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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Arbeitsverweigerung
Arbeitsverweigerung
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.Rechtmäßige Nichtleistung
- 3.1
- 3.2
- 3.3
- 3.4
- 3.5
- 3.6
- 3.7
- 3.8
- 3.9
- 3.10
- 3.11
- 3.12
- 3.13
- 3.14
- 3.15
- 4.
- 5.
Information
1. Allgemeines
Arbeitsverweigerung ist eine schwere Leistungsstörung im Arbeitsverhältnis, die zur Kündigung berechtigen und Anspruch auf Schadensersatz auslösen kann. Doch nicht jede Abwesenheit vom Arbeitsplatz kann bereits als Arbeitsverweigerung qualifiziert werden und nicht immer stellt sie einen Kündigungsgrund dar. Objektiv ist Arbeitsverweigerung die bewusste, vom Arbeitnehmer willentlich gesteuerte Nichtleistung der Arbeit (BAG, 10.11.1993 – 7 AZR 682/92). Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer zwar anwesend ist, aber die vertragliche Arbeitsleistung nicht erbringt. Lesen Sie, was in diesem Zusammenhang wichtig ist.
2. Arbeitspflicht des Arbeitnehmers
Der Arbeitsvertrag verpflichtet den Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung (§ 611a Abs. 1 S. 1 BGB). Den Inhalt der Arbeitsleistung und die näheren Umstände kann der Arbeitgeber im Rahmen des Weisungsrechts festlegen; dabei sind die im Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung festgelegten Grenzen zu beachten. Erfüllt der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht nicht, wird die Leistung dadurch in der Regel unmöglich - bei fortdauernder Weigerung kann sie in der Regel nicht nachgeholt werden. Dies bewirkt, dass der Mitarbeiter von der Arbeitsleistung befreit wird - aber auch seinen Entgeltanspruch verliert (§ 326 Abs. 1 BGB). Ggf. wird auch eine vereinbarte Vertragsstrafe fällig. Darüber hinaus kann eine beharrliche Verweigerung der Arbeitsleistung eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung sozial rechtfertigen (LAG Berlin-Brandenburg, 23.03.2017 - 5 Sa 1843/16), wenn eine dauerhafte störungsfreie Erfüllung der Haupt- und Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht zu erwarten ist (LAG Nürnberg, 01.06.2021 - 7 Sa 473/20).
Die Rechtsprechung des BAG geht noch darüber hinaus und lässt auch eine außerordentliche Kündigung zu (BAG, 28.06.2018 - 2 AZR 436/17): Die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen, ist "an sich" geeignet, selbst eine außerordentliche, d.h. fristlose Kündigung zu rechtfertigen (LAG Rheinland-Pfalz, 04.12.2019 – 7 Sa 109/19; LAG Rheinland-Pfalz, 31.08.2020 – 3 Sa 56/20; LAG Rheinland-Pfalz, 14.07.2021 – 7 Sa 148/20 u. LAG Mecklenburg-Vorpommern, 23.11.2021 – 5 Sa 88/21). Das gilt nicht nur für die Weigerung, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (BAG, 14.12.2017 – 2 AZR 86/17), sondern auch für die Verletzung von Nebenpflichten (BAG, 19.01.2016 – 2 AZR 449/15). Ein Arbeitnehmer weigert sich beharrlich, seinen vertraglichen Pflichten nachzukommen, wenn er sie bewusst und nachhaltig nicht erfüllen will (BAG, 28.06.2018 - 2 AZR 436/17 u. BAG, 23.08.2018 – 2 AZR 235/18). Das Merkmal der Beharrlichkeit ist nur dann gegeben, wenn eine Nachhaltigkeit im Willen des Arbeitnehmers festgestellt werden kann, den sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Pflichten nicht nachzukommen. Eine solche Nachhaltigkeit kann dabei sowohl dann angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer wiederholt nach entsprechender Abmahnung seiner Pflicht zur Arbeitsleistung aus dem Arbeitsvertrag nicht nachkommt, als auch dann, wenn er eine einmalige Vertragsverletzung begeht, hierbei aber der nachhaltige Wille zum Ausdruck kommt, seinen Pflichten nicht nachkommen zu wollen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 27.07.2021 - 2 Sa 25/21). Letzteres ist insbesondere der Fall, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber vor die Alternative gestellt worden ist, entweder die Tätigkeit zu verrichten oder den Bestand des Arbeitsverhältnisses aufs Spiel zu setzen (BAG, 05.04.2001 - 2 AZR 580/99).
Teilweise gehen die Gerichte auch davon aus, dass zumindest bei einer einmaligen Weigerung, einen Arbeitsauftrag auszuführen, regelmäßig eine Beharrlichkeit nicht vorliegt (LAG Rheinland-Pfalz, 31.08.2020 – 3 Sa 56/20).
Welche Pflichten den Arbeitnehmer treffen, bestimmt sich nach der objektiven Rechtslage (LAG Sachsen, 31.07.2020 – 2 Sa 398/19). Verweigert er die Erfüllung einer arbeitsvertraglichen Pflicht in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als falsch erweist (st. Rspr., BAG, 22.10.2015 – 2 AZR 569/14 u. BAG, 23.08.2018 – 2 AZR 235/18).
Der eigenmächtige, weisungswidrige Antritt einer Pause kann unter dem Gesichtspunkt der beharrlichen Arbeitsverweigerung gegebenenfalls eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Legt der Arbeitnehmer eigenmächtig eine Pause ein, weil er in der vorgesehenen Pausenzeit durcharbeiten musste, liegt im Regelfall keine beharrliche Arbeitsverweigerung vor (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 06.11.2018 – 2 Sa 225/17).
Keine Rechtfertigung für eine Arbeitsverweigerung sind erhöhte Temperaturen am Arbeitsplatz (siehe Hitzewellen in den vergangenen Sommern). Andererseits ist der Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher Vorgaben und seiner Fürsorgepflicht verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, die zumutbare Temperaturen am Arbeitsplatz sicherstellen (z.B. durch Kühlgeräte oder ausreichende Beschattung). Ggf. kann die Arbeitszeit auch auf kühlere Tageszeiten verlegt oder die Kleiderordnung gelockert werden.
In der Weigerung, Softwareanwendungen des Betriebes zu aktivieren, liegt eine Arbeitsverweigerung, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann (BAG, 17.11.2016 – 2 AZR 730/15). Eine Arbeitsverweigerung liegt auch vor, wenn ein Außendienstmitarbeiter sich weigert, in sein Dienstfahrzeug eine Box einbauen zu lassen, mit der Echtzeit-Daten wie gefahrene Kilometer, Kraftstoffverbrauch und Reisezeiten (für die Abrechnung) erfasst werden (ArbG Heilbronn, 30.01.2019 – 2 Ca 360/18). Die ausgesprochene außerordentliche Kündigung war nicht zulässig; zuvor hätte eine Abmahnung erfolgen müssen. Das Gericht führte jedoch aus, dass bei aktivierter Box Daten zum dem Fahrverhalten verarbeitet würden. Eine Nutzung sei daher im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers unzulässig. Eine Erforderlichkeit i.S.v. § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG liege nicht vor.
3. Rechtmäßige Nichtleistung
3.1 Allgemeines
Die Konsequenzen der Nichterfüllung der Arbeitspflicht richten sich danach, aus welchem Grund der Mitarbeiter seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist. Zunächst ist zu prüfen, ob § 275 Abs. 3 BGB anzuwenden ist. Danach kann der Arbeitnehmer als Schuldner der Arbeitsleistung diese verweigern, wenn sie ihm unter Abwägung des entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Arbeitgebers nicht zugemutet werden kann. Die Vorschrift ist als Einrederecht gestaltet. Der Mitarbeiter kann also von seinem Recht der Leistungsverweigerung Gebrauch machen – oder eben nicht.
Im Folgenden werden typische Fälle dargestellt, in denen eine Weigerung des Mitarbeiters, die ihm zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen, rechtlich zulässig ist. Sie beinhalten, unter welchen Umständen eine Weisung der Billigkeit i.S.d. § 106 GewO entspricht. Da in solchen Fällen ein Rechtfertigungsgrund besteht, liegt keine Arbeitsverweigerung vor. Der Mitarbeiter verliert jedoch – sofern es keine spezialgesetzliche Grundlage für den Entgeltanspruch gibt – seinen Anspruch auf Vergütung (§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB).
3.2 Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit
Mit seinem ärztlichen Attest weist der Mitarbeiter nach, dass ihm die Arbeitsleistung unmöglich ist (vgl. auch § 275 Abs. 1 BGB). Er wird damit leistungsfrei (siehe hierzu auch Entgeltfortzahlung - Verweigerungsgründe).
Ein Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 EFZG besteht nur dann, wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt darf nicht bereits aufgrund anderer Ursachen entfallen; denn der Arbeitnehmer soll den Entgeltanspruch nicht wegen seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit verlieren. Der Entgeltfortzahlungsanspruch setzt also voraus, dass der erkrankte Arbeitnehmer ohne die Arbeitsunfähigkeit einen Vergütungsanspruch gehabt hätte. Eine Arbeitsunwilligkeit des Arbeitnehmers ist als reale Ursache anzusehen, die den Anspruch auf Entgeltfortzahlung entfallen lässt. Der Arbeitnehmer, der nicht bereit ist zu arbeiten, erhält danach auch im Falle einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankung keine Vergütung. Die Darlegungs- und Beweislast für den Einwand, der Ausfall der Arbeit habe aufgrund einer anderweitigen Leistungsunmöglichkeit oder Leistungsunwilligkeit des Arbeitnehmers nicht allein auf der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit beruht, trägt grundsätzlich der Arbeitgeber (LAG Rheinland-Pfalz, 26.11.2020 - 2 Sa 40/20 m.w.N.). Der Leistungswille ist nach der Entscheidung jedoch eine innere Tatsache. Dass eine Partei eine innere Tatsache zu beweisen hat und die Führung dieses Beweises Schwierigkeiten bereitet, führt nicht zur Beweislastumkehr, sondern zur Modifizierung der Darlegungslast. Wendet der Arbeitgeber fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers ein, reicht es aus, dass er Indizien vorträgt, aus denen hierauf geschlossen werden kann. Hat der Arbeitgeber solche Indizien vorgetragen oder sind sie unstreitig, ist es Sache des Arbeitnehmers, diese Indizwirkung zu erschüttern. Trägt er dazu nichts vor, gilt die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei während des betreffenden Zeitraums leistungsunwillig gewesen, gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.
3.3 Wehrdienst
Bei freiwilligem Wehrdienst nach deutschem Recht bleibt das Arbeitsverhältnis bestehen; die Arbeitspflicht ruht jedoch (§ 16 Abs. 7 i.V.m. § 1 Abs. 1 ArbPlSchG). Türkische Arbeitnehmer, die den Wehrdienst in der Türkei antreten müssen, befinden sich in einer unverschuldeten Kollision zwischen der Arbeits- und der Wehrpflicht. Die den türkischen Arbeitnehmern bei einer Verweigerung des Wehrdienstes drohenden Nachteile sind so einschneidend, dass ihre Arbeitspflicht für die Dauer des Wehrdienstes aufgehoben wird, sofern nicht ihre Arbeitsleistung für den geordneten Betriebsablauf von erheblicher Bedeutung ist und der Arbeitgeber durch den Ausfall von vornherein in eine Zwangslage gebracht wird, die er auch durch zumutbare Überbrückungsmaßnahmen nicht beheben kann (BAG, 07.09.1983 – 7 AZR 433/82; siehe auch BAG, 30.07.1986 – 8 AZR 475/84). Aktuell besteht aber die Möglichkeit, sich gegen eine Gebühr von rd. 3.200 EUR vom türkischen Wehrdienst freizukaufen.
3.4 Verstoß gegen ein Gesetz
Beinhaltet eine Weisung des Arbeitgebers einen Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften, muss der Arbeitnehmer dieser nicht nachkommen (z.B. Arbeit trotz Überschreitung der gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeit nach § 3 ArbZG - LAG Rheinland-Pfalz, 25.05.2007 – 6 Sa 53/07). Dies gilt auch, wenn die Weisungen gegen Strafvorschriften verstoßen oder eine Ordnungswidrigkeit darstellen.
3.5 Glaubens- und Gewissensgründe
Macht der Mitarbeiter glaubhaft, dass Weisungen des Arbeitgebers gegen seinen Glauben verstoßen, stellt sich die Frage, ob er sie dennoch ausführen muss. Der Arbeitgeber darf – wie oben erläutert - nämlich sein Weisungsrecht nicht frei ausüben, sondern muss die Grundsätze des billigen Ermessens beachten (§ 106 GewO). Ob dies dem Arbeitgeber die Zuweisung der aufgrund eines Gewissenskonflikts abgelehnten Arbeit verbietet, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Für die Interessenabwägung ist grundsätzlich von Bedeutung, ob der Arbeitnehmer schon bei Vertragsabschluss damit rechnen musste, dass ihm eine derartige Tätigkeit zugewiesen werden könnte (BAG, 22.05.2003 - 2 AZR 426/02). Bei der Einrede des § 275 Abs. 3 BGB kommt es allerdings auf ein Verschulden nicht an; die Voraussehbarkeit eines Glaubens- oder Gewissenskonfliktes bei Vertragsabschluss hat nach in der Literatur vertretener Auffassung nur Indizwirkung, die das Leistungsverweigerungsrecht nicht grundsätzlich ausschließt (so ErfK, Preis, 18. Aufl. 2018, § 611a BGB, Rn. 687, Thüsing in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 9. Aufl. 2020, § 611a BGB, Rn. 552). Es kann jedoch ein Schadensersatzanspruch des Betriebes bestehen (§ 311a Abs. 2 BGB).
Daraus folgt in der Regel, dass dem Arbeitnehmer bei verfassungskonformer Auslegung und Anwendung von § 106 Satz 1 GewO regelmäßig keine Arbeit zugewiesen werden darf, die diesen in einen nachvollziehbar dargelegten, ernsthaften und unüberwindbaren Glaubenskonflikt brächte. Etwas anderes kann dann gelten, wenn entgegenstehende Grundrechte oder Verfassungsaufträge - sei es auch nur vorübergehend - ein Hintanstellen der Glaubensüberzeugungen geboten erscheinen lassen (BAG, 24.02.2011 – 2 AZR 636/09).
Wird ein Mitarbeiter muslimischen Glaubens für die Arbeit in der Getränkeabteilung eingestellt und weigert er sich dort zu arbeiten, weil seine Religion nicht nur den eigenen Konsum, sondern auch jegliche Form der Konsumförderung und Verbreitung von Alkohol verbietet, kann nach der Rechtsprechung (BAG, 24.02.2011 a.a.O.) eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein (siehe dazu auch Glaubens- und Gewissenskonflikte im Arbeitsverhältnis). Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung allerdings, dass es dem Arbeitgeber nicht ohne große Schwierigkeiten möglich ist, den Mitarbeiter anderweitig einzusetzen.
Ebenso darf der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter keine Arbeit zuweisen, die diesen in einen vermeidbaren Gewissenskonflikt bringt (BAG, 20.12.1984 - 2 AZR 436/83 - Drucker darf die Arbeit an einem Auftrag mit gewaltverherrlichendem Inhalt verweigern). Im Rahmen des billigen Ermessens nach § 315 Abs. 1 BGB, der voraussetzt, dass der Inhalt der geschuldeten Leistung noch zu konkretisieren ist, muss der Arbeitgeber einen ihm offenbarten Gewissenskonflikt des Arbeitnehmers berücksichtigen (BAG, 24.05.1989 – 2 AZR 285/88 – Entwicklung eines Medikamentes, das geeignet ist, die Wahrscheinlichkeit eines Atomkrieges zu beeinflussen).
3.6 Persönliche Unzumutbarkeit
Ist dem Arbeitnehmer die Erfüllung seiner Arbeitspflicht aufgrund von Umständen, die in seiner persönlichen Sphäre liegen, vorübergehend unzumutbar, kann er ebenfalls die Arbeit verweigern. Dazu gehören z.B. ein unaufschiebbarer Arztbesuch, die Erkrankung eines Kindes (siehe Freistellung – Erkrankung eines Kindes), das der Betreuung durch den Mitarbeiter bedarf und die schwere Erkrankung eines nahen Angehörigen. In solchen Fällen besteht ein Leistungsverweigerungsrecht aber nur, wenn der Mitarbeiter alles in seiner Macht stehende getan hat, um seine persönlichen Belange mit den Anforderungen seines Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren (BAG, 21.05.1992 – 2 AZR 10/92). Die Zwangslage muss also unverschuldet sein (siehe hierzu auch 3.13).
Ergibt sich aufgrund der Entbindung seiner Ehefrau für den Arbeitnehmer die Notwendigkeit, ein Kind zu betreuen, ist ihm die Arbeitsleistung auch unter Berücksichtigung des Leistungsinteresses des Arbeitgebers nicht zumutbar. Wird aus diesem Grund wegen eigenmächtiger Selbstbeurlaubung bzw. wegen Arbeitsverweigerung eine Kündigung ausgesprochen, ist diese sozial nicht gerechtfertigt i.S.v. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG (LAG Rheinland-Pfalz, 31.07.2019 – 2 Sa 299/18).
Ebenso ist die Arbeitsleistung unzumutbar, wenn der Mitarbeiter einer Ladung zu Gerichtsterminen oder zu Behörden nachkommen muss (BAG, 13.12.2001 – 6 AZR 30/01).
Weisungen des Arbeitgebers nach § 106 GewO müssen den Grundsätzen des billigen Ermessens (siehe auch § 315 BGB) entsprechen, also die Interessen beider Vertragsparteien angemessen berücksichtigen. Ist dies nicht der Fall, muss sie der Arbeitnehmer – auch nicht vorläufig – befolgen (BAG, 18.10.2017 – 10 AZR 330/16).
Keine Unzumutbarkeit liegt aber vor, wenn die Arbeit verweigert wird, weil objektiv nicht gerechtfertigte Befürchtungen hinsichtlich sexueller Übergriffe durch zu untersuchende Personen bestehen. Dann kann eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt sein (LAG Berlin-Brandenburg, 23.03.2017 – 5 Sa 1843/17).
3.7 Gefahr für Leib und Leben
Außerdem muss der Mitarbeiter Weisungen, durch die seine Gesundheit oder sein Leben gefährdet wird, nicht folgen (BAG, 19.02.1997 – 5 AZR 982/94 – Asbestbelastung am Arbeitsplatz; BAG, 19.05.2009 – 9 AZR 241/08 – Recht auf tabakrauchfreien Arbeitsplatz). Dabei ist entscheidend, dass ein ernsthafter, begründeter Verdacht auf eine solche Gefahr besteht; nicht ausreichend ist die rein subjektive Annahme einer Gefährdung durch den Arbeitnehmer (Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar 9. Aufl. 2020, Thüsing, § 611a BGB, Rn. 550). Eine Ausnahme gilt, wenn die vereinbarte Arbeit solche Einsätze einschließt (z.B. bei Sprengstoffexperten).
3.8 Streik
Arbeitnehmer dürfen an einem rechtmäßigen Streik teilnehmen – es liegt keine Arbeitsverweigerung vor. Rechtmäßig ist ein Streik, wenn er von einer Gewerkschaft geführt wird und er weder gegen die Friedenspflicht noch gegen die Rechtsordnung verstößt. Ein Streik kann auch zulässig sein, wenn er nicht rechtmäßig ist, aber eine Gewerkschaft dazu aufgerufen hat. Leiharbeitnehmer müssen nicht für einen Betrieb arbeiten, der bestreikt wird.
Arbeitskampfmittel beider Vertragsparteien müssen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Dies erfordert stets eine Prüfung, ob ein Mittel geeignet und erforderlich ist, um das Ziel des Arbeitskampfes zu erreichen. Es muss darüber hinaus in angemessenem Umfang eingesetzt werden (LAG Thüringen, 14.12.2021 – 1 Sa 127/20).
Auf der anderen Seite dürfen Arbeitgeber während eines Streiks erhebliche Sonderzahlungen für Arbeitnehmer versprechen, die sich am Streik nicht beteiligen (BAG, 14.08.2018 – 1 AZR 287/17). Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot i.S.v. § 612a BGB liegt nicht vor, wenn die Prämie während des Streiks allen arbeitenden Mitarbeitern zugesagt wird (BAG, 13.07.1993 – 1 AZR 676/92). Anders zu beurteilen sind jedoch Zahlungen, die nach dem Streik eingeräumt werden, weil sie nicht mehr als Arbeitskampfmittel eingestuft werden können. In der Zusage der Prämienzahlung an alle arbeitswilligen Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber liegt zwar eine Ungleichbehandlung der streikenden und der nicht streikenden Beschäftigten. Diese ist aber aus arbeitskampfrechtlichen Gründen gerechtfertigt (BAG, 14.08.2018 a.a.O.).
Ein wilder Streik ist immer rechtswidrig – es liegt ein Fall der Arbeitsverweigerung vor. Nach der Rechtsprechung kann allerdings eine Gewerkschaft einen solchen Streik nachträglich übernehmen und ihn damit rechtfertigen. Die Teilnahme an einem wilden Streik ist ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB, wenn die Teilnehmer mehrfach erfolglos aufgefordert wurden, ihre Arbeit wieder aufzunehmen (ArbG Berlin, 06.04.2022 – 20 Ca 10257/21; 20 Ca 10258/21 u. 20 Ca 10259/21). Die Mitarbeiter eines Fahrradkurierdienstes hatten den Streik organisiert, um eine pünktliche Bezahlung und die Ausstattung mit Regenkleidung zu erreichen. Bei einem der drei Arbeitsverhältnisse konnte die Arbeitsverweigerung nicht hinreichend festgestellt werden. Es wurde im Hinblick auf die Probezeit mit einer Zwei-Wochen-Frist beendet.
Der Abschluss einer Notdienstvereinbarung ist keine konstitutive Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Durchführung von Streiks durch Mitarbeiter eines Krankenhauses. Das Ausbleiben des Abschlusses einer Notdienstvereinbarung führt nicht dazu, dass die gerichtliche Untersagung des Arbeitskampfes beansprucht werden kann (LAG Berlin-Brandenburg, 20.10.2021 - 12 Ta 1310/21). Daher ist der Streik rechtmäßig. Das Gericht kann jedoch die Vertragsparteien verpflichten, eine Notdienstvereinbarung abzuschließen.
Ein Streik aus politischen Gründen ist rechtswidrig. Er kann vom Arbeitgeber durch Abmahnung oder auch durch Kündigung sanktioniert werden. Besonders brisant ist dieses Thema, weil teilweise auch Arbeitnehmer an den Klimastreiks teilnehmen. Dabei geht es eindeutig um politische Ziele. Wer an diesen Demonstrationen teilnehme möchte, ist gut beraten, dafür entweder Freizeit zu nehmen oder zumindest das Einverständnis des Arbeitgebers zu suchen und dabei auch den Ausgleich der ausgefallenen Arbeitszeit zu klären.
3.9 Minderleistung / Nichtleistung
Der Mitarbeiter hat die ihm übertragenen Aufgaben unter angemessener Anspannung seiner Kräfte und Fähigkeiten in der geschuldeten Qualität zu erbringen. Tut er dies nicht oder hält er absichtlich mit seiner Arbeitsleistung zurück, liegt grundsätzlich eine Arbeitsverweigerung vor. Da aber das Leistungsvermögen von Menschen von Natur aus unterschiedlich ist, kann es Probleme mit der Beweisführung geben. Der Arbeitgeber muss im Streitfall darlegen können, dass bei dem Arbeitnehmer eine die Durchschnittsleistung erheblich unterschreitende Leistung vorliegt und dass dadurch eine Pflichtverletzung besteht (ArbG Siegburg, 25.08.2017 – 3 Ca 1305/17). Ggf. müssen die Arbeitsergebnisse vergleichbarer Arbeitnehmer herangezogen werden. Ebenfalls liegt eine Arbeitsverweigerung vor bei einem Streit über künftig fällig werdende Lohnzahlungen; insofern hat der Mitarbeiter kein Zurückbehaltungsrecht (LAG Schleswig-Holstein, 17.10.2013 – 5 Sa 111/13).
Verletzt der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht, indem er eingehende Post pflichtwidrig nicht an die zuständige Mitarbeiterin weiterleitet, sondern sie wie ein Lesezeichen in ein Fachbuch einfügt, kann dieses Verhalten allenfalls dann eine Kündigung rechtfertigen, wenn sich durch dieses Verhalten erhebliche negative betriebliche Auswirkungen ergeben (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 04.12.2018 – 2 Sa 21/18).
Dagegen ist die beiläufige und gelegentliche Erledigung privater Schreibarbeiten am Arbeitsplatz ohne eindeutige Weisungslage zu ihrem Verbot bzw. ohne Abmahnung nicht geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 04.12.2018 – a.a.O.).
Wenn ein Arbeitnehmer häufig zu spät zur Arbeit erscheint und damit seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis verletzt, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis in der Regel nur durch eine ordentliche Kündigung lösen. Eine außerordentliche Kündigung aus diesem Grunde kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn die Unpünktlichkeit des Arbeitnehmers den Grad und die Auswirkung einer beharrlichen Verletzung (Verweigerung) seiner Arbeitspflicht erreicht hat (ArbG Düsseldorf, 24.02.2022 - 10 Ca 4119/21).
3.10 Zurückbehaltungsrecht
Nach § 273 BGB kann der Schuldner seine Leistung zurückbehalten, wenn er gegen den Gläubiger aus dem gleichen Rechtsverhältnis einen fälligen Anspruch hat. Das Zurückbehaltungsrecht gilt bis zur Erfüllung dieses Anspruchs. Der Arbeitnehmer kann also eine Arbeitsleistung zurückbehalten, wenn der Arbeitgeber seinerseits mit der Vertragserfüllung im Verzug ist. Dies dürfte meist zutreffen, wenn der Betrieb mit der Lohnzahlung im Rückstand ist. Dabei dürfen jedoch geringfügige Überschreitungen von Zahlungsterminen entsprechend dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht ausreichen, um die Zurückbehaltung zu rechtfertigen.
Bleibt der Arbeitnehmer der Arbeit fern, weil er meint, ihm stünde ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der Arbeit zu, kann die damit einhergehende Arbeitsverweigerung nur dann als beharrlich angesehen werden, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer klarmacht, dass er bei fortdauernder Ausübung des vermeintlichen Zurückbehaltungsrechts das Arbeitsverhältnis kündigen werde (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 08.10.2019 - 2 Sa 123/19).
Außerdem steht dem Arbeitnehmer kein Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung aufgrund von Lohnrückständen zu, wenn er nach Beilegung eines Kündigungsrechtsstreits an der Nachberechnung der Lohnansprüche nicht mitwirkt (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 25.09.2018 - 5 Sa 210/17).
3.11 Unbillige Weisungen
Der Arbeitgeber darf sein Weisungsrecht im Rahmen des Arbeits- oder Tarifvertrages bzw. evtl. Betriebsvereinbarungen nicht frei, sondern nur nach den Grundsätzen des billigen Ermessens ausüben (§ 106 GewO). Soweit eine Weisung dem nicht entspricht, muss sie der Arbeitnehmer nicht ausführen (BAG, 14.06.2017 – 10 AZR 330/16 (A) u. BAG, 14.09.2017 – 5 AS 7/17). Entspricht die zugewiesene Arbeit den arbeitsvertraglichen Regelungen und den Grundsätzen billigen Ermessens, stellt die Verweigerung der Arbeitsleistung jedoch eine erhebliche Pflichtverletzung dar (LAG Berlin-Brandenburg, 23.03.2017 – 5 Sa 1843/16). Darin liegt eine besondere Problematik: Ob die Weisung den Grundsätzen billigen Ermessens entspricht, ist oft zunächst strittig. Verweigert der Arbeitnehmer dann die Arbeitsleistung, geht er das Risiko ein, dass sich im Nachhinein die Weisung doch als arbeitsrechtlich zulässig erweist. Dieses Risiko fällt in seine Sphäre und muss von ihm getragen werden (BAG, 28.06.2018 – 2 AZR 436/17). Stellt sich die Arbeitsverweigerung im Nachhinein als unberechtigt heraus, kann eine Abmahnung oder gar eine fristlose Kündigung des Arbeitgebers in Betracht kommen.
3.12 Urlaub
Wurde der Mitarbeiter beurlaubt, besteht keine Arbeitspflicht. Die ordnungsgemäße Urlaubsgewährung ist für den Arbeitgeber bindend, d.h. er kann den Mitarbeiter in der Regel nicht einseitig zurückrufen bzw. die Urlaubsgewährung widerrufen. Nimmt der Arbeitnehmer dagegen ohne Zustimmung des Arbeitgebers eigenmächtig Urlaub, liegt eine Arbeitsverweigerung vor (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 12.12.2018 – 3 Sa 123/18). Durch sein solches Verhalten verletzt der Arbeitnehmer in gravierender Weise seine arbeitsvertragliche Hauptpflicht zur Arbeitsleistung (LAG München, 15.04.2021 - 3 Sa 1150/20). Ein eigenmächtiger Urlaubsantritt ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden (siehe auch unter 4.2). Dies gilt auch dann, wenn der eigenmächtige Urlaubsantritt nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist einer unwirksamen Kündigung (während einer Prozessbeschäftigung) erfolgt. Einer Abmahnung bedarf es dann regelmäßig nicht (LAG Baden-Württemberg, 01.10.2020 - 17 Sa 1/20; siehe aber LAG Mecklenburg-Vorpommern, 27.07.2021 - 2 Sa 25/21).
Ein Arbeitnehmer ist auch dann grundsätzlich nicht berechtigt, sich selbst zu beurlauben oder freizustellen, wenn er möglicherweise einen Anspruch auf Erteilung von Urlaub oder eine Freistellung gehabt hätte. Ein solcher Anspruch ist im Wege des gerichtlichen Rechtsschutzes, ggf. im Wege einer einstweiligen Verfügung, durchzusetzen, nicht aber durch eigenmächtiges Handeln (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 23.11.2021 - 5 Sa 88/21).
3.13 Kinderbetreuung
3.13.1 Allgemeines, Entgeltfortzahlung
Keine Arbeitsverweigerung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer ein Kind betreuen muss, das zu jung ist, um allein zu bleiben. Die Notwendigkeit dafür ergibt sich häufig, wenn im Kindergarten oder der Schule eine Epidemie ausgebrochen ist oder kurzfristig hitzefrei gegeben wird. Hinsichtlich der präventiven Schließung von Kindergärten oder Schulen infolge des Corona-Virus wird im Hinblick auf § 616 BGB die Auffassung vertreten, dass ein Anspruch auf Freistellung und die Fortzahlung der Vergütung besteht, wenn aufgrund des Alters und des Gesundheitszustandes des Kindes eine Beaufsichtigung oder Betreuung geboten ist und eine andere Aufsichtsperson nicht zur Verfügung steht (vgl. hierzu BAG, 19.04.1978 – 5 AZR 834/76 und Krause in Henssler/Willemsen/Kalb, 9. Aufl. 2020, § 616 BGB Rn. 24). Voraussetzung für den Anspruch auf Vergütung nach § 616 BGB ist aber, dass die Verhinderung des Arbeitnehmers eine "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" andauert. Wie dieser unbestimmte Rechtsbegriff auszulegen ist, ist umstritten (siehe hierzu auch 3.14). Wichtig ist auch, dass diese verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit Voraussetzung für den Anspruch ist. Dauert die Verhinderung länger, besteht der Anspruch für die gesamte Zeit nicht. Da die Schließung über einen längeren Zeitraum andauert, besteht daher kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Er kann außerdem durch arbeits- oder tarifvertragliche Regelungen abbedungen sein.
3.13.2 Anspruch auf Kinderkrankengeld
Bei nach ärztlichem Zeugnis medizinisch notwendiger Betreuung eines Kindes besteht ein Anspruch auf Kinderkrankengeld gegenüber der Krankenkasse. Voraussetzung für den Anspruch ist, dass
der betreuende Elternteil Mitglied der Krankenkasse ist und Anspruch auf Krankengeld hat,
der Arbeitgeber nicht zur Entgeltfortzahlung (§ 616 BGB) verpflichtet ist,
das Kind noch keine zwölf Jahre alt oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist,
es im Haushalt keine andere Person gibt, die die Betreuung übernehmen kann.
Weitere Einzelheiten siehe Freistellung - Erkrankung eines Kindes.
Der Anspruch auf das Kinderkrankengeld und die Freistellung von der Arbeitsleistung besteht bis 23.09.2022 auch, soweit sich die Notwendigkeit einer häuslichen Betreuung wegen der Pandemie ergibt. Dies ist der Fall, wenn
Schulen, Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder für Menschen mit Behinderung aufgrund des IfSG vorübergehend geschlossen sind oder deren Betreten, auch aufgrund Absonderung, untersagt wurde,
Schul- oder Betriebsferien aus Gründen des Infektionsschutzes angeordnet oder verlängert wurden,
das Kind aufgrund einer behördlichen Empfehlung die Einrichtung nicht besucht,
die Präsenzpflicht an der Schule aufgehoben ist,
der Zugang zu Kinderbetreuungsangeboten eingeschränkt wurde.
Soweit diese Voraussetzungen erfüllt sind, besteht der Anspruch im Jahr 2022 je Elternteil pro Kind für 30, für Alleinerziehende für 60 Arbeitstage. Bei mehreren Kindern ist der Anspruch auf maximal 65 bzw. 130 Arbeitstage begrenzt. Dabei werden die Zeiten der notwendigen Betreuung wegen Krankheit und wegen der Pandemie zusammengerechnet. Für diese Zeit besteht gegen den Arbeitgeber ein Anspruch auf (unbezahlte) Freistellung von der Arbeitsleistung.
Der Anspruch besteht unabhängig davon, ob die geschuldete Arbeitsleistung nicht auch grundsätzlich im Homeoffice erbracht werden kann (BT-Drs. 19/25868 S. 124).
Das Krankengeld wird in Höhe von 90 Prozent des Nettoverdienstes gezahlt. Sofern in den letzten zwölf Monaten vor der Kinderbetreuung eine Einmalzahlung (wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld etc.) gezahlt wurde, beträgt die Leistung 100 Prozent des Nettoverdienstes. Sie ist jedoch auf maximal 112,88 EUR je Kalendertag begrenzt.
Von dem ermittelten Krankengeld wird noch der Arbeitnehmeranteil an den Beiträgen zur Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung abgezogen. In der Krankenversicherung besteht Beitragsfreiheit. Es fallen auch die Umlagen bei Krankheit und Mutterschaft sowie die Insolvenzgeldumlage an.
Soweit der Betrieb die Leistung der Krankenkasse aufstockt, gilt für die Beitragspflicht dieser zusätzlichen Leistung zur Sozialversicherung eine Bagatellgrenze. Die Beitragsfreiheit gilt, soweit der Zuschuss zusammen mit dem Kinderkrankengeld den Nettoverdienst nicht um mehr als 50 EUR monatlich übersteigt.
Die Leistung kann der Mitarbeiter bei seiner Krankenkasse beantragen (Formulare gibt’s im Internet). Die Krankenkasse kann einen Nachweis der Schule bzw. sonstigen Einrichtung verlangen. Dafür gibt es einen Vordruck unter https://www.bmfsfj.de/resource/blob/165074/1e80532939e8b08fb8401aac6078cc2a/20210120-musterbescheinigung-data.pdf. Für die Dauer des Anspruchs auf Kinderkrankgeld ruht der Anspruch auf Entschädigung nach § 56 Abs. 1a IfSG für beide Elternteile (siehe die folgenden Ausführungen). Der Anspruch besteht nicht, wenn der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Vergütung weiterzuzahlen (siehe oben, 3.13.1).
Das Kinderkrankengeld ist zwar steuerfrei, es unterliegt jedoch - auch bei notwendiger Betreuung infolge der Corona-Pandemie - dem Progressionsvorbehalt. Dies kann dazu führen, dass die übrigen Einkünfte höher besteuert werden.
3.13.3 Anspruch auf Entschädigung nach dem IfSG
Personen, die nicht mit Anspruch auf Krankengeld bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind, haben im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ebenfalls einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung; sie können eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz erhalten. Die Anspruchsvoraussetzungen entsprechen denen für das Kinderkrankengeld der Krankenkasse.
Anspruchsberechtigte haben gegenüber der nach Landesrecht zuständigen Behörde, auf Verlangen des Arbeitgebers auch diesem gegenüber, darzulegen, dass sie in diesem Zeitraum keine zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind sicherstellen können. Eine andere Betreuungsmöglichkeit ist z.B. gegeben, wenn ein Anspruch auf eine Notbetreuung besteht oder andere Angehörige die Betreuung übernehmen können. Risikogruppen, wie z.B. Großeltern müssen nicht herangezogen werden.
Ein Anspruch besteht nicht, soweit eine Schließung ohnehin wegen der Schulferien oder der Betriebsferien erfolgen würde. Ebenfalls schließt der Anspruch auf Kurzarbeitergeld oder auf Vergütungsfortzahlung gegen den Arbeitgeber die Entschädigung aus. Ein evtl. Zeitguthaben muss vorrangig abgebaut werden (BT-Drs. 19/18111 S. 24).
Wurde das Kind zur Vollzeitpflege in den Haushalt aufgenommen, steht der Anspruch auf Entschädigung anstelle der Sorgeberechtigten den Pflegeeltern zu.
Die Regelung gilt bis zum 23.09.2022.
Die Entschädigung beträgt 67 Prozent des Verdienstausfalls und wird für längstens zehn Wochen gewährt; für einen vollen Monat gilt ein Höchstbetrag von 2.016 EUR. Alleinerziehende erhalten die Leistung für 20 Wochen. Auch Eltern, die gesetzlich krankenversichert sind und deren Anspruch auf Kinderkrankengeld erschöpft ist, können die Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz erhalten. Das Kinderkrankengeld wird auf die Anspruchsdauer der Entschädigung angerechnet.
In allen Zweigen besteht die Sozialversicherung während des Bezuges der Entschädigungsleistung weiter. Die Beiträge werden aus 80 % des zugrunde liegenden Arbeitsentgelts berechnet. Ebenso sind auch die Umlagen bei Krankheit und Mutterschaft sowie die Insolvenzgeldumlage zu zahlen.
3.14 Begleitung im Krankenhaus
Mit Wirkung vom 01.11.2022 wurde durch Art. 7b des Gesetzes zum Erlass eines Tierarzneimittelgesetzes und zur Anpassung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 27.09.2021 (BGBl. I Nr. 70 S. 4530) ein Anspruch auf Krankengeld bei Mitaufnahme im Krankenhaus eingeführt. Siehe dazu § 44b SGB V n.F.). Voraussetzung ist, dass die Begleitung des Versicherten aus medizinischen Gründen erforderlich ist und dieser
behindert i.S.v. § 2 Abs. 1 SGB IX ist und
Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des SGB IX, nach § 35a SGB VIII oder § 27d Abs. 1 Nr. 3 BVG bezieht.
Die Begleitperson muss entweder ein naher Angehöriger oder eine Person aus dem engsten persönlichen Umfeld sein. Die Begleitung darf nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe gegen Vergütung erbracht werden, da in diesem Fall der jeweilige Träger zuständig ist. Eine medizinische Notwendigkeit zur Mitaufnahme ist anzunehmen, wenn das Erreichen des Behandlungsziels von der Anwesenheit der Begleitperson abhängt. Das kann z.B. der Fall sein, wenn sie in das therapeutische Konzept eingebunden werden soll bzw. in Übungen einzuweisen ist, die nach der stationären Behandlung weiterzuführen sind.
Die Leistung wird von der Krankenkasse übernommen. Die Begleitperson muss im Rahmen ihrer Versicherung einen Anspruch auf Krankengeld haben und ihr muss ein Verdienstausfall entstehen. Der Mitaufnahme ins Krankenhaus steht die ganztägige Begleitung gleich, wobei von einer ganztägigen Begleitung auszugehen ist, wenn die Zeit der notwendigen Anwesenheit im Krankenhaus und die Zeiten der An- und Abreise insgesamt acht oder mehr Stunden umfassen (siehe BT-Drs. 19/31069 S. 190). In diesem Fall ist für den Anspruch keine Übernachtung im Krankenhaus erforderlich.
Die Leistung berechnet sich nach den Regelungen, die für das Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit gelten. Alternativ kann auch – bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen – das höhere Kinderkrankengeld in Anspruch genommen werden.
Für die Zeit der Begleitung besteht ein Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung. Dies gilt auch für Arbeitnehmer, die keinen Anspruch auf Krankengeld haben.
3.15 Infektionsrisiko Corona-Virus
Infolge der Ausbreitung von Infektionen durch das Corona-Virus haben sich in Bezug auf die Arbeitspflicht mehrere Rechtsfragen ergeben. Für die betriebliche Praxis ist zu beachten, dass die entsprechenden Regelungen permanent – je nach Entwicklung der Pandemie – geändert werden. Bei der im Folgenden aufgeführten Rechtsprechung ist stets zu bedenken, dass sich diese auf die beim entschiedenen Sachverhalt gültige Rechtslage bezieht.
Mit dem 19.03.2022 sind die bisherigen Regelungen vollständig ausgelaufen; es gelten neue, bis 23.09.2022 befristete Vorschriften. Nunmehr können die Länderparlamente für konkret benannte Regionen mit kritischer Inzidenz oder bei Auftauchen einer neuen Variante Schutzmaßnahmen festlegen. Voraussetzung ist, dass die konkrete Gefahr einer bedrohlichen und sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage vorliegt. Zu den dann zulässigen Maßnahmen gehören Abstandsgebote, Maskenpflichten, Hygienekonzepte sowie 2G- oder 3G-Regelungen. Allgemeine Schutzmaßnahmen, wie Maskenpflichten in öffentlichen Verkehrsmitteln, Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäusern können ebenso wie Testpflichten z.B. in Pflegeheimen, Krankenhäusern oder Schulen auch ohne Parlamentsbeschluss angeordnet werden.
Darüber hinaus war die Corona-Arbeitsschutzverordnung ebenfalls bis 19.03.2022 befristet. Dadurch fallen insbesondere die 3G-Regelung und die Home-Office-Pflicht weg. Mit dem Wegfall der 3G-Regelung endet auch die Berechtigung des Arbeitgebers, den Status der Mitarbeiter zu überprüfen. Die Bundesländer können jedoch davon abweichende, weitergehende Regelungen treffen. Aufgrund der danach geltenden, neuen Corona-Arbeitsschutzverordnung waren – befristet bis zum 25.05.2022 - weiterhin Basisschutzmaßnahmen in den Betrieben zu beachten. Im Rahmen des betrieblichen Hygienekonzepts sollen die Betriebe selbst die Gefährdungslage einschätzen und die erforderlichen Maßnahmen festlegen. Das Hygienekonzept ist Bestandteil der Gefährdungsbeurteilung. Zu den festgelegten Maßnahmen können z.B. Abstandsregelungen, Regelungen zum Tragen medizinischer Masken in Innenräumen, die von mehreren Personen genutzt werden, Homeoffice-Pflicht, kostenlose Testangebote, Impfungen während der Arbeitszeit und Regelungen zur Raumlüftung gehören. Teilweise wird auch die Auffassung vertreten, dass der Arbeitgeber eine betriebliche 3-G-Regelung aufrechterhalten kann, wenn sich die begründete Notwendigkeit aus der Gefährdungsbeurteilung und im Rahmen des Hygienekonzepts ergibt. Ein Fragerecht in Bezug auf den Impf- und Genesungsstatus der Arbeitnehmer besteht nicht mehr. Mit dem Auslaufen der Corona-Arbeitsschutzverordnung sind auch die verbindlichen Basisschutzmaßnahmen für die Betriebe weggefallen. Es besteht aber aufgrund des Arbeitsschutzgesetzes weiterhin die Aufforderung an die Unternehmen, ihre Gefährdungsbeurteilung ständig an die aktuelle Corona-Lage anzupassen und ggf. die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Bereits zur früheren Regelung, die für Betriebe – wie auch aktuell – keine Verpflichtung für 3G vorsah, wurde entschieden, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, die Durchführung von Schnelltests anzuordnen. Verweigert der Arbeitnehmer diese, kann ihm nach Abmahnung gekündigt werden (ArbG Hamburg, 24.11.2021 – 27 Ca 208/21).
Praxistipp:
Hinweise für die Umsetzung der aktuellen Rechtslage können Sie den Handlungsempfehlungen SARS-CoV-2 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin vom 29.03.2022 entnehmen.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber haftet, wenn sich ein Mitarbeiter mit Corona infiziert. Nach einem Urteil des ArbG Siegburg besteht kein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Schadenersatz und Schmerzensgeld, wenn der Mitarbeiter nicht nachweisen kann, dass dieser schuldhaft gehandelt hat. Eine solche Pflichtverletzung könnte z.B. vorliegen, wenn der Arbeitgeber notwendige Schutzmaßnahmen vorsätzlich nicht durchgeführt hat und infolge dieses Fehlverhaltens ein Gesundheitsschaden eingetreten ist. In dem entschiedenen Fall konnte eine in der psychosozialen Betreuung eines Pflegeheims tätige Krankenschwester die Schuld nicht nachweisen. Nach der Einschätzung des Gerichts ist es nicht erwiesen, dass die Ansteckung am Arbeitsplatz erfolgte (ArbG Siegburg, 30.03.2022 – 3 Ca 1848/21).
Pflichtwidrig handelt ein Geschäftsführer, der trotz Erkältungssymptomen den notwenigen Sicherheitsabstand nicht einhält und mit anderen Personen ohne Mund-Nasen-Schutz im Auto fährt. Wird er später positiv auf Corona getestet und muss eine mitfahrende Person wegen der erfolgten Quarantäneanordnung als Kontaktperson ihre geplante Hochzeitsfeier absagen, muss der Arbeitgeber wegen der Verletzung der Fürsorgepflicht durch seinen Geschäftsführer Schadenersatz leisten (LAG München, 14.02.2022 – 4 Sa 457/21).
Nicht aufgehoben wird die Arbeitspflicht, wenn der Arbeitnehmer aus Angst vor Ansteckung zu Hause bleibt. Dies gilt selbst dann, wenn ein höheres Risiko bei dem Mitarbeiter (aufgrund von Alter und/oder Vorerkrankungen) besteht oder er wegen hustender Kollegen bzw. durch den Arbeitsweg mit öffentlichem Verkehrsmittel eine Ansteckung befürchtet. Nur wenn dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung objektiv unzumutbar ist, kann er der Arbeit fernbleiben. Dafür müsste aber zumindest objektiv ein dringender Verdacht für eine Gefährdung der Gesundheit vorliegen. Verweigert der Arbeitnehmer in solchen Fällen ohne ausreichenden Grund die Arbeit, kann der Betrieb ihn abmahnen oder im Wiederholungsfall verhaltensbedingt kündigen. Darüber hinaus kann auch die Vergütung einbehalten werden, weil die vertragliche Arbeitsleistung nicht erbracht wurde. Viele Betriebe haben aber - auch im Rahmen der entsprechenden rechtlichen Vorgaben - Lösungen gefunden, die zur Minimierung der Ansteckungsgefahr beitragen können. Insbesondere muss der Arbeitgeber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung die erforderlichen Maßnahmen treffen. Hat der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter gestattet, seine Tätigkeit zuhause auszuüben, kann er diese Weisung aufgrund § 106 S. 1 GewO später wieder rückgängig machen, wenn sich betriebliche Gründe ergeben, die gegen die Arbeit vom Homeoffice sprechen (LAG München, 26.08.2021 – 3 SaGa 13/21). Die Beschäftigung im Homeoffice hat Vorrang vor einer Änderungskündigung mit neuem Arbeitsort.
Eine ärztliche Stellungnahme über die gesundheitliche Eignung der Arbeitnehmerin, in der Tätigkeiten mit "Publikumsverkehr jeglicher Art" wegen des erhöhten Infektionsrisikos ausgeschlossen werden, steht einer Tätigkeit der Arbeitnehmerin in einem Monitorraum mit fünf anderen Arbeitskollegen nicht entgegen. Bei der Arbeit mit Kollegen in einem Raum handelt es sich nicht um Publikumsverkehr. Die Infektionsgefahr ist nicht vergleichbar hoch (ArbG Düsseldorf, 16.12.2020 - 15 Ca 5113/20).
Verweigerte der Arbeitnehmer den bis 19.03.2022 erforderlichen 3-G-Nachweis, durfte er den Betrieb nicht betreten. Er konnte dann seine Arbeitsleistung nicht erbringen und verlor dementsprechend den Anspruch auf Vergütung. Für den Fall einer Orchestermusikerin wurde diese Auffassung schon vor Einführung der 3-G-Regel vom LAG München bestätigt. Der Arbeitgeber hatte entsprechend dem betrieblichen Hygienekonzept von allen Mitarbeitern einen negativen Test für die Teilnahme an Proben und Aufführungen verlangt und dafür sogar Testmöglichkeiten durch entsprechend geschultes Personal bereitgestellt. Nach der Entscheidung bestand weder ein Anspruch auf Beschäftigung noch auf Vergütung (LAG München, 26.10.2021 – 9 Sa 332/21). In einem ähnlichen Fall hat das ArbG Hamburg entschieden, dass bei Verweigerung eines vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Schnelltests zwar eine verhaltensbedingte Kündigung grundsätzlich zulässig ist, ihr aber zunächst eine Abmahnung vorausgehen muss (ArbG Hamburg, 24.11.2021 – 27 Sa 208/21). Darüber hinaus konnte die Verweigerung des Nachweises arbeitsrechtlich sanktioniert werden (Abmahnung, Versetzung, Kündigung). Ein Arbeitgeber darf in einem Musicalaufführungsbetrieb ein "2G-Modell" durchsetzen und einer Darstellerin, die über keine Corona-Schutzimpfung verfügt, noch vor Vertragsbeginn kündigen (ArbG Berlin, 03.02.2022 – 17 Ca 11178/21). Die Maßnahme des Arbeitgebers ist nicht als Maßregelung i.S.v. § 612a BGB zu werten.
Eine anlasslose Aufforderung an Arbeitnehmer, einen Coronatest durchzuführen, ist durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht gedeckt. Arbeitgeber können aber aus allgemeiner Rücksichtnahmepflicht gem. § 241 Abs. 2 BGB von Arbeitnehmern die Durchführung eines Coronatests verlangen, sofern diese Kontakt mit einem auf das Coronavirus positiv getesteten Kollegen hatten.Voraussetzung für eine wirksame Testanordnung ist jedoch die Zurverfügungstellung eines entsprechenden Tests durch den Arbeitgeber. Dies gilt selbst bei der Möglichkeit für Arbeitnehmer, kostenlose Bürgertests in Anspruch zu nehmen (ArbG Villingen-Schwenningen, 22.10.2021 – 2 Ca 52/21 - die Entscheidung betrifft die Rechtslage vor der vorübergehenden Einführung der 3-G-Regel am Arbeitsplatz).
Wird ein gefälschter Impfnachweis vorgelegt, ist dies eine strafbare Handlung i.S.v. § 279 StGB, die mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe geahndet werden kann. Außerdem droht eine – ggf. außerordentliche – Kündigung. Eine Mitarbeiterin mit Kundenkontakt zu Pflegeeinrichtungen, die dem Arbeitgeber auf Nachfrage einen gefälschten Impfausweis vorlegt, begeht eine schwerwiegende Pflichtverletzung, die einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB darstellt (ArbG Köln, 23.03.2022 – 18 Ca 6830/21). Das Gericht hat betont, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, die Impfdaten mit öffentlich zugänglichen Informationen über Verfügbarkeiten von Impf-Chargen abzugleichen. Auch das ArbG Düsseldorf (18.02.2022 – 11 Ca 5388/21) wies die Klage gegen eine außerordentliche Kündigung in einem vergleichbaren Fall zurück.
Verweigert ein nicht vollständig immunisierter Arbeitnehmer einen erforderlichen Negativtest, verstößt er gegen eine arbeitsrechtliche Verpflichtung. Dies kann einen "wichtigen Grund" für eine außerordentliche Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB darstellen (ArbG Bielefeld, 09.12.2021 - 1 Ca 1781/21). In der Regel dürfte jedoch vor einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich sein (ArbG Hamburg, 24.11.2021 – 27 Sa 208/21).
Legt ein Arbeitnehmer im Betrieb ein Testzertifikat vor, das unzutreffend bescheinigt, der Antigen-Schnelltest sei von einer zugelassenen Testeinrichtung durchgeführt worden, ist geeignet, einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses darzustellen (ArbG Bielefeld, 24.02.2022 – 1 Ca 2311/21 u. ArbG Hamburg, 31.03.2021 – 4 Ca 323/21).
Der Arbeitnehmer kann die Annahme seiner Arbeitsleistung durch einen einstweiligen Rechtsschutz nicht durchsetzen, wenn ihm der Zugang zum Betriebsgelände verweigert wird, nachdem er einen in einer Betriebsvereinbarung vorgesehenen PCR-Test abgelehnt hat (ArbG Offenbach, 03.02.2021 – 4 Ga 1/21). Der Arbeitgeber ist nach § 618 Abs. 1 BGB verpflichtet, dass Gefahren für Leben und Gesundheit soweit ausgeschlossen sind, wie es die Natur der Arbeit gestattet. Daher ist eine entsprechende Weisung des Arbeitgebers nicht offenkundig rechtswidrig.
Im Übrigen besteht arbeitsrechtlich für den Arbeitnehmer die Verpflichtung, die Verhaltens- und Hygieneregeln zu beachten und so bei der Bekämpfung der Pandemie mitzuwirken. Bewusste Verstöße, wie Anhusten von Kollegen können eine außerordentliche Kündigung auch ohne Abmahnung rechtfertigen. Allerdings trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für den Kündigungsvorwurf. Die Verletzung von pandemiebedingten Abstandsregeln im Betrieb rechtfertigt ohne vorangegangene einschlägige Abmahnung keine Kündigung (LAG Düsseldorf, 27.04.2021 – 3 Sa 646/20).
Da z.Zt. noch keine generelle Impfpflicht besteht, kann der Arbeitgeber nicht verlangen, dass sich sein Mitarbeiter der Impfung unterzieht. In der Regel darf die Entscheidung des Mitarbeiters gegen eine Impfung auch keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen haben. Lediglich wenn die Tätigkeit einen Impfschutz eigentlich notwendig macht und ein anderweitiger Einsatz nicht möglich ist, wäre im Einzelfall wegen Wegfall der Eignung für die vertraglich vereinbarte Beschäftigung eine personenbedingte Kündigung denkbar. Zu prüfen ist dann aber, ob durch mildere Mittel, wie z.B. Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz oder die Arbeit im Home-Office, das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann. Der Arbeitgeber hat seine Mitarbeiter über den Impfschutz im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zu informieren und sie für die Impfung von der Arbeit freizustellen.
Aufgrund des Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie vom 10.12.2021 (BGBl. I Nr. 83 S. 5162) dürfen Mitarbeiter von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und sonstigen, meist medizinischen Betrieben seit 16.03.2022 nicht mehr beschäftigt werden, wenn sie dem Arbeitgeber weder einen Impf- noch einen Genesenennachweis vorlegen. Alternativ ist ein ärztliches Zeugnis, wonach eine medizinische Kontraindikation für die Impfung besteht, ausreichend (§ 20a IfSG n.F.).
Die betroffenen Personen mussten bis zum 15. März 2022 dem Arbeitgeber einen Nachweis vorlegen, dass sie geimpft oder genesen sind. Alternativ kann auch ein ärztliches Attest vorgelegt werden, aus dem hervorgeht, dass eine Impfung aus medizinischen Gründen nicht möglich ist. Eine aus dem Internet ausgedruckte Bescheinigung, die eine "vorläufige Impfunfähigkeit" ohne ärztliche Untersuchung bestätigen soll, kann wegen schwerer Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten – je nach Einzelfall – eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung rechtfertigen (ArbG Lübeck, 13.04.2022 – 5 Ca 189/22). Nachweise, die ihre Gültigkeit verlieren, müssen innerhalb eines Monats durch eine gültige Bestätigung ersetzt werden. Falls keine Vorlage erfolgt, informiert der Arbeitgeber das Gesundheitsamt, das dann ggf. ein Beschäftigungsverbot aussprechen kann. In diesem Fall kann der Mitarbeiter die Arbeitsleistung nicht erbringen und er verliert den Anspruch auf Vergütung. Bei dauerhafter Weigerung, sich impfen zu lassen, kommt – nach Abmahnung – auch eine Kündigung in Betracht. Darüber hinaus kann die Nichtvorlage des Nachweises vom Arbeitgeber im Rahmen billigen Ermessens durch unbezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung sanktioniert werden. Dafür spricht das besondere Schutzbedürfnis der zu betreuenden Personen (ArbG Gießen, 12.04.2022 – 5 Ga 1/22 u. 5 Ga 2/22). Die einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt für alle Personen, in den betroffenen Betrieben arbeiten, somit ggf. auch für externe Personen, wie Handwerker. Arbeitnehmer, die ab 16.03.2022 neu in den betreffenden Einrichtungen eingestellt werden, dürfen ohne den Nachweis nicht beschäftigt werden. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Regelungen wurde von BVerfG abgelehnt (BVerfG, 10.02.2022 – 1 BvR 2649/21). Auch in der Hauptsache wurde die Verfassungsbeschwerde gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht zurückgewiesen (BVerfG, 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21). Die Regelung ist bis zum Jahresende 2022 befristet.
Hatte der Mitarbeiter Kontakt zu infizierten Personen, wird das Gesundheitsamt in der Regel eine häusliche Quarantäne aussprechen. Der Mitarbeiter kann in diesem Fall, jedenfalls wenn er nicht von zu Hause aus arbeiten kann, seine Arbeitsleistung nicht erbringen. Zunächst ist dann zu prüfen, ob aufgrund § 616 BGB Anspruch auf Vergütung besteht. Voraussetzung dafür ist, dass der Arbeitnehmer "für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert" ist. Grundsätzlich dürften die Voraussetzungen dafür vorliegen. Die Quarantäne wird meist für zehn Tage angeordnet. Bei Vorliegen eines negativen PCR- oder Schnelltests kann sie auf sieben Tage verkürzt werden. Die Frage ist, ob dies als eine "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" angesehen werden kann. Nach der überwiegenden Meinung ist diese Frage nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden (vgl. Palandt/Weidenkaff 75. Aufl. 2016, § 616 BGB, Rn. 9; ErfK, Preis, 10. Aufl. 2018, Rn. 10a). Abgestellt wird teilweise auch auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit im Verhältnis zur Dauer des Ausfalls (BAG, 17.12.1959 – GS 2/59 – Grimm in Tschöpe, Arbeitsrechts-Handbuch, B II Rn. 87 - VG Koblenz, 10.05.2021 – 3 K 107/21.KO u. 3 K 108/21.KO). Teilweise wird auf den Verhinderungsgrund abgestellt und auch bei schwerwiegenden Ereignissen nur von wenigen Tagen ausgegangen (Krause in Henssler/Willemsen/Kalb, 9. Aufl. 2020, § 616 BGB, Rn. 41). Zum Teil wird auch in Anlehnung an § 2 Abs. 1 PflegeZG ein Zeitraum von 10 Arbeitstagen als nicht erheblich angesehen. Dass der Ausfall auf eine nicht erhebliche Zeit begrenzt sein muss, ist Voraussetzung für den Anspruch. Das bedeutet, dass der Anspruch ganz entfällt, wenn der Ausfall länger dauert (offenbar a.M. VG Koblenz, 10.05.2021 – 3 K 107/21.KO u. 3 K 108/21.KO). Der Anspruch aus § 616 BGB kann außerdem durch Arbeits- oder Tarifvertrag abbedungen sein. Die Annahme der Arbeitsleistung eines von der zuständigen Behörde in Anwendung der maßgeblichen Kriterien aus der Quarantäne wegen einer Corona-Infektion entlassenen Arbeitnehmers (hier: Dachdecker) ist dem Arbeitgeber nicht unzumutbar (LAG Rheinland-Pfalz, 26.11.2021 - 1 Sa 223/21).
Falls kein Anspruch nach dieser Vorschrift besteht, zahlt der Arbeitgeber die Vergütung nach § 56 Abs. 2 S. 2 IfSG für bis zu sechs Wochen in Höhe der Nettovergütung weiter. Der Arbeitgeber kann bei der nach Landesrecht zuständigen Behörde einen Antrag auf Erstattung seiner Aufwendungen beantragen (§ 56 Abs. 5 IfSG). Der Anspruch auf die Erstattung besteht unabhängig von der Betriebsgröße. Bestätigt sich die Infektion, hat der arbeitsunfähige Arbeitnehmer Anspruch auf die reguläre Entgeltfortzahlung nach dem EFZG. Bis zum Ende der Quarantäne bleibt aber der Anspruch nach § 56 Abs. 7 IfSG bestehen. Erst danach beginnt die Entgeltfortzahlung nach dem EFZG. Die fortgezahlte Vergütung aufgrund § 56 IfSG ist nicht auf die Dauer der Entgeltfortzahlung wegen der Arbeitsunfähigkeit anzurechnen. Erkrankt der Arbeitnehmer, ohne dass eine Quarantäne angeordnet wurde, besteht ausschließlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Krankheit. Dies gilt auch, wenn die Quarantäne erst während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit angeordnet wird (ArbG Aachen, 11.03.2021 – 1 Ca 3196/20).
Ein Auszubildender hat während einer Quarantäne Anspruch auf Fortzahlung der Ausbildungsvergütung nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BBiG. Die Regelung ist nicht, wie bei Arbeitnehmern, auf eine "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" begrenzt. Daher besteht kein Anspruch auf Entschädigung i.S.v. § 56 Abs. 2 IfSG und der Arbeitgeber kann keine Erstattung seiner Aufwendungen für die Fortzahlung der Ausbildungsvergütung verlangen (VG Gera, 14.10.2021 - 3 K 280/21 Ge).
Bei Kurzarbeit ist dem in Quarantäne befindlichen Mitarbeiter nur die Vergütung nach § 56 Abs. 1 IfSG weiterzuzahlen, die er ohne die Quarantäne erhalten hätte – daneben besteht Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Das Kurzarbeitergeld wird dem Betrieb von der Bundesagentur für Arbeit erstattet.
Solange noch keine generelle Impfpflicht besteht, stellt sich die Frage, welche Ansprüche hinsichtlich der Vergütung und der Entschädigung nach dem IfSG bestehen, wenn ein nicht Geimpfter wegen Kontakt mit einem Infizierten in Quarantäne muss. Vollständig Geimpfte und Genesene müssen weiteren Voraussetzungen nach den Empfehlungen des RKI nach Kontakt mit einem Infizierten nicht in Quarantäne. Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung nach § 616 BGB besteht nicht, wenn die Verhinderung verschuldet eingetreten ist (siehe oben). Der Begriff des Verschuldens ist nach der arbeitsrechtlichen Literatur nach den Grundsätzen auszulegen, die auch für die Entgeltfortzahlung bei Krankheit gelten. Schuldhaft ist danach ein Verschulden gegen sich selbst. Nach st. Rspr. ist dies der Fall, wenn der Arbeitnehmer gröblich gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstoßen hat (siehe ErfK, 18. Aufl., 2018 Preis, § 616 BGB Rn. 11; Krause in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrechtskommentar, 9. Aufl. 2020, § 616 BGB, Rn. 44). In Bezug auf die Entschädigung bei Quarantäne regelt § 56 Abs. 1 IfSG, dass eine Entschädigung nicht erhält, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, eine Quarantäne hätte vermeiden können. Das IfSG geht damit davon aus, dass die Nichtinanspruchnahme der Impfung gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt. Nach der Begründung der mit dem Masernschutzgesetz eingefügten Klausel soll derjenige, der das schädigende Ereignis (Tätigkeitsverbot/Absonderung) in vorwerfbarer Weise verursacht hat, nicht auf Kosten der Allgemeinheit Entschädigung erhalten, wenn sie oder er Verboten in der Ausübung seiner oder ihrer bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird (BT-Drs. 19/15164 S. 58). Dementsprechend besteht für Ungeimpfte seit 01.11.2021 nach einem Beschluss der Gesundheitsminister von Bund und Ländern kein Anspruch mehr auf Entschädigung. Damit geht einher, dass für den Anspruch auf die Entschädigung der Impfstatus nachgewiesen werden muss. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat in einer Kurzinformation darauf hingewiesen, dass ebenfalls kein Anspruch auf Entschädigung besteht, wenn ein Betroffener zwar geimpft ist, aber nicht die ggf. von der zuständigen Landesbehörde empfohlene Auffrischungsimpfung ("Booster") hat (Kurzinformation des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom 18.01.2022 – WD 9 -3000-003/22).
Wird gegenüber einem Mitarbeiter während seines Erholungsurlaubs eine Quarantäne angeordnet, hat dies nicht zur Folge, dass der Urlaub unterbrochen bzw. beendet wird. Die Quarantänetage werden in vollem Umfang auf den Urlaub angerechnet. Eine analoge Anwendung von § 9 BUrlG, der vorschreibt, dass bei einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit während des Urlaubs keine Anrechnung erfolgt, kommt nur in Betracht, wenn tatsächlich Arbeitsunfähigkeit attestiert wird (LAG Düsseldorf, 15.10.2021 – 7 Sa 857/21 – Revision zugelassen; LAG Köln, 13.12.2021 – 2 Sa 488/21; LAG Schleswig-Holstein, 15.02.2022 – 1 Sa 208/21 – Revision zugelassen; LAG Baden-Württemberg, 16.02.2022 – 10 Sa 62/21; Revision beim BAG unter dem Az.: 9 AZR 112/22 anhängig). Anderer Auffassung ist das LAG Hamm. § 9 BUrlG sei jedenfalls analog auf den Fall einer angeordneten Quarantäne anzuwenden. Daher seien solche Zeiten nicht auf den Jahresurlaub anzurechnen. Diese seien dem Kläger zu einem späteren Zeitpunkt zu gewähren. (LAG Hamm, 27.01.2022 - 5 Sa 1030/21 – Revision beim BAG anhängig unter dem Az. 9 AZR 76/22). Das ArbG Ludwigshafen hat den EuGH zur Vorabentscheidung der Frage, ob bezüglich bereits genehmigten Urlaubs auch dann Erfüllung eintritt, wenn ein unvorhergesehenes Ereignis wie eine behördlich angeordnete Quarantäne den Arbeitnehmer an der uneingeschränkten Ausübung des Anspruchs hindert, gebeten (ArbG Ludwigshafen, 14.02.2022 – 5 Ca 216/21).
Die Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bleibt bei Zahlung der Entschädigung nach § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG erhalten. Die Beiträge berechnen sich aus 100 % der Vergütung, die für die Berechnung der Entschädigung maßgebend ist – also aus dem Bruttoentgelt. Die Beiträge trägt die Entschädigungsbehörde allein, sodass ein Abzug von Arbeitnehmeranteilen nicht in Betracht kommt. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Beiträge zu berechnen und an die Krankenkasse zu zahlen. Es fallen auch die Umlagen U1 und U2 sowie die Insolvenzumlage an.
Für freiwillig versicherte Arbeitnehmer ändert sich der Versicherungsstatus in Kranken- und Pflegeversicherung durch die Zahlung der Entschädigung nicht. Es besteht in dieser Zeit aber kein Anspruch auf Beitragszuschuss. Der Arbeitnehmer kann aufgrund § 58 IfSG bei der zuständigen Behörde die Erstattung seiner Beiträge beantragen. Im Rahmen des Firmenzahlerverfahrens kann der Arbeitgeber die Beiträge weiterhin an die Krankenkasse zahlen und die Erstattung ebenfalls bei der zuständigen Behörde beantragen.
Die Entschädigungsleistung ist als Lohnersatzleistung steuerfrei. Sie unterliegt aber dem Progressionsvorbehalt.
Unwirksam ist – auch außerhalb der Anwendbarkeit des KSchG - eine Kündigung, die wegen einer behördlich angeordneten Quarantäne gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer ausgesprochen wird (ArbG Köln, 15.04.2021 – 8 Ca 7334/20). Nach der Entscheidung gilt dies jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber aufgrund des verzögernden Eingangs einer schriftlichen behördlichen Bestätigung der Quarantäne diese bezweifelt und den Arbeitnehmer insofern einer Drucksituation aussetzt, entweder gegen die behördliche Quarantäne zu verstoßen oder seinen Arbeitsplatz zu verlieren.
Ein Arbeitgeber darf die Beschäftigung seines Arbeitnehmers im Betrieb verweigern, wenn es diesem - belegt durch ein ärztliches Attest - nicht möglich ist, eine erforderliche Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Der Arbeitnehmer ist in diesem Fall arbeitsunfähig, soweit er nicht im Home Office beschäftigt werden kann (LAG Köln, 12.04.2021 – 2 SaGa 1/21) u. ArbG Siegburg, 18.08.2021 – 4 Ca 2301/20). Im Übrigen hat auch das ArbG Berlin die Verpflichtung des Arbeitnehmers bestätigt, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, soweit dies nicht aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar ist (ArbG Berlin, 15.10.2020 – 42 Ga 13034/20). Aber auch ein solches Attest schließt das Direktionsrecht des Arbeitgebers, das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung anzuordnen, nicht grundsätzlich aus. In den Hochzeiten der Pandemie war jedenfalls eine solche Anordnung im Interesse von Kollegen und Kunden verhältnismäßig. Kann der Mitarbeiter dann nicht arbeiten, besteht kein Anspruch auf Vergütung (LAG Hamburg, 13.10.2021 – 7 Sa 23/21). Die Verpflichtung zum Tragen der Maske konnte sich aus der Corona-Arbeitsschutz-Verordnung i.d.F. vom 22.11.2021 ergeben. Die Regelung galt bis zum 19.03.2021. Der Arbeitgeber musste medizinische Masken zur Verfügung stellen. Zu beachten sind auch die jeweiligen Regelungen, die vor Ort gelten. Der Arbeitgeber muss ggf. durch ein Attest in die Lage versetzt werden, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Befreiung von der Maskenpflicht vorliegen. Dazu muss aus dem Attest hervorgehen, welche konkret zu benennenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufgrund eines Mund-Nasen-Schutzes zu erwarten sind und woraus diese im Einzelnen resultieren Auch muss erkennbar sein, auf welcher Grundlage der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung gekommen ist (ArbG Cottbus, 17.06.2021 – 11 Ca 10390/20). Falls das Attest diesen Anforderungen nicht genügt und eine Weiterbeschäftigung nicht möglich ist, kann eine Kündigung seitens des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Eine beharrliche Weigerung, bei der Ausübung eine Servicetechnikers bei seiner Tätigkeit beim Kunden den von dem Arbeitgeber angeordneten und von dem Kunden verlangten Mund-Nasenschutz zu tragen, stellt einen Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen dar, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigt (ArbG Köln, 17.06.2021 – 12 Ca 450/21). Im gleichen Sinne hat das LAG Berlin-Brandenburg im Fall eines Lehrers entschieden, der sich beharrlich weigerte, im Schulbetrieb einen Mund-Nasenschutz zu tragen (LAG Berlin-Brandenburg, 07.10.2021 - 10 Sa 867/21). Hinzu kam, dass der Lehrer in der Elternschaft gegen die Maskenpflicht in der Schule agitierte. Die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung eines Lehrers, der Corona geleugnet, die Maske nicht ordnungsgemäß angelegt hat und auf die notwendigen Maßnahmen während des Unterrichts verzichtet hat, wurde vom ArbG Darmstadt bestätigt (ArbG Darmstadt, 09.11.2021 - 9 Ca 163/21). Ein Verstoß gegen die im Betrieb wirksam angeordnete Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung ist grundsätzlich geeignet, eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Dabei sind die jeweiligen Begleitumstände, insbesondere der Grad des Verschuldens, Häufigkeit, Dauer und Folgen des Pflichtenverstoßes, die Wiederholungsgefahr etc., zu berücksichtigen (LAG Niedersachsen, 22.12.2021 – 13 Sa 275/21). Je nach Entwicklung der Pandemie, der darauf aufbauenden Gesetzeslage und der Struktur des Betriebes kann ein Arbeitgeber berechtigt sein, in bestimmten Situationen seinen Arbeitnehmern das Tragen einer FFP2-Maske verpflichtend vorzugeben. In solchen Fällen kann die ausdrückliche und endgültige Verweigerung, dieser Anordnung nachzukommen, einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung darstellen (ArbG Krefeld, 13.01.2022 – 2 Ca 1328/21).
Ist in einem Tarifvertrag ein Zuschlag für das Tragen von Schutzausrüstung vorgesehen, besteht durch eine Mund-Nasen-Bedeckung kein Anspruch auf diese Zulage (LAG Berlin-Brandenburg, 17.11.2021 – 17 Sa 1067/21).
Wird der Betrieb wegen des Corona-Virus geschlossen (wie z.B. Kindergärten und Schulen), besteht für die nicht weiter eingesetzten Arbeitnehmer ebenfalls ein Anspruch auf Entschädigung nach § 56 IfSG. Allerdings ist in diesem Fall § 616 BGB als Grundlage für eine vorrangige Leistungspflicht des Arbeitgebers nicht anwendbar. Diese Vorschrift gilt nicht, wenn bei einem objektiven Leistungshindernis nicht nur ein einzelner Arbeitnehmer, sondern mehrere Arbeitnehmer gleichzeitig betroffen sind.
Werden im Übrigen Betriebe geschlossen, besteht in der Regel Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Bei Beschäftigten, die keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben (insbesondere geringfügig Beschäftigte) kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug und ist daher nach § 56 IfSG § 616 BGB nicht zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet. Denn der Arbeitgeber trägt das allgemeine Betriebsrisiko nur insoweit, als es sich für einen bestimmten Betrieb verwirklicht. Das ist aber nicht der Fall, wenn zum Schutz der Bevölkerung durch behördliche Anordnung die sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert werden und daher nahezu flächendeckend alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen werden. Soweit dies infolge der SARS-CoV-2-Pandemie der Fall war, haben die betroffenen Arbeitnehmer wegen der Arbeitsausfälle keine Ansprüche gegen den Arbeitgeber (BAG, 13.10.2021 – 5 AZR 211/21). Damit weicht das BAG deutlich von den Entscheidungen auf LAG-Ebene ab (vgl. z.B. LAG Düsseldorf, 30.03.2021 – 8 Sa 674/20).
Fallen infolge der Kurzarbeit einzelne Tage vollständig aus, ist dies bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs zu berücksichtigen (BAG, 30.11.2021 – 9 AZR 225/21).
Auch in Zeiten von Corona kann ein Mitarbeiter auf eine Dienstreise geschickt werden. Handelt es sich jedoch um ein Hochrisiko- oder Virusvariantengebiet (Reisewarnung des Auswärtigen Amtes), kann der Arbeitnehmer aufgrund § 275 Abs. 3 BGB die Reise verweigern, da ihm die damit verbundenen Gefahren nicht zugemutet werden können. Dies dürfte auf jeden Fall für Mitarbeiter gelten, die einer Risikogruppe angehören. Wird eine Dienstreise in ein solches Gebiet angeordnet, besteht während einer anschließenden Quarantäne ein Anspruch auf Vergütung. Dabei handelt es sich um keine Entschädigung i.S.d. IfSG, sodass der Betrieb keine Erstattung gegenüber dem Land erhalten kann. Darüber hinaus kann auch keine Entschädigung erfolgen, wenn es sich um eine vermeidbare Reise handelt (VG Karlsruhe, 30.06.2021 – 9 K 67/21). Bei Auslandsentsendungen sollte der Arbeitgeber prüfen, ob das Gastland für die Einreise oder den Aufenthalt einen Impfnachweis verlangt.
Auch bei Urlaubsreisen in ein Hochrisikogebiet oder Virusvariantengebiet ist der Arbeitnehmer nach der Rückkehr verpflichtet eine digitale Einreiseanmeldung (unter www.einreiseanmeldung.de) zu machen. Voraussetzung ist, dass sich der Arbeitnehmer vor der Einreise in die Bundesrepublik in den letzten zehn Tagen in einem so eingestuften Gebiet aufgehalten hat. Unschädlich ist daher eine ausschließliche Durchreise. Bei Einreise nach einem Aufenthalt in einem ausländischen Hochrisiko- oder Virusvariantengebiet sind Test- und Nachweispflichten und eine Quarantänepflicht zu beachten. Die Quarantäne dauert bei Hochrisikogebieten zehn, bei Virusvariantengebieten 14 Tage. Für Hochrisikogebiete wurden die bestehenden 3G-Regelungen vorerst bis 31. August 2022 aufgehoben.
Hochrisikogebiete: Keine Quarantäne ist erforderlich bei geimpften Personen, sobald eine Wartezeit von zwei Wochen nach der letzten empfohlenen Impfung abgelaufen ist. Genesene Personen müssen bis zu maximal sechs Monaten nach dem Ausheilen der Infektion ebenfalls nicht in Quarantäne. Voraussetzung für diese Ausnahmen ist, dass aktuell keine typischen Symptome einer Infektion vorliegen. Ein Impf- oder Genesenennachweis kann auch einen negativen Testnachweis ersetzen. Vorzeitig beendet werden kann die Quarantäne, wenn ein negativer Test nachgewiesen wird, der frühestens fünf Tage nach der Einreise durchgeführt wurde.
Nach Einreise aus Virusvariantengebieten ist eine vorzeitige Beendigung der Quarantäne nicht möglich. Außerdem müssen auch Geimpfte und Genesene in der Regel in Quarantäne (siehe auch VG Düsseldorf, 16.06.2021 – 29 L 1267/21). Die Regelungen für die Einreise aus Hochrisiko- und Virusvariantengebieten galten vorerst bis 03.03.2022.
Für die Einreise mit dem Flugzeug ist neben der Einreiseanmeldung generell ein negatives Testergebnis erforderlich; dieses muss der Fluggesellschaft bereits vor Abflug vorgelegt werden. Ausreichend ist auch ein Impf- bzw. Genesenennachweis.
Praxistipp:
Da sich die maßgebenden Bestimmungen und die Risikoeinstufung von Ländern permanent ändern, ist den betroffenen Mitarbeitern zu empfehlen, sich rechtzeitig vor Antritt der Reise und der Rückreise über die aktuell maßgebenden Bestimmungen zu informieren. Zu beachten ist insbesondere die Corona-Einreiseverordnung in der jeweils geltenden Fassung.
Es stellt sich zunächst die Frage, ob bei notwendiger Quarantäne in solchen Fällen nach § 616 BGB ein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung gegen den Arbeitgeber besteht (siehe oben). Zumindest, wenn bereits vor der Abreise der Urlaubsort in einem Hochrisiko- oder Virusvariantengebiet lag, ist dieser Anspruch zu verneinen, da die Verhinderung nicht "ohne Verschulden" des Arbeitnehmers eingetreten sein dürfte. Hinsichtlich des Anspruchs auf Entschädigung ist § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG zu beachten. Dort wird seit dem 19.11.2020 durch Art. 1 Nr. 20 des Dritten Bevölkerungsschutzgesetzes vom 18.11.2020 (BGBl. I Nr. 52 S. 2397) klargestellt, dass kein Anspruch auf Entschädigung besteht, wenn die Quarantäne durch Nichtantritt einer vermeidbaren Reise in ein bereits zum Zeitpunkt der Abreise als Risikogebiet eingestuftes Ziel hätte vermieden werden können. Anspruch auf Entgeltfortzahlung und Entschädigung besteht dementsprechend, wenn der Urlaubsort erst während des Aufenthalts zum Risikogebiet erklärt wird.
Praxistipp:
Eine Reise ist nach § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG dann vermeidbar, wenn keine zwingenden und unaufschiebbaren Gründe für eine entsprechende Reise zum Zeitpunkt der Abreise vorlagen. Entscheidend dafür ist nach der Begründung des Gesetzes die Sicht eines verständigen Dritten. Zu einer nicht vermeidbaren Reise dürften in jedem Fall besondere und außergewöhnliche Umstände führen, wie die Geburt des eigenen Kindes oder das Ableben eines nahen Angehörigen wie eines Eltern- oder Großelternteils oder eines eigenen Kindes. Nicht dazu zählen insbesondere sonstige private oder dienstliche Feierlichkeiten, Urlaubsreisen oder verschiebbare Dienstreisen (BT-Drs. 19/23944 S. 38).
Wird die Quarantäne nicht von der zuständigen Behörde, aber vom Arbeitgeber angeordnet, besteht im Hinblick auf das Betriebsrisiko entsprechend der Grundsätze nach § 615 S. 1 und 3 BGB ein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung (ArbG Dortmund, 24.11.2020 – 5 Ca 2057/20, Berufung ist beim LAG Hamm unter dem Az.: 10 Sa 53/21 anhängig). Das LAG Berlin-Brandenburg hat jedoch in einem Fall, in dem der Arbeitgeber aufgrund eines betrieblichen Hygienekonzepts über die bestehenden Einreiseregeln hinaus eine häusliche Quarantäne angeordnet hatte, entschieden, dass der Arbeitgeber zum Schutz seiner Beschäftigten vor einer Infektion mit dem Coronavirus die Art und Weise der Arbeitserbringung und Ordnung und Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb regeln kann. Dies gelte auch mit der Folge, dass derjenige Arbeitnehmer, der nicht bereit ist, seine Arbeitsleistung entsprechend der (zulässigen) Festlegung zu erbringen, mittelbar seinen Entgeltanspruch verliert (LAG Berlin-Brandenburg, 02.03.2022 - 4 Sa 644/21). Nach der Entscheidung kann der Arbeitgeber aber nicht ohne Konkretisierung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung unmittelbar über den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers disponieren.
Da der Schutz der Mitarbeiter vor Ansteckung auch im Interesse des Betriebes steht, sollte die Quarantäne soweit wie möglich unterstützt werden (z.B. Home-Office). Die entsprechenden Vorkehrungen sollten bereits vor Antritt des Urlaubs getroffen werden. Dabei ist ggf. auch die Personalvertretung zu beteiligen.
Die Reise in ein Hochrisiko- oder Virusvariantengebiet berechtigt den Arbeitgeber nicht zu arbeitsrechtlichen Sanktionen, wie Abmahnung oder Kündigung. Der Arbeitgeber ist aber berechtigt, den Mitarbeiter zu fragen, ob er seinen Urlaub in einem Risikogebiet verbracht hat.
Praxistipp:
Eine umfangreiche Information rund um Entgeltfortzahlung, Kurzarbeit, Sozialversicherung in der Corona-Pandemie enthält eine Broschüre der AOK. Sie kann unter www.aok.de/Medien und Seminare/Broschüren Sozialversicherung kostenlos heruntergeladen werden.
4. Rechtsfolgen der Arbeitsverweigerung
4.1 Allgemeines
Liegt kein Rechtfertigungsgrund (Abschnitt 3) vor, handelt es sich um eine Arbeitsverweigerung, mit der der Arbeitnehmer gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstößt. Für den Betrieb stellt sich dann die Frage, wie er damit umgeht. Dabei geht die Bedeutung in der Regel über den konkreten Einzelfall hinaus; denn es sind die Auswirkungen auf das Betriebsklima, den Betriebsfrieden und die Arbeitsmoral der Kollegen zu bedenken.
Die Arbeitsverweigerung muss nach der Rechtsprechung aber "beharrlich" sein (BAG, 22.10.2015 – 2 AZR 569/14). Dies setzt eine Nachhaltigkeit im Willen voraus. Der Arbeitnehmer muss die von ihm geschuldete Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen, wobei es nicht genügt, dass er eine Weisung des Arbeitgebers schlicht nicht befolgt (st. Rspr., siehe LAG Schleswig-Holstein, 17.10.2013 – 5 Sa 111/13). Keine beharrliche Arbeitsverweigerung liegt vor, wenn dem Mitarbeiter Tätigkeiten angetragen werden, zu deren Ausübung er arbeitsvertraglich nicht verpflichtet ist (LAG Berlin-Brandenburg, 14.11.2018 – 17 Sa 562/18).
Von einer beharrlichen Arbeitsverweigerung ist aber im Fall der Selbstbeurlaubung auszugehen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 27.07.2021 – 2 Sa 25/21; LAG München, 15.04.2021 – 3 Sa 1150/20).
Im Kündigungsschutzprozess trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen (BAG, 21.05.1992 - 2 AZR 10/92). Will der Arbeitnehmer geltend machen, er sei aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert gewesen, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen, muss er diese Gründe genau angeben (BAG, 03.11.2011 - 2 AZR 748/10). Trägt der Arbeitnehmer ausreichend konkret einen Sachverhalt vor, der ihn entlastet, ist es am Arbeitgeber nachzuweisen, dass das Entlastungsvorbringen nicht zutrifft (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 06.11.2018 – 2 Sa 225/17).
Ob der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet war, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage. Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat er grundsätzlich selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist (LAG Sachsen, 31.07.2020 – 2 Sa 398/19).
4.2 Außerordentliche Kündigung
Ein wichtiger Grund "an sich" i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB liegt bei einer beharrlichen Arbeitsverweigerung regelmäßig vor (LAG Berlin-Brandenburg, 14.11.2018 - a.a.O.; LAG Düsseldorf, 24.10.2018 - 12 Sa 106/18 u. LAG Rheinland-Pfalz, 14.07.2021 - 7 Sa 148/20 - Einzelheiten siehe auch Kündigung - außerordentliche: Allgemeines). Voraussetzung ist außerdem, dass dem Betrieb unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Zur Beurteilung dieser Frage ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen (BAG, 14.12.2017 - 2 AZR 86/17 u. LAG München, 15.04.2021 – 3 Sa 1150/20). Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (LAG Rheinland-Pfalz, 04.12.2019 - 7 Sa 109/19).
Daneben ist das Recht zur außerordentlichen Kündigung an weitere Voraussetzungen geknüpft:
Ultima-ratio-Prinzip: Die außerordentliche Kündigung ist nur zulässig, wenn es keine milderen Mittel zur Beseitigung der Leistungsstörung gibt. Zu nennen wäre hier zunächst die Ermahnung. Damit wird formlos dem Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens vor Augen geführt und er wird zu vertragskonformem Handeln aufgefordert.
Für die Wirksamkeit der Kündigung ist in der Regel eine vorherige Abmahnung erforderlich. Mit ihr wird das vertragswidrige Verhalten beanstandet und der Arbeitnehmer erhält die Warnung, dass im Wiederholungsfall eine Kündigung erfolgt (st. Rspr., vgl. LAG Nürnberg, 01.06.2021 - 7 Sa 473/20). Nach der Abmahnung ist aufgrund des gleichen Sachverhalts keine Kündigung mehr zulässig. Erst bei Wiederholung der Arbeitsverweigerung kann gekündigt werden.
Wird aus dem Verhalten des Mitarbeiters der nachhaltige Wille des Arbeitnehmers erkennbar, auch künftig seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nicht nachkommen zu wollen, ist eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich (BAG, 17.06.1992 – 2 AZR 568/91 m.w.N.; LAG Nürnberg, 01.06.2021 – a.a.O.).
Geeignetheit: Die außerordentliche Kündigung muss geeignet sein, die Leistungsstörung zu beseitigen. Dies dürfte in der Regel der Fall sein, da mit Auflösung des Arbeitsvertrages keine Leistungspflicht des Mitarbeiters mehr besteht.
Angemessenheit: Ob die Kündigung angemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Eine Rolle spielen z.B. dabei die Häufigkeit der Arbeitsverweigerung, deren Schwere und die Dauer der bisherigen Beschäftigung. Das Interesse des Betriebes an einer sofortigen Vertragsbeendigung muss gegenüber dem Interesse des Mitarbeiters an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überwiegen.
Bei der außerordentlichen Kündigung muss die Kündigungsfrist gem. § 626 Abs. 2 BGB von zwei Wochen eingehalten werden. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, an dem dem Kündigenden die maßgebenden Tatsachen bekannt werden.
Wenn eine Teilzeitkraft nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag verpflichtet ist, montags und freitags zu arbeiten, die tatsächliche und vom Arbeitgeber akzeptierte Praxis dem aber nicht entspricht, sondern die Arbeit meist mittwochs und samstags erfolgt ist, so ist es dem Arbeitgeber zumutbar, die Arbeitnehmerin während der ordentlichen Kündigungsfrist noch wie bisher zu beschäftigen. Eine außerordentliche Kündigung scheidet aus diesem Grund aus (LAG Düsseldorf, 24.10.2018 – 12 Sa 106/18).
Der eigenmächtige Antritt eines vom Arbeitgeber nicht gewährten Urlaubs durch den Arbeitnehmer ist bei einer Prozessbeschäftigung durch auflösend bedingte Fortsetzung des Arbeitsvertrags "an sich" geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien darzustellen (BAG, 20.05.2021 - 2 AZR 457/20).
4.3 Ordentliche Kündigung
Sofern die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung nicht vorliegen, kann auch eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung in Betracht kommen (Einzelheiten siehe Kündigung - verhaltensbedingt: Allgemeines). Ob im Einzelfall eine ordentliche oder eine außerordentliche Kündigung das Mittel der Wahl ist, muss unter Abwägung aller Umstände entschieden werden. Eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung kann sozial gerechtfertigt sein wenn die Arbeit verweigert wird, weil objektiv nicht gerechtfertigte Befürchtungen hinsichtlich sexueller Übergriffe durch zu untersuchende Personen bestehen (LAG Berlin-Brandenburg, 23.03.2017 – 5 Sa 1843/16). Zu den Voraussetzungen siehe § 1 Abs. 1 und § 23 Abs. 1 KSchG.
5. Schadensersatz
Soweit durch die Arbeitsverweigerung ein Schaden entstanden ist, kann der Betrieb dafür Ersatz nach § 280 Abs. 1 und 3 sowie § 283 BGB verlangen. Der Schaden kann z.B. bestehen in
entgangenem Gewinn,
Mehrkosten für eine Ersatzkraft,
Verzugsschaden und Konventionalstrafen, die der Arbeitgeber an seine Kunden leisten muss.
Der Betrieb muss die (nicht gerechtfertigte) Arbeitsverweigerung und deren ursächlicher Zusammenhang mit dem eingetretenen Schaden beweisen können. Voraussetzung ist auch, dass der Schaden beziffert werden kann und der Betrieb der Pflicht zur Schadensminderung nachgekommen ist (§ 254 BGB).
Ggf. ist eine Aufrechnung mit noch bestehenden Lohn- oder Gehaltsforderungen möglich. Bei außerordentlicher Kündigung wegen des vertragswidrigen Verhaltens des Mitarbeiters sieht § 628 Abs. 2 BGB darüber hinaus auch vor, dass dieser den durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses entstandenen Schaden ersetzen muss. Dies gilt auch, wenn das Vertragsverhältnis auf andere Weise beendet wurde und das Verhalten des Arbeitnehmers als wichtiger Grund für die Beendigung des Arbeitsvertrages i.S.d. § 626 BGB zu werten ist (st. Rspr. siehe BAG, 08.08.2002 – 8 AZR 574/01). Eine Nettoschadenersatzforderung kann nicht mit einer Bruttoforderung aufgerechnet werden, da es insoweit an der notwendigen Gleichartigkeit i.S.v. § 387 BGB fehlt (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 12.12.2018 – 3 Sa 123/18).