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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Entgeltbescheinigungen
Entgeltbescheinigungen
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Nach § 108 Abs. 1 GewO ist dem Arbeitnehmer bei der Zahlung seiner Vergütung eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Die Vorschrift regelt auch die grundlegenden Angaben der Abrechnung. Dazu wurde die Entgeltbescheinigungsverordnung erlassen, die insbesondere sichergestellt, dass Inhalt und Verfahren der Bescheinigung einheitlich sind. Dadurch können die Abrechnungsbelege auch im Massenverwaltungsverfahren, wie z.B. bei den Sozialleistungsträgern effizient genutzt werden.
2. Ziel
Mit dem einheitlichen Aufbau und der Verwendung festgelegter Begriffe wird die Lesbarkeit nicht nur für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern auch für die Sozialleistungsträger und Dritte, denen die Bescheinigungen vorgelegt werden, verbessert. Durch die Definition verschiedener Begriffe werden die Anbieter von Entgeltabrechnungsprogrammen in die Lage versetzt, ihre Produkte entsprechend zu gestalten.
3. Inhalt der Entgeltbescheinigung
Soweit der Betrieb ein Entgeltabrechnungsprogramm benutzt, entspricht dieses in der Regel ohne besonderen Auftrag den Vorgaben für die Entgeltbescheinigung. Falls nicht, sollte der Arbeitgeber dafür sorgen, dass die Abrechnungen den Anforderungen der Verordnung entsprechen. Aus Gründen der Lesbarkeit wird im Folgenden jeweils nur die männliche Form der Begriffe verwandt.
Praxistipp:
Die Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e.V. hat eine Kommentierung mit Fallbeispielen zur Entgeltbescheinigungsverordnung herausgegeben, die Sie bei Bedarf kostenlos unter www.awv-net.de (Fachergebnisse/ Bescheinigungen/Entgelt [EBV]) herunterladen können.
3.1 Angaben zu Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Die Entgeltbescheinigung muss enthalten:
Den Namen und die Anschrift des Arbeitgebers;
den Namen, die Anschrift und das Geburtsdatum des Arbeitnehmers;
die Versicherungsnummer (bei) der Rentenversicherung;
den Beginn der Beschäftigung;
das Austrittsdatum, falls die Beschäftigung im Abrechnungszeitraum beendet wird;
den Abrechnungszeitraum sowie die Anzahl der Steuer- und Sozialversicherungstage;
die steuerlichen Merkmale:
Steuerklasse, ggf. einschließlich des gewählten Faktors, Zahl der Kinderfreibeträge, Merkmale für den Kirchensteuerabzug, ggf. Steuerfreibeträge und Hinzurechnungsbeträge nach Jahr und Monat sowie die Steuer-Identifikationsnummer;
den Beitragsgruppenschlüssel und die zuständige Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag;
ggf. die Angabe, dass ein Beitragszuschlag für Kinderlose erhoben wird.
ggf. Angaben, dass es sich um ein Beschäftigungsverhältnis im Übergangsbereich und/oder um eine Mehrfachbeschäftigung handelt.
Die Entgeltbescheinigung muss als solche gekennzeichnet werden ("Bescheinigung nach § 108 Abs. 3 S. 1 der Gewerbeordnung").
3.2 Mindestangaben zu den Entgeltbestandteilen
Die Bezüge und die Abzüge sind in der Bescheinigung detailliert darzustellen.
a) Bezeichnung und Betrag von Bezügen und Abzügen:
Die Beträge sind einzeln nach ihrer Art aufzuführen (einschließlich Angaben über Art und Höhe der Zuschläge, Zulagen, sonstige Vergütungen, Art und Höhe der Abzüge, Abschlagzahlungen etc.). Dabei muss ausgewiesen werden, ob es sich um laufende oder einmalige Bezüge und Abzüge handelt. Bei den Vergütungen ist jeweils anzugeben, ob sie steuer- und/oder sozialversicherungspflichtig sind und ob sie sich auf das Gesamtbruttoentgelt auswirken.
In der Regel dürften diese Informationen unproblematisch sein. Sie erhöhen die Transparenz erheblich bei nicht alltäglichen Konstellationen (z.B. wenn eine Gehaltsumwandlung teilweise sozialversicherungspflichtig ist und teilweise nicht).
Anzugeben sind auch Bezüge, die eine besondere steuerliche und beitragsrechtliche Behandlung erfahren, wie z.B. Sachbezüge, die unter die Freigrenze von 50 EUR fallen, Personalrabatte, pauschal besteuerte Entgeltbestandteile.
Beiträge und Arbeitgeberzuschüsse zu einer freiwilligen oder privaten Kranken- oder Pflegeversicherung sowie der Arbeitgeberanteil zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen sind an dieser Stelle nicht zu berücksichtigen. Sie dürfen also in den angegebenen Beträgen nicht enthalten sein.
b) Steuer- und sozialversicherungspflichtige Bezüge:
Die Bezüge und Abzüge müssen saldiert ausgewiesen werden als:
individuell steuerpflichtiger Arbeitslohn, getrennt nach laufenden und sonstigen Bezügen und Abzügen;
Sozialversicherungsbruttoentgelt, bei unterschiedlicher Bemessungsgrundlage getrennt nach Versicherungszweigen und getrennt nach laufenden und einmaligen Bezügen und Abzügen;
c) Gesamtbruttoentgelt (siehe hierzu Abschnitt 4):
d) Nettoentgelt:
Die gesetzlichen Abzüge müssen gesondert aus laufendem und einmaligem Bruttoentgelt und getrennt nach Lohn- und Kirchensteuer sowie ggf. Solidaritätszuschlag und nach den verschiedenen Sozialversicherungszweigen dargestellt werden.
Das Nettoentgelt definiert sich als Differenz aus Gesamtbruttoentgelt (siehe Abschnitt 4) und gesetzlichen Abzügen.
e) Arbeitgeberzuschüsse:
Darzustellen sind im nächsten Schritt die Leistungen, die der Arbeitgeber für die soziale Sicherung bestimmter Arbeitnehmer erbringt. Dies gilt für:
Den Arbeitgeberzuschuss zu den Beiträgen einer freiwilligen oder privaten Kranken- oder Pflegeversicherung;
den Arbeitgeberanteil zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung.
Darüber hinaus sind die Gesamtbeiträge auszuweisen, wenn der Arbeitgeber die Beiträge direkt an die jeweilige Versicherung bzw. Versorgungseinrichtung zahlt. Ebenso sind weitere Verrechnungsbeträge und Einbehalte anzugeben.
f) Endsumme und Auszahlungsbetrag:
Schließlich muss die Entgeltbescheinigung als Endsumme den tatsächlichen Auszahlungsbetrag enthalten. Dies ist der Saldo aus Nettoentgelt und den unter d) erläuterten Beträgen.
3.3 Weitere Angaben
Die Entgeltbescheinigung darf über den "Pflichtteil" hinaus weitere Angaben enthalten, In diesem Fall muss der Arbeitgeber den Mitarbeiter in geeigneter Weise darüber informieren, welche Angaben nicht weitergegeben werden müssen, da sie nicht unter die Vorgaben der Entgeltbescheinigungsverordnung fallen. Diese kann der Arbeitnehmer vor Weitergabe der Bescheinigung unkenntlich machen. Darunter fallen insbesondere die Kirchensteuermerkmale, Urlaubsbestände, Fehlzeiten und Gründe, Angaben über Pfändungen und die vereinbarte Arbeitszeit.
4. Gesamtbruttoentgelt
Es erfolgt keine Trennung nach laufenden und einmaligen Bezügen. In das Gesamtbruttoentgelt fließen neben den "normalen" Entgelten ein:
Beträge der Entgeltaufstockung nach dem Altersteilzeitgesetz,
geldwerte Vorteile (wie Privatnutzung von Dienstfahrzeugen),
Arbeitgeberzuschüsse zu Entgeltersatzleistungen.
Vermindernd wirken sich beim Gesamtbruttoentgelt aus:
Vom Arbeitnehmer übernommene Arbeitgeberleistungen (z.B. abgewälzte Pauschalsteuer),
vom Arbeitnehmer veranlasste Einstellung von Bezügen in ein Wertguthaben.
Weder erhöhend noch vermindernd dürfen sich auswirken:
Entgeltumwandlungen nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG,
Beiträge von Arbeitgeber oder Arbeitnehmer zur Zukunftssicherung, im öffentlichen Dienst auch Umlagen und Sanierungsgelder.
5. Verfahren
5.1 Allgemeines
Der Arbeitnehmer erhält für jeden Abrechnungszeitraum eine Entgeltbescheinigung in Textform. Dies ist nicht erforderlich, wenn sich in den Beträgen gegenüber dem vorherigen Abrechnungszeitraum keine Änderungen ergeben haben. Bei einer später notwendig werdenden neuen Entgeltbescheinigung ist jedoch zu vermerken, für welche Abrechnungszeiträume keine Bescheinigung ausgestellt wurde. Eine Bescheinigung, die alle notwendigen Angaben enthält, ist als Entgeltbescheinigung nach § 108 Abs. 3 GewO zu kennzeichnen. Damit ist für die Sozialleistungsträger erkennbar, dass die Daten den Anforderungen der Entgeltbescheinigungsverordnung entsprechen.
5.2 Zugang beim Arbeitnehmer
Ausreichend für die Erfüllung der Verpflichtung aus § 108 GewO ist nicht bereits die bloße Bereitstellung der Entgeltbescheinigung in ein elektronisches Postfach zum Abruf durch ein aktives Tun des Arbeitnehmers. Die Bescheinigung muss dem Arbeitnehmer tatsächlich i.S.v. § 130 BGB zugehen. Der Arbeitgeber muss daher die Lohnabrechnung so auf den Weg zum Arbeitnehmer bringen, dass sie so in seinen Machtbereich gelangt, dass er unter gewöhnlichen Umständen von der Erklärung Kenntnis nehmen konnte. Die in elektronischer Form übermittelte Erklärung geht dem Empfänger nur dann zu, wenn er zuvor ausdrücklich oder konkludent zu erkennen gegeben hat, dass er mit der elektronischen Übermittlung der Entgeltbescheinigung einverstanden ist. Die bloße Zurverfügungstellung der Lohnabrechnung in elektronischer Form zum Abruf durch den Arbeitnehmer ist keine Erfüllung der Pflicht zur Erteilung einer Entgeltbescheinigung i.S.d. § 362 Abs. 1 BGB(LAG Hamm, 23.09.2021 - 2 Sa 179/21).
5.3 Korrekturen
Muss die Abrechnung nachträglich korrigiert werden, sind die einschlägigen Regelungen des Steuer- und Sozialversicherungsrechts zu beachten. Falsch ermittelte Abzüge bei der Steuer können in der folgenden Abrechnung berichtigt werden. Dies ist möglich, bis die elektronische Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr an das Finanzamt übermittelt wurde (Frist bis Ende Februar des Folgejahres). Ist ein nachträglicher Einbehalt nicht möglich, muss das Finanzamt informiert werden (§ 41c Abs. 4 EstG).
Bei der Sozialversicherung sind falsche Abzüge ebenfalls zu berichtigen. Zu beachten ist aber, dass ein unterbliebener Abzug bei dem Arbeitnehmer nur in den nächsten drei Entgeltabrechnungszeiträumen nachgeholt werden kann (§ 20g S. 3 SGBIV).
6. Rechtsfolgen
Eine Abrechnung nach § 108 Abs. 1 GewO soll den Arbeitnehmer in die Lage versetzen, die Berechnung des Lohns durch die Aufstellung des Verdienstes sowie der Abzüge nachvollziehen zu können. Der Sache nach ist der Abrechnungsanspruch ein Auskunftsanspruch hinsichtlich des vom Arbeitgeber im Abrechnungszeitraum an den Arbeitnehmer gezahlten Arbeitsentgelts und der jeweiligen Abzüge. Die Abrechnung ist deshalb eine Wissens- und keine Willenserklärung. Sie hat nicht den Zweck, streitig gewordene Ansprüche endgültig festzulegen (LAG Hessen, 07.05.2019 - 18 Sa 1669/18 m.w.N.). Dementsprechend verzichtet der Arbeitgeber mit Erteilung der Abrechnung nicht auf alle Einwendungen, die sich ggf. aus Forderungen gegenüber dem Arbeitnehmer ergeben (LAG Berlin-Brandenburg, 15.10.2019 – 7 Sa 856/19). Mit den Gehaltsabrechnungen will ein Arbeitgeber regelmäßig nicht auf alle Einwendungen verzichten (BAG, 27.02.2014 - 6 AZR 931/12).
7. Erläuterungsanspruch
Neben dem Anspruch auf die Entgeltbescheinigung kann der Arbeitnehmer verlangen, dass ihm die Berechnung und Zusammensetzung seines Arbeitsentgelts erläutert wird (§ 82 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Dieser Anspruch tritt gleichberechtigt neben die Verpflichtung des Arbeitgebers, eine Entgeltbescheinigung zu erteilen. Während für die Entgeltbescheinigung i.S.v. § 108 GewO die Textform (vgl. § 126b BGB) vorgeschrieben ist, ist die Erläuterung nach § 82 BetrVG formfrei. Der Erläuterungsanspruch ist einklagbar (LAG Köln, 10.11.2020 – 1 Ta 158/20). Er ist aber auch weitergehender als die Entgeltbescheinigung, weil er auch Angaben zu den rechtlichen und tatsächlichen Berechnungsparametern der Vergütung umfasst. Dies kann insbesondere bei Akkordlohn von Bedeutung sein (LAG Köln, 10.11.2020 a.a.O.). Ziel ist es, dass der Arbeitnehmer die in der Entgeltbescheinigung enthaltenen Bestandteile der Vergütung nachvollziehen und verstehen kann.