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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Politische Betätigung - Rechtsfolgen bei Verstoß
Politische Betätigung - Rechtsfolgen bei Verstoß
Inhaltsübersicht
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1. Rechtsfolgen bei Verstoß gegen das Verbot parteipolitischer Betätigung
Arbeitgeber und Betriebsrat, einzelne Betriebsratsmitglieder und die Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie deren Mitglieder haben gem. § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG die Pflicht, eine parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen.
2. Rechtsfolgen im Betrieb (Privatwirtschaft)
Dieser Unterlassungspflicht entspricht ein Unterlassungsanspruch, der jedoch nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 17.3.2010 - 7 ABR 95/08)nicht dem Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat zusteht, sondern nur dem Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber. Dies hat das BAG auch für den Fall eines Verstoßes des Betriebsrats oder eines seiner Mitglieder gegen das Arbeitskampfverbot bestätigt (BAG v. 15.10.2013 - 1 ABR 31/12).
2.1 Rechtsfolgen für Betriebsrat
Der Arbeitgeber hat also nach dieser Rechtsprechung des BAG v. 17.3.2010 - 7 ABR 95/08 - keinen gerichtlich durchsetzbaren Unterlassungsanspruch, dahingehend dass der Betriebsrat eine parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen hat.
Dagegen kann der Arbeitgeber im Fall einer groben Verletzung der betriebsverfassungsrechtliche Pflichten des Betriebsrats gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG beim Arbeitsgericht im Beschlussverfahren beantragen, dass der Betriebsrat aufgelöst wird (BAG v. 17.3.2010 - 7 ABR 95/08). Dies gilt auch für eine Jugend- und Auszubildendenvertretung.
Gem. § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG können mindestens ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, der Arbeitgeber oder im Betrieb vertretene Gewerkschaft beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Die Pflichtverletzung muss jedoch objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend sein. Soll der Betriebsrat vollständig aufgelöst werden, muss die weitere Amtsausübung untragbar sein.
Wegen der Bedeutung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Meinungsfreiheit sind also an die Voraussetzungen des Vorliegens eines groben Verstoßes gem. § 23 Abs. 1 BetrVG strenge Anforderungen zu stellen (BVerfG v. 28.4.1976 - 1 BvR 71/73: BAG v. 21.2.1978 - 1 ABR 54/76).
Beispiel:
Ein langjähriges Betriebsratsmitglied verteilt einmalig vor der Wahl Handzettel mit einem sachlich gehaltenen Wahlaufruf, in dem alle Arbeitnehmer der Metallindustrie aufgerufen werden zur Wahl zu gehen und der zu keiner Unruhe im Betrieb geführt hat. Sein Ausschluss aus dem Betriebsrat verletzt dessen Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG (BVerfG v. 28.4.1976 - 1 BvR 71/73).
Im Falle weniger schwerwiegender Verstößen kann der Arbeitgeber vom Arbeitsgericht die Unzulässigkeit der parteipolitischen Betätigung des Betriebsrats gem. § 256 ZPO feststellen lassen (BAG v. 17.3.2010 - 7 ABR 95/08). Wenn das Arbeitsgericht eine solche Feststellung trifft, kann dies Bedeutung haben für einen späteren Auflösungsantrag, um dann einen groben Verstoß anzunehmen.
Es kann auch ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gem. § 85 Abs. 2 ArbGG, § 940 ZPO gestellt werden, wenn durch Zeitablauf bis zur Entscheidung in der Hauptsache schwere und unzumutbare Nachteile entstünden oder ein Recht unterzugehen drohte.
Beispiel:
Betriebsratsmitglieder wollen vor einer Wahl im Betrieb Wahlaufrufe für eine bestimmte Partei verteilen. Dies kann nur durch eine einstweilige Verfügung verhindert werden, da ein Hauptverfahren vor dem Arbeitsgericht erst ein halbes Jahr später und nach der Wahl stattfinden würde.
2.2 Rechtsfolgen für Arbeitgeber
Wenn der Arbeitgeber gegen das Verbot parteipolitischer Betätigung im Betrieb verstößt, können gem. § 23 Abs. 3 BetrVG der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft bei groben Verstößen beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben die parteipolitische Betätigung zu unterlassen.
Es kann auch ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gem. § 85 Abs. 2 ArbGG, § 940 ZPO gestellt werden, wenn durch Zeitablauf bis zur Entscheidung in der Hauptsache schwere und unzumutbare Nachteile entstünden oder ein Recht unterzugehen drohte.
Beispiel:
Der Arbeitgeber will vor einer Wahl im Betrieb seinen Parteifreund, einen Landtagsabgeordneten, zu den Beschäftigten sprechen lassen, auch zu parteipolitischen Themen. Dies kann nur durch eine einstweilige Verfügung rechtzeitig vor dem Auftritt im Betrieb verhindert werden, da ein Hauptsacheverfahren vor dem Arbeitsgericht in der Regel erst ein halbes Jahr später stattfinden würde.
2.3 Rechtsfolgen für einzelne Betriebsratsmitglieder
Auch kann der Arbeitgeber im Fall einer groben Verletzung der betriebsverfassungsrechtliche Pflichten eines Betriebsratsmitglieds oder eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG beim Arbeitsgericht im Beschlussverfahren beantragen, dass das Betriebsratsratsmitglied seines Amtes enthoben wird.
Wenn ein Betriebsratsmitglied oder ein Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung nicht nur durch eine parteipolitische Betätigung im Betrieb seine Amtspflicht verletzt, sondern darüber hinaus auch seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis oder den Betriebsfrieden stört, kann auch eine Abmahnung oder eine außerordentliche Kündigung erfolgen. Dabei ist zu beachten, dass eine außerordentliche Kündigung nur mit Zustimmung des Betriebsrats ausgesprochen werden kann oder wenn die nicht erteilte Zustimmung durch Beschluss des Arbeitsgerichts ersetzt worden ist (§ 103 BetrVG).
2.4 Unterbindung parteipolitischer Themen auf der Betriebsversammlung
Der Vorsitzende des Betriebsrats hat sicherzustellen, dass parteipolitische Themen für eine Betriebsversammlung (§ 42, 45 BetrVG) nicht auf die Tagungsordnung gesetzt werden und während der Betriebsversammlung auch nicht behandelt werden.
Geschieht dies dennoch kann er von seinem Hausrecht Gebrauch machen.
Der Versammlungsleiter einer Betriebs- oder Abteilungsversammlung muss die Behandlung unzulässiger - parteipolitischer - Themen unterbinden und darf schon gar nicht eine Diskussion solcher Themen anregen. Verstößt er dagegen kann dies eine grobe Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten gem. § 23 Abs. 1 BetrVG darstellen (BAG v. 4.5.1955 - ABR 4/53). Dies gilt auch für auch für andere Betriebsratsmitglieder, die an der Versammlung teilnehmen.
Eine Betriebsversammlung kann sogar den Charakter einer Betriebsversammlung verlieren, wenn die Behandlung unzulässiger - parteipolitischer - Themen überwiegt. Bei groben Pflichtverstößen fällt das Hausrecht an den Arbeitgeber zurück (Fitting, BetrVG Kommentar, 28. A. 2016, § 45 Rn. 29, 30 m.w.N.).
3. Rechtsfolgen in der Dienststelle (Öffentlicher Dienst)
Bei Streitigkeiten aus einem dem Bediensteten zustehenden Anspruch, hier dem Recht auf freie Meinungsäußerung in der Dienststelle, kann der Bedienstete als Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht und als Beamter vor dem Verwaltungsgericht seine Ansprüche einklagen.
Daneben kann er aber auch sich über den Personalrat bei dem Leiter der Dienststelle beschweren.
Bei Verletzung von Diskriminierungsverboten (z. B. aus § 67 Abs. 1 Satz 1 und 2 BPersVG und gleichlautenden Paragraphen in Landespersonalvertretungsgesetzen) hat der einzelne Bedienstete gerichtlich durchsetzbare Ansprüche gegenüber dem Dienstherrn auf Unterlassung, Verpflichtung zur Gleichbehandlung oder auf Entschädigung bzw. Schadensersatz (vgl. z. B. § 15 AGG).
Die grobe Verletzung von Verpflichtungen durch den Personalrat oder einzelne seiner Mitglieder auf Behandlung nach Recht und Billigkeit und Gleichbehandlung (z.B. aus § 67 Abs. 1 Satz 1 und 2 BPersVG und gleichlautenden Paragraphen in Landespersonalvertretungsgesetzen), wegen des Verbots parteipolitischer Betätigung (z.B. in § 67 Abs. 1 Satz 3 BPersVG und gleichlautenden Paragraphen in Landespersonalvertretungsgesetzen) oder wegen der Wahrung der Vereinigungsfreiheit (z. B. in § 67 Abs. 3 BPersVG und gleichlautenden Paragraphen in Landespersonalvertretungsgesetzen) kann eine Auflösung des Personalrats oder die Abberufung oder den Ausschluss aus dem Personalrat (z.B. gem. § 28 Abs. 1 BPersVG und gleichlautenden Paragraphen in Landespersonalvertretungsgesetzen) rechtfertigen.
Siehe auch
Politische Betätigung - Allgemeines
Politische Betätigung - Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst
Politische Betätigung - Ausländer
Politische Betätigung - Behandlung betriebsbezogener, politischer Angelegenheiten
Politische Betätigung - Friedenspflicht für Arbeitgeber und Betriebsrat
Politische Betätigung - Gewerkschaftliche Betätigung im Betrieb
Politische Betätigung - Parteipolitische Betätigung im Betrieb
Politische Betätigung - Rechtsfolgen bei Verstoß
Politische Betätigung - Rechtsprechungsübersicht
Politische Betätigung - Schutznormen zugunsten der Arbeitnehmer