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BSG, 29.01.2018 - B 12 R 62/16 B - Beitragspflicht zur Sozialversicherung; Betriebsprüfung; Divergenzrüge; Begriff der Abweichung; Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen
Bundessozialgericht
Beschl. v. 29.01.2018, Az.: B 12 R 62/16 B
Beitragspflicht zur Sozialversicherung; Betriebsprüfung; Divergenzrüge; Begriff der Abweichung; Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen
Verfahrensgang:
vorgehend:
LSG Baden-Württemberg - 14.12.2016 - AZ: L 5 R 5347/15
SG Stuttgart - 05.11.2015 - AZ: S 4 R 2644/13
Rechtsgrundlage:
BSG, 29.01.2018 - B 12 R 62/16 B
Redaktioneller Leitsatz:
1. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht.
2. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht.
3. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte.
4. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz.
5. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat.
in dem Rechtsstreit
BSG Az.: B 12 R 62/16 B
LSG Baden-Württemberg 14.12.2016 - L 5 R 5347/15
SG Stuttgart 05.11.2015 - S 4 R 2644/13
...............................................,
Kläger und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigte: ...............................................,
gegen
Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg,
Gartenstraße 105, 76135 Karlsruhe,
Beklagte und Beschwerdegegnerin,
beigeladen:
1. IKK classic,
Tannenstraße 4 b, 01099 Dresden,
2. AOK Baden-Württemberg,
Presselstraße 19, 70191 Stuttgart,
3. ...............................................,
4. ...............................................,
5. IKK-Pflegekasse classic,
Tannenstraße 4 b, 01099 Dresden,
6. Pflegekasse bei der AOK Baden-Württemberg,
Presselstraße 19, 70191 Stuttgart,
7. Bundesagentur für Arbeit,
Regensburger Straße 104, 90478 Nürnberg.
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat am 29. Januar 2018 durch den Präsidenten Prof. Dr. S c h l e g e l sowie die Richter H e i n z und B e c k
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Dezember 2016 wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 29 388,26 Euro festgesetzt.
Gründe
I
1
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Forderung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund einer Betriebsprüfung.
2
Der Kläger ist Inhaber eines Einzelunternehmens, das die Erbringung von Bauleistungen (Trockenbau) zum Gegenstand hat. Nach einer Betriebsprüfung forderte die Beklagte von ihm für die Beschäftigung der Beigeladenen zu 3. und 4. die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von zusammen 29 404,72 Euro (Bescheid vom 16.2.2012; Widerspruchsbescheid vom 8.4.2013). Das SG hat den angefochtenen Bescheid "in Höhe von 5.394,14 €" aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 5.11.2015). Nachdem die Klage auf die Beitragsforderung von 29 388,26 Euro beschränkt worden war, hat das LSG auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG geändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Die Tätigkeit der Beigeladenen zu 3. und 4. sei zu Recht als Versicherungspflicht in den einzelnen Sozialversicherungszweigen begründende Beschäftigung angesehen worden, weshalb der Kläger Beiträge in der (noch) streitigen Höhe zu zahlen habe (Urteil vom 14.12.2016). Mit der Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision.
II
3
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG). Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG den geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht hinreichend bezeichnet.
4
Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 16.7.2004 - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Sich widersprechende Rechtssätze sind mit der Beschwerde aber nicht dargelegt worden.
5
Der Kläger entnimmt dem angegriffenen Urteil des LSG zunächst den Rechtssatz, der "sozialversicherungsrechtliche Status ist nicht personenbezogen, sondern tätigkeitsbezogen zu beurteilen und jede Tätigkeit ist in statusrechtlicher Hinsicht gesondert zu würdigen". Dem stellt er als widersprechende Rechtssätze Aussagen aus den Urteilen des BSG vom 18.11.2015 (B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25), 25.4.2012 (B 12 KR 24/10 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 15), 28.9.2011 (B 12 R 17/09 R - Juris) und 28.5.2008 (B 12 KR 13/07 R - Juris) gegenüber. Danach sei "eine Bewertung der einzelnen Arbeitseinsätze am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung entwickelten Grundsätze erforderlich", wenn "Tätigkeiten bei dem Auftraggeber von dem Auftragnehmer im Rahmen einzelner Aufträge ausgeführt" würden. Hiervon abweichend habe das LSG nicht eine auftragsbezogene, sondern tätigkeitsbezogene Beurteilung gefordert und Zeiträume berücksichtigt, in denen die Beigeladenen zu 3. und 4. für andere Auftraggeber gearbeitet hätten. Damit ist nicht dargetan, inwiefern der den Entscheidungsgründen des LSG entnommene Rechtssatz im Widerspruch zu den formulierten Rechtssätzen des BSG stehen soll. Das LSG hat nach dem eigenen Vorbringen des Klägers gerade die für ihn erbrachten Tätigkeiten berücksichtigt. An welcher Stelle das Berufungsgericht von einer Auftragsausführung allein für andere Auftraggeber als den Kläger ausgegangen sein soll, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Vielmehr weist der Kläger selbst darauf hin, dass eine Unterbrechung der Auftragsausführung für ihn vom LSG nicht geprüft worden sei.
6
Darüber hinaus sieht der Kläger eine weitere Abweichung vom Urteil des BSG vom 18.11.2015 (B 12 KR 16/13 R aaO) darin, dass es nach der angegriffenen Entscheidung des LSG für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung unerheblich sei, "ob und in welchem Umfang der Auftragnehmer zusätzlich für andere Auftraggeber tätig" werde, während nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung "eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber maßgeblich" sei, "wenn weitere typische Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit, wie z.B. einem werbenden Auftreten am Markt, hinzutreten" würden. Auch insoweit wird eine Abweichung nicht aufgezeigt. Aus der Beschwerdebegründung geht nicht hervor, von welchen weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit das LSG ausgegangen sein und deshalb die zitierte Rechtsprechung vorliegend zum Tragen kommen soll.
7
Ferner entnimmt der Kläger dem angegriffenen Urteil des LSG folgenden Rechtssatz: "Für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung ist es unerheblich, ob und in welchem Umfang der Auftragnehmer außerhalb des in statusrechtlicher Hinsicht zu beurteilenden Zeitraums eigene Arbeitnehmer beschäftigt hat". Demgegenüber habe das BSG mit seinen Urteilen vom 18.11.2015 (B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25) und 11.3.2009 (B 12 KR 21/07 R - Juris) folgenden Rechtssatz aufgestellt: "Die vertragliche Einräumung einer Delegationsbefugnis ist - sofern von ihr realistischerweise Gebrauch gemacht werden könnte - als Indiz für die Selbstständigkeit bei der sozialversicherungsrechtlichen Statusbeurteilung in die vorzunehmende Gesamtwürdigung einzubeziehen". Insoweit ist schon nicht nachvollziehbar dargelegt, inwieweit sich die Anknüpfungspunkte der Arbeitnehmerbeschäftigung einerseits und der Delegationsbefugnis andererseits miteinander vergleichen lassen und damit divergenzgeeignet sein sollen. Unabhängig davon lässt die Beschwerdebegründung offen, weshalb die Beschäftigung von Arbeitnehmern "außerhalb" des in statusrechtlicher Hinsicht zu beurteilenden Zeitraums Rückschlüsse auf die Statusfeststellung in Bezug auf die streitige Zeit zulassen soll.
8
Soweit der Kläger die geltend gemachte Divergenz damit begründet, dass nach der angegriffenen Entscheidung des LSG durch die Nutzung des privaten PKW des Beigeladenen zu 3. eigene Betriebsmittel in nennenswertem Umfang nicht eingesetzt worden seien, das BSG mit seinen Urteilen vom 22.6.2005 (B 12 KR 28/03 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 5), 19.8.2003 (B 2 U 38/02 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 1) und 27.11.1980 (8a RU 26/80 - Juris) aber festgestellt habe, dass "die Benutzung des eigenen Kraftfahrzeuges und die damit einhergehende Lastentragung durchaus für eine selbständige Tätigkeit spricht", ist ebenfalls keine entscheidungserhebliche Divergenz bezeichnet. Der Kläger stellt der Rechtsprechung des BSG lediglich das konkrete Subsumtionsergebnis des LSG in Bezug auf den Einsatz eigener Betriebsmittel in nennenswertem Umfang gegenüber. Abgesehen davon, kann die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs und die damit einhergehende Lastentragung iVm anderen Gesichtspunkten für eine selbstständige Tätigkeit sprechen (BSG Urteil vom 22.6.2005 aaO RdNr 28). Dass solche "anderen Gesichtspunkte" vom LSG festgestellt worden wären, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor.
9
Schließlich erblickt der Kläger darin eine Abweichung von den Urteilen des BSG vom 28.5.2008 (B 12 KR 13/07 R - Juris), 12.2.2004 (B 12 KR 26/02 R - Juris) und 27.11.1980 (8a RU 26/80 - Juris), dass das LSG die Erteilung von Anweisungen und Durchführung von Kontrollen durch den Kläger als für eine abhängige Beschäftigung sprechende Indizien gewertet habe. Insoweit fehlt es bereits an der Darlegung eines abstrakten Rechtssatzes. Zudem wird die geltend gemachte Abweichung nicht aufgezeigt, sondern nur behauptet, indem lediglich die jeweilige Begründung vermeintlich widersprechender Entscheidungen des BSG mitgeteilt wird. Der Kläger hätte zumindest darlegen müssen, wie sich die gerügte Abweichung mit § 7 Abs 1 S 2 SGB IV, wonach ein Anhaltspunkt für eine Beschäftigung ua eine Tätigkeit nach Weisungen ist, vereinbaren lassen soll. Im Ergebnis rügt der Kläger insoweit lediglich eine vermeintliche inhaltliche Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils. Hierauf kann aber eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht gestützt werden.
10
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
11
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.
12
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und Abs 3 S 1, § 47 Abs 1 S 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 S 1 GKG.
Prof. Dr. Schlegel
Heinz
Beck
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