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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Eignungsuntersuchungen - Arbeitgeberrechte
Eignungsuntersuchungen - Arbeitgeberrechte
Inhaltsübersicht
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Information
1. Gesetzliche Regelungen
Bei bestimmten Tätigkeiten ist eine Eignungsuntersuchung vor Aufnahme der Beschäftigung vorgeschrieben. Dabei geht es um Tätigkeiten, die unabhängig vom jeweiligen Arbeitsplatz als gesundheitlich besonders belastend einzustufen sind. Eine Eignungsuntersuchung ist verbindlich vorgeschrieben u.a.:
für Arbeitnehmer, die in Druckluft beschäftigt werden (§ 10 DruckluftV),
für Arbeitnehmer, die beruflich exponiert sind und Aufgaben der Kategorie A i.S.d. Strahlenschutzverordnung wahrnehmen (§ 77 StrlSchV).
Das Verfahren, die Qualifikation der untersuchenden Ärzte sowie der Wiederholungsturnus der Untersuchungen ergeben sich aus den jeweiligen Verordnungen.
Eignungsuntersuchungen sind kein Teil der arbeitsmedizinischen Vorsorge.
2. Feststellung gesundheitlicher Einschränkungen
2.1 Bewerbungsverfahren
Das BAG bejaht die Zulässigkeit der Frage nach gesundheitlichen Einschränkungen des Bewerbers, wenn diese Einschränkung einen konkreten Bezug zum beabsichtigten Arbeitsverhältnis aufweist und die Arbeitsleistung auf Dauer oder in periodisch wiederkehrenden Abständen erheblich beeinträchtigt oder aufhebt (BAG, 07.06.1984 - 2 AZR 270/83). Der Arbeitgeber kann daher die Einstellung von der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit abhängig machen, soweit er ein berechtigtes Interesse daran hat. Dies ist zu bejahen, soweit der Gesundheitszustand für den konkreten Arbeitsplatz von Bedeutung ist. Zur Feststellung der Eignung kann eine ärztliche Untersuchung verlangt werden (BAG, 12.08.1999 – 2 AZR 55/99), wenn dabei festgestellt werden soll, ob der Gesundheitszustand des Bewerbers die Ausübung der angestrebten Tätigkeit zulässt oder diese erheblich beeinträchtigen kann (BAG, 07.06.1984 a.a.O.). Der Bewerber ist aber nicht verpflichtet, sich einer Untersuchung zu unterziehen. Allerdings muss er dann in Kauf nehmen, dass seine Chancen auf den Job schwinden.
2.2 Anlassbezogene Eignungsuntersuchungen
Außerdem kann der Arbeitgeber auch im bestehenden Arbeitsverhältnis Eignungsuntersuchungen verlangen, wenn begründete Zweifel bestehen, ob der Arbeitnehmer noch für die ausgeübte Tätigkeit gesundheitlich geeignet ist. Außerdem kann der betriebsinterne Wechsel des Arbeitsplatzes eine Untersuchung begründen.
Die Untersuchung kann der Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts (§ 106 GewO) anordnen, soweit dies den Grundsätzen des billigen Ermessens entspricht. Die Interessen des Arbeitgebers an der Eignungsfeststellung müssen gegenüber den berechtigten Belangen des Arbeitnehmers, insbesondere seinem Persönlichkeitsrecht, überwiegen. Der Arbeitnehmer ist dann aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) grundsätzlich verpflichtet, die Untersuchung zu dulden (BAG, 06.11.1997 – 2 AZR 801/96). Dies umfasst auch die Entbindung der Schweigepflicht seiner behandelnden Ärzte, damit ggf. deren Befunde hinzugezogen werden können. Allerdings kann der Mitarbeiter nicht gezwungen werden, die Untersuchung zu dulden und mitzuwirken; weigert er sich, verletzt er jedoch damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten.
Der Arbeitgeber kann aber nicht verlangen, dass der Arzt ohne jede Einschränkung alle Untersuchungen vornehmen darf, die er oder der Arbeitgeber für sachdienlich halten. Das Interesse des Arbeitgebers an der geforderten Untersuchung ist vielmehr auch abzuwägen gegen das Interesse des Arbeitnehmers an der Wahrung seiner Intimsphäre und körperlichen Unversehrtheit (BAG, 12.08.1999 – 2 AZR 55/99).
Grundlage für Pflicht und Umfang von Eignungsuntersuchungen können auch gesetzliche Vorschriften (siehe unter 1), tarifvertragliche Regelungen, Betriebsvereinbarungen oder Unfallverhütungsvorschriften sein. So ist z.B. der Arbeitgeber nach § 3 Abs. 5 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst - Länder bei begründeter Veranlassung berechtigt, Beschäftigte zu verpflichten, durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen, dass sie zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage sind. Besteht eine solche Veranlassung, muss der Mitarbeiter die Eignungsuntersuchung zu dulden. Diese Verpflichtung kann auch während einer Arbeitsunfähigkeit bestehen, wenn es sich nicht um eine ansteckende Krankheit handelt. Die Ausübung dieses Rechtes im Einzelfall und die konkrete Weisung, sich zu einem bestimmten Termin zur amtsärztlichen Untersuchung einzufinden, darf vom Arbeitgeber aber nur im Rahmen des billigen Ermessens i.S.v. § 106 GewO ausgeübt werden. Soweit das billige Ermessen gewahrt ist, kann der Arbeitgeber bei Weigerung des Mitarbeiters eine Abmahnung erteilen (LAG Nürnberg, 19.05.2020 - 7 Sa 304/19).
Ist im Tarifvertrag festgelegt, dass der Arbeitgeber eine ärztliche Untersuchung des Arbeitnehmers zur Feststellung seiner Arbeitsfähigkeit anordnen darf, setzt dies bei einem Schwerbehinderten nicht voraus, dass vorher ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX durchgeführt wird. Beide Verfahren stehen nicht in einem Rangverhältnis, sondern sind gleichrangig. Verweigert der Mitarbeiter trotz Erfüllung der tarifvertraglich festgelegten Bedingungen die Untersuchung, kann nach erfolgter Abmahnung ein Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen. Allerdings ist dann zu prüfen, ob die Kündigung wegen des nicht durchgeführten Präventionsverfahrens nach dem SGB IX als unverhältnismäßig anzusehen ist (BAG, 25.01.2018 – 2 AZR 382/17 – zu § 5 Abs. 2 BAT/AOK-neu).
Ein Verlangen des Arbeitgebers nach einer "Gesundschreibung" im Anschluss an eine längere Arbeitsunfähigkeit bedarf einer besonderen Rechtsgrundlage. Diese liegt nicht ohne weiteres in dem pauschalen Hinweis auf eine arbeitgeberseitige "Fürsorgepflicht", deren Inhalt ohnehin unbestimmt und deren Reichweite ausfüllungsbedürftig ist. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände kann es im Einzelfall dazu kommen, dass die Arbeitsfähigkeit näher belegt werden muss. Allein eine vorangegangene längere Arbeitsunfähigkeit begründet für sich genommen einen solchen Umstand regelmäßig nicht (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 14.07.2020 - 2 Sa 52/20).
Besteht der begründete Verdacht auf eine Corona-Infektion, kann der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter verpflichten, den Verdacht abklären zu lassen. Dies ergibt sich bereits aus der Fürsorgepflicht gegenüber den anderen Arbeitnehmern. Das zuständige Gesundheitsamt wird dann die erforderlichen Schritte einleiten und ggf. bis zur Klärung eine Quarantäne anordnen.
Wird eine Eignungsuntersuchung vom Betriebsarzt durchgeführt und teilt dieser dem Arbeitgeber unter Wahrung seiner Schweigepflicht mit, dass der Arbeitnehmer nur noch körperlich eingeschränkt einsetzbar ist und rät er zur Prüfung der psychischen Leistungsfähigkeit zu einem Fachgutachten, ergibt sich daraus kein Schadenersatzanspruch. Nach den Feststellungen des LG Köln wurde die arbeitsmedizinisch erforderliche Untersuchung korrekt durchgeführt und die Weitergabe von Informationen war erforderlich, um die arbeitsmedizinische Sicherheit des Beschäftigungsverhältnisses zu gewährleisten (LG Köln, 25.08.2020 – 3 O 208/19).
2.3 Anlasslose Eignungsuntersuchungen
Viele Betriebe streben routinemäßige Eignungsuntersuchungen an. Die Gründe dafür sind vielfältig, sie können sich aus der Fürsorgepflicht heraus ableiten, der Unfallvermeidung dienen oder auch dem Schutz der Arbeitskollegen und/oder der Kunden. Dafür wird eine Rechtsgrundlage benötigt, Rechtsgrundlagen existieren neben in Abschn. 1 genannten Regelungen nur für besondere Berufsgruppen, wie Busfahrer und Piloten. Auch bei besonders gefährlichen Tätigkeiten oder solchen mit besonders hohem gesundheitlichen Risiko dürften aus Fürsorgegründen regelmäßige Eignungsuntersuchungen vom Arbeitnehmer zu dulden sein, wenn sie erforderlich und verhältnismäßig sind. Im Übrigen können anlasslose Eignungsuntersuchungen durch Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder im Arbeitsvertrag geregelt werden (BAG, 12.08.1999 – 2 AZR 55/99).
2.4 Datenschutz
Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen nach § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Damit ist die Verarbeitung von Daten im Zusammenhang mit den Eignungsuntersuchungen gesetzlich zulässig. Dies gilt auch für Bewerber um ein Beschäftigungsverhältnis (§ 26 Abs. 8 S. 2 BDSG).
Praxistipp:
Zumindest bei den nicht anlassbezogenen, routinemäßigen Eignungsuntersuchungen sollte neben einer z.B. arbeitsvertraglichen Vereinbarung auch eine separate Einwilligung des Arbeitnehmers zu Datenverarbeitung eingeholt werden (vgl. § 26 Abs. 2 BDSG).
Bereits beim Eingang der Bewerbung ist der Betrieb verpflichtet, den Bewerber auf die Datenerhebung, insbesondere deren Zweck und die Rechtsgrundlage dafür hinzuweisen. Ferner ist anzugeben wer "Verantwortlicher" für die Datenerhebung ist und für welche Dauer die Speicherung erfolgt. Außerdem ist auch darauf hinzuweisen, dass der Betroffene Anspruch auf Auskunft über die erhobenen Daten hat. Diese Hinweise sollten sich ggf. auch auf die Eignungsuntersuchung, deren Zweck und die Rechtsgrundlage beziehen. Vgl. hierzu auch Art. 13 DSGVO.
Über das Untersuchungsergebnis wird der Arbeitgeber durch ein ärztliches Attest informiert. Dieses darf lediglich die Aussage enthalten, ob der Mitarbeiter für seine ausgeübte Tätigkeit gesundheitlich geeignet ist. Medizinische Informationen unterliegen neben dem Datenschutz auch der ärztlichen Schweigepflicht. Art und Umfang der Untersuchung sind auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers begrenzt.
2.5 Durchführung
Grundsätzlich hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, mit der Untersuchung einen Arzt seines Vertrauens zu beauftragen. Hat der Mitarbeiter Bedenken, dass der Arzt voreingenommen ist, kann der Betrieb im Rahmen billigen Ermessens verpflichtet sein, einen anderen Arzt zu beauftragen.
Praxistipp:
Zu weiteren Einzelheiten hat die gesetzliche Unfallversicherung eine Broschüre "Eignungsuntersuchungen in der betrieblichen Praxis" (Information 250-010) herausgegeben. Details ergeben sich aus der Schrift: "DGUV Grundsätze für arbeitsmedizinische Untersuchungen". Siehe www.dguv.de oder Suchmaschine.
Die arbeitsmedizinische Vorsorge hat eine andere Zielsetzung. Daher können Untersuchungen in diesem Rahmen Eignungsuntersuchungen nicht ersetzen.
3. Analoge Anwendungen
Eine ärztliche Untersuchung vor der Einstellung ist in bestimmten Tätigkeitsbereichen gesetzlich zwingend vorgeschrieben (z.B. § 32 Abs. 1 JArbSchG).
Ebenfalls nach den Kriterien des BAG zum Fragerecht hinsichtlich gesundheitlicher Einschränkungen des Bewerbers kann die Zulässigkeit der Anforderung eines graphologischen Gutachtens bzw. eines Berichts über ein von einem Fachpsychologen durchgeführtes psychologisches Testverfahren beurteilt werden.
Die Einholung entsprechender Gutachten bedarf stets der Zustimmung des Bewerbers. Der graphologische Gutachter und der Fachpsychologe müssen sich zur Beachtung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers in ihren Gutachten jeweils auf die Beurteilung, der Eignung des Bewerbers für die in Aussicht gestellte Tätigkeit beschränken.