Ausbildungsverhältnisses
Der Tarifvertrag über die Berufsbildung im Baugewerbe (BBTV) in der hier maßgeblichen Fassung enthielt in § 16 die Regelung "(1) In Abweichung von § 14 BRTV und § 13 RTV Angestellte verfallen alle beiderseitigen noch nicht verjährten Ansprüche aus dem Ausbildungsverhältnis und solche, die mit ihm in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 14 Abs. 2 verfällt jedoch erst dann, wenn er nicht bis zum 30. September des auf das Auslernjahr folgenden Kalenderjahres gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben wird. (2) Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird."
Was bedeutet das Tatbestandsmerkmal "Beendigung des Ausbildungsverhältnisses"? Die Tarifpartner haben keine Vereinbarung darüber getroffen, was sie unter "Beendigung des Ausbildungsverhältnisses" verstehen. Auf der anderen Seite stellen sie deutlich auf den Fachbegriff "Beendigung des Ausbildungsverhältnisses" ab. Wann ein Ausbildungsverhältnis endet, gibt § 21 BBiG vor. Nach § 21 Abs. 1 BBiG endet eine Berufsausbildung mit Ablauf der Ausbildungszeit (§ 21 Abs. 2 BBiG) oder mit Ablauf der letzten Stufe einer Stufenausbildung (§ 21 Abs. 1 Satz 2 BBiG). Besteht der Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungszeit seine Abschlussprüfung, endet sein Ausbildungsverhältnis mit Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses (§ 21 Abs. 2 BBiG). Das heißt für diesen Fall und die Auslegung nach dem Wortlaut des § 16 BBTV: "Maßgebend für den Fristbeginn nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BBTV ist die rechtliche Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses" (BAG, 23.01.2018 - 9 AZR 854/16).
6.2 Ende des Beschäftigungsverhältnisses - 1
Der vereinfachte Fall: Arbeitgeber A hatte in seinem Arbeitsvertrag die Verfallklausel "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen von beiden Vertragsteilen spätestens innerhalb eines Monats nach Beendigung schriftlich geltend gemacht werden. Andernfalls sind sie verwirkt." verwendet. Arbeitnehmer N schied am 31.08. aus, machte mit Schreiben vom 22.10. Vergütungsdifferenzen geltend, die A mit Hinweis auf seine Verfallklausel ablehnte und N dann im November einklagte. Das BAG meint dazu: "Eine Klausel, die für den Beginn der Ausschlussfrist nicht die Fälligkeit der Ansprüche berücksichtigt, sondern allein auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abstellt, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam" (BAG, 01.03.2006 - 5 AZR 511/05).
6.3 Ende des Beschäftigungsverhältnisses - 2
Knüpft ein Tarifvertrag den Beginn einer Ausschlussfrist an die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, ist damit nicht die Einstellung der Arbeit - also das tatsächliche Beschäftigungsende - gemeint. Maßgeblich ist - vor allem aus Gründen der Rechtssicherheit - die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses (s. dazu BAG, 03.12.1970 - 5 AZR 68/70; BAG 08.08.1985 - 2 AZR 459/84 u. BAG, 30.03.1989 - 6 AZR 769/85). Letztere lässt sich exakt feststellen. Die tatsächliche Beendigung kann dagegen zweifelhaft sein, z.B. wenn der Arbeitnehmer der Arbeit unentschuldigt ferngeblieben ist oder langfristig erkrankt war (BAG, 11.02.2009 - 5 AZR 168/08).
6.4 Fälligkeit eines Anspruchs - 1
Das BGB sagt in § 271 Abs. 1: "Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken." Und § 271 Abs. 2 BGB schließt an: "Ist eine Zeit bestimmt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner aber sie vorher bewirken kann." Die Fälligkeit von Ansprüchen i.S.d. § 271 BGB kann nicht mit einer Fälligkeit i.S. arbeits- oder tarifvertraglicher Ausschlussfristen gleichgesetzt werden. "Vielmehr ist ein Anspruch regelmäßig erst dann im Sinne einer Ausschlussfrist fällig, wenn der Gläubiger ihn annähernd beziffern kann" (s. dazu BAG, 18.08.2011 - 8 AZR 187/10 - und BAG, 27.10.2005 - 8 AZR 3/05). "Die Forderung muss in ihrem Bestand feststellbar sein und geltend gemacht werden können" (BAG, 14.03.2012 – 10 AZR 172/11 - mit Hinweis auf BAG, 27.11.1984 - 3 AZR 596/82; bestätigt durch BAG, 14.11.2018 - 5 AZR 301/17).
6.5 Fälligkeit eines Anspruchs - 2
Tarifliche Ausschlussfristen verstehen unter Fälligkeit nicht immer den Zeitpunkt des Entstehens eines Anspruchs. Entstehen tut ein Anspruch nämlich schon dann, wenn alle Voraussetzungen, von denen er abhängt, erfüllt sind. Fällig wird ein Anspruch dagegen erst, wenn der Gläubiger vom Schuldner die Leistung, um die es geht, verlangen kann (s. dazu BGH, 28.05.2020 – III ZR 138/19). Der Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs kann daher nach dem Zeitpunkt des Entstehens der ihm zugrunde liegenden Forderung liegen (s. dazu BAG, 28.08.2019 – 5 AZR 425/18). Das führt dazu, dass der Fälligkeitsbegriff in Ausschlussklauseln interessengerecht unter Einbeziehung des Kenntnisstands des Gläubigers und subjektiver Zurechnungsgesichtspunkte auszulegen ist. Dem Gläubiger muss es also tatsächlich möglich sein, seinen Anspruch geltend machen zu können (s. dazu BAG, 27.03.2019 – 5 AZR 71/18 – und BAG, 14.11.2018 – 5 AZR 301/17). Wenn die rechtsbegründenden Tatsachen für einen Zahlungsanspruch in der Sphäre des Schuldners liegen, muss geprüft werden, "ob der Gläubiger es durch schuldhaftes Zögern versäumt hat, sich Kenntnis von den Voraussetzungen zu verschaffen, die er für die Geltendmachung seines Anspruchs benötigt" (BAG, 31.03.2021 – 5 AZR 197/20 – mit Hinweis auf BAG, 19.02.2004 – 6 AZR 664/02).
6.6 Hemmung bei Verhandlungen?
Wenn zwischen Gläubiger und Schuldner Verhandlungen über den Anspruch oder die ihn begründenden Umstände geführt werden, ist die Verjährung nach Maßgabe des § 203 BGB gehemmt. Schweben zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter Vergleichsverhandlungen, wird der Lauf einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist zur gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs (2. Stufe einer 2-stufigen Ausschlussklausel) in entsprechender Anwendung des § 203 BGB ebenfalls gehemmt (s. dazu BAG, 20.06.2018 - 5 AZR 262/17). Der Lauf einer Ausschlussfrist zur schriftlichen Geltendmachung eines Anspruchs gegenüber dem Arbeitgeber (1. Stufe einer 2-stufigen Ausschlussklausel) wird dagegen nicht durch Vergleichsverhandlungen gehemmt. Die Ausschlussfrist bezieht sich insoweit ja nicht auf einen vom Verjährungsrecht zur Hemmung der Verjährung zur Verfügung gestellten Tatbestand (BAG, 17.04.2019 - 5 AZR 331/18 - mit Hinweis auf § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
6.7 Möglichkeit, zu beziffern
Der vereinfachte Fall: Der Arbeitsvertrag von Arbeitgeber A enthielt die Verfallklausel "Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, ausgenommen Provisionsansprüche, verfallen innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit, spätestens jedoch innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn sie nicht vorher gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind." Der Begriff "Fälligkeit" i.S. einer Ausschluss- oder Verfallklausel "ist unter Einbeziehung des Kenntnisstandes des Gläubigers und subjektiver Zurechnungsgesichtspunkte interessengerecht auszulegen. Das entspricht im Grundsatz der Wertung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Ein Anspruch ist deshalb regelmäßig erst dann im Sinne der Ausschlussfrist fällig, wenn der Gläubiger ihn annähernd beziffern kann" (BAG, 07.06.2018 - 8 AZR 96/17 - mit Hinweis auf BAG, 01.03.2006 - 5 AZR 511/05; BAG, 27.10.2005 - 8 AZR 3/05 u. BAG, 25.05.2005 - 5 AZR 572/04).
6.8 Nachentrichtete Lohnsteuer
Der Arbeitgeber haftet gemäß § 42d Abs. 3 EStG zusammen mit dem Arbeitnehmer für Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat (§ 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG), als Gesamtschuldner. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind so im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, "soweit nicht ein anderes bestimmt ist" (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das bedeutet für die Erstattung nachzuentrichtender Lohnsteuer: "Der Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf Erstattung nachentrichteter Lohnsteuer nach § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG, § 44 Abs. 1 Satz 1 AO iVm. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB wird im Sinne einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist [erst] fällig mit tatsächlicher Zahlung des Steuerbetrags" (BAG, 14.11.2018 - 5 AZR 301/17 - Leitsatz).
6.9 Schriftliche Geltendmachung
Der schon vor Zeiten abgelöste BAT sah in § 70 vor, dass Ansprüche innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten "schriftlich geltend gemacht werden" mussten, wenn Arbeitnehmer sie vor dem Verfall retten wollten. "Schriftlich" i. S. des Tarifvertrags heißt nicht schriftlich i.S.d. § 126 BGB, also "eigenhändig durch Namensunterschrift". "Schriftlich" i.S.d. Tarifvertrags ist auch eine Geltendmachung per E-Mail. Insoweit reicht die Wahrung der Textform gemäß § 126b BGB. Die §§ 126 ff. BGB gelten unmittelbar nur für Rechtsgeschäfte. Die Geltendmachung eines Anspruchs ist nur eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung (s. dazu BAG, 11.10.2000 - 5 AZR 313/99 - und BAG, 17.09.2003 - 4 AZR 540/02). Um die notwendige Rechtssicherheit zu haben, reicht es aus, wenn die Geltendmachung in der Textform des § 126b BGB erfolgt (BAG, 07.07.2010 - 4 AZR 549/08).
6.10 Streitiges Arbeitsverhältnis
Es gibt Ansprüche, die an den Bestand eines Arbeitsverhältnisses und/oder an sein Ende anknüpfen. So kann beispielsweise der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung seines nicht genommenen Urlaubs davon abhängig sein, dass der Arbeitgeber mit ihm einen wirksam befristeten Arbeitsvertrag geschlossen hat. Der Streit zwischen ihm und dem Arbeitgeber über die Rechtmäßigkeit der Befristung führt dann aber nicht dazu, dass der Abgeltungsanspruch hinausgeschoben und erst später fällig wird, wenn es um die Einhaltung einer Ausschlussfrist geht. "Die vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Befristungskontrollklage bestehende Ungewissheit der Parteien über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses steht der Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht entgegen. Die gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit der Befristung hat lediglich feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung. Maßgeblich ist allein die objektive Rechtslage" (BAG, 07.07.2020 – 9 AZR 323/19 – mit Hinweis auf BAG, 22.10.2019 – 9 AZR 98/19 u. BAG, 19.02.2019 – 9 AZR 321/19).
6.11 Urlaubsabgeltungsanspruch - 1
Knüpft eine tarifliche Ausschlussfrist an die Fälligkeit eines Anspruchs, heißt das für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung: Er entsteht mit Ablauf der Kündigungsfrist – also am letzten Tag des Arbeitsverhältnisses. Das Abgeltungsverbot hat so lange Bestand, wie das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet ist. Erst mit seinem Wegfall endet das Abgeltungsverbot - und gleichzeitig entsteht im Anschluss daran der Urlaubsabgeltungsanspruch (s. dazu auch BAG, 22.01.2019 – 9 AZR 149/17 – u. BAG, 17.10.2017 – 9 AZR 80/17). Das BUrlG knüpft mit seiner Regelung in § 7 Abs. 4 allein an die infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstandene Unmöglichkeit an, den Urlaubsanspruch des Mitarbeiters noch durch bezahlte Freistellung zu erfüllen. Endet das Arbeitsverhältnis, endet auch die Arbeitspflicht, der Arbeitgeber kann dem Mitarbeiter nicht mehr unter Befreiung von der Arbeitspflicht Urlaub gewähren (BAG, 27.10.2020 – 9 AZR 531/19 – mit Hinweis auf BAG, 22.01.2019 – 9 AZR 328/16).
6.12 Urlaubsabgeltungsanspruch - 2
Wird die Aussage, die im vorausgehenden Gliederungspunkt getroffen wurde, in Frage gestellt, wenn sich ein Arbeitnehmer gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in einem mehrmonatigen Kündigungsrechtsstreit wehrt und erst nach Beendigung des Kündigungsrechtsstreits via Vergleich feststeht, dass das Arbeitsverhältnis doch zu dem vom Arbeitgeber bestimmten Zeitpunkt endete? Nicht wirklich. Die "rechtliche" Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat hier keineBedeutung: "Der Streit der Parteien über die Wirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses" führt "nicht zu einer späteren Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung. Maßgeblich" ist "allein die objektive Rechtslage" (BAG, 27.10.2020 – 9 AZR 531/19 – mit Hinweis auf BAG, 22.10.2019 – 9 AZR 98/19 u. BAG, 19.02.2019 – 9 AZR 321/16).
6.13 Vertrag vs. Gesetz
Der vereinfachte Fall: Der Arbeitsvertrag von Arbeitgeber A sah eine mehrstufige Verfallklausel vor, die an die Fälligkeit möglicher Ansprüche anknüpfte. Zudem enthielt sie die Regelung: "Die Ausschlussfristen der vorstehenden Vertragsklausel beginnen, wenn der Anspruch entstanden ist und der/die Anspruchsteller/in von den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder grob fahrlässig keine Kenntnis erlangt hat." Gilt das auch für den gesetzlichen Mindesturlaub? Nein, hier können keine Ausschlussfristen vereinbart werden, die zu einer Verkürzung der im Gesetz vorgesehenen Fristen zur Geltendmachung des Urlaubsanspruchs führen. Das BUrlG enthält ein eigenes Fristenregime, "das den Arbeitnehmer lediglich zwingt, seine Ansprüche rechtzeitig vor Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums zu verlangen" (s. dazu BAG, 18.11.2003 - 9 AZR 95/03; BAG, 23.11.2017 - 6 AZR 43/16 u. BAG, 12.11.2013 - 9 AZR 727/12). § 13 BUrlG lässt keine Abweichung zuungunsten von Arbeitnehmern durch Ausschlussfristen zu, die ihn zwingen, "die Erfüllung gesetzlicher Urlaubsansprüche zur Vermeidung ihres Erlöschens zu einem früheren Zeitpunkt geltend zu machen als nach § 7 Abs. 3 BUrlG gefordert" (BAG, 19.06.2018 - 9 AZR 615/17).