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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Tarifvertrag - AT-Bereich
Tarifvertrag - AT-Bereich
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.
- 4.Rechtsprechungs-ABC
- 4.1
- 4.2
- 4.3
- 4.4
- 4.5
- 4.6
- 4.7
- 4.8
- 4.9
- 4.10
Information
1. Allgemeines
Der Arbeitgeber legt bisweilen Wert darauf, nicht alle Mitarbeiter in der Tarifbindung zu haben. Die Umwandlung von Arbeitsverhältnissen aus der Tarifgebundenheit in den außertariflichen Bereich ist durchaus möglich. Das TVG sieht dazu zwar keine ausdrückliche Regelung vor. Es lässt Arbeitgeber- und Arbeitnehmervereinigungen aber die Möglichkeit, den Geltungsbereich ihrer Tarifverträge in persönlicher Hinsicht einzuschränken. So dürfen sie bestimmte Arbeitnehmer aus dem tariflichen Regelungsbereich herausnehmen und ihnen eine Sonderstellung - den so genannten AT-Status - einräumen. Meistens handelt es sich bei diesen AT-Mitarbeitern um Personen, deren Funktion nicht in die tariflichen Tätigkeitsbeispiele passt und/oder die eine Arbeitsvergütung bekommen, die deutlich über dem höchsten tariflichen Arbeitsentgelt liegt.
Praxistipp:
Der AT-Status entsteht nicht einfach so. Die Tarifgebundenheit organisierter Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist die Regel. Der AT-Bereich ist demgegenüber die von den Tarifvertragsparteien gewollte und festgelegte Ausnahme. Wer als Arbeitgeber wissen will, ob es in seiner Branche, in seinem Unternehmen oder in seinem Betrieb einen "AT-Bereich" gibt, der guckt zuerst in die ansonsten für ihn maßgeblichen Tarifverträge. Haben die Sozialpartner den persönlichen Geltungsbereich ihrer Tarifverträge nicht für einen AT-Bereich eingeschränkt, gibt es folgerichtig keine AT-Angestellten. Es sei denn, dass die Tätigkeit des zu beurteilenden Arbeitnehmers in kein Tarifschema passt.
Der wichtigste Unterschied zwischen T- und AT-Bereich ist die Vergütung. Tarifverträge sehen dazu vielfach so genannte Mindestabstandsklauseln vor (Abstandsgebot). Der Tarifvertrag findet dann beispielsweise keine Anwendung auf Arbeitnehmer, deren Arbeitsentgelt 10- bis 20 Prozent (oder mehr) über dem Entgelt der höchsten tariflichen Vergütungsgruppe liegt. Besondere praktische Bedeutung hat der AT-Status auch bei der Arbeitszeit. AT-Angestellte dürfen unter Umständen länger arbeiten, als es der Tarifvertrag für T-Arbeitnehmer vorsieht. Das ArbZG nimmt nur die leitenden Angestellten i.S.d. § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG von seinem Geltungsbereich aus. Auch wenn leitende Angestellte in der Regel AT-Status haben werden, zwingend ist das nicht. Umgekehrt sind AT-Angestellte nicht gleich leitende Angestellte i.S.d. BetrVG. Das heißt, trotzt des AT-Status sind AT-Angestellte betriebsverfassungsrechtlich Arbeitnehmer - mit allen Konsequenzen.
2. Die rechtlichen Grundlagen des AT-Bereichs
Tarifverträge gelten nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG
zwischen den beiderseits Tarifgebundenen,
die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen.
Tarifgebunden - so § 3 Abs. 1 TVG - sind
die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und
der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist.
Tarifvertragsparteien legen in ihren Tarifverträgen neben den so genannten Inhaltsnormen auch den persönlichen Geltungsbereich ihres Regelungswerks fest. Sie bestimmen kraft ihrer Tarifautonomie, welche Arbeitnehmer von den tariflichen Regelungen erfasst werden sollen. So heißt es beispielsweise in § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 des Manteltarifvertrags für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg (MTVBodVFlugHBEBB) vom 25.02.2013:
"Er gilt persönlich für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (im Folgenden: Beschäftigte) dieser Unternehmen und Betriebe. Ausgenommen sind Beschäftigte, die nach § 5 Abs. 2 oder 3 BetrVG nicht als Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG gelten sowie Beschäftigte, deren regelmäßiges Monatsentgelt mehr als 10 % über dem regelmäßigen Monatsentgelt der höchsten Entgeltgruppe des jeweils geltenden Vergütungstarifvertrages liegt."
Und im Tarifvertrag über Entgelte und Ausbildungsvergütungen der Metallindustrie in Hamburg und Umgebung, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Unterweser und Nordwestliches Niedersachsen vom 19.05.2016 (TV Entgelt) steht in "§ 1 Geltungsbereich" beispielsweise unter "2. Nicht unter den Tarifvertrag fallen" (...) "2.2 Beschäftigte, a. die einen Aufgabenbereich haben, der höhere Anforderungen stellt, als die höchste Entgeltgruppe verlangt, und b. die aufgrund eines schriftlichen Einzelarbeitsvertrages als außertarifliche Beschäftigte bezeichnet werden und c. deren vereinbartes regelmäßiges Monatseinkommen per 01. April 2016 - für die Tarifgebiete des Nordwestlichen Niedersachsens, Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns 6.730 Euro, - für die Tarifgebiete Hamburg und Umgebung und Unterweser 7.020 Euro übersteigt (...)".
AT-Angestellte sind Arbeitnehmer, die von den Tarifvertragsparteien
wegen ihrer Tätigkeitsmerkmale und/oder
wegen ihrer Vergütung (Abstandsgebot)
aus dem persönlichen Geltungsbereich des jeweiligen Tarifvertrags herausgenommen wurden
(oder aus anderen Gründen nicht vom persönlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrags erfasst sind, Anm. d. Verf.).
Nach den gerade aufgezählten Merkmalen ist der AT-Bereich ein Ressort, das nicht von den tariflichen Regelungen abgedeckt wird, weil
entweder die Materie gar nicht von den Tarifpartnern geregelt ist
oder die Parteien des Arbeitsvertrags gar nicht vom Geltungsbereich der Tarifnorm erfasst werden.
Das TVG enthält keine Bestimmungen zum AT-Bereich. Auf den Punkt gebracht kann man sagen: Ein AT-Angestellter ist deswegen "AT", weil er nicht in den persönlichen Geltungsbereich des sonst anzuwendenden Tarifvertrags fällt. Der durch den AT-Status eintretende Verlust tariflicher Rechte wird in der Regel angemessen durch die gehobene Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und seine höhere Vergütung kompensiert.
Soweit es um außertarifliche Entgeltbestandteile geht, wird auf die Stichwörter Außertarfliche Zulagen - Allgemeines ff. verwiesen.
3. Die praktische Bedeutung des AT-Bereichs
Der erste spürbare praktische Unterschied zwischen T- und AT-Bereich liegt in der Vergütung.
Beispiel:
Der Branchentarifvertrag sieht Entgeltgruppen, Entgeltstufen und Tätigkeitsmerkmale vor. Die unterste Entgeltgruppe beginnt mit einem Einstiegsgehalt von 1.825 EUR, die oberste Entgeltgruppe endet in der höchsten Stufe bei 3.486 EUR. AT-Angestellte bekommen von Arbeitgeber A ein Gehalt, dass bei 5.500 EUR beginnt und nach Erreichen vorgegebener Ziele mit Boni und Provisionen noch weiter aufgestockt wird.
Praxistipp:
Ein Arbeitnehmer wird nicht allein dadurch zu einem AT-Angestellten, dass der Arbeitgeber ihm eine höhere als die tarifliche Vergütung zahlt. Tarifentgelte sind Mindestentgelte. Nach oben sind also (fast) keine Grenzen gesetzt. So lange es keine entsprechende Ausnahmeregelung im Tarifvertrag gibt, bleiben Mitarbeiter, die in den persönlichen Anwendungsbereich eines Tarifvertrags fallen, in der Tarifgebundenheit.
Soweit Arbeitnehmer "AT" sind, gehen die zwischen den Tarifpartnern ausgehandelten "Wohltaten" an ihnen vorbei. Sie werden von den Rechtsnormen der Tarifverträge, die den Abschluss, den Inhalt oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, nicht erfasst - weil die Sozialpartner das so wollen.
Beispiel:
Tarifgebundene Arbeitnehmer besitzen einen Anspruch auf jährlich 30 Arbeitstage Urlaub, haben nach 5-jähriger Betriebszugehörigkeit bereits eine verlängerte Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende und dürfen nach Vollendung des 50. Lebensjahres und ununterbrochener Betriebszugehörigkeit von mindestens 15 Jahren nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. AT-Angestellter A wird von diesen Regelungen nicht erfasst. Er muss mit seinem Arbeitgeber einen über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaub verhandeln. Für ihn gelten - wenn nicht anders vereinbart - nur die BGB-Kündigungsfristen. Sein Arbeitsverhältnis wird nur durch das KSchG und den besonderen gesetzlichen Kündigungsschutz gesichert, nicht durch den besonderen tariflichen Kündigungsschutz.
Praxistipp:
Da die Arbeitsverhältnisse von AT-Angestellten nicht von den tariflichen Regelungen erfasst werden, müssen die Arbeitsbedingungen für das AT-Arbeitsverhältnis im Individualarbeitsvertrag geregelt werden. Und das auch in Fällen, in denen der AT-Angestellte Mitglied der tarifvertragschließenden Gewerkschaft ist. Die Tarifparteien haben ihn ja mit dem vereinbarten AT-Status vom persönlichen Geltungsbereich ihres Tarifvertrags ausgenommen.
Sieht der maßgebliche Tarifvertrag keinen "AT-Status" vor, kann ein Arbeitnehmer innerhalb des Tarifschemas noch so gut "übertariflich" verdienen - er bleibt, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind - in der Tarifbindung. Sein Arbeitsverhältnis hat dann keine tarifliche Sonderstellung. Das TVG-Kollektivrecht schützt ihn weiterhin.
Praxistipp:
Manchmal ist es für Arbeitgeber vorteilhafter, wenn sie ihre Mitarbeiter nicht nach strengen Tarifvorgaben behandeln und vergüten müssen. Trotzdem dürfen sie Mitarbeiter nicht mutwillig aus der Tarifbindung herausnehmen, ihnen den AT-Status "verleihen", sie zum "AT-Angestellten" "befördern" oder sie schlicht als "AT-Mitarbeiter" führen. Ob jemand rechtlich "AT" ist, entscheiden nicht die Parteien des Arbeitsvertrags. Es kommt - wie immer - auf die objektive Rechtslage an. Wer tarifgebunden ist, weil der anzuwendende Tarifvertrag keine personelle Ausnahme zulässt, kann nicht einfach vom Arbeitgeber zum "AT"-Mitarbeiter gemacht werden.
Soweit ein Tarifvetrag bestimmte Arbeitnehmer aus seinem persönlichen Geltungsbereich herausnimmt, gilt die tarifliche Arbeitszeit nicht für AT-Angestellte. Das ArbZG erfasst dagegen auch die so genannten AT-Mitarbeiter. § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG nimmt bloß leitende Angestellte i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG aus dem ArbZG-Anwendungsbereich heraus (BAG, 24.05.2012 - 2 AZR 124/11 - mit Hinweis auf BAG, 06.05.2003 - 1 ABR 13/02). Die tarifliche Arbeitszeit gilt für AT-Angestellte nur, wenn sie zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart ist (BAG, 21.06.2000 - 4 AZR 793/98 - mit Hinweis auf BAG, 09.12.1987 - 4 AZR 584/87).
Beispiel:
Der Branchentarifvertrag sieht eine wöchentliche Arbeitszeit von 37,5 Stunden vor. § 1 des Tarifvertrags bestimmt, dass Arbeitnehmer, die ein monatliches Arbeitsentgelt bekommen, das mindestens 25 Prozent über dem Entgelt der höchsten Vergütungsgruppe liegt, nicht in den persönlichen Anwendungsbereich des Tarifvertrags fallen. Mitarbeiter M ist in diesem Sinn AT-Angestellter. Arbeitgeber A ist nicht verpflichtet, M's Wochenarbeitszeit auf die tariflichen 37,5 Stunden zu beschränken. M darf die nach dem ArbZG zulässigen 48 Wochenstunden arbeiten. Erst dann, wenn A und M die tarifvertragliche Arbeitszeit als die für ihren Arbeitsvertrag maßgebliche vereinbaren, beträgt auch M's Wochenarbeitszeit (nur) 37,5 Stunden.
Praxistipp:
§ 5 Abs. 3 und 4 BetrVG legt für das Betriebsverfassungsrecht fest, wer "leitender Angestellter" ist. Leitende Angestellte i.S.d. § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG muss nicht zwingend ein AT-Angestellter sein. Umgekehrt führt der Status leitender Angestellter nicht automatisch dazu, dass dieser Arbeitnehmer gleich ein AT-Angestellter ist. Auch bei leitenden Angestellten kommt es darauf an, wie die Tarifvertragsparteien den persönlichen Anwendungs-/Geltungsbereich ihres Tarifvertrags festlegen.
Wenn AT-Angestellte keine leitenden Angestellten i.S.d. BetrVG sind, werden ihre Arbeitsverhältnisse auch von den BetrVG-Regelungen erfasst. Der Betriebsrat muss einer personellen Maßnahme nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVGzustimmen und auch vor der Kündigung eines AT-Angestellten angehört werden (§ 102 BetrVG).
Der AT-Status ist übrigens nichts für die Ewigkeit. AT-Angestellte können ihre Stellung auch wieder verlieren. Zum Beispiel, wenn Gehaltserhöhungen ausbleiben und die AT-Vergütung in der Folgezeit unter den Mindestabstand sinkt. Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine AT-Stellung fest vereinbart, wird man aus dieser Vereinbarung den Anspruch des AT-Angestellten gegen seinen Arbeitgeber herleiten können, den Mindestabstand wieder herzustellen.
4. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema Tarifvertrag und AT-Bereich in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet vorgestellt.
4.1 Arbeitszeit/Arbeitsleistung
Der Arbeitnehmer schuldet keine einzelnen Tätigkeiten und auch kein bestimmtes Arbeitsergebnis. Das wesentliche Maß für die Arbeitsleistung ist die Zeit, nicht der Erfolg. Das ist bei außertariflichen Angestellten nicht anders. Auch sie sind nicht davon befreit, "ihre Arbeitsleistung 'in der Zeit' zu erbringen." Selbst vereinbarte Ziele können nur über die Zeit erreicht werden. Geht es um die Feststellung einer betriebsüblichen Arbeitszeit, ist das "die in dem jeweiligen Betrieb von Vollzeitkräften regelmäßig geleistete Arbeitszeit" (s. dazu BAG, 24.04.2007 - 1 ABR 47/06). Bei tarifgebundenen Arbeitgebern ist regelmäßig die tarifvertraglich vereinbarte Arbeitszeit betriebsüblich. Ist die tarifliche Arbeitszeit betriebsüblich, gilt sie deshalb "auch für außertarifliche Angestellte, mit denen eine andere Arbeitszeit nicht vereinbart ist" (BAG, 15.05.2013 - 10 AZR 325/12).
4.2 AT-Bereich nicht tarifierbar
Tarifliche Inhaltsnormen setzen kollektiv allgemeine und gleiche Mindestarbeitsbedingungen fest. Ein Tarifvertrag ist jedoch nicht dazu vorgesehen, von Arbeitgebern mit ihren Arbeitnehmern vereinbarte günstigere Arbeitsbedingungen einzuschränken. § 4 Abs. 3 TVG steht zum Günstigkeitsprinzip. So scheidet beispielsweise die Möglichkeit aus, dass Tarifvertragsparteien via § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG eine über- oder außertarifliche Vergütung absenken. Die Sozialpartner können dem Arbeitgeber keine Vorgaben für den außertariflichen Bereich machen (s. dazu BAG, 23.03.2011 - 4 AZR 366/09). Der AT-Bereich ist nicht tarifierbar (BAG, 27.04.2016 - 5 AZR 229/15 - mit Hinweis auf BAG, 26.08.2009 - 4 AZR 294/08).
4.3 Betriebliche Übung
Ein AT-Angestellter muss vom Grundsatz her davon ausgehen, dass sein Arbeitgeber auch zukünftig frei über die Höhe seines Entgelts entscheiden will. Das ist Ausdruck der Besonderheit dieses vom Tarifvertrag gelösten AT-Arbeitsverhältnisses (s. dazu BAG, 25.04.2018 - 5 AZR 85/17). Auch wenn der Arbeitgeber die AT-Gehälter des Öfteren erhöht hat, kann daraus nicht gleich auf eine entsprechende betriebliche Übung geschlossen werden. "Allein hieraus dürfen jedoch die Arbeitnehmer mangels abweichender konkreter Anhaltspunkte nicht schließen, der Arbeitgeber habe sich verpflichten wollen, auch in Zukunft stets dieselben Bemessungsfaktoren beizubehalten, also die Gehälter stets in gleicher Weise wie bisher zu erhöhen, und sich dadurch der Möglichkeit begeben wollen, veränderten Umständen in freier Entscheidung Rechnung zu tragen" (BAG, 27.02.2019 - 5 AZR 354/18 - mit Hinweis auf BAG, 04.09.1985 - 7 AZR 262/83; BAG, 03.11.2004 - 5 AZR 73/04 - und BAG, 11.12.1991 - 5 AZR 94/91).
4.4 Einräumung einer AT-Stellung
Schreibt ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter an, weil er dessen Beschäftigung ab einem bestimmten Zeitpunkt auf eine neue Grundlage stellen möchte, und verwendet er dabei den Satz "Ab diesem Zeitpunkt nehmen wir Sie in den Kreis unserer Außertariflichen Führungskräfte auf.", ist das eine konstitutive Ernennung zum AT-Angestellten. Die konstitutive Ernennung zum außertariflichen Angestellten umfasst bei einer beidseitigen Tarufgebundenheit unter anderem die arbeitsvertragliche Zusicherung, den AT-Status durch "Zahlung einer der Tarifentwicklung und ggf. einer tarifvertraglichen Abstandsklausel entsprechenden außertariflichen Vergütung zu erhalten" (s. dazu BAG, 19.05.2009 - 9 AZR 505/08). Sind Arbeitgebner und Arbeitnehmer organisiert, darf eine für den Arbeitnehmer vom Tarifvertrag abweichende nachteilige Regelung wegen § 4 Abs. 3 TVG nur vereinbart werden, wenn der Tarifvertrag nicht mehr anzuwenden ist.
In dem hier vorgestellten Fall enthielt der maßgebliche Manteltarifvertrag u.a. die Regelung: "Nicht als Arbeitnehmer im Sinne dieses Vertrages gelten: (...) sonstige Arbeitnehmer, denen auf außertariflicher Grundlage ein garantiertes monatliches Entgelt zugesagt worden ist, das den Tarifsatz der Entgeltgruppe 12 (Stufe B) um 30,5 v.H. übersteigt, oder denen auf außertariflicher Grundlage ein garantiertes Jahreseinkommen zugesagt worden ist, das den zwölffachen Tarifsatz der Entgeltgruppe 12 (Stufe B) um 35 v.H. übersteigt." Der Tarifvertrag sieht hier eine so genannte Abstandsklausel vor, die seinen persönlichen Geltungsbereich davon abhängig macht, dass AT-Arbeitnehmer eines wesentlich höhere Vergütung als vom Tarifvertrag erfasste Mitarbeiter bekommen. Sie soll gewährleisten, dass ein künftiger AT-Angestellte bereits zu Beginn seines geänderten Status weiß, ob der mit der AT-Stellung eintretende Verlust seiner tariflichen Rechte angemessen kompensiert wird. "Das ist nur der Fall, wenn die Einhaltung des tariflichen Mindestabstands vorab - wie vorliegend durch eine konstitutive Ernennung - auf außertariflicher Grundlage festgelegt wird" (BAG, 03.09.2014 - 5 AZR 240/13 - mit Hinweis auf BAG, 19.05.2009 - 9 AZR 505/08).
4.5 Einsichtsrecht des Betriebsrats
§ 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG gibt dem Arbeitgeber auf, seinem Betriebsrat "auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG fügt an, dass im Rahmen des § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG auch ein Betriebsausschuss oder ein nach § 28 BetrVG gebildeter Ausschuss berechtigt ist, "in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen." Das Einsichtsrecht nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG "umfasst alle Lohn- und Gehaltsbestandteile tariflicher wie außertariflicher Art, unabhängig davon, ob es sich um einmalige oder wiederkehrende Leistungen des Arbeitgebers handelt und unabhängig davon, ob sie kollektivrechtlich oder einzelvertraglich vereinbart sind." Der gesetzlichen Regelung lässt sich nicht entnehmen, "dass bestimmte Lohnbestandteile generell vom Einsichtsrecht des Betriebsrats ausgenommen sind" (BAG, 14.01.2014 - 1 ABR 54/12 - mit Hinweis auf BAG, 10.02.1987 - 1 ABR 43/84).
4.6 Entlohnungsgrundsätze
Auch wenn die Tarifpartner den Arbeitgebern für den AT-Bereich keine Vorgaben machen können, müssen Arbeitgeber für den AT-Bereich die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG beachten. So dürfen Arbeitgeber beispielsweise wegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auch für AT-Mitarbeiter keine Entlohnungsgrundsätze festlegen, zu denen der Betriebsrat nicht vorher seine Zustimmung gegeben hat. Für größer aufgestellte Unternehmen gilt hier: "Der GBR ist nach § 50 I BetrVG zuständig für den Abschluss einer GBV zur Regelung der Entlohnungsgrundsätze für AT-Angestellte, wenn ein mit allen - nach Struktur und Aufgabe gleichartigen - Betrieben an denselben Mantel- und Entgelttarifvertrag gebundenes Unternehmen AT-Angestellte unternehmenseinheitlich nach einer an die Tarifverträge anknüpfenden Vergütungsstruktur behandeln will" (LAG Niedersachsen, 31.08.2020 – 1 TaBV 102/19 – Leitsatz).
4.7 Festlegung des AT-Vergütungsvolumens
"Der tarifgebundene Arbeitgeber kann wie ein tarifungebundener für AT-Angestellte, die nicht in den Geltungsbereich eines Tarifvertrags fallen, kollektivrechtlich das gesamte Volumen der von ihm für deren Vergütung bereitgestellten Mittel mitbestimmungsfrei festlegen und für die Zukunft ändern. Mangels Tarifbindung leistet er in diesem Fall sämtliche Vergütungsbestandteile freiwillig, d.h. ohne hierzu normativ verpflichtet zu sein" (s. dazu auch BAG, 26.08.2008 - 1 AZR 354/07). "Dementsprechend kann er den Dotierungsrahmen mitbestimmungsfrei vorgeben, bedarf aber für die Ausgestaltung, also den Verteilungs- und Leistungsplan nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats. Daher ist auch die Entscheidung, ob die Gehälter der AT-Angestellten erhöht werden sollen, mitbestimmungsfrei. Will ein solcher Arbeitgeber allerdings freiwillig eine normative Verpflichtung zur Gehaltserhöhung eingehen, kann dies in einer Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG geschehen. Die Übernahme einer derartigen, gesetzlich nicht geboten und in der Praxis ungewöhnlichen Verpflichtung muss aber in der Betriebsvereinbarung deutlich zum Ausdruck kommen" (BAG, 18.10.2011 - 1 AZR 376/10 - mit Hinweis auf BAG, 21.01.2003 - 1 ABR 5/02).
4.8 Sinn und Zweck von AT-Verträgen
Die Entscheidungen des 5. BAG-Senats zur konstitutiven Ernennung zum außertariflichen Angestellten (s. dazu BAG, 03.09.2014 - 5 AZR 1020/12 - und BAG, 03.09.2014 - 5 AZR 240/13) beruhen nicht auf der Tatsache beiderseitiger Tarifgebundenheit, sondern auf der Auslegung der zu beurteilenden Arbeitsverträge. AT-Mitarbeiter sind regelmäßig Arbeitnehmer, deren Vergütung gerade nicht durch Tarifvertrag geregelt wird. Ihre Tätigkeit ist höher zu bewerten als die Tätigkeit in der obersten Tarifgruppe. AT-Mitarbeiter beziehen eine über die höchste Tarifvergütung hinaus gehende. "Sinn und Zweck eines AT-Vertrags besteht gerade darin, das Arbeitsverhältnis auf eine vom Tarifvertrag losgelöste Grundlage zu stellen" (s. dazu BAG, 21.06.2000 - 4 AZR 793/98). AT-Angestellte sind Angestellte, "die nicht mehr unter den persönlichen Geltungsbereich des einschlägigen Tarifvertrags fallen" (BAG, 25.04.2018 - 5 AZR 84/17).
4.9 Tarifliche Einigungsstelle
§ 30 Abs. 1 des Gemeinsamen Manteltarifvertrags für die Beschäftigten in der niedersächsischen Metallindustrie vom 17. Oktober 1994 idF vom 23. November 2006 (MTV) sieht vor, dass im Fall der Nichteinigung zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung die tarifliche Schlichtungsstelle an die Stelle der Einigungsstelle nach § 76 BetrVG tritt. Auch wenn die zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu regelnde Angelegenheit ausschließlich AT-Angestellte betrifft: "Die Herausnahme der AT-Angestellten aus dem persönlichen Geltungsbereich des MTV durch § 1 Abs. 3 Buchst. b MTV gilt nicht für die Zuständigkeit der tariflichen Schlichtungsstelle. Diese Bestimmung betrifft allein die Inhaltsnormen des Tarifvertrags. § 30 Abs. 1 Satz 1 MTV regelt demgegenüber eine betriebsverfassungsrechtliche Frage i.S.d. § 3 Abs. 2 TVG. Dafür ist lediglich die hier gegebene Tarifbindung des Arbeitgebers erforderlich" (BAG, 14.09.2010 - 1 ABR 30/09).
4.10 Versetzung - Mitbestimmung
§ 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sieht u.a. vor, dass der Arbeitgeber in einem Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Mitarbeitern seinen Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten und dessen Zustimmung zu der von ihm geplanten Maßnahme einzuholen hat. Das Gesetz stellt nicht darauf ab, ob die personelle Maßnahme einen tarifgebunden Arbeitnehmer oder einen AT-Angestellten betrifft. Daher: "Der Betriebsrat hat nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein Mitbeurteilungsrecht bei der Frage, ob ein bislang außertariflich vergüteter Angestellter nach einer Versetzung weiterhin außertariflich eingruppiert ist oder nunmehr unter eine tarifliche Vergütungsordnung fällt" (BAG, 12.12.2006 - 1 ABR 13/06 - Leitsatz).