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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Kündigungsschutzprozess - Vertretung
Kündigungsschutzprozess - Vertretung
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Der Arbeitgeber kann sich in einem Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht selbst vertreten. Die maßgeblichen ArbGG-Bestimmungen sehen erstinstanzlich keinen Vertretungszwang vor. Das ist zwar recht kundenfreundlich gedacht, bringt dem Arbeitgeber aber nur bedingt Vorteile. Er spart zwar die Anwaltskosten, wenn er sich selbst vertritt, verliert aber möglicherweise den Kündigungsrechtsstreit oder kommt mit einem schlechten Vergleich aus dem Prozess. Das passiert ihm bei einer fachkundigen Prozessvertretung nicht.
Praxistipp:
Die Frage, ob es besser ist, einen Rechtsanwalt oder einen Verbandsvertreter mit der Interessenwahrnehmung im Kündigungsrechtsstreit zu beauftragen, lässt sich nicht generell beantworten. Es gibt schlechte Anwälte und es gibt schlechte Verbandsvertreter. Vieles hängt auch davon ab, ob die Chemie zwischen Partei und Bevollmächtigtem stimmt. Im Zweifel sollte man sich für den anwaltlichen Rechtsdienstleister entscheiden.
Die Vertretung einer Partei erfolgt in Kündigungsschutzprozessen in der Regel durch Rechtsanwälte - insbesondere durch Fachanwälte für Arbeitsrecht. Viele Arbeitnehmer sind gewerkschaftlich organisiert, viele Arbeitgeber Mitglied ihres Arbeitgeberverbandes. Das führt dazu, dass sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber zum Teil durch Verbandsbevollmächtige vertreten lassen. Diese Verbandsvertreter dürfen auch vor den Landesarbeitsgerichten und dem Bundesarbeitsgericht auftreten. Sie sind Bevollmächtigte mit allen Rechten und Pflichten. Auch ihr Verschulden wird der Partei zugerechnet.
2. Gesetzliche Regelungen
Für den Kündigungsschutzprozess gelten über § 46 Abs. 2 ArbGG die ZPO-Vorschriften - soweit das ArbGG keine Besonderheiten vorsieht.
Ist eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht geboten, dürfen die Parteien ihren Rechtsstreit selbst führen (§ 79 ZPO).
Praxistipp:
Das Arbeitsrecht ist eine komplizierte Materie. Die Fülle der Gesetze und Entscheidungen der Arbeitsgerichtsbarkeit ist selbst für eine Profi kaum mehr überschaubar. Das legt es nahe, sich auch dann fachkundig vertreten zu lassen, wenn man sich eigentlich selbst helfen dürfte.
Für das erstinstanzliche arbeitsgerichtliche Verfahren bestimmt § 11 Abs. 1 Satz 1 ArbGG zunächst:
"Die Parteien können vor dem Arbeitsgericht den Rechtsstreit selbst führen."
Natürlich können sich die Parteien auch anwaltlich vertreten lassen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 ArbGG). Darüber hinaus sind vor dem Arbeitsgericht nur
Beschäftigte der Partei oder eines mit ihr verbundenen Unternehmens,
volljährige Familienangehörige, Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
selbstständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 4 bezeichneten Organisation stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet,
vertretungsbefugt (§ 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 5 ArbGG).
Das Arbeitsgericht kann Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe von § 11 Abs. 2 ArbGG vertretungsbefugt sind, zurückweisen (§ 11 Abs. 3 Satz1 ArbGG). Der Zurückweisungsbeschluss ist unanfechtbar (§ 11 Abs. 3 Satz 1 KSchG). Die
Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und
die an ihn gerichteten Zustellungen und Mitteilungen
sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Bevollmächtigten iSd. § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 3 ArbGG kann die weitere Vertretung untersagt werden, "wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen" (§ 11 Abs. 3 Satz 3 ArbGG). Auch diese Zurückweisung ist unanfechtbar.
Geht es in die zweite Instanz an ein Landesarbeitsgericht oder in die dritte vor das Bundesarbeitsgericht, gilt:
die Parteien dürfen sich nicht mehr selbst vertreten, sondern müssen einen Prozessbevollmächtigten haben;
als Prozessbevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte und die in § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5 ArbGG bezeichneten Organisationen zugelassen.
Vertreter von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, die ihre Mitgliedsunternehmen vor BAG und LAG vertreten, müssen "die Befähigung zum Richteramt" haben - also das zweite juristische Staatsexamen.
An die Sorgfaltspflichten von Verbandsvertretern sind die gleichen Anforderungen zu stellen wie an Rechtsanwälte (LAG München, 28.10.2010 - 11 Sa 852/10). Sie sind Bevollmächtigte iSd. § 85 Abs. 2 ZPO, deren Verschulden sich die Partei zurechnen lassen muss (BAG, 02.05.1995 - 4 AZB 8/95). Für sie gelten dieselben Maßstäbe wie für Rechtsanwälte (LAG Hamburg, 30.11.2000 - 1 Sa 25/00).
In der Verhandlung können die Parteien zudem mit einem Beistand erscheinen (dazu mehr in § 11 Abs. 6 ArbGG).
3. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema Kündigungsschutzprozess und Vertretung in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet vorgestellt:
3.1 Besorgnis der Befangenheit
"1. Wird eine Prozesspartei von einer juristischen Person als Prozessvertreter vertreten, können die für sie handlungsberechtigten Personen kraft Gesetzes vom Richteramt ausgeschlossen sein. 2. Gegen einen ehrenamtlichen Richter, der im Rahmen der Prozessvertretung für die Partei eines anderem Verfahrens gehandelt hat, das nach wesentlichen Gesichtspunkten nicht nur hinsichtlich der Rechtslage, sondern auch hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Fälle vergleichbar ist, kann die Besorgnis der Befangenheit bestehen" (BAG, 07.11.2012 - 7 AZR 646/10 (A) - Leitsätze).
3.2 Eingeschränkte Vollmacht
Wird die Vertretung des Mandanten im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren in der seinem Anwalt erteilten Vollmacht ausgeschlossen, kann der Anwalt dem Mandanten grundsätzlich nicht beschränkt für ein Klageverfahren beigeordnet werden. Grund: Der vom Gericht beigeordnete Anwalt bleibt im Überprüfungsverfahren in den vier Jahren nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe Ansprechpartner des Gerichts. Folgerichtig ist der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen der eingeschränkten Vollmacht zurückzuweisen (LAG Köln, 25.07.2019 - 9 Ta 101/19).
3.3 Kenntnisnahme von Presseerklärungen
"Wie gewissenhafte und kundige Prozessbevollmächtigte wissen, gibt das Bundesarbeitsgericht bei Entscheidungen zu grundlegenden Rechtsfragen Pressemitteilungen heraus. Ein gewissenhafter Prozessbevollmächtigter prüft, wenn er - wie hier die Prozessbevollmächtigten der Beklagten - ein Revisionsverfahren zur sog. Escapeklausel führt, in dem es auf eine grundlegende Rechtsfrage ankommt, ob bereits Entscheidungen des maßgeblichen Spruchkörpers vorliegen und dazu eine Pressemitteilung veröffentlicht ist. Das gilt umso mehr, wenn Prozessbevollmächtigte, wie diejenigen der Beklagten, ihre Sachkunde bereits öffentlich gemacht haben (…), insbesondere wenn ihnen die betreffenden Aktenzeichen der beim Bundesarbeitsgericht anhängigen Revisionsverfahren zu dieser Frage bekannt sind (…)." Hier hätte dem Anwalt die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 44/19 vom 10.12.2019 (Sterbegeld ist keine Leistung der betrieblichen Altersversorgung) bekannt sein müssen (BAG, 03.06.2020 – 3 AZR 255/20).
3.4 Kostenfrage
Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, sind die Kosten entweder gegeneinander aufzuheben oder im Verhältnis Obsiegen/Unterliegen zu teilen. Für das arbeitsgerichtliche Verfahren sieht § 12a Abs. 2 ArbGG eine Privilegierung vor, wenn die eine Partei durch einen Verbandsvertreter vertreten wird und die Kosten gegeneinander aufzuheben oder im Verhältnis Obsiegen/Unterliegen zu verteilen sind. "§ 12a Abs. 2 ArbGG ist entsprechend anzuwenden, wenn in vergleichbarer Vertretungssituation im Urteilsverfahren des dritten Rechtszugs die Kosten nach § 92 Abs. 1 ZPO verhältnismäßig geteilt werden" (LAG Hamm, 27.09.2012 - 6 Ta 357/12 -Leitsatz).
3.5 Notanwalt
"Die Beiordnung eines Notanwalts für die Erteilung und Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde kann nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 555, 78b ZPO erfolgen, wenn die Partei nachweist, keinen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden zu haben, und ein Zulassungsgrund iSv. § 72 Abs. 2 ArbGG in Betracht kommt. Die Rechtsverfolgung - hier also die Fortführung des Beschwerdeverfahrens - darf weder mutwillig noch aussichtslos erscheinen" (BAG, 19.05.2010 - 2 AZN 281/10 (A)).
3.6 Prozesskostenhilfe - 1
"Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers, zur Durchführung eines Arbeitsgerichtsprozesses gewerkschaftlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, stellt Vermögen iSd. § 115 ZPO dar, solange die Gewerkschaft Rechtsschutz nicht abgelehnt hat oder es als sicher erscheint, dass dies geschehen wird. Etwas anderes gilt nur dann, wenn im Einzelfall der Vermögenseinsatz unzumutbar ist. Dies kann bei einer erheblichen Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen der Gewerkschaft und ihrem Mitglied der Fall sein" (BAG, 05.11.2012 - 3 AZB 23/12 - Leitsatz).
3.7 Prozesskostenhilfe - 2
Bietet eine Gewerkschaft ihren Mitgliedern kostenlosen gewerkschaftlichen Rechtsschutz, ist es diesen Mitgliedern regelmäßig zuzumuten, diesen kostenlosen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Prozesskostenhilfe darf daher verweigert werden. Etwas anderes gilt, wenn das Vertrauensverhältnis des Rechtssuchenden zu seinem gewerkschaftlichen Prozessvertreter oder zur DGB Rechtsschutz GmbH insgesamt so zerrüttet ist, dass ihm die weiterere Inanspruchnahme des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes nicht mehr zugemutet werden kann. Tritt eine Partei in einem laufenden Verfahren aus der Gewerkschaft aus und und nimmt sie damit den Verlust der bisherigen Vertretung bewusst in Kauf, muss es dafür nachvollziehbare Gründe geben (BAG, 18.11.2013 - 10 AZB 38/13).
3.8 Verschulden
Das Verschuldendes Bevollmächtigten steht nach § 85 Abs. 2 ZPO dem Verschulden der Partei gleich. Zu den Prozessbevollmächtigten eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens gehören Rechtsanwälte sowie die Bevollmächtigten von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften (§ 11 Abs. 2 ArbGG). Letztere dürfen nach Maßgabe des § 11 Abs. 4 ArbGG auch vor den Landesarbeitsgerichten und dem Bundesarbeitsgericht auftreten. Die Verbandsvertreter sind insoweit Rechtsanwälten gleichgestellt - mit dem Ergebnis, dass der von ihnen vertretenen Partei auch deren Verschulden nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist (BAG, 11.08.2011 - 9 AZN 806/11).
3.9 Zurechnung von Prozessverhalten
Prozessuales Verhaltenseines Anwalts kann dem gekündigten Arbeitnehmer bei einem Auflösungsantrag seines Arbeitgebers nach § 9 KSchG zugerechnet werden. Nach den zivilprozessualen Regelungen ist es nicht zu rechtfertigen, vom Prozessverhalten (= Verhalten im Prozess) ein "rein prozessuales" Verhalten des Anwalts abzuschichten. Auch wenn es prozessuale Bereiche gibt, die sich dem Laien nur schwer erschließen: Schon § 85 Abs. 2 ZPO macht deutlich, "dass eine Aufteilung des Prozessrechts in solche Gebiete, für die eine Zurechnung des anwaltlichen Handelns geboten ist, und solche, für die eine Zurechnung zu unterbleiben hat, nicht mit der Vorstellung des Gesetzgebers übereinstimmt" (BAG, 09.09.2010 - 2 AZR 482/09).
3.10 Zweck der Vertretung
Die gesetzlichen Bestimmungen über die Prozessvertretung dienen dem Schutz der vertretenen Partei. Nur sie soll davor bewahrt werden, dass sie ihre prozessualen Rechte nicht wahrnehmen kann, weil sie nicht ordnungsgemäß gesetzlich vertreten ist. "Das Fehlen der Vertretungsmacht eines für einen von ihm Vertretenen Handelnden berührt und beschwert nur den Vertretenen, falls dieser die Erklärungen und Handlungen seines Verteidigers nicht gegen sich gelten lassen will." So ein Mangel kann daher bloß von der Partei geltend gemacht werden, die in dem vorausgegangenen Prozess nicht ordnungsgemäß vertreten war - nicht aber von ihrem Prozessgegner (BAG, 09.09.2010 - 4 AZN 354/10 - mit dem Hinweis, das der Zulassungsgrund für eine Revision nach § 547 Nr. 4 ZPO nur von der Partei geltend gemacht werden kann, um deren Vertretung es dabei geht).
3.11 Zweiter Rechtsanwalt
Die Verpflichtung, Kosten des Gegners zu erstatten, beschränkt sich in der Regel auf die Kosten, die für einen einzigen am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalt aufzuwenden sind. Von einem Rechtsanwalt kann nämlich erwartet werden, dass er den Rechtsstreit dort allein führt. "Die Kosten eines weiteren Rechtsanwalts sind nur erstattungsfähig, soweit - wenn auch nur vorübergehend - in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten muss. Maßgeblich ist, ob die Hinzuziehung eines weiteren Rechtsanwalts im konkreten Einzelfall für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig ist." Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Rechtsanwalt im Verfahren als Zeuge vernommen wird und "die betroffene Partei ein berechtigtes Interesse daran haben kann, zur Geltendmachung der prozessualen Rechte und zur sachgerechten Ausübung des Fragerechts rechtskundig im Termin vertreten zu sein, wenn sie die Regelung des § 394 Abs. 1 ZPO respektiert" (BAG, 13.11.2013 - 10 AZB 27/13).