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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Stolpersteine - Ehrenamt
Stolpersteine - Ehrenamt
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Ehrenamtliche Tätigkeiten sind in der Bundesrepublik Deutschland sehr verbreitet: Nach einer Umfrage der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse gab es im Jahr 2020 in Deutschland 17,11 Millionen ehrenamtlich tätige Menschen. Bei der arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung gelten viele Besonderheiten. Der Beitrag geht hierauf ein und gibt Ihnen Tipps, wie Sie unliebsame Überraschungen vermeiden können.
In vielen Unternehmen ergeben sich im Zusammenhang mit der ehrenamtlichen Tätigkeit von Mitarbeitern Diskussionen um die Frage, ob und inwieweit ein Anspruch auf (ggf. bezahlte) Freistellung besteht. Generell besteht ein solcher Anspruch nicht. In Teilbereichen wird ein Freistellungsanspruch durch Regelungen der Bundesländer eingeräumt.
2. Erwerbstätigkeit oder Ehrenamt?
2.1 Welche Betriebe kommen in Betracht?
Ein Ehrenamt kann von seiner Zielsetzung her in der Regel nur bei Unternehmen ausgeübt werden, die gemeinnützig sind. Privatwirtschaftliche und auf Gewinnerzielung gerichtete Firmen können daher normalerweise keine ehrenamtlichen Mitarbeiter beschäftigen. Typische Betriebe, in denen ein Ehrenamt in Betracht kommt, sind
Öffentliche Arbeitgeber, wie Gemeinden, Gemeindeverbände etc.,
Kirchliche Einrichtungen mit sozialer Ausrichtung (Caritas, Innere Mission etc.),
Wohlfahrtsorganisationen, wie Arbeiter-Samariter-Bund, Malteser, DRK etc.
Vereine (z.B. Sport-, Musik- oder Wandervereine), soweit die Tätigkeit nicht im Rahmen des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes (z.B. Vereinsgaststätte) erfolgt. Eine Mitgliedschaft in dem jeweiligen Verein oder eine verbindliche Zusage für den Einsatz in einer bestimmten Tätigkeit ist nicht immer Bedingung für eine ehrenamtliche Tätigkeit (hier: Anspruch auf Bildungsurlaub für die Qualifizierung eines Arbeitnehmers zum Übungsleiter nach dem Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg – LAG Baden-Württemberg, 12.11.2020 – 3 Sa 97/19).
Teilweise kann aber nicht allein auf die wirtschaftliche Ausrichtung des Arbeitgebers abgestellt werden. So sind z.B. Patientenbeauftragte oder als Grüne Damen oder Grüne Herren in Krankenhäusern unentgeltlich tätige Bürger auch dann als ehrenamtlich tätige Mitarbeiter einzustufen, wenn der Träger der Einrichtung privatwirtschaftlich und gewinnorientiert arbeitet.
2.2 Bedingungen für eine ehrenamtliche Tätigkeit
Der Mitarbeiter strebt beim Ehrenamt - im Gegensatz zur Erwerbstätigkeit – keine der Arbeitsleistung entsprechende Gegenleistung an. Sein Einsatz ist von dem Willen geprägt, sich für das Gemeinwohl einzusetzen (BAG, 29.08.2012 – 10 AZR 499/11). Er erwartet keine seiner Arbeitsleistung entsprechende Vergütung. Anders als bei Arbeitsverhältnissen besteht beim Ehrenamt auch keine persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber, insbesondere auch kein umfassendes Weisungsrecht. Dies gilt selbst dann, wenn z.B. ehrenamtlich tätige Vorstände neben den Repräsentations- auch Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, soweit diese der organschaftlichen Stellung entsprechen (BSG, 16.08.2017 – B 12 KR 14/16 R). Das Fehlen des Weisungsrechts schließt aber nicht aus, dass für den Mitarbeiter Rahmenbedingungen für seine Tätigkeit festgelegt sind (z.B. generelle inhaltliche Vorgaben, verpflichtende Teilnahme an Schulungen, Dienstpläne etc.). Wesen des Arbeitsverhältnisses ist der Austausch von Arbeit und Vergütung. Es entspricht nicht dem Wesen eines Arbeitsvertrages, wenn ein Mitarbeiter frei entscheiden kann, ob und wann er sich in Dienstpläne einträgt und erst dann zur Leistung des Dienstes verpflichtet ist, wenn er sich eingetragen hat (LAG Berlin-Brandenburg, 06.12.2018 – 14 Sa 1501/18 – offen gelassen, ob es sich um ein Ehrenamt oder einen freien Dienstvertrag handelte).
Bei der Zuordnung zum Arbeitsverhältnis bzw. zu der ehrenamtlichen Tätigkeit sind in einer Gesamtschau alle Umstände zu betrachten und zu werten. Die Entscheidung muss dann danach erfolgen, welche Merkmale überwiegen und das Rechtsverhältnis insgesamt unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung prägen. Weichen die vertraglichen von den tatsächlichen Gegebenheiten ab, sind letztere maßgebend (BSG, 19.08.2003 – B 2 U 38/02 – NZS 2004, 136).
Die Bezeichnung "freiwilliger Mitarbeiter" belegt nicht, dass der Betroffene ehrenamtlich tätig sein sollte. Jeder Arbeitnehmer geht sein Arbeitsverhältnis – abgesehen von etwaigen finanziellen Zwängen – grundsätzlich "freiwillig" ein, die Freiwilligkeit besagt somit nichts über die rechtliche Einordnung des Vertrages. Entscheidend ist auch bei Tätigkeiten im religiösen oder karitativen Bereich die Art der Beschäftigung. Fahr- und Auslieferdienste nach Weisung deuten auf ein Arbeitsverhältnis hin (LAG Sachsen, 21.03.2022 - 2 Sa 68/21).
Kriterien für die Abgrenzung Arbeitsverhältnis/ Ehrenamt (Beispiele)
Kriterium | Arbeitsverhältnis | Ehrenamt | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Rechtsgrundlage | Privatrechtlicher Vertrag (mündlich oder schriftlich), der einerseits die Leistung weisungsgebundener Arbeit, andererseits die Zahlung einer Vergütung vorsieht Siehe hierzu § 611a Abs. 1 BGB. | Vereinbarung ohne rechtliche oder tatsächliche Verpflichtung, z.B. in einem öffentlichen bzw. gemeinnützigen Unternehmen, einer Körperschaft, einem Verein o.ä. unentgeltlich tätig zu sein. Nur ausnahmsweise besteht eine Verpflichtung zur Ausübung eines Ehrenamtes. Teilweise auch Begründung des Rechtsverhältnisses durch öffentliche Berufung. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Vergütung | Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung der vereinbarten bzw. angemessenen Vergütung. Siehe hierzu § 611a Abs. 2 BGB. | Keine Bezahlung der Arbeitsleistung. Unschädlich ist eine Aufwandsentschädigung oder ein Auslagenersatz (Einzelheiten siehe auch Abschnitte 2 und 3). | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Gesetzlicher Rahmen | Anwendung der einschlägigen Gesetze, insbesondere der Regelungen zum Schutz des Arbeitnehmers. | Rechtsverhältnisse sind nur teilweise gesetzlich geregelt. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Kündigung | Es sind die Kündigungsfristen zu beachten. Außerdem ist das Kündigungsrecht des Arbeitgebers eingeschränkt, insbesondere durch das Kündigungsschutzgesetz. Die Schriftform ist zwingend zu beachten. | Das Ehrenamt kann von beiden Seiten jederzeit ohne Einhaltung von Fristen beendet werden. |
Unterliegt ein Kreishandwerksmeister keinen Weisungen bezüglich Art, Ort und Zeit seiner Tätigkeit und ist er nicht wie ein Arbeitnehmer in die Organisation der Kreishandwerkerschaft eingebunden, liegt trotz Zahlung einer pauschalen Aufwandsentschädigung auch dann kein Beschäftigungsverhältnis i.S.d. Sozialversicherung (§ 7 Abs. 1 SGB IV) vor, wenn er über reine Repräsentationsaufgaben auch Verwaltungstätigkeiten zu verrichten hat. Dies gilt zumindest, wenn diese Verwaltungstätigkeiten sich aus der organschaftlichen Stellung als Vorsitzender des Vorstandes der Kreishandwerkerschaft ergeben und die Tätigkeit ohne erkennbare Erwerbsabsicht ausgeübt wird (BSG, 16.08.2017 – B 12 KR 14/16 R).
Träger eines Ehrenamtes im kommunalen Bereich (wie ehrenamtliche Bürgermeister und Ortsvorsteher) stehen in einer abhängigen Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV, wenn sie über Repräsentationsfunktionen hinaus dem allgemeinen Erwerbsleben zuzurechnende Verwaltungsaufgaben wahrnehmen und hierfür eine den tatsächlichen Aufwand übersteigende pauschale Aufwandsentschädigung erhalten (st. Rechtsprechung, BSG, 27.01.2010 – B 12 KR 3/09 R [zum stellvertretenden Landrat in Bayern]; LSG Schleswig-Holstein, 25.06.2015 – L 5 KR 125/13 [zum ehrenamtlichen Bürgermeister]). Ehrenamtlich tätige Ortsvorsteher im Freistaat Sachsen sind nicht abhängig beschäftigt (LSG Sachsen, 21.02.2019 – L 2 KR 262/13). Nach Auffassung des Gerichts übten die betroffenen Ortsvorsteher keine Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes aus, die eine Zuordnung zu einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis rechtfertigen könnten. Die Tätigkeit der Betroffenen erhalte ihr Gepräge durch die Verfolgung ideeller Zwecke und Unentgeltlichkeit. Die Auffassung wurde im Revisionsverfahren bestätigt (siehe unten).
Eine Beschäftigung i.S.v. § 7 SGB IV ist daher nur dann auszuschließen, wenn die Tätigkeit sich auf Repräsentationsaufgaben beschränkt, nicht durch Erfüllung von Verwaltungsaufgaben geprägt ist und sich dadurch von der Tätigkeit der hauptamtlichen, unstrittig abhängig beschäftigten Bürgermeister unterscheidet (TOP 1 Besprechung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger vom 22.03.2018).
Das BSG hat in zwei weiteren Revisionsverfahren entschieden, dass die Versicherungspflicht zur Sozialversicherung bei Ortsvorstehern und Bürgermeistern nicht dadurch ausgeschlossen ist, weil sie ihre Tätigkeit zugleich als Ehrenbeamte ausüben. Es kommt vielmehr darauf an, inwieweit sie in ihrer Tätigkeit Weisungen unterliegen und konkret in Verwaltungsabläufe eingegliedert, z.B. Dienstvorgesetzte sind. Außerdem ist es von entscheidender Bedeutung, ob die Betroffenen eine Gegenleistung erhalten, die sich als Arbeitsentgelt und nicht als Aufwandsentschädigung für eine von ideellen Zwecken geprägte Tätigkeit darstellt. Die Gegenleistung darf unter Berücksichtigung bestimmter Merkmale, wie Höhe, Bemessung, steuerrechtliche Ehrenamts- und kommunalrechtliche Entschädigungspauschalen – nicht evident über den tatsächlichen Aufwand des Ehrenamts hinausgehen. Dies ist in jedem Einzelfall zu prüfen.
Zu den Ortsvorstehern hat das BSG außerdem entschieden, dass diese entsprechend der geschilderten Kriterien nicht abhängig beschäftigt sind, wenn sie im Wesentlichen (ausschließlich) ihr Wahlamt ausüben und daher weder weisungsgebunden noch in die Verwaltungsabläufe der Kommune eingegliedert sind. Für die Beurteilung kommt der Ausgestaltung der Organstellung durch das Landeskommunalrecht, das Satzungsrecht der Gemeinde und die Vereinbarungen zur Eingemeindung der Ortsteile maßgebende Bedeutung zu. Eine für das Ehrenamt gezahlte Aufwandsentschädigung ist nicht beitragspflichtig, wenn sie nicht offensichtlich eine verdeckte Vergütung ist. Ist die Tätigkeit unter Berücksichtigung dieser Merkmale nicht objektiv von einer Erwerbsabsicht, sondern von ideellen und unentgeltlichen Zwecken geprägt, steht der Ortsvorsteher nicht in einer abhängigen Beschäftigung (BSG, 27.04.2021 – B 12 KR 25/19 R).
Bürgermeister, die nicht nur Vorsitzende des Stadtrates, sondern auch die Spitze der Verwaltung und Dienstvorgesetzte sind und die dafür eine Entschädigung erhalten, die deutlich über die steuerrechtliche Ehrenamtspauschale hinausgeht, sind dagegen grundsätzlich abhängig beschäftigt und daher versicherungspflichtig in der Sozialversicherung (BSG, 27.04.2021 – B 12 R 8/20 R). Auch wenn die Tätigkeit des Bürgermeisters nach dem Kommunal- und Satzungsrecht als ehrenamtlich bezeichnet werde, sei sie im Einzelfall häufig nicht durch ideelle Zwecke und Unentgeltlichkeit geprägt. Ehrenamt und Sozialversicherungspflicht schlössen sich nicht gegenseitig aus, wie § 27 Abs. 3 Nr. 4 SGB III deutlich mache.
Die Tätigkeit hessischer Gemeindevertreter oder Stadtverordneter ist im Regelfall keine abhängige Beschäftigung i.S.d. Sozialrechts (LSG Hessen, 17.03.2022 – L 1 KR 412/20).
Im Gegensatz zu den ehrenamtlichen Organtätigkeiten in der kommunalen Selbstverwaltung (Bürgermeister, Ortsvorsteher) schließen aufgrund dieser Rechtsprechung in der funktionalen Selbstverwaltung (bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wie Sozialversicherungsträgern, Kreishandwerkerschaften, Industrie- und Handelskammern, Innungen und berufsständische Kammern) die folgenden Kriterien ein Beschäftigungsverhältnis aus:
Die Tätigkeit wird nicht im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis ausgeübt.
Es gibt keine Weisungen hinsichtlich Art, Zeit oder Ort der Tätigkeit und keine arbeitnehmertypische Einbindung in die Arbeitsorganisation.
Das Ehrenamt wird nicht um einer finanziellen Gegenleistung willen erbracht.
Das Fehlen der Beschränkung der Tätigkeit auf Repräsentationsaufgaben ist unerheblich. Aufgaben und Tätigkeiten, die Ausfluss der organschaftlichen Stellung in der funktionalen Selbstverwaltung sind und daher nicht für jedermann frei zugänglich sind, führen nicht zu der für eine abhängige Beschäftigung charakteristischen persönlichen Abhängigkeit.
Die Frage, bis zu welchem Grenzbetrag eine Aufwandsentschädigung nicht als verdeckte Entlohnung für eine Erwerbstätigkeit anzusehen ist, ist nicht gesetzlich geregelt. Das BSG geht in seinem Urteil vom 27.04.2021 (B 12 R 8/20 R) davon aus, dass eine Vergütung, die weder auf die steuerrechtlichen Ehrenamtspauschalen noch auf die im kommunalen Entschädigungsrecht vorgesehenen Aufwandsentschädigungen für hauptamtlich Bürgermeister begrenzt ist, die Anerkennung als sozialversicherungsrechtlich unentgeltliche Tätigkeit ausschließt. Die Sozialversicherungsträger gehen davon aus, dass eine Entschädigung, die gesetzlich oder durch Satzung festgelegt und nicht von den Aufsichtsbehörden beanstandet worden ist, einer unentgeltlichen ehrenamtlichen Tätigkeit nicht entgegensteht.
Eine abhängige Beschäftigung wird jedoch im Übrigen weder durch die Wahrnehmung des Ehrenamtes noch durch die öffentlich-rechtliche Organstellung gehindert. Siehe hierzu TOP 1 Besprechung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger vom 22.03.2018; dort sind auch weitere wichtige Grundsätze für die versicherungsrechtliche Beurteilung dargestellt.
Das Haftungsprivileg für unentgeltlich tätige Organmitglieder oder besondere Vertreter sowie für Vereinsmitglieder (§§ 31a, 31b BGB) wurde entsprechend der erhöhten Ehrenamtspauschale Vergütungen bis 840 EUR jährlich angehoben (siehe Art. 10 des Siebten Gesetzes zur Änderung von Verbrauchssteuergesetzen vom 30.03.2021 (BGBl. I. Nr. 14 S. 607).
Ihm missliebige Beschlüsse der Mitgliederversammlung kann ein Vorstand eines eingetragenen Vereins rechtlich nicht verhindern. Dass ein Trainer bzw. Vereinssportlehrer zugleich Vorstandsvorsitzender des Vereins ist, ist für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung seiner Trainertätigkeit als selbständig oder abhängig beschäftigt daher ohne Bedeutung (LSG Mecklenburg-Vorpommern, 24.02.2022 - L 4 R 73/15).
Zur sozialversicherungsrechtlichen Einordnung nebenamtlicher Vorstandsmitglieder einer eingetragenen Genossenschaft, deren tatsächlich ausgeübte Tätigkeit sich in ihrer Organstellung und damit der Mitwirkung bei der Willensbildung des Vorstands und der gesetzlichen Vertretung der Genossenschaft nach außen erschöpfte, ist unter dem Az. B 12 R 11/21 R ein Revisionsverfahren anhängig.
Leisten Mitarbeiter neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit bei dem gleichen Arbeitgeber ehrenamtliche Schichten, für die sie eine pauschale Aufwandsentschädigung erhalten, ist diese Nebentätigkeit nicht als Ehrenamt, sondern als Teil der nichtselbstständigen Haupttätigkeit anzusehen. Eine steuerliche Begünstigung i.S.v. § 3 Nr. 26 EStG (Übungsleiterpauschale) scheidet daher aus (BFH 11.12.2017 – VI B 75/17).
Die Beauftragung, bestimmte Aufgaben im Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit zu erledigen, darf nach der Rechtsprechung nicht zur Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Bestimmungen erfolgen. Auch der Anspruch auf den Mindestlohn kann nicht abbedungen werden (§ 3 MiLoG).
Praxistipp:
Nach § 22 Abs. 3 MiLoG gilt der Mindestlohn nicht für ehrenamtliche Tätigkeiten. Im Hinblick auf die staatliche Überwachung durch die Zollbehörden ist es wichtig, die Zuordnung im Zweifel sehr genau zu prüfen und zu dokumentieren.
Beim Ehrenamt handelt es sich regelmäßig auch nicht um eine selbstständige Tätigkeit. Dabei sind die Grenzen zwischen berufsmäßiger Tätigkeit im Rahmen eines selbstständigen Dienstvertrages und eines Ehrenamtes fließend. Auch hierbei kommt es im Zweifel nicht auf die vertraglichen Regelungen, sondern die tatsächlichen Verhältnisse an. Rechtlich kann es sich bei der ehrenamtlichen Tätigkeit um ein Auftragsverhältnis i.S.d. §§ 662 ff. BGB handeln (so zum Rettungsassistenten LAG Schleswig Holstein, 23.11.2016 – 3 Sa 214/16). Durch die Annahme eines Auftrags verpflichtet sich der Beauftragte, ein ihm von dem Auftraggeber übertragenes Geschäft für diesen persönlich und unentgeltlich zu besorgen.
2.3 Gegenleistung für die Tätigkeit
In Betracht kommt im Rahmen eines Ehrenamtes allenfalls eine Aufwandsentschädigung, mit der die infolge der Tätigkeit entstehenden Mehrkosten abgegolten werden sollen. Auch eine pauschale Aufwandsentschädigung ist grundsätzlich unschädlich, soweit ein angemessener Rahmen nicht überschritten wird. Dies gilt, wenn der Aufwendungsersatz konkrete oder pauschal berechnete Aufwände abdeckt. Auch wenn die Aufwandsentschädigung bzw. der Aufwendungsersatz pauschal erfolgen, muss aber erkennbar sein, dass letztlich tatsächlich entstandener Aufwand bzw. tatsächlich entgangener Verdienst ersetzt wird (LSG Nordrhein-Westfalen, 13.02.2019 – L 8 BA 52/18). Wird dagegen für die Tätigkeit eine Vergütung gezahlt, liegt eine Erwerbstätigkeit vor, die je nach Ausprägung der Weisungsbefugnis als Arbeitsverhältnis oder Dienst- bzw. Werkvertrag einzustufen ist. Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, für die Arbeitsleistung eine Vergütung zu zahlen. Dabei ist dann auch der Mindestlohn zu beachten. Das BSG geht in seinem Urteil vom 27.04.2021 (B 12 R 8/20 R) davon aus, dass eine Vergütung, die weder auf die steuerrechtlichen Ehrenamtspauschalen noch auf die im kommunalen Entschädigungsrecht vorgesehenen Aufwandsentschädigungen für hauptamtlich Bürgermeister begrenzt ist, die Anerkennung als sozialversicherungsrechtlich unentgeltliche Tätigkeit ausschließt.
Ein Vorstandsmitglied einer gemeinnützigen Stiftung des bürgerlichen Rechts, der für seine Tätigkeit neben der Erstattung von Aufwendungen eine Vergütung für den Zeitaufwand zwischen 20.000 und 60.000 EUR jährlich erhält, steht in einer abhängigen Beschäftigung. Nach einer Entscheidung des BSG kann nicht von einer unentgeltlichen ehrenamtlichen Tätigkeit ausgegangen werden, weil die heranzuziehenden Grenzwerte u.a. für die Haftungsprivilegierung im Vereinsrecht oder für die Steuerfreiheit ehrenamtlicher Tätigkeit überschritten werden (BSG, 23.02.2021 – B 12 R 15/19 R).
Eine Beschäftigung kann auch vorliegen, wenn das Vorstandsmitglied durch ein doppeltes Stimmrecht Vorstandsbeschlüsse blockieren kann und es auch kein weiteres Organ gibt, das den Vorstand kontrolliert (LSG Berlin-Brandenburg, 25.01.2022 – L 1 BA 28/19).
Die Statusabgrenzung ist danach vorzunehmen, ob neben den zur Ausübung des Wahlamtes erforderlichen Aufgaben noch darüberhinausgehende Pflichten zu erfüllen sind. Verwaltungsaufgaben führen zu Weisungsgebundenheit und Eingliederung, soweit sie unter arbeitsteiliger Inanspruchnahme der vorhandenen Organisation übertragen werden und es sich um Tätigkeiten handelt, auch von Dritten erbracht werden könnten. Für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen. Führt die objektive Betrachtung zu dem Ergebnis, dass die Arbeitsleistung zu Erwerbszwecken erbracht wird, ist die Tätigkeit nicht als Ehrenamt, sondern als abhängige Beschäftigung einzuordnen. Dabei spricht für die Beschäftigung auch, wenn monatlich feste Beträge nicht für den mit dem Amt verbundenen Aufwand, sondern auch als Vergütung für Verwaltungsaufgaben gezahlt werden. Weitere Einzelheiten siehe auch summa summarum 3/2022 S. 11ff.
Praxistipp:
In Zweifelsfällen kann es sinnvoll sein, bei der Deutschen Rentenversicherung Bund einen Antrag auf Statusfeststellung zu stellen. Formulare gibt’s unter Deutsche Rentenversicherung.de/ Formularnummern V 0027/ V 0028. Soweit die Rentenversicherung feststellt, dass kein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, hat dies erhebliche Beweiswirkung auch hinsichtlich der Zahlung des Mindestlohnes.
3. Steuerrecht
Grundsätzlich unterliegen die Einnahmen aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit wie alle anderen Einkünfte der Steuerpflicht, wenn – auch nur als Nebenzweck – die Erzielung von Einnahmen angestrebt wird. Es sind aber Ausnahmeregelungen zu beachten.
3.1 Auslagenersatz
Nicht der Steuerpflicht unterliegen Zahlungen, die lediglich dazu dienen, entstandene Selbstkosten zu decken (wie z.B. Fahrtkosten oder Mehrkosten für Verpflegung). Voraussetzung ist in der Regel, dass die Auslagen einzeln nachgewiesen und mit dem jeweiligen Betrieb einzeln abgerechnet werden. Eine Pauschalierung ist ausnahmsweise möglich, wenn es sich um regelmäßig wiederkehrende Aufwendungen handelt und ein Nachweis für einen repräsentativen Zeitraum von drei Monaten erfolgt ist (R 3.50 LStR 2023). Ansonsten führt ein pauschaler Auslagenersatz immer zur Steuerpflicht.
Bleibt der Auslagenersatz steuerfrei, können die mit der ehrenamtlichen Tätigkeit zusammenhängenden Kosten nicht als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben geltend gemacht werden.
3.2 Aufwandsentschädigungen
Aufwandsentschädigungen sind grundsätzlich als steuerpflichtige Einkünfte zu betrachten. Im Gegensatz dazu hat das LSG Hessen entschieden, dass die Aufwandsentschädigung einer Stadtverordneten weder Arbeitsentgelt i.S.d. Steuerrechts noch Arbeitseinkommen i.S.d. Sozialversicherung ist. Es liege keine abhängige Beschäftigung vor, da weder Weisungsabhängigkeit noch eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation bestehe. Daher fallen keine Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherung an. Auch eine Zuordnung zum Arbeitseinkommen sei ausgeschlossen, da es sich um einen Auslagenersatz handle, der nicht zu einer Vermögensvermehrung führe (LSG Hessen, 20.04.2022 – L 1 KR 412/20). Zugunsten der ehrenamtlich tätigen Bürger hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Ausnahmen festgelegt:
Aufwandsentschädigungen aus öffentlichen Kassen, die an Personen gezahlt werden, die öffentliche Dienste wahrnehmen, bleiben steuerfrei (§ 3 Nr. 12 EStG). Dies gilt nur dann nicht, wenn die Entschädigung den Aufwand des Empfängers offenbar übersteigt oder sie für Verdienstausfall bzw. Zeitverlust gezahlt wird. Die steuerfreien Mindestbeträge für Aufwandsentschädigungen aus öffentlichen Kassen sind rückwirkend ab 01.01.2021 von 200 auf 250 EUR monatlich und für gelegentliche ehrenamtliche Tätigkeiten von sechs auf acht EUR am Tag angehoben werden.
Durch die Übungsleiterpauschale sind Einnahmen aus nebenberuflicher Tätigkeit seit 01.01.2021 3.000 EUR jährlich steuerfrei. Der Zeitumfang der nebenberuflichen Tätigkeit darf nicht mehr als ein Drittel einer vollen Erwerbstätigkeit ausmachen. Die Pauschale kommt u.a. in Betracht für Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, künstlerische Tätigkeiten oder für die Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen. Die Tätigkeit als Betreuer setzt sowohl eine pädagogische Ausrichtung als auch den direkten persönlichen Kontakt voraus (BFH, 03.07.2018 – VIII R 28/15). Die Arbeiten müssen im Dienst einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts (z.B. Kommunen oder Religionsgemeinschaften) oder einer gemeinnützigen Körperschaft (Sportvereine, DRK etc.) ausgeführt werden. Darüber hinaus ist Voraussetzung, dass die Tätigkeit der Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke dient. Die Übungsleiterpauschale können z.B. Sporttrainer, Chorleiter, Dozenten der Volkshochschulen, Hilfskräfte im Rahmen der ambulanten Pflege oder ehrenamtliche Rettungssanitäter in Anspruch nehmen (siehe auch R 3.26 LStR 2023). Auch nebenamtlich tätige Helfer in Corona-Impfzentren, die im Rahmen von Aufklärungsgesprächen oder direkt an der Impfung beteiligt sind, profitieren von dem Steuervorteil. Für Helfer, die sich in der Verwaltung und der Organisation engagieren, gilt der niedrigere Ehrenamtsfreibetrag.
Es handelt sich um einen Freibetrag – sind die Einnahmen höher, ist nur der übersteigende Betrag zu versteuern. In Bezug auf eine Aufwandsentschädigung, die eine ehrenamtliche Betreuerin aus der Landeskasse Baden-Württemberg erhält, hat das FG Baden-Württemberg entschieden, dass diese nur bis zur Übungsleiterpauschale steuerfrei ist. Die Steuerfreiheit der Entschädigungen an ehrenamtliche Betreuer ist nach § 3 Nr. 26b EStG gegenüber § 3 Nr. 12 EStG vorrangig (FG Baden-Württemberg, 06.03.2019 – 2 K 317/17 – Revision unter dem Az.: VIII R 20/19 anhängig). Werbungskosten können bei Inanspruchnahme der Übungsleiterpauschale nur geltend gemacht werden, wenn die Einnahmen aus der Tätigkeit und auch die jeweiligen Ausgaben den Freibetrag übersteigen (R 3.26 [9] LStR 2023). Für nebenberuflich für eine gemeinnützige Einrichtung tätige Fahrer, die Pflegebedürftige zur teilstationären Tagespflege und zurück bringen und dabei auch pflegerische Tätigkeiten ausüben, gilt der Übungsleiter-Freibetrag nach § 3 Nr. 26 EStG(FG Baden-Württemberg, 08.03.2018 – 3 K 888/16).
Verluste aus einer nebenberuflichen Tätigkeit als Übungsleiter sind auch dann steuerlich zu berücksichtigen, wenn sowohl die Einnahmen als auch die Ausgaben den Übungsleiterfreibetrag nicht übersteigen. Voraussetzung ist, dass der Übungsleiter mit seiner Tätigkeit Gewinne erzielen will (BFH, 20.11.2018 – VIII R 17/16).
Die Ehrenamtspauschale nach § 3 Nr. 26a EStG beträgt seit 01.01.2021 840 EUR jährlich. Auch hier darf die ehrenamtliche Tätigkeit nicht mehr als ein Drittel des Zeitumfangs einer vollen Erwerbstätigkeit ausmachen. Im Gegensatz zur Übungsleiterpauschale ist die Ehrenamtspauschale nicht auf bestimmte Tätigkeiten beschränkt. In Betracht kommt sie z.B. für Vorstandsmitglieder in Vereinen, für Fahrdienste von Eltern zu Auswärtsspielen, für Platzwarte und ehrenamtliche Schiedsrichter im Amateursport (nicht begünstigt sind die Amateursportler selbst). Die Zahlungen dürfen nicht unangemessen hoch sein. Auch hier handelt es sich um einen Freibetrag. Übungsleiter- und Ehrenamtspauschale können für die gleiche Tätigkeit nicht nebeneinander in Anspruch genommen werden. Weitere Einzelheiten siehe BMF-Schreiben vom 25.11.2008, Az: IV C 4 - S 2121/07/0010. Der Freibetrag nach § 3 Nr. 26a EStG ist ein Jahresbetrag, der nur einmalig für sämtliche Einkünfte i.S. dieser Vorschrift zu gewähren ist (BFH, 03.07.2018 – VIII R 28/15).
Erhält ein Steuerpflichtiger im Rahmen seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Versichertenberater und Mitglied eines Widerspruchsausschusses Entschädigungen für Zeitaufwand, liegen weder die Voraussetzungen des § 3 Nr. 26 EStG (Übungsleiterpauschale) noch die Voraussetzungen nach § 3 Nr. 12 EStG (Aufwandsentschädigung aus öffentlicher Kasse) vor. Steuerfrei sind die Einkünfte lediglich im Umfang der Ehrenamtspauschale nach § 3 Nr. 26a EStG(BFH, 03.07.2018 – VIII R 28/15). Pauschale Entschädigungen für Zeitaufwand und für Tätigkeiten im Rahmen der Vor- und Nachbereitung für Sitzungen sind für ein Mitglied der Selbstverwaltung von Körperschaften des öffentlichen Rechts sind steuerpflichtig (FG Münster, 31.10.2018 – 7 K 1976/17 E).
Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern über die Behandlung eines Teils des Arbeitsentgelts als Übungsleiterpauschale unterliegen nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates. Die Übungsleiterpauschale bezeichnet per se weder eine besondere arbeitsrechtliche Methode der Entgeltfindung noch eine besondere Strukturform des Entgelts. Es handelt sich vielmehr um einen Begriff für einen bestimmten steuerrechtlichen Tatbestand, der letztlich nicht die Höhe der Bruttovergütung beeinflusst, sondern nur den Nettobetrag. Daher liegen die Voraussetzungen für die Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht vor (LAG Düsseldorf, 06.07.2018 – 10 TaBV 14/18).
4. Sozialversicherung
Das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung i.S.d. Sozialversicherung wird nach der Rechtsprechung des BSG weder durch die Wahrnehmung eines Ehrenamtes noch durch eine öffentlich-rechtliche Organstellung ausgeschlossen. Es kommt auf die Gesamtumstände des Einzelfalles an. Eine persönliche Abhängigkeit, die zur Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses führt, ist ausgeschlossen, wenn der Betroffene nur Aufgaben wahrnimmt, die Ausfluss der organschaftlichen Stellung des Ehrenamtes sind. Eine Beschäftigung kann vorliegen, wenn darüber hinaus weitere Tätigkeiten, wie z.B. die Erledigung laufender Verwaltungsgeschäfte wahrgenommen werden (Einzelheiten siehe TOP 1 der Niederschrift über die Besprechung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger vom 05.05.2022).
Soweit der jeweilige Bezug nicht steuerpflichtig ist (siehe Abschnitt 3), sind auch keine Beiträge zur Sozialversicherung zu zahlen. Mit der Frage, ob eine rückwirkende Korrektur des Beitragsabzuges erfolgen kann, wenn ursprünglich der Steuerfreibetrag nach § 3 Nr. 26 EStG nicht berücksichtigt wurde, hat sich das BSG mit Urt. vom 16.12.2015 – B 12 R 1/14 R beschäftigt. Der Rechtsstreit wurde u.a. wegen fehlender Tatsachenfeststellungen an das LSG Rheinland-Pfalz zurückverwiesen. Das BSG hat jedoch betont, dass es für die Frage der Beitragspflicht grundsätzlich auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entgeltzahlung und der Beitragsentrichtung ankommt. Lediglich zur Korrektur von Abrechnungsfehlern kann der Sozialversicherungsbeitrag nachträglich berichtigt werden. Die Sozialversicherungsträger dürfen bei der Beurteilung von Arbeitseinkommen nicht ungeprüft die steuerliche Beurteilung der Finanzbehörden zugrunde legen, sondern haben eine eigenständige Bewertung vorzunehmen (LSG Hessen, 17.03.2022 – L 1 KR 415/20).
Darüber hinaus werden die steuerfreien Beträge bei der Beurteilung der Versicherungspflicht nicht als Arbeitsentgelt berücksichtigt. Es besteht die unwiderlegbare Vermutung, dass Einnahmen bis zur Höhe des Übungsleiterfreibetrages als steuerfreie Aufwandsentschädigung und nicht als Arbeitsentgelt anzusehen sind (LSG Baden-Württemberg, 21.02.2019 – L 10 BA 1824/18). Dies ist auch auf die Ehrenamtspauschale anwendbar. Dadurch kann z.B. ein nebenberuflicher Übungsleiter im Sportverein bei Verdiensten bis 770 EUR (Wert seit 01.10.2022) versicherungsfrei bleiben: 250 EUR monatlich werden als Übungsleiterfreibetrag nicht als Arbeitsentgelt berücksichtigt, dazu kommt die Geringfügigkeitsgrenze für die Versicherungsfreiheit von Mini-Jobs.
Übungsleiter- und Ehrenamtspauschale können entweder am Jahresanfang berücksichtigt werden, bis sie aufgebraucht sind oder kontinuierlich in gleicher Höhe (also z.B. die Übungsleiterpauschale mit 250 EUR monatlich). Dies kann der Arbeitnehmer festlegen. Zu berücksichtigen ist aber, dass sich dies nicht nur auf die Höhe der Beiträge, sondern auch auf die Beurteilung der Versicherungspflicht auswirkt. Verbleibt am Jahresanfang kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, kann dadurch Versicherungsfreiheit und eine Lücke in der sozialen Absicherung eintreten. Im Übrigen ist es für die Frage, ob ein Minijob vorliegt, unbeachtlich, wann im Lauf des Jahres die Pauschalen berücksichtigt werden. Die steuerfreien Einnahmen bleiben bei der Prognose des regelmäßigen Arbeitsentgelts in dem Umfang unberücksichtigt, in dem sie in der Summe vom Arbeitgeber im maßgebenden Beschäftigungszeitraum gewährt werden sollen; d.h., unabhängig davon, ob der jeweilige Steuerfreibetrag pro rata (z.B. monatlich 250 EUR bzw. 70 EUR) oder en bloc ausgeschöpft wird.
Führt die Prognose dazu, dass eine geringfügige Dauerbeschäftigung vorliegt, muss eine Anmeldung bei der Mini-Job-Zentrale erfolgen (Personengruppenschlüssel: 109; Beitragsgruppenschlüssel 6100). Die Anmeldung erfolgt bei Berücksichtigung des steuerlichen Freibetrages am Jahresanfang mit dem Beginn des Monats, in dem erstmalig steuer- und damit auch beitragspflichtiges Arbeitsentgelt gezahlt wird. Dies kann zur Folge haben, dass die Entgelte im Meldezeitraum die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (seit 01.10.2022 520 EUR monatlich) übersteigen. Bei diesen Dauerbeschäftigungsverhältnissen ist regelmäßig eine Jahresmeldung zum 31.12. und eine Abmeldung mit Meldegrund 34 zum 31.01. des Folgejahres zu erstellen (die Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt für maximal einen Monat als fortbestehend, wenn das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert). Zum 1. des Monats, in dem dann wieder steuer- und damit beitragspflichtiges Arbeitsentgelt gezahlt wird, ist dann wieder eine Anmeldung mit Grund 13 zu fertigen (TOP 8 der Niederschrift über die Besprechung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger zu Fragen des gemeinsamen Meldeverfahrens vom 28.02.2019).
Soweit der Arbeitnehmer die Freibeträge im laufenden Kalenderjahr bereits anderweitig in Anspruch genommen hat bzw. in Anspruch nimmt, muss er diese dem Arbeitgeber anzeigen. In diesem Fall kann der Arbeitgeber den kalenderjährlichen steuerfreien Höchstbetrag von 3.000 Euro bzw. 840 Euro nur entsprechend reduziert ausschöpfen. Sofern der Steuerfreibetrag en bloc berücksichtigt wird, liegt eine beitrags- und meldepflichtige Beschäftigung erst vor, wenn dieser ausgeschöpft ist (Geringfügigkeits-Richtlinien der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger vom 26.07.2021, Abschn. 2.2.1.6).
Die Übungsleiterpauschale nach § 3 Nr. 26 EStG und die Ehrenamtspauschale nach § 3 Nr. 26a EStG können auch zusammen in einer Beschäftigung berücksichtigt werden, wenn unterschiedliche Tätigkeiten ausgeübt werden (Geringfügigkeits-Richtlinien der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger vom 26.07.2021, Abschn. 2.2.1.6).
Zum Übungsleiterfreibetrag siehe auch Übungsleiter als Arbeitnehmer.
Die Einnahmen aus einer Tätigkeit als Versichertenberater können bei einem Rentenbezieher als Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit der Beitragspflicht in Kranken- und Pflegeversicherung (vgl. § 237 SGB V, § 57 Abs. 1 SGB XI) unterliegen (LSG Nordrhein-Westfalen, 12.05.2022 - L 16 KR 487/20).
Häufig besteht bei Unfällen oder Berufskrankheiten im Zusammenhang mit der ehrenamtlichen Tätigkeit ohne besondere Anmeldung Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Versicherungsschutz besteht auch, wenn der Geschädigte ehrenamtlich für eine Körperschaft des öffentlichen Rechts bzw. für eine privatrechtliche Organisation mit Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung einer Gebietskörperschaft tätig war und dabei einen Arbeitsunfall erlitten hat (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a SGB VII, LSG Hamburg, 10.10.2018 – L 2 U 16/18). Dagegen besteht kein Versicherungsschutz, wenn eine ehrenamtliche Tätigkeit von einem Vereinsmitglied im Rahmen des Vereinszwecks ausgeübt wird. Teilweise kann die Absicherung über eine freiwillige Versicherung erfolgen.
Ehrenamtlich tätige Mitglieder von Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen (hier: DRK) sind auch dann vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst, wenn die unfallbringende Tätigkeit zwar nicht zur Kernaufgabe gehört, aber in rechtserheblicher Weise mit dem Unternehmen innerlich zusammenhängt. Entscheidend ist ein innerer Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Ausreichend kann bereits der gegenseitige Austausch der Hilfeunternehmen untereinander sein (BSG, 08.12.2022 – B 2 U 14/20 R).
Auch ein ehrenamtliches Mitglied eines Frauenchors steht auf dem Weg zu einem öffentlichen Adventssingen in kirchlichen Räumlichkeiten unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Ausreichend dafür ist ein nur mittelbar ehrenamtliches Tätigwerden für eine privatrechtliche Organisation (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b SGB VII -BSG, 08.12.2022 – B 2 U 19/20 R).
Praxistipp:
Einzelheiten siehe die Broschüre des BMAS "Zu Ihrer Sicherheit – unfallversichert im freiwilligen Engagement".
5. Datenschutz
Der Beschäftigten-Datenschutz ergibt sich aufgrund der Öffnungsklausel in Art. 88 DSGVO aus § 26 BDSG. Liegt eine ehrenamtliche Tätigkeit vor, kann § 26 BDSG nicht angewandt werden, da die betroffene Person nicht vom sachlichen Geltungsbereich (§ 26 Abs. 8 BDSG) erfasst wird. Insbesondere liegt weder ein Arbeitsverhältnis noch eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit vor. Dennoch unterliegt das Rechtsverhältnis dem Datenschutz, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Verantwortlichen erforderlich ist (Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DSGVO). Außerdem kann die betreffende Person durch Erklärung in die Verarbeitung der Daten einwilligen (siehe Art. 7 DSGVO). Bei der Verarbeitung gelten daher die Grundsätze der DSGVO wie z.B.
die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung;
die Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben;
die Datenerhebung für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke;
die Gewährleistung der Datensicherheit und der Schutz vor unbefugtem Zugriff;
die Beachtung des Grundsatzes der Datensparsamkeit;
die Löschung nicht mehr benötigter Daten;
die Information des Betroffenen über die erhobenen personenbezogenen Daten,
das Auskunftsrecht der betroffenen Person.
Siehe auch die Stichwörter zum Thema Datenschutz.