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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Mindestlohn - Mindestlohngesetz
Mindestlohn - Mindestlohngesetz
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
In Deutschland gibt es folgende Arten von Mindestlöhnen:
Allgemeiner Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz;
Branchenmindestlöhne in allgemeinverbindlichen Tarifverträge nach dem Tarifvertragsgesetz;
Branchenmindestlöhne in allgemeinverbindlichen Tarifverträgen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz;
Mindestlohn für die Pflegebranche durch Rechtsverordnung nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz;
Lohnuntergrenzen für Leiharbeitnehmer nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz;
Vergabemindestlöhne nach den Vergabegesetzen der Länder, Vergabemindestlöhne beinhalten keinen individuellen Anspruch der Arbeitnehmer auf ein Mindestentgelt;
Mindestlohn aufgrund eines Arbeitsgerichtsurteils, wenn im Einzelfall tatsächlich gezahlter Lohn sittenwidrig ist.
Das Mindestlohngesetz (MiLoG) wurde durch das Tarifautonomiestärkungsgesetz vom 11. August 2014 eingeführt.
Der gesetzliche Anspruch auf den Mindestlohn tritt eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch. Das bedeutet indes nicht, dass er ohne jeden Zusammenhang zu den sonstigen Grundlagen der Vergütung stünde. Der Arbeitgeber ist nach § 611 Abs. 1 BGB bzw. § 611a Abs. 2 BGB dem Arbeitnehmer zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Ist diese höher als der gesetzliche Mindestlohn, verbleibt es bei der vereinbarten Vergütung. Der Arbeitgeber schuldet nicht zusätzlich den gesetzlichen Mindestlohn, sondern - von Gesetzes wegen - nur ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns (§ 20 MiLoG). Ist die vereinbarte Vergütung geringer als der gesetzliche Mindestlohn, führt § 3 MiLoG zu einem Differenzanspruch. Damit bildet der gesetzliche Mindestlohn, auf den nach § 1 Abs. 1 MiLoG jeder Arbeitnehmer Anspruch hat eine Art Sockel, der in jedem höheren Entgeltanspruch enthalten ist (BAG, 30.01.2019 - 5 AZR 43/18).
2. Höhe des Mindestlohns
Die Mindestlohnkommission hatte zu Anfang - entsprechend ihrem gesetzlichen Auftrag - vorgeschlagen, den Mindestlohn ab dem 01.01.2015 auf 8,50 EUR und ab 01.01.2017 auf 8,84 EUR brutto je Zeitstunde festzusetzen.
Auf Ihrer Sitzung vom 26. Juni 2018 hat die Mindestlohnkommission mit ihrem Zweiten Beschluss zur Anpassung der Höhe des gesetzlichen Mindestlohns beschlossen, diesen ab dem 01.01.2019 auf 9,19 EUR brutto je Zeitstunde festzusetzen. Mit Wirkung vom 01.01.2020 ist der gesetzliche Mindestlohn von der Kommission auf 9,35 EUR brutto je Zeitstunde festgelegt.
Die Bundesregierung setzt diese Beschlüsse jeweils durch eine Rechtsverordnung in Kraft.
Am 20. November 2018 wurde die Zweite Mindestlohnanpassungsverordnung im Bundesgesetzblatt verkündet.
Damit gilt nunmehr ein bundeseinheitlicher gesetzlicher Mindestlohn.
Übersicht über die bisherigen Mindestlöhne:
01.07.2022 - 30.09.2022: EUR 10,45 pro Stunde
01.01.2022 - 30.06.2022: EUR 9,82 pro Stunde
01.07.2021 - 31.12.2021: EUR 9,60 pro Stunde
01.01.2021 - 30.06.2021: EUR 9,50 pro Stunde
01.01.2020 - 31.12.2020: EUR 9,35 pro Stunde
01.01.2019 - 31.12.2019: EUR 9,19 pro Stunde
01.01.2017 - 31.12.2018: EUR 8,84 pro Stunde
01.01.2015 - 31.12.2016: EUR 8,50 pro Stunde
Der Deutsche Bundestag hat am 3. Juni 2022 dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 EUR pro Stunde zugestimmt. Die Erhöhung trat am 1. Oktober 2022 in Kraft.
Die Mindestlohnhöhe von 12 EUR entspricht ungefähr 60% des Medianlohns in Deutschland. Eine Richtgröße, die im europäischen Rahmen für einen angemessenen Mindestschutz empfohlen wird. Davon profitieren mehr als 6 Mio. Beschäftigte in Deutschland. Wer Vollzeit für Mindestlohn arbeitet, verdient statt bisher etwa 1.700 EUR dann rund 2.100 EUR brutto monatlich. Zukünftige Anpassungen des Mindestlohns erfolgen weiterhin auf Grundlage von Beschlüssen der Mindestlohnkommission. Sie entscheidet nach gesetzlich geregelten Kriterien.
Die Entgeltgrenze für eine geringfügig entlohnte Beschäftigung (sog. Minijob) ist im Zuge der Erhöhung des Mindestlohns mit Wirkung ab 1. Oktober 2022 auf 520 EUR angehoben und dynamisiert worden, um eine Wochenarbeitszeit von zehn Stunden zu ermöglichen. Auf ein Jahr gerechnet sind das bis zu 6.240 EUR. Wann, wie oft und wie lange gearbeitet wird, spielt dabei keine Rolle und kann flexibel gestaltet werden. Mittelbar führt der jeweils einschlägige Mindestlohn damit jedoch zu einer faktischen Beschränkung der insgesamt monatlich zulässigen Arbeitszeit von geringfügig entlohnten Beschäftigten.
Darüber hinaus ist die Entgeltgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich (sog. Midijob) mit Wirkung zum 1. Oktober 2022 von 1.300 EUR auf 1.600 EUR angehoben und weiterentwickelt worden.
Um die Anreize zu erhöhen, über einen Minijob hinaus erwerbstätig zu sein, werden die Beschäftigten insbesondere im unteren Übergangsbereich stärker entlastet. Die Grenzbelastung beim Übergang in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wurde geglättet. Der Arbeitgeberbeitrag wurde oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze zunächst auf die für einen Minijob zu leistenden Pauschalbeiträge in Höhe von 28 Prozent angeglichen und gleitend auf den regulären Sozialversicherungsbeitrag abgeschmolzen.
Zudem wurden die Voraussetzungen eines "unvorhersehbaren Überschreitens" der Geringfügigkeitsgrenze gesetzlich neu in § 8 Abs. 1 b SGB IV geregelt.
Zukünftige Anpassungen des Mindestlohns erfolgen weiterhin auf Grundlage von Beschlüssen der Mindestlohnkommission; erstmals wieder bis zum 30. Juni 2023 mit Wirkung zum 1. Januar 2024. Als Folgeänderung zur Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns enthält der Entwurf eine Anpassung der Schwellenwerte der Mindestlohndokumentationspflichten-Verordnung, die Ausnahmen von den Dokumentationspflichten der §§ 16, 17 Mindestlohngesetz vorsieht.
(Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales)
Der Mindestlohn wird als Brutto-Stundenlohn "je Zeitstunde" festgesetzt. Der Anspruch ist nicht von der zeitlichen Lage der Arbeit oder den mit der Arbeitsleistung verbundenen Umständen oder Erfolgen abhängig. Der Anspruch auf den Mindestlohn ist dann erfüllt, wenn dieser dem Arbeitnehmer endgültig zur freien Verfügung übereignet oder überwiesen ist.
Bei der Berechnung des Mindestlohnes bleiben Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung außer Betracht.
Wenn von dem Mindestlohngesetz betroffene Arbeitnehmer in Vollzeit, Teilzeit oder als Minijobber Arbeitsverträge mit einem festen Monatsgehalt und einer bestimmten Anzahl von Stunden haben, verringern sich logischerweise nach einer Erhöhung des Mindestlohns auch die von dem betroffenen Arbeitnehmer monatlich bzw. wöchentlich zu leistenden Stunden. Dies für den Fall, dass nicht anlässlich der Erhöhung des Mindestlohns das Monatsgehalt entsprechend erhöht werden soll bzw. wird.
Mit dem Mindestlohn-Rechner kann das Monatsgehalt, basierend auf dem Stundenlohn und der Arbeitszeit, berechnet werden. Auch kann der Stundenlohn, basierend auf dem Monatsgehalt und der Arbeitszeit, errechnet werden:
https://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsrecht/Mindestlohn/Rechner/mindestlohnrechner.html
3. Anrechnung von Zuschlägen oder Zulagen
Das Mindestlohngesetz enthält keine Vorschriften zu der Frage, welche Leistungen als Bestandteil des Mindestlohns anzusehen sind und welche Leistungen zusätzlich - ohne Anrechnung auf den Mindestlohn - gewährt werden. Nach der Gesetzesbegründung in der Bundestags-Drucksache 18/1558, Anlage 4 (S.84) sollen für die Anrechnung die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes zur Entsende-Richtlinie gelten, hier in den Urteilen des EuGH, 14.04.2005 (C-341/02 - Kommission/Deutschland) und vom 07.11.2013 (C-522/12 - Isbir).
Nach einem neueren Urteil des Europäischen Gerichtshofs v. 12.02.2015 sind alle zwingend und transparent geregelten Gegenleistungen des Arbeitgebers für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmer Bestandteile des Mindestlohns (EuGH, 12.02.2015 - C-396/13).
A. Mindestlohnwirksam, d.h. auf den Mindestlohnanspruch anzurechnen, sind alle Zahlungen des Arbeitgebers, die im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis stehen.
Grundsätzlich sind deshalb Zuschläge oder Zulagen des Arbeitgebers als Bestandteile des Mindestlohns anzuerkennen, die der Arbeitgeber für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt.
Beispiele für berücksichtigungsfähige, d.h. auf den Mindestlohn anzurechnende Zulagen und Zuschläge:
Zulagen und Zuschläge, mit denen lediglich die regelmäßig und dauerhaft vertraglich geschuldete Arbeitsleistung vergütet wird (z.B. Bauzulage für alle auf einer Baustelle beschäftigten Arbeitnehmer);
Zulagen, die im Arbeitsvertrag eines aus dem Ausland entsandten Arbeitnehmers als Differenz zwischen dem in seinem Herkunftsstaat und dem im Aufnahmestaat Deutschland geschuldeten Mindestlohn ausgewiesen sind;
Zulagen, die in Ergänzung besonderer Entlohnungsmodelle wie z.B. Stücklohnmodelle gezahlt werden, um im Ergebnis einen Stundenlohn von mindestens 9,19 EUR zu erzielen, ohne dass der Arbeitnehmer hierzu eine über die "Normalleistung" hinausgehende Leistung erbringen muss (z.B. sog. Wegegelder, die im Rahmen der Zustellung von Presseerzeugnissen gezahlt werden, wenn der Arbeitgeber in strukturschwachen, aber wegintensiven Zustellbezirken einen Stücklohn durch die zusätzliche Zahlung eines Wegegeldes "aufstockt");
Einmalzahlungen (z.B. Weihnachts-/Urlaubsgeld): Sie sind anrechnungsfähig nur für den Fälligkeitszeitraum (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG), in dem diese (ggf. auch anteilig) gezahlt werden und auch nur unter der weiteren Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer sie tatsächlich und unwiderruflich ausbezahlt erhält. Eine einmalige jährliche Zahlung von Weihnachtsgeld im Dezember eines Jahres kann somit nur auf den Mindestlohn im November angerechnet werden, da die Fälligkeiten der Mindestlohnzahlungen von Januar bis Oktober bereits abgelaufen sind. Ein etwaiger Überschuss, d.h. ein Betrag der nicht benötigt wird, um den Mindestlohnanspruch zu erfüllen, kann jedoch in nachfolgenden Zeiträumen angerechnet werden:
Treueprämien, die der Arbeitgeber für jede tatsächlich geleistete Arbeitstunde zahlt (BAG, 22.03.2017 - 5 AZR 424/16 , zum MiLoTV Fleischwirtschaft);
Anwesenheitsprämien (BAG, 06.12.2017 - 5 AZR 864/16, BAG, 08.11.2017 - 5 AZR 692/16, BAG, 11.10.2017 - AZR 621/16).
Zulagen und Zuschläge, mit denen das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht berührt wird, wie z.B. Betriebstreuezulagen, Kinderzulagen,
Zuschläge und Zulagen, deren Zahlung Folgendes voraussetzt:
Mehrarbeit pro Zeiteinheit (Akkordprämien);
Leistungzulagen (BAG, 06.09.2017 - 5 AZR 317/16, BAG, 21.12.2016 - 5 AZR 374/16);
überdurchschnittliche qualitative Arbeitsergebnisse (Qualitätsprämien);
Schichtzulagen, die der Arbeitgeber für jede tatsächlich geleistet Arbeitsstunde zahlt (BAG, 21.12.2016 - 5 AZR 374/16; BAG, 22.03.2017 - 5 AZR 424/16; 16.04.2014 - 4 AZR 802/11);
Arbeit zu besonderen Zeiten, z.B. Überstunden, Sonn-, Feiertagsarbeit (BAG, 25.04.2018 -5 AZR 25/17, BAG, 18.11.2015 - 5 AZR 761/13);
Arbeit unter erschwerten oder gefährlichen Bedingungen (z.B. Schmutzzulagen, Gefahrenzulagen);
alle sonstigen Zulagen und Zuschläge, die eine vertraglich nicht geschuldete Zusatzleistung des Arbeitnehmers ausgleichen;
sonstige monatliche Zulagen, die der Arbeitgeber neben der Grundvergütung auszahlt und deren Bezug nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig ist (BAG, 06.12.2017 - 5 AZR 699/16);
sonstige Prämien (BAG, 08.11.2017 - 5 AZR 692/16, BAG, 06.09.2017 5 AZR 441/16 bzgl. einer Nähprämie).
B. Ausnahme sind Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt (z.B. Urlaubsgeld oder Auwandsentschädigungen) oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (z.B. Zuschläge für Nachtarbeit) beruhen.
Zahlungen, die ein Arbeitnehmer als Ausgleich für zusätzliche Leistungen erhält, wenn er auf Verlangen ein Mehr an Arbeit oder Arbeitsstunden unter besonderen Bedingungen leistet, sind nicht berücksichtigungsfähig.
Beispiele für Zulagen und Zuschläge, die im Rahmen des Mindestlohngesetzes nicht berücksichtigt, d.h. auf den Mindestlohn nicht angerechnet werden:
Zuschläge für Nachtarbeitsstunden (BAG, 18.11.2015 - 5 AZR 761/13).
Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung und sonstige vermögenswirksame Leistungen.
Aufwandsentschädigungen: Hierzu gehört insbesondere die Erstattung von tatsächlich angefallenen Kosten, die dem Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsverhältnisses durch Weisungen des Arbeitgebers entstanden sind (z.B. Durchführung von Reisen/Fahrten zu Kundeneinsätzen, Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen). Ohne Bedeutung ist dabei - wie auch sonst - die Bezeichnung der Zulage. Auch eine - ggf. auch pauschalierte - Leistung, die der Arbeitgeber als "Wegegeld" bezeichnet, mit der aber nur ein besonderer Fahrtaufwand des Arbeitnehmers abgegolten wird, ist als reine Kostenerstattung nicht berücksichtigungsfähig.
Im Recht ausländischer Staaten oft vorgesehene Entsendezulagen, soweit sie der Erstattung bei dem entsandten Arbeitnehmer tatsächlich angefallener Entsendungskosten (z.B. Unterkunft, Verpflegung, Reisekosten) dienen.
Arbeitsentgelt nebst (pauschalem) Tagegeld: Zahlt ein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland dem Arbeitnehmer für die Zeit der vorübergehenden Beschäftigung in Deutschland zusätzlich zum Arbeitsentgelt ein Tagegeld, ohne hierbei auszuweisen, welcher Anteil des Tagegeldes die tatsächlichen Aufwendungen des Arbeitnehmers und welcher Anteil die zusätzlichen Nachteile infolge der Auslandstätigkeit oder die Differenz zwischen dem Lohn im Herkunftsland und dem nach deutschem Recht geschuldeten Mindestlohn ausgleichen soll, so müssen zur Ermittlung der Anteile der Zulage, die auf den Mindestlohn angerechnet werden können, die verschiedenen Zwecke der Zahlung getrennt betrachtet werden. Zur Ermittlung der Anteile eines Tagegeldes sind folgende Kriterien anzuwenden:
Gesetzliche Regelung zur Höhe einzelner Tagegeldanteile: Ist aufgrund der rechtlichen Grundlage für das Tagegeld (z.B. eine gesetzliche Regelung im Herkunftsland) klar, wie sich das Tagegeld zusammensetzt bzw. welche Teile des Tagegeldes der Aufwendungserstattung dienen und welche Anteile darüber hinaus allein wegen der Auslandstätigkeit gezahlt werden, so ist diese Aufteilung zugrunde zu legen. Die Anteile, die danach auf Erstattung tatsächlicher Aufwendungen infolge der Auslandstätigkeit entfallen, sind vom Tagegeld abzuziehen. Nur der verbleibende Teil kann auf den Mindestlohnanspruch angerechnet werden.
Tatsächliche Aufwendungen: Fehlt es an einer rechtlichen Regelung, wie sich das Tagegeld zusammensetzt, ist auf die tatsächlichen Gegebenheiten abzustellen. Die tatsächlichen Aufwendungen des Arbeitnehmers infolge der Auslandstätigkeit (z.B. Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten) sind vom Tagegeld abzuziehen. In Fällen, in denen die tatsächlichen Aufwendungen der Höhe des Tagegeldes entsprechen oder dieses übersteigen, kann das Tagegeld gar nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden. In Fällen, in denen die tatsächlichen Aufwendungen des Arbeitnehmers niedriger als das Tagegeld sind, kann die Differenz auf den Mindestlohn angerechnet werden.
Abzug für Unterkunfts- bzw. Verpflegungsleistungen auf Grundlage der Sozialversicherungsentgeltverordnung: Können die tatsächlichen Aufwendungen des Arbeitnehmers nicht (mehr) aufgeklärt werden, so ist vom Tagegeld die nach der Sozialversicherungsentgeltverordnung jeweils niedrigste Stufe für Unterkunfts- bzw. Verpflegungsleistungen abzuziehen. Nur der nach Abzug ggf. verbleibende Betrag ist als mindestlohnwirksam zu berücksichtigen.
Nach § 2 Sozialversicherungsentgeltverordnung gelten hinsichtlich einzelner Leistungen folgende Abzüge:
Für in der Gesamtzulage enthaltene Zahlungen für Verpflegungsleistungen ist ein Betrag von monatlich 246 EUR abzuziehen.
Für in der Gesamtzulage enthaltene Zahlungen für Unterkunft sind monatlich 226 EUR abzuziehen.
Arbeitsentgelt nebst Sachleistung: Gewährt der Arbeitgeber zusätzlich zum Arbeitsentgelt geldwerte Sachleistungen, wie z.B. Unterkunft und/oder Verpflegung, so wird deren Geldwert nicht als Lohnbestandteil berücksichtigt.
Lohnabzug durch den Arbeitgeber: Zahlt der Arbeitgeber den Lohn nur abzüglich von Kosten für arbeitgeberseitige Leistungen (z.B. Unterkunft, Verpflegung) aus, so ist lediglich dieser tatsächlich ausgezahlte Betrag als Mindestlohnzahlung zu berücksichtigen.
Gesamtbetrag: Der Arbeitgeber zahlt dem Arbeitnehmer einen Gesamtbetrag, in dem neben dem Arbeitsentgelt Beträge enthalten sind, mit denen der Arbeitnehmer seine Aufwendungen für Unterkunft und/oder Verpflegung selbst bestreiten soll. Nähere Angaben zu einzelnen Bestandteilen sowie ggf. zu deren Höhe oder der tatsächlichen Gewährung von Unterkunft oder Verpflegung liegen nicht vor. In diesen Fällen ist von dem Gesamtbetrag die nach der Sozialversicherungsentgeltverordnung jeweils niedrigste Stufe für Unterkunfts- bzw. Verpflegungsleistungen abzuziehen und nur der nach Abzug verbleibende Betrag als Arbeitsentgelt zu berücksichtigen.
Quelle: Bundesministerium der Finanzen - Generalzolldirektion; Rechtsprechung des BAG
Siehe auch zu Fragen der Berücksichtigung von Sachleistungen (z.B. Kost und Logis), der Beschäftigung in Deutschland von unter einem Monat, der Aufrechnung und Pfändbarkeit die Ausführungen der Generalzolldirektion unter:
4. Vergütungspflichtige Arbeitszeiten
4.1 Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst
Bei Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst muss sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort (innerhalb oder außerhalb des Betriebs) bereithalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen. Bei Arbeitsbereitschaft hat der Arbeitnehmer von sich aus tätig zu werden, bei Bereitschaftsdienst auf Anforderung. Bei Arbeitsbereitschaft ist der Arbeitnehmer an der Arbeitsstelle anwesend und muss jederzeit bereit sein, die Arbeit aufzunehmen oder in den Arbeitsprozess einzugreifen (BAG, 19.11.2014 - 5 AZR 1101/12).
Arbeitszeitrechtlich ist die Unterscheidung von Arbeitsbereitschaft und Rufbereitschaft nicht von Bedeutung. Beides ist vergütungspflichtige Arbeitszeit.
Das Mindestlohngesetzes macht hinsichtlich der Vergütungspflicht keinen Unterschied nach dem Grad der tatsächlichen Inanspruchnahme. Wenn der Arbeitnehmer vergütungspflichtige Arbeit leistet, gibt das Mindestlohngesetz einen ungeschmälerten Anspruch auf den Mindestlohn Damit sind auch Bereitschaftszeiten mit dem Mindestlohn zu vergüten. Leistet der Arbeitnehmer Vollarbeit und Bereitschaftsdienst, ist der Anspruch auf den Mindestlohn erfüllt, wenn er für die in einem Kalendermonat erbrachte Arbeit (einschließlich der Bereitschaft) mindestens eine Bruttovergütung erhält, die das Produkt der Gesamtstunden mit dem Mindestlohn nicht unterschreitet (BAG, 11.10.2017 - 5 AZR 591/16).
Abweichende einzelvertragliche oder tarifvertragliche Regelungen, die den Mindestlohn unterschreiten sind, gem. § 3 S. 1 MiLoG unwirksam
4.2 Rufbereitschaft
Bei der Rufbereitschaft ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, vor Ort am Arbeitsplatz anwesend zu sein, sondern er kann frei entscheiden, wo er sich aufhält. Er muss lediglich erreichbar sein. Ist aber die Zeitvorgabe, innerhalb derer der Arbeitnehmer den Arbeitsplatz erreichen muss, so eng ist, dass die Möglichkeit für den Arbeitnehmer, über seine Zeit selbst zu bestimmen, erheblich eingeschränkt ist, ist die rechtliche Einordnung als Arbeitszeit so, als ob der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz vor Ort anwesend sein müsste. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. Es kommt darauf an, ob der Arbeitnehmer durch die Rufbereitschaft so sehr an der Verfolgung seiner persönlichen und sozialen Interessen gehindert wird, dass sich die Situation letztlich kaum von einer Anwesenheit im Betrieb unterscheidet (Bayreuther NZA 2018, 348 (349).
Eine arbeits- oder tarifvertragliche Regelung zur Rufbereitschaft ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur dann vergütungsrechtlich wirksam, wenn der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort während der Rufbereitschaft selbst bestimmen kann und lediglich sicherstellen muss, dass er in einer angemessenen Zeit seine Arbeit wieder aufnehmen kann; hierbei hat das BAG einen Zeitraum von 45 Minuten als angemessen angesehen (BAG, 11.07.2006 - 9 AZR 519/05; BAG, 22.01.2004 - 6 AZR 543/02).
5. Nicht vergütungspflichtige Zeiten
5.1 Wegezeiten
Wegezeiten gehören nicht zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Wegezeiten sind Zeiten in denen der Arbeitnehmer von zu Hause zum Betrieb oder vom Betrieb nach Hause fährt, ohne dabei eine Arbeitsleistung für den Arbeitgeber zu erbringen (BAG, 25.04.2018 - 5 AZR 424/17).
Wenn jedoch der Arbeitnehmer seine Tätigkeit außerhalb des Betriebs zu erbringen hat, gehört das Fahren zur auswärtigen Arbeitsstelle zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten, weil das wirtschaftliche Ziel der Gesamttätigkeit darauf gerichtet ist, verschiedene Kunden aufzusuchen, sei es, um dort Dienstleistungen zu erbringen oder um Geschäfte für den Arbeitgeber zu vermitteln oder abzuschließen. Dazu gehört notwendig die jeweilige Anreise (BAG, 25.04.2018 - 5 AZR 424/17).
Zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten gehören auch Wege-/Fahrzeiten des Arbeitnehmers zu Kunden, auch zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück. Das gilt unabhängig davon, ob Fahrtantritt und Fahrtende vom Betrieb des AG oder von der Wohnung des AN aus erfolgen (BAG, 25.04.2018 - 5 AZR 424/17).
5.2 Pausen
Tatsächlich gewährte Ruhepausen (§ 2 Abs. 1 und § 4 ArbZG) gehören nicht zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit.
Pausen sind keine Arbeit, sondern gem. § 4 S. 1 ArbZG eine Unterbrechung der Arbeitszeit, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten hat, sondern frei entscheiden kann, wo und wie er diese Zeit verbringen will. Deshalb zählen Pausen auch nicht zur Arbeitszeit (§ 2 Abs. 1 S. 1 ArbZG) und müssen auch nicht vergütet werden (BAG, 25.02.2015 - 1 AZR 642/13).
6. Anspruchsberechtigte Personen
6.1 Anspruchsberechtigte
Gem. § 1 Abs. 1 MiLoG hat jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.
Nach dem Urteil des BAG v. 24.06.2021 – 5 AZR 505/20 haben auch nach Deutschland in einen Privathaushalt entsandte ausländische Betreuungskräfte Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für geleistete Arbeitsstunden. Dazu gehört auch der Bereitschaftsdienst. Ein solcher kann darin bestehen, dass die Betreuungskraft im Haushalt der zu betreuenden Person wohnen muss und grundsätzlich verpflichtet ist, zu allen Tag- und Nachtstunden bei Bedarf Arbeit zu leisten.
(BAG v. 24.06.2021 – 5 AZR 505/20 – Auszug aus der Pressemitteilung des BAG Nr. 16/21 v. 25.6.2021; Vorinstanz: LAG Berlin-Brandenburg v. vom 17. 08 2020 - 21 Sa 1900/19 -)
6.2 Ausnahmen
Vom Mindestlohngesetz sind gem. § 22 MiLoG folgende Personengruppen ausgenommen:
Auszubildende - im Rahmen der Berufsausbildung;
Praktikanten, wenn das Praktikum während des Studiums verpflichtend ist (schul-, hochschulrechtlich, nach einer Ausbildungsordnung oder gesetzlich geregelte Berufsakademie);
Praktikanten, die ein Pflichtpraktikum absolvieren, das nach einer hochschulrechtlichen Bestimmung Zulassungsvoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums ist, haben keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn (BAG v. 19.01.2022 - 5 AZR 217/21; Pressemitteilung 1/22);
Praktikanten, wenn das Praktikum freiwillig bis zu einer Dauer von drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder zur Aufnahme eines Studiums dient;
Anpassungsqualifizierungen im Rahmen von Gleichwertigkeitsfeststellungen nach dem Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz - keine Praktika im mindestlohnrechtlichen Sinne (BAG v. 18.11.2020 - 5 AZR 103/20);
Langzeitarbeitslose in den ersten 6 Monaten der Beschäftigung;
Personen im Rahmen einer Einstellungsqualifizierung (§ 54 SGB III) oder einer Berufsbildungsvorbereitung nach dem Berufsbildungsgesetz;
Selbstständige;
Freiberufler;
Ehrenamtlich Tätige;
Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung;
Jugendliche, die an einer als Vorbereitung zu einer Berufsausbildung oder an einer anderen Berufsbildungsvorbereitung nach dem Berufsbildungsgesetz teilnehmen.
7. Ausnahmen für bestimmte Branchen
Grundsätzlich geht der gesetzliche Mindestlohn auch Tarifverträgen vor, soweit Tariflöhne den gesetzlichen Mindestlohn unterschreiten.
Bis zum 31.12.2017 waren jedoch tarifliche Abweichungen auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zulässig.
Im Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2017 galt eine Übergangsfrist für Betriebe, um diese Regelung umzusetzen. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2017 mussten diese abweichenden Tarifverträge mindestens ein Entgelt von 8,50 EUR pro Stunde vorsehen.
Ab Januar 2018 gilt der gesetzliche Mindestlohn ausnahmslos in allen Branchen.
Regelungen über die Lohnhöhe in Tarifverträgen, die unter dem Mindestlohn liegen, sind dann nicht mehr zulässig.
Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen des Mindestlohngesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet (§ 1 Abs. 3 S. 3 MiLoG).
Eine Übersicht über die aktuell geltenden Branchenmindestlöhne ist hier zu finden:
https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Mindestarbeitsbedingungen/Mindestlohn-AEntG-Lohnuntergrenze-AUeG/Branchen-Mindestlohn-Lohnuntergrenze/uebersicht_branchen_mindestloehne.html
Ein weiterer Vorrang gilt entsprechend für einen auf der Grundlage von § 5 des Tarifvertragsgesetzes für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 1 sowie §§ 5 und 6 Abs. 2 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (§ 1 Abs. 3 S. 2 MiLoG).
8. Fälligkeit
Gem. § 2 Abs. 1 MiLoG ist der Arbeitgeber verpflichtet, der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer den Mindestlohn
1. zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit,
2. spätestens am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, zu zahlen.
Für den Fall, dass keine Vereinbarung über die Fälligkeit getroffen worden ist, gilt § 614 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Darüber hinaus sind gem. § 2 Abs. 2 S. 1 MiLoG bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehenden und auf einem schriftlich vereinbarten Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns auszugleichen, soweit der Anspruch auf den Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden nicht bereits durch Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt ist.
Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber gem. § 2 Abs. 2 S. 2 MiLoG nicht ausgeglichene Arbeitsstunden spätestens in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Kalendermonat auszugleichen. Die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden dürfen monatlich jeweils 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen.
Die Fälligkeitsvorschriften von § 2 Abs. 1 und 2 MiLoG gelten nicht für Wertguthaben i.S.d. 4. Buches Sozialgesetzbuch oder für eine im Hinblick auf den Schutz des Arbeitnehmers vergleichbare ausländische Regelung.
9. Verjährung, Verfall und Sicherung des Mindestlohns
Der Mindestlohn tritt als gesetzlicher Anspruch eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch. § 3 Satz 1 MiLoG führt bei Unterschreiten des Mindestlohnanspruchs zu einem Differenzanspruch, nicht aber zur Nichtigkeit der Entgeltabrede. Das Mindestlohngesetz geht damit von einer Anspruchskonkurrenz des Mindestlohnanspruchs zu den aufgrund sonstiger Vereinbarungen bestehenden Vergütungsansprüchen des Arbeitnehmers aus. § 3 Satz 1 MiLoG verbietet Vereinbarungen, die darauf gerichtet sind, den gesetzlichen Mindestlohnanspruch durch Absenkung zum Nachteil des Arbeitnehmers zu gestalten oder seine Geltendmachung zu beschränken (BAG, 18.09.2018 - 9 AZR 162/18).
Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind gem. § 3 S. 1 MiLoG insoweit unwirksam.
Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann gem. § 3 S. 2 MiLoG auf den entstandenen Anspruch auf Mindestlohn nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten. Im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen.
Die Verwirkung des Anspruchs ist gem. § 3 S. 3 MiLoG ausgeschlossen.
Ansprüche auf den Mindestlohn verjähren gem. § 195 BGB erst nach drei Jahren. Der Mindestlohn kann auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingeklagt werden, solange die dreijährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist.
ArbeitsvertraglicheAusschluss- und Verfallfristen finden keine Anwendung, soweit es um den Anspruch auf Mindestlohn geht (BAG, 20.06.2018 - 5 AZR 377/17).
Hinweis:
Das bedeutet:
Wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich einen Anspruch auf eine Vergütung oberhalb des Mindestlohns hat, gelten bei einer unzulässigen Ausschluss- oder Verfallsklausel die Bestimmungen eines anwendbaren Tarifvertrags oder Arbeitsvertrags.
Enthält der Arbeitsvertrag zulässige Verfallklauseln, verfällt der vertragliche oder tarifvertragliche Vergütungsanspruch, der oberhalb des Mindestlohns liegt, wenn die Ausschlussfristen nicht beachtet worden sind.
Eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist ist nur wirksam, wenn der Anspruch nach dem Mindestlohngesetz von der Ausschlussfrist ausgenommen worden ist (BAG, 18.09.2018 - 9 AZR 162/18).
Ist der Anspruch nach dem Mindestlohngesetz von der Ausschlussfrist - unzulässigerweise - ausgenommen, ist eine arbeitsvertragliche Verfallklausel insgesamt (z.B. auch wegen Urlaubsabgeltungsansprüchen) und nicht nur in Höhe des Mindestlohnes unwirksam.
Beachte jedoch:
Ausschlussfristen in Tarifverträgen sind jedoch nur teilweise und nicht insgesamt unwirksam, d.h. also nur soweit sie den Anspruch auf Mindestlohn betreffen (BAG v. 22.10.2019 - 9 AZR 532/18).
Hinweis:
Eine vom Arbeitgeber vorformulierte arbeitsvertragliche Verfallklausel, die auch den gesetzlichen Mindestlohn erfasst, ist aber nur dann insgesamt unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31. Dezember 2014 geschlossen wurde (BAG, 18.09.2018 - 9 AZR 162/18).
Vor der Einführung des Mindestlohns nach dem Mindestlohngesetz (vor dem 1. Januar 2015) vereinbarte Verfallklauseln, die den Mindestlohn nicht ausnehmen, sind nur nach § 3 Satz 1 MiLoGteilunwirksam; d.h. ein Mindestlohn, der nach Ablauf einer im Arbeitsvertrag vereinbarten Verfallsfrist geltend gemacht würde wäre nicht verfallen, wohl aber andere, geltend gemachte Vergütungsbestandteile wie z.B. Urlaubsabgeltungsansprüche (BAG, 22.10.2019 - 9 AZR 532/18).
§ 3 Satz 1 MiLoG erfasst unmittelbar nur den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für geleistete Arbeit. § 615 Satz 1 BGB erhält jedoch dem Arbeitnehmer im Annahmeverzugszeitraum den Vergütungsanspruch aus § 611a Abs. 2 BGB aufrecht. Es gilt das Lohnausfallprinzip mit der Folge, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich so zu stellen ist, als hätte er gearbeitet. Dies verlangt - so das Bundesarbeitsgericht - den Mindestlohn nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG als Geldfaktor in die Berechnung der Annahmeverzugsvergütung einzustellen, soweit nicht aus anderen Rechtsgründen ein höherer Vergütungsanspruch besteht. Denn anderenfalls stünde der Arbeitnehmer schlechter als er bei tatsächlicher Arbeit gestanden hätte. In diesem Falle hätte er – unbeschadet von Ausschlussfristen – jedenfalls den gesetzlichen Mindestlohn erhalten. Seit dem 1. Januar 2015 (Einführung des Mindestlohns) kann deshalb der Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns einer tariflichen (oder sonstigen) Ausschlussfrist nicht mehr unterworfen werden(BAG v. 13.07.2022 – 5 AZR 498/21).
Nach § 1 Absatz 1 MiLoG haben alle Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns nach § 1 Absatz 1 MiLoG in Verbindung mit der jeweils gültigen Rechtsverordnung. Vereinbarungen, die den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit nach § 3 Satz 1 MiLoGunwirksam.
Die Vorschrift des § 3 Satz 1 MiLoG, wonach eine Vereinbarung, durch die der gesetzliche Mindestlohn unterschritten wird, insoweit unwirksam ist, gilt auch für außergerichtliche Vergleiche, durch die ein Streit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Entgeltanspruchs ausgeräumt wird – sog. Tatsachenvergleich (LAG Berlin-Brandenburg v. 20.5.2021 – 21 Sa 638/20).
Auch ein Verzicht durch einen außergerichtlichen Vergleich ist somit ausgeschlossen.
Der Mindestlohn ist nicht gegen Insolvenzanfechtunggesichert. Bei Insolvenz des Arbeitgebers kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 129 ff. InsO vom Arbeitnehmer das zu bestimmten Zeitpunkten ausbezahlte Arbeitsentgelt zu Gunsten der Insolvenzmasse zurückfordern. Dies dient - so das Bundesarbeitsgericht - der gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger nach den insolvenzrechtlichen Verteilungsregeln. Der Rückgewähranspruch umfasst das gesamte Arbeitsentgelt einschließlich des gesetzlichen Mindestlohns. Der Gesetzgeber hat den Mindestlohn nicht anfechtungsfrei gestellt (BAG v. 25.05.2022 - 6 AZR 497/21).
10. Aufzeichnungspflichten des Arbeitgebers
Arbeitgeber, die Minijobber, Zeitarbeitnehmer oder Arbeitnehmer aus den Wirtschaftsbereichen oder Wirtschaftszweigen von § 2a Schwarzarbeiterbekämpfungsgesetz (bei denen Sofortmeldepflicht besteht) beschäftigen, müssen gem. § 17 MiLoG gesonderte Aufzeichnungen über die Arbeitszeit führen.
Von § 2a Schwarzarbeiterbekämpfungsgesetz erfasst sind:
das Baugewerbe,
das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe,
das Personenbeförderungsgewerbe,
das Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe,
das Schaustellergewerbe,
Unternehmen der Forstwirtschaft,
das Gebäudereinigungsgewerbe,
Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen,
die Fleischwirtschaft.
Gem. § 17 Abs. 1 MiLoG ist ein solcher Arbeitgeber verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit dieser Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre beginnend ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt aufzubewahren.
Dasselbe gilt entsprechend für einen Entleiher, dem ein Verleiher eine Arbeitnehmerin oder einen Arbeitnehmer oder mehrere Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung in einem der in § 2a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannten Wirtschaftszweige überlässt.
Diese Aufzeichnungspflicht gilt jedoch nicht für Beschäftigungsverhältnisse nach § 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch.
Die oben bezeichneten Arbeitgeber haben gem. § 17 Abs. 2 MiLoG die für die Kontrolle der Einhaltung der Verpflichtungen nach § 20 in Verbindung mit § 2 erforderlichen Unterlagen im Inland in deutscher Sprache für die gesamte Dauer der tatsächlichen Beschäftigung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Geltungsbereich des Mindestlohngesetzes, mindestens für die Dauer der gesamten Werk- oder Dienstleistung, insgesamt jedoch nicht länger als zwei Jahre, bereitzuhalten. Auf Verlangen der Prüfbehörde sind die Unterlagen auch am Ort der Beschäftigung bereitzuhalten.
Inzwischen hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Erleichterungen für Aufzeichnungspflichten geschaffen. Die Mindestlohnaufzeichnungsverordnung (MiLoAufzV) sieht Erleichterungen - jedoch nur - für Arbeitgeber vor, die Arbeitnehmer in ausschließlich mobiler Tätigkeit beschäftigen, wenn sie diesen keine Vorgaben zur konkreten täglichen Arbeitszeit machen, weil die Arbeitnehmer ihre tägliche Arbeitszeit eigenverantwortlich einteilen können. Hier genügt die Aufzeichnung der Dauer der täglichen Arbeitszeit.
Eine weitere Erleichterung der Aufzeichnungspflicht ergibt sich für die in § 2a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannten Wirtschaftszweige aus der hierzu erlassenen Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung (MiLoDokV).
Außerdem gibt es noch Meldepflichten gem. § 16 MiLoG für Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, der eine Arbeitnehmerin oder einen Arbeitnehmer oder mehrere Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer in den in § 2a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannten Wirtschaftsbereichen oder Wirtschaftszweigen im Anwendungsbereich Mindestlohngesetzes beschäftigt. Dieser ist verpflichtet, vor Beginn jeder Werk- oder Dienstleistung eine schriftliche Anmeldung in deutscher Sprache bei der zuständigen Behörde der Zollverwaltung vorzulegen, die die für die Prüfung wesentlichen Angaben enthält.
11. Haftung
Gem. § 13 MiLoG findet § 14 Arbeitnehmer-Entsendegesetz entsprechende Anwendung.
Das heißt, dass ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, für die Verpflichtungen dieses Unternehmers, eines Nachunternehmers oder eines von dem Unternehmer oder einem Nachunternehmer beauftragten Verleihers wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat, haftet auf Zahlung des Mindestlohns an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen oder zur Zahlung von Beiträgen an eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien.
Gemeint sind hier Generalunternehmer, die sich zur Erfüllung ihrer bereits geschlossenen Verträge der Hilfe von Subunternehmen bedienen. Normale Werk- und Dienstleistungen fallen hier nicht unter die oben geregelte Auftraggeberhaftung.
Der im Wege der Haftung zu zahlende Mindestlohn umfasst nur den Betrag, der nach Abzug der Steuern und der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung oder entsprechender Aufwendungen zur sozialen Sicherung an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen auszuzahlen ist (Nettolohn).
12. Kontrolle
Die Behörden de Zollverwaltung sind dafür zuständig, dass Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland, ihren im Inland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des Mindestlohns nach § 1 Abs. 2 MiLoG spätestens zu dem in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG genannten Zeitpunkt zahlen (§§ 14, 20 MiLoG).
Die Zollverwaltung ist im Rahmen ihrer Prüfungsaufgabe berechtigt, Grundstücke oder Geschäftsräume des Arbeitgebers zu betreten, Einsicht in die Arbeitsverträge und Geschäftsunterlagen zu nehmen und Auskünfte zu verlangen.
§ 20 MiLoG enthält umfangreiche Bußgeldvorschriften. In den Fällen von § 20 Abs. 1 Nr. 1. bis 9 und Abs. 2 MiLoG kann eine Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 500.000 EUR geahndet werden.
13. Mindestlohnkommission
Die Bundesregierung errichtet gem. § 4 MiLoG eine ständige Mindestlohnkommission, die über die Anpassung der Höhe des Mindestlohns befindet. Die Mindestlohnkommission wird alle fünf Jahre neu berufen. Sie besteht aus einer oder einem Vorsitzenden, sechs weiteren stimmberechtigten ständigen Mitgliedern und zwei Mitgliedern aus Kreisen der Wissenschaft ohne Stimmrecht (beratende Mitglieder).
Die Mindestlohnkommission musste über eine Anpassung der Höhe des Mindestlohns erstmals bis zum 30. Juni 2016 mit Wirkung zum 1. Januar 2017 zu beschließen. Danach hat die Mindestlohnkommission alle zwei Jahre über Anpassungen der Höhe des Mindestlohns zu beschließen (§ 9 Abs. 1 MiLoG).
Die Mindestlohnkommission muss im Rahmen einer Gesamtabwägung prüfen, welche Höhe des Mindestlohns geeignet ist, zu einem angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beizutragen, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen sowie Beschäftigung nicht zu gefährden. Die Mindestlohnkommission orientiert sich bei der Festsetzung des Mindestlohns nachlaufend an der Tarifentwicklung (§ 9 Abs. 2 MiLoG).
Die Mindestlohnkommission muss ihren Beschluss schriftlich begründen (§ 9 Abs. 3 MiLoG).
Die Mindestlohnkommission muss laufend die Auswirkungen des Mindestlohns auf den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Wettbewerbsbedingungen und die Beschäftigung im Bezug auf bestimmte Branchen und Regionen sowie die Produktivität evaluieren und ihre Erkenntnisse der Bundesregierung in einem Bericht alle zwei Jahre gemeinsam mit ihrem Beschluss zur Verfügung stellen (§ 9 Abs. 3 MiLoG) .
Die Beschlüsse und Berichte der Mindestlohnkommission können auf deren Homepage unter www.mindestlohn-kommission.de eingesehen werden.
Siehe auch
Mindestlohn - Arbeitnehmer-EntsendegesetzMindestlohn - Ausgewählte RechtsprechungMindestlohn - LandesmindestlohngesetzeMindestlohn - Lohnuntergrenze nach dem ArbeitnehmerüberlassungsgesetzMindestlohn - PflegebrancheMindestlohn - Richterlicher Mindestlohn über SittenwidrigkeitMindestlohn - Vergabemindestlohngesetze der Länder