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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Auskunftspflichten - Arbeitgeber
Auskunftspflichten - Arbeitgeber
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.
- 4.Rechtsprechungs-ABC
- 4.1
- 4.2
- 4.3
- 4.4
- 4.5
- 4.6
- 4.7
- 4.8
- 4.9
- 4.10
- 4.11
- 4.12
- 4.13
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- 4.17
Information
1. Allgemeines
Der Arbeitgeber hat eine Vielzahl von Auskunftspflichten. Die Wissensgier Dritter kennt kaum Grenzen. Das Wichtigste ist gesetzlich geregelt. Wo eindeutige Bestimmungen fehlen, ergeben sich Auskunftspflichten aus dem Arbeitsvertrag, der Fürsorgepflicht oder dem Grundsatz von Treu und Glauben.
2. Gesetzliche Auskunftspflichten
Die Zahl der gesetzlichen Auskunftspflichten für Arbeitgeber ist schier unüberschaubar. Nachfolgend sind nur einige der wichtigsten Auskunftspflichten aufgezählt:
Auskunft nach § 34 BDSG (u.a. über die zur Person gespeicherten Daten)
Auskunft nach § 4a BetrAVG (u.a. über die Höhe einer unverfallbaren Anwartschaft)
Auskunft nach § 5 Abs. 1 EBRG (u.a. über die durchschnittliche Gesamtzahl der Arbeitnehmer)
Auskunft nach § 111 HwO (Berufsbildung)
Auskunft nach § 28 Abs. 1 HAG (Entgelte von Heimarbeitern)
Auskunft nach § 22 LadSchlG (Einhaltung der Beschäftigungszeiten)
Auskunft nach § 17 Abs. 2 KSchG (Massenentlassung)
Auskunft nach § 12 LohnStatG (Lohnstatistik)
Auskunft nach § 17 MiLoG (Mindestlohn)
Auskunft nach § 5 Abs. 1 Satz 3 MuSchG (Schwangerschaft)
Auskunft nach §§ 7 Abs. 2, Abs. 3, 18, 20 TzBfG (u.a. über freie Stellen, betriebliche Möglichkeiten etc.)
Auskunft nach § 57 SGB II (Arbeitslosengeld II)
Auskunft nach §§ 315 ff. SGB III (Arbeitsförderung)
Auskunft nach§ 840 Abs. 1 ZPO (Drittschuldnererklärung)
Information nach § 613a Abs. 5 BGB (Betriebsübergang)
Meldung nach § 28a SGB IV (u.a. Daten zur Beschäftigung und zum Arbeitsentgelt)
Unterrichtung nach § 5 Abs. 2 ASiG (u.a. über Leiharbeitnehmer)
Unterrichtung nach § 80 Abs. 2 BetrVG (allgemeine Aufgaben des Betriebsrats)
Unterrichtung nach § 81 BetrVG (u.a. über Aufgabe, Verantwortung und Art der Tätigkeit)
Unterrichtung nach § 90 Abs. 1 BetrVG (u.a. Planung von Um- und Erweiterungsbauten und Arbeitsplätzen)
Unterweisung nach § 12 ArbSchG (u.a. über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit)
Die Liste erhebt bei weitem keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
3. Vertragliche Auskunftspflichten
Auskunftspflichten können sich auch aus dem Arbeitsvertrag ergeben.
Beispiel:
Versicherungsmakler V vereinbart mit seinem Angestellten A, dass er für jeden Vertragsabschluss in der Sachversicherung eine Provision von 1 % der Deckungssumme bekommt. Die Parteien treffen die Provisionsabsprache schriftlich. Als Klausel vereinbaren sie u.a.: "Der Arbeitgeber erteilt dem Arbeitnehmer quartalsmäßig per 31.03., 30.06., 30.09. und 31.12. des Jahres Auskunft über die von ihm geschlossenen Verträge und deren Deckungssumme und stellt ihm dazu per E-Mail die entsprechenden elektronischen Auswertungen als Excel-Datei zur Verfügung."
Wo es keine ausdrücklichen Regelungen gibt, wird man über die Fürsorgepflicht oder den Grundsatz von Treu und Glauben zu einer Auskunftspflicht gelangen.
Beispiel:
Lagerarbeiter L weist im Vorstellungsgespräch darauf hin, dass er schwerbehindert ist und nur Gewichte bis maximal 10 kg tragen darf. L wird eingestellt und vertragsgemäß im Lager eingesetzt. Infolge einer Produktionsänderung werden nach einigen Monaten Gebinde produziert, die deutlich schwerer sind. Hier wird man aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht eine Auskunftspflicht bejahen müssen.
Problematisch ist die Beantwortung der Frage, wann der Arbeitgeber eine Auskunft erteilen muss. Wird er von seinem Mitarbeiter direkt gefragt, kann man erwarten, dass die Antwort unverzüglich gegeben wird. Fragt der Arbeitnehmer nicht, kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber von sich aus verpflichtet ist, ungefragt Auskünfte zu geben.
Beispiel:
Die S GmbH führt in einem Textilwerk Klempnerarbeiten durch. Bei den anstehenden Schweißarbeiten kann es passieren, dass sich Farbnebel und -gase entzünden. Auf diesen Umstand hat die S GmbH ihre Arbeitnehmer auch ungefragt hinzuweisen. Sie ist im Rahmen der Fürsorgepflicht halten, Schäden von ihren Mitarbeitern abzuwenden.
Der Arbeitgeber muss die Auskünfte nicht immer in Person erteilen oder durch einen Vertreter oder Beauftragten geben lassen. Ändern sich beispielsweise arbeits- oder versicherungsrechtliche Bestimmungen, kann von ihm nicht erwartet werden, sich in dieser komplizierten Materie auszukennen. Hier reicht es aus, wenn er seine Mitarbeiter auf Dritte verweist, bei denen sie sich die gewünschten Auskünfte extern holen können. Ein Arbeitgeber, der gegen seine Auskunftspflichten verstößt, kann sich schadensersatzpflichtig machen.
4. Rechtsprechungs-ABC
Hier sind einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema Auskunftspflichten - Arbeitgeber in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet aufgelistet:
4.1 Allgemeine Voraussetzungen - 1
Aus der allgemeinen Schutz- und Rücksichtnahmepflicht (§§ 241, 242 BGB) können sich für den Arbeitgeber Hinweis- und Informationspflichten ergeben. Verletzt er sie, kann das zu Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers führen. Dabei ist die arbeitsrechtliche Nebenpflicht des Arbeitgebers nicht darauf beschränkt, einem Mitarbeiter keine falschen und/oder unvollständigen Auskünfte zu erteilen. Möglicherweise ist der Arbeitgeber auch gehalten, seinem Mitarbeiter zur Vermeidung von Rechtsnachteilen von sich aus geeignete Hinweise zu geben. Aber: Grundsätzlich ist in einer vertraglichen Beziehung jede Partei für die Wahrnehmung ihrer Interessen selbst verantwortlich. "Hinweis- und Aufklärungspflichten beruhen auf den besonderen Umständen des Einzelfalls und sind das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung" (BAG, 13.11.2014 - 8 AZR 817/13).
4.2 Allgemeine Voraussetzungen - 2
Der Arbeitgeber hat die arbeitsvertragliche Nebenpflicht, die Interessen der Mitarbeiter, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen, "so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragsparteien nach Treu und Glauben verlangt werden kann." So hat der Arbeitgeber denn auch in puncto Vermögensinteressen seiner Mitarbeiter Schutz- und Rücksichtnahmepflichten, aus denen sich für ihn gewisse Hinweis- und Informationspflichten ergeben können (s. dazu BAG, 21.01.2014 - 3 AZR 807/11). Diese arbeitsvertraglichen Nebenpflichten sind nicht allein darauf beschränkt, dass der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern keine falschen und unvollständige Auskünfte gibt.
Zur Vermeidung von Rechtsnachteilen können Arbeitgeber auch verpflichtet sein, ihren Mitarbeitern von sich aus passende Hinweise zu geben. Vom Grundsatz her gilt allerdings immer: Jeder Vertragspartner muss selbst für die Wahrnehmung seiner Interessen sorgen und sich darüber Klarheit verschaffen, welche Folgen sein Handeln hat. "Hinweis- und Aufklärungspflichten beruhen auf den besonderen Umständen des Einzelfalls und sind das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung. Die erkennbaren Informationsbedürfnisse des Arbeitnehmers einerseits und die Beratungsmöglichkeiten des Arbeitgebers andererseits sind stets zu beachten." Dabei hängen Größe und Umfang des Informationsbedürfnisses der Mitarbeiter davon ab, wie schwierig die Rechtsmaterie ist und welche - voraussehbare - Nachteile ihnen drohen (BAG, 15.11.2016 - 3 AZR 582/15 - mit Hinweis auf BAG, 21.01.2014 - 3 AZR 807/11).
4.3 Arbeitnehmer-Entsendung
"Die Art. 56 AEUV und 57 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedsstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, wonach der Empfänger von Dienstleistungen, die von entsandten Arbeitnehmern eines in einem anderen Mitgliedsstaat niedergelassenen Dienstleisters erbracht werden, verpflichtet ist, den zuständigen Behörden vor dem Beginn der Beschäftigung dieser Arbeitnehmer deren Identifizierungsdaten zu übermitteln, wenn sie nicht den Nachweis für eine Meldung vorlegen können, die ihr Arbeitgeber bei den zuständigen Behörden dieses Aufnahmemitgliedsstaats vor dem Beginn der betreffenden Dienstleistung hätte vornehmen müssen, nicht entgegenstehen, sofern eine solche Regelung wegen des Schutzes eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses wie dem Schutz der Arbeitnehmer oder der Bekämpfung von Sozialbetrug gerechtfertigt sein kann, vorausgesetzt, dass sie nachweislich geeignet ist, das oder die angestrebten Ziele zu erreichen, und nicht über das dafür Erforderliche hinausgeht, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist" (EuGH, 03.12.2014 - C-315/13 - Leitsatz - Belgien).
4.4 Arbeitszeit
Der Betriebsrat hat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. § 80 Abs. 2 BetrVG legt dem Arbeitgeber eine Auskunftspflicht auf. Will der Betriebsrat die Einhaltung der gesetzlichen Ruhezeiten und der tariflichen Wochenarbeitszeit prüfen, muss der Arbeitgeber ihm dazu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und den Umfang der geleisteten wöchentlichen Arbeitszeit mitteilen (BAG, 06.05.2003 - 1 ABR 13/02).
4.5 Entgelttransparenzgesetz - 1
Beschäftigte haben gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 EntgTranspG nach Maßgabe der §§ 11 bis 16 EntgTranspG einen Auskunftsanspruch zur Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots i.S.d. EntgTranspG. Beim Begriff "Beschäftigte" denkt man natürlich in erster Linie an Arbeitnehmer. Das ist aber nicht alles. Auch freie Mitarbeiter haben einen Auskunftsanspruch nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EntgTranspG – sie sind "Beschäftigte" i.S.d. EntgTranspG. Der gesetzliche Begriff "Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer" in § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG ist unter Berücksichtigung des EU-rechtlichen Arbeitnehmerbegriffs unionsrechtskonform so auszulegen, dass er auch freie Mitarbeiter umfasst (BAG, 25.06.2020 – 8 AZR 145/19).
4.6 Entgelttransparenzgesetz - 2
"3. Die in den §§ 14 und 15 EntgTranspG zum Verfahren der Auskunftserteilung getroffenen Bestimmungen enthalten Vorgaben dazu, an wen die Beschäftigten sich mit ihrem Auskunftsverlangen wenden sollen und wer Auskunft erteilt. Die Auslegung der §§ 14 und 15 EntgTranspG ergibt, dass die Beschäftigten sich mit ihrem Auskunftsverlangen sowohl an den Arbeitgeber als auch - bei Bestehen eines Betriebs- bzw. Personalrats - an den Betriebs- bzw. Personalrat wenden können. Eine den Vorgaben der §§ 14 und 15 EntgTranspG nicht entsprechende Adressierung des Auskunftsverlangens durch die Beschäftigten stellt die Ordnungsgemäßheit ihres Verlangens nicht in Frage. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Beschäftigten darüber informiert hat, an wen diese sich mit ihrem Auskunftsverlangen wenden sollen und wer es beantworten wird" (BAG, 25.06.2020 – 8 AZR 145/19 – 3. Leitsatz).
4.7 Entgelttransparenzgesetz - 3
"4. Für die Klage auf Auskunftserteilung nach § 10 EntgTranspG ist der Arbeitgeber als Schuldner des Entgelts passivlegitimiert. 5. Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 EntgTranspG können die Beschäftigten Auskunft zu dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt nach § 5 Abs. 1 EntgTranspG und zu bis zu zwei einzelnen Entgeltbestandteilen verlangen. Der Begriff 'einzelne Entgeltbestandteile' in § 10 Abs. 1 Satz 3 EntgTranspG ist dahin auszulegen, dass sowohl gezielt nach bestimmten Entgeltbestandteilen gefragt werden kann, bei denen eine Ungleichbehandlung vermutet wird, als auch nach vergleichbaren Entgeltbestandteilen, die eine Gruppe bilden" (BAG, 25.06.2020 – 8 AZR 145/19 – 4. u. 5. Leitsatz).
4.8 Entgelttransparenzgesetz - 4
"Der Betriebsausschuss nach § 27 des Betriebsverfassungsgesetzes oder ein nach § 28 Absatz 1 Satz 3 des Betriebsverfassungsgesetzes beauftragter Ausschuss hat für die Erfüllung seiner Aufgaben nach Absatz 1 das Recht, die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter im Sinne des § 80 Absatz 2 Satz 2 des Betriebsverfassungsgesetzes einzusehen und auszuwerten", sagt § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG. Das gilt auch für den Betriebsrat. Gut. Einsehen und auswerten kann man die Listen im Personal- oder im Betriebsratsbüro. Noch besser wäre es, wenn der Arbeitgeber ihm die Listen gleich zum Verbleib geben würde. Das BAG sieht das jedoch anders: "Aus dem entgeltlistenbezogenen Einsichts- und Auswertungsrecht des § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG folgt kein Anspruch des Betriebsrats auf dauerhafte Überlassung der Listen über die Bruttolöhne und -gehälter" (BAG, 29.09.2020 – 1 ABR 32/19 – Leitsatz).
4.9 Entgelttransparenzgesetz - 5
AGG-widrige Diskriminierungen lassen sich oft nicht konkret darlegen und unter Beweis stellen. Hier hilft § 22 AGG: Beweist eine Partei im Streitfall Indizien, die auf eine Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe hindeuten, "trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat." Das bedeutet für die Entgeltgleichheitsklage einer Mitarbeiterin: "Klagt eine Frau auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit (Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG), begründet der Umstand, dass ihr Entgelt geringer ist als das vom Arbeitgeber nach §§ 10 ff. EntgTranspG mitgeteilte Vergleichsentgelt (Median-Entgelt) der männlichen Vergleichsperson, regelmäßig die - vom Arbeitgeber widerlegbare - Vermutung, dass die Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt ist" (BAG, 21.01.2021 – 8 AZR 488/19 – Pressemitteilung Nr. 1/2021).
4.10 Grundsatz
Der Arbeitgeber kann im Einzelfall aus § 241 Abs. 2 BGB herzuleitende Hinweis- und Aufklärungspflichten haben. Der Arbeitgeber kann sogar nach § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet sein, seinen Mitarbeitern von sich aus geeignete Hinweise zu geben oder sie der Veranlassung entsprechend aufzuklären. Das bedeutet, dass er einen Mitarbeiter dann unaufgefordert über Umstände informieren muss, "die dem Arbeitnehmer unbekannt, aber für seine Entscheidung im Zusammenhang mit der Durchführung des Arbeitsvertrags erheblich sind" (s. dazu BAG, 22.01.2009 - 8 AZR 161/08). In einer vertraglichen Beziehung - so ist der allgemeine Grundsatz - hat allerdings "jede Partei für die Wahrnehmung ihrer Interessen selbst zu sorgen." Erst nach den besonderen Umständen des Einzelfalls können als Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung Hinweis- und Aufklärungspflichten des Arbeitgebers folgen (BAG, 21.12.2017 - 8 AZR 853/16 - mit Hinweis auf BAG, 13.11.2014 - 8 AZR 817/13).
4.11 Entgelt
Arbeitgeber verteilen außertarifliche Entgeltbestandteile oft nach der Zufalls- oder Gießkannenmethode. Es gibt aber auch Fälle, in denen ein ganz bestimmtes Prinzip hinter der Verteilung steckt. Hat eine Anzahl außertariflicher Angestellter eine Gehaltserhöhung bekommen, kann ein davon ausgenommener außertariflicher Angestellter von seinem Arbeitgeber Auskunft über die dabei verwendeten Regeln verlangen (BAG, 01.12.2004 - 5 AZR 664/03).
4.12 Entgeltlisten
Der Arbeitgeber ist nach § 80 Abs. 2 Satz 2 1. Halbs. BetrVG verpflichtet, dem Betriebsrat auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen. Nach § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BetrVG ist ein Betriebsausschuss oder ein nach § 28 BetrVG gebildeter Ausschuss berechtigt, Einblick in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter zu nehmen. Sind die Angaben in dieser Liste für die ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats unzureichend, ist der Arbeitgeber nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG verpflichtet, ihm weitergehende Auskünfte zu geben (BAG, 30.09.2008 - 1 ABR 54/07).
4.13 Impfschaden
Der vereinfachte Fall: Arbeitnehmerin N war bei Arbeitgeber A - einem Herzzentrum - im Controlling beschäftigt. Die freiberuflich tätige Betriebsärztin B rief alle Mitarbeiter A's zu einer Grippeschutzimpfung auf, deren Kosten A trug. N nahm an dieser Impfung teil - und erlitt einen Impfschaden. Den verlangte sie von A ersetzt und behauptete u.a., sie hätte an der Impfung nicht teilgenommen, wenn sie von ihm ordnungsgemäß über deren Folgen aufgeklärt worden wäre.
Das BAG lehnte - wie zuvor Arbeits- und Landesarbeitsgericht - sowohl die von N erhobene Schmerzensgeldforderung als auch die Schadensersatzklage ab. Zwischen A und N sei kein Behandlungsvertrag zustande gekommen, der zu einer Aufklärungspflicht A's geführt hätte. A war auch aufgrund des zwischen ihm und N bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht verpflichtet, N über mögliche Impfrisiken aufzuklären. Einen etwaigen Verstoß der Betriebsärztin brauche A sich nicht zurechnen zu lassen (BAG, 21.12.2017 - 8 AZR 853/16).
4.14 Verjährung
Viele Ansprüche hängen davon ab, dass man die richtige Anspruchsgrundlage kennt. Die Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche scheitert oft an der inzwischen eingetretenen Verjährung. Die Unkenntnis von Beginn und Dauer der Verjährung geht grundsätzlich zulasten des Gläubigers, es sei denn, dem Schuldner ist eine Verletzung seiner Auskunftspflicht vorzuwerfen (BAG, 22.04.2004 - 8 AZR 620/02).
4.15 Vertragsschluss
Unter gewissen Umständen gibt es auch schon beim Vertragsschluss gewisse Aufklärungspflichten gegenüber einem Bewerber, wenn die vollständige Durchführung des Rechtsverhältnisses infrage steht. Dann darf der Arbeitgeber beispielsweise nicht verschweigen, dass ein Stellenabbau geplant ist. Das setzt allerdings voraus, dass die Personalreduzierung hinreichend bestimmt und in Einzelheiten bereits absehbar ist (BAG, 14.07.2005 - 8 AZR 300/04 - mit dem Hinweis, dass eine bloß schlechte - dem Bewerber sogar bekannte - wirtschaftliche Lage ohne konkrete Planung für einen Stellenabbau keine Auskunftspflicht des Arbeitgebers begründet).
4.16 Wirtschaftsausschuss - 1
"1. Die Zuständigkeit einer Einigungsstelle nach § 109 BetrVG setzt nicht voraus, dass der Wirtschaftsausschuss über sein an den Unternehmer gerichtetes Auskunfts- oder Vorlageverlangen zuvor einen (ordnungsgemäßen) Beschluss gefasst hat. 2. § 106 Abs. 2 Satz 1 BetrVG verpflichtet den Unternehmer, den Wirtschaftsausschuss über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens anhand aussagekräftiger Unterlagen zu unterrichten. Einer zusätzlichen Erforderlichkeitsprüfung bedarf es nicht" (BAG, 17.12.2019 - 1 ABR 25/18 - Leitsätze - mit dem Hinweis, dass der Unterrichtungs- und Vorlageanspruch des Wirtschaftsausschusses nicht voraussetzt, dass er dem Unternehmer darlegt, wofür er die begehrten Informationen braucht).
4.17 Wirtschaftsausschuss - 2
Der Unternehmer ist gem. § 106 Abs. 2 Satz 1 BetrVG verpflichtet, seinen "Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten, soweit dadurch nicht die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens gefährdet werden, sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Personalplanung darzustellen." Was bedeutet das für ein beherrschtes Unternehmen mit Gewinnabführungsvertrag? "Der Wirtschaftsausschuss ist lediglich über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens zu unterrichten, in dem er nach § 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gebildet ist, nicht aber über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des dieses beherrschenden Unternehmens" (BAG, 17.12.2019 - 1 ABR 35/18 - Leitsatz).