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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Berufung - Anschlussberufung
Berufung - Anschlussberufung
Inhaltsübersicht
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Information
Wer einen Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht verliert, hat die Möglichkeit, gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung einzulegen (Berufung - Allgemeines). So wird - je nach Parteistellung im Ausgangsverfahren - aus dem Kläger oder dem Beklagten der Berufungskläger. Es gibt aber auch Fälle, in denen beide Parteien durch das Urteil des Arbeitsgerichts beschwert sind. Dann hat auch die andere Partei die Möglichkeit, dieses Urteil anzugreifen. Der Gegner des Berufungsführers - der Berufungsbeklagte - kann dann ebenfalls einen Berufungsantrag stellen - oder sich der gegnerischen Berufung einfach nur anschließen (§ 524 ZPO).
1. Anschluss an die Hauptberufung
Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen, auch wenn er vorher auf dieses Rechtsmittel verzichtet hat oder wenn für ihn die Berufungsfrist verstrichen ist (§ 524 Abs. 1 Satz 1 und § 524 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Beispiel:
Telefonistin Tanja verklagt die CC CallCenter GmbH & Co. KG vor dem Arbeitsgericht auf Zahlung von 1.700 EUR Mehrarbeitsvergütung. Das Arbeitsgericht gibt Tanjas Klage in Höhe von 1.000 EUR statt, in Höhe von 700 EUR weist es sie ab. Tanja legt gegen diese Entscheidung beim zuständigen Landesarbeitsgericht Berufung ein. Sie will den Rest auch noch. Die CC CallCenter GmbH & Co. KG schließt sich innerhalb der Berufungsfrist Tanjas Berufung an.
Es ist selbstverständlich, dass sich die Anschlussberufung gegen dasselbe Urteil richten muss wie die Hauptberufung. Zur Einlegung der Anschlussberufung ist nur der Berufungsbeklagte oder ein Nebenintervenient i.S. des § 67 ZPO berechtigt. Gegner der Anschlussberufung ist der Berufungskläger oder sein Streitgenosse. Die Anschlussberufung setzt im Gegensatz zur Hauptberufung keine Beschwerde voraus. So kann der
Kläger, der das Verfahren vor dem Arbeitsgericht gewonnen hat, Anschlussberufung einlegen, wenn er damit nur die Klage erweitern will;
Beklagte, der das Verfahren vor dem Arbeitsgericht gewonnen hat, Anschlussberufung einlegen, wenn er damit eine Widerklage erheben will.
Wichtig: Der Berufungsbeklagte hat die Wahl, sich dem Rechtsmittel des Berufungsklägers anzuschließen - dann § 524 ZPO - oder selbst Berufung einzulegen. In diesem Fall müssen die Voraussetzungen des § 511 ZPO erfüllt sein. Was gewollt ist, muss durch Auslegung ermittelt werden. Die selbstständige Berufung des Berufungsbeklagten ist von der Berufung des Berufungsklägers unabhängig.
2. Einlegung und Begründung der Anschlussberufung
Die Anschließung an die Hauptberufung erfolgt durch Einreichen der Berufungsanschlussschrift beim Berufungsgericht (§ 524 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Die Anschließung ist bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung zulässig (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
Beispiel:
Das Arbeitsgericht hat Arbeitgeber A verurteilt, an Mitarbeiter M 4.500 EUR Provision zu zahlen. Das erstinstanzliche Urteil wurde beiden Parteien am 30.07. zugestellt. An diesem 30.07. beginnen die Berufungs- und die Berufungsbegründungfrist. Die Berufungsfrist beträgt einen Monat, die Berufungsbegründungsfrist zwei (§ 517, 520 ZPO). A legt am 14.08. Berufung ein. Das Landesarbeitsgericht fordert ihn auf, die Berufung bis zum 30.09. zu begründen. Bis dahin muss M sich entscheiden, ob er eine Anschlussberufung einlegt.
Die Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO gilt nicht, wenn die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistung (§ 323 ZPO) zum Gegenstand hat.
Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden (§ 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Dabei gelten die §§ 519 Abs. 2 und 4, 520 Abs. 3 und § 521 ZPO - mit denen der Gesetzgeber die Formalien für die (Haupt)Berufung festgelegt hat - entsprechend (§ 524 Abs. 3 Satz 2 ZPO - und das Stichwort Berufung - Frist und Form).
Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird, § 524 Abs. 4 ZPO.
Beispiel:
Arbeitgeber A muss nach rechtlicher Beratung durch seinen Anwalt erkennen, dass seine Berufung aussichtslos ist. Er nimmt sie zurück. Arbeitnehmer N hatte sich der Berufung des A angeschlossen. Diese Anschließung verliert mit Zurücknahme der Berufung des A ihre Wirkung.
Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, zwischen einer selbstständigen Berufung des Berufungsbeklagten und der bloßen Anschließung an die Berufung des Berufungsklägers zu unterscheiden. Für die selbstständige Berufung ist es nämlich unerheblich, ob der Berufungskläger sein Rechtsmittel zurücknimmt. Die selbstständige Berufung des Berufungsbeklagten läuft in diesem Fall nämlich weiter.
3. Rechtsprechungs-ABC
Hier finden Sie einige der wichtigsten Entscheidungen zum Thema Berufung - Anschlussberufung in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet:
3.1 Berufungserwiderungsfrist
Enthält eine gerichtliche Entscheidung eine Terminbestimmung oder setzt sie eine Frist in Lauf, so ist sie den Parteien zuzustellen (§ 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Die Anschlussberufung ist nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung zulässig. Stellt die Geschäftsstelle bloß eine Mitteilung über die vom Vorsitzenden der Berufungskammer gesetzten Frist zur Berufungserwiderung zu, wird die Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO damit nicht ausgelöst - sie verlangt die Zustellung einer beglaubigten richterlichen Verfügung nach § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO (BGH, 23.09.2008 - VIII ZR 85/08).
3.2 Berufungsfrist - 1
Die Anschlussberufung ist nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung zulässig. Diese Frist gilt auch für eine den Streitgegenstand ändernde Anschlussberufung. Sie ist zudem in Fällen zu berücksichtigen, in denen der Berufungsbeklagte mit seiner Anschlussberufung bloß eine zu Unrecht zu seinen Gunsten ergangene erstinstanzliche Entscheidung aufrechterhalten wissen will, indem er seine Klage im Anschluss an einen nach Fristablauf erteilten richterlichen Hinweis auf einen geänderten Klagegrund stützt (BGH, 07.12.2007 - V ZR 210/06).
3.3 Berufungsfrist - 2
"Nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG ist eine Anschlussberufung bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung zulässig. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren wird zwar anders als nach § 521 Abs. 2 Satz 1 ZPO dem Berufungsbeklagten - vom Gericht - keine Frist zur Berufungserwiderung 'gesetzt'; vielmehr gilt für die Berufungsbeantwortung die durch § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG bestimmte gesetzliche Frist. Gleichwohl ist § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG entsprechend anwendbar. Eine Anschlussberufung, die nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründung - bei Verlängerung der Berufungsbeantwortungsfrist nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG innerhalb der dann geltenden Frist ... [es folgen Hinweise auf BAG, 24.05.2012 - 2 AZR 124/11 - und BAG, 18.01.2012 - 7 AZR 211/09] eingeht, ist entsprechend § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, wenn das Berufungsgericht mit der Zustellung der Berufungsbegründung den nach § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG gebotenen Hinweis erteilt hat" (BAG, 10.12.2014 - 7 AZR 1009/12 - mit Hinweis auf BAG, 30.05.2006 - 1 AZR 111/05; bestätigt durch BAG, 15.07.2021 – 6 AZR 460/20).
3.4 Berufungsfrist - 3
Arbeitgeber A hatte gegen das der Klage von Mitarbeiter M teilweise stattgebende Urteil Berufung eingelegt. Mit Zustellung der Berufungsbegründung wurde M's Prozessbevollmächtigter P darauf hingewiesen, dass die Berufung innerhalb von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung – hier am 23.04.2020 – beantwortet werden muss. Auf P's Antrag verlängerte das Berufungsgericht die Beantwortungsfrist bis zum 25.06.2020. Die Antwort ging rechtzeitig beim Landesarbeitsgericht ein, enthielt keinen Sachantrag. In der mündlichen Verhandlung am 21.07.2020 erweiterte P die Klage. Nicht mehr rechtzeitig für eine Anschlussberufung – das erweiterte Begehren kann zu M's Gunsten zwar als Anschlussberufung verstanden werden, die kam nach Ablauf der Berufungsbeantwortungsfrist am 21.07.2020 jedoch definitiv zu spät und war damit unzulässig (BAG, 15.07.2021 – 6 AZR 460/20).
3.5 Formfehler
Wird die Anschlussberufung entgegen § 524 Abs. 3 ZPO nicht formgerecht begründet, ist sie selbst dann unwirksam, wenn sie vor Eingang der Berufungsbegründung eingelegt worden ist (OLG Köln, 17.01.2003 - 5 U 5/03 - mit dem Hinweis, dass die Kosten der unwirksamen Anschlussberufung im Falle einer Rücknahme der Berufung durch den Berufungskläger quotenmäßig dem Anschlussberufungskläger aufzuerlegen sind).
3.6 Kosten
Verliert ein zulässig erhobenes Anschlussrechtsmittel seine Wirkung durch Rücknahme des Rechtsmittels, sind dem Rechtsmittelkläger im Regelfall auch die Kosten des Anschlussrechtsmittels aufzuerlegen (BGH, 26.01.2005 - XII ZB 163/04).