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BSG, 03.04.2018 - B 12 R 55/17 B - Beitragspflicht zur Sozialversicherung; Grundsatzrüge; Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage; Bezeichnung einer abstrakten und aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage
Bundessozialgericht
Beschl. v. 03.04.2018, Az.: B 12 R 55/17 B
Beitragspflicht zur Sozialversicherung; Grundsatzrüge; Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage; Bezeichnung einer abstrakten und aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage
Verfahrensgang:
vorgehend:
LSG Rheinland-Pfalz - 07.08.2017 - AZ: L 2 R 20/17
SG Koblenz - 25.11.2016 - AZ: S 10 R 756/15
Rechtsgrundlage:
BSG, 03.04.2018 - B 12 R 55/17 B
Redaktioneller Leitsatz:
1. Für den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist.
2. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll.
3. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann.
in dem Rechtsstreit
BSG Az.: B 12 R 55/17 B
LSG Rheinland-Pfalz 07.08.2017 - L 2 R 20/17
SG Koblenz 25.11.2016 - S 10 R 756/15
.................................,
Klägerin und Beschwerdeführerin,
Prozessbevollmächtigte: .............................................
gegen
Deutsche Rentenversicherung Bund,
Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,
Beklagte und Beschwerdegegnerin,
beigeladen:
1. ...........................,
2. BARMER,
Axel-Springer-Straße 44, 10969 Berlin,
Prozessbevollmächtigte: ...............................................,
3. BARMER - Pflegekasse,
Axel-Springer-Straße 44, 10969 Berlin,
Prozessbevollmächtigte: ...............................................,
4. Bundesagentur für Arbeit,
Regensburger Straße 104, 90478 Nürnberg.
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat am 3. April 2018 durch den Präsidenten Prof. Dr. S c h l e g e l sowie die Richter H e i n z und B e c k
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. August 2017 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 28 937,54 Euro festgesetzt.
Gründe
I
1
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die Klägerin gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen.
2
Die klagende GmbH betreibt ua ein Hotel und ein Restaurant. Der Beigeladene zu 1. ist als ihr Geschäftsführer tätig, ohne an ihr als Gesellschafter beteiligt bzw mit der Alleingesellschafterin familiär verbunden zu sein. Nach einer Betriebsprüfung stellte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund hinsichtlich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin in der Zeit von 2011 bis 2012 aufgrund Beschäftigung Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung fest und forderte Beiträge iHv 28 937,54 Euro nach. Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben (SG-Urteil vom 25.11.2016; LSG-Urteil vom 7.8.2017). Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
3
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 7.8.2017 ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
4
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9).
5
1. Die Klägerin beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 17.11.2017 ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
6
Die Klägerin wirft auf Seite 2 der Beschwerdebegründung folgende Frage auf:
"Ist Fremdgeschäftsführern Vertrauensschutz in die auf Grund der Urteile des 12. Senats ab dem 29.07.2015 aufgegebene Berücksichtigung der sogenannten 'Kopf und Seele' Rechtsprechung bzw. Verwaltungspraxis der Beklagten durch eine bis zur Bekanntmachung der Änderung der Rechtsprechung befristete Weiteranwendung der bisherigen Rechtsprechung bzw. Verwaltungspraxis im Rahmen der Gesamtwürdigung zur Abgrenzung selbständiger und abhängiger Beschäftigung zu gewähren?"
7
Die Klägerin habe "auf die vor der Änderung bestehende Rechtsprechung und Verwaltungspraxis" vertraut. Andernfalls hätte sie "von Anbeginn an die Voraussetzungen für eine versicherungspflichtige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. geschaffen". Die geänderte Rechtsprechung sei zum Zeitpunkt des Beginns der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. noch nicht bekannt gewesen. Auch sei sie nicht seitens der Einzugsstelle über die geänderte Rechtsprechung/Verwaltungspraxis informiert worden. Die Anwendung der älteren "Kopf und Seele"-Rechtsprechung des BSG hätte ergeben, dass vorliegend ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht gegeben sei.
8
a) Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) nicht, weil darin keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert wird. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).
9
b) Darüber hinaus legt die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit ihrer Frage nicht hinreichend dar. Sie differenziert bereits nicht zwischen einer Änderung einer Verwaltungspraxis und einer Rechtsprechungsänderung, sondern sieht offenbar beides als gegeben an. Zudem befasst sie sich nicht mit der Rechtslage. Hierzu hätte schon deshalb Anlass bestanden, weil die Vorschriften über die Aufhebung von Verwaltungsakten (§§ 44 ff SGB X) in bestimmten Fällen Vertrauensschutz gewähren. Mit der Möglichkeit, über die Frage des Bestehens von Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung eine verbindliche (vertrauensgeschützte) Entscheidung in Form eines Verwaltungsakts durch die Einzugsstelle oder im Verfahren nach § 7a SGB IV zu erhalten, befasst sie sich nicht. Darüber hinaus setzt sie sich weder mit den Einzelheiten der "Kopf und Seele"-Rechtsprechung noch mit dem Urteil des Senats vom 29.7.2015 (B 12 KR 23/13 R - BSGE 119, 216 = SozR 4-2400 § 7 Nr 24) - insbesondere zur Ausgangslage einer Familiengesellschaft bzw einer familiären Verbundenheit (vgl BSG aaO RdNr 29) - hinreichend auseinander. Hierzu hätte aber auch und gerade deshalb Anlass bestanden, weil bereits vor diesem Urteil nach der Rspr des BSG der Grundsatz galt, dass Fremdgeschäftsführer einer GmbH grundsätzlich (abhängig) beschäftigt sind (vgl BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 10/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 20 mwN).
10
c) Auch die Klärungsfähigkeit ihrer Frage unterstellt die Klägerin, ohne dies hinreichend darzulegen. Sie behauptet lediglich, der Beigeladene zu 1. sei in Anwendung der "Kopf und Seele"-Rechtsprechung als selbstständig Tätiger anzusehen, ohne dies anhand der Feststellungen des LSG im angefochtenen Urteil insbesondere zur - vorliegend gerade fehlenden - familiären Verbundenheit von Alleingesellschafterin und Beigeladenem zu 1. näher zu belegen. Darüber hinaus legt die Klägerin nicht dar, inwieweit überhaupt eine Beantwortung ihrer Frage in einem späteren Revisionsverfahren möglich ist. Welche konkreten Feststellungen das LSG im Hinblick auf den von der Klägerin beanspruchten Vertrauensschutz getroffen hat, kann weder der Beschwerdebegründung noch dem angefochtenen Urteil entnommen werden.
11
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
12
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.
13
4. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.
Prof. Dr. Schlegel
Heinz
Beck
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