Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Die Inhalte des Bereichs „Fachwissen SV“ geben Ihnen kostenlos Auskunft zu allen Themen der Sozialversicherung. Sie sind ein exklusives Angebot für eingeloggte Nutzer.
Jetzt einloggen:
Sie sind noch nicht registriert?
BSG, 21.01.2009 - B 12 KR 15/07 B
Bundessozialgericht
Beschl. v. 21.01.2009, Az.: B 12 KR 15/07 B
Verfahrensgang:
vorgehend:
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - AZ: L 16 KR 110/06
BSG, 21.01.2009 - B 12 KR 15/07 B
Tenor:
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1) gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Dezember 2006 wird zurückgewiesen. Die Beigeladene zu 1) trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger zu 1) in der Zeit vom 1.1. bis zum 31.12.2003 als Geschäftsführer einer GmbH, der Klägerin zu 2), versicherungspflichtig beschäftigt war.
2
Der Kläger zu 1) war in der streitigen Zeit einer von insgesamt zwei Geschäftsführern der Klägerin zu 2), deren Geschäftsgegenstand die Beratung über und die Vermittlung von ua Finanzdienstleistungen ist. Bis zum Ablauf des Jahres 2003 war er am Stammkapital der GmbH nicht beteiligt. Die Gesellschaftsanteile wurden vom zweiten Geschäftsführer und einem weiteren Gründer jeweils zur Hälfte gehalten. Ab dem 1.1.2004 erhielt der Kläger zu 1) eine Beteiligung im Umfang von 10 vH des Stammkapitals mit der Folge, dass sich die Beteiligung der beiden anderen Gesellschafter auf jeweils 45 vH verminderte. Der Kläger zu 1) war nach Maßgabe ua einer Geschäftsordnung alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Als Vergütung war ua ein Jahresbruttogehalt von 36.000 Euro vereinbart. Ferner stand dem Kläger zu 1) ein Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen zu. Der Kläger zu 1) und der weitere (Gesellschafter-)Geschäftsführer waren tatsächlich für unterschiedliche Tätigkeitsbereiche verantwortlich (Backoffice-Bereich einerseits, Außendienst andererseits), die sich nicht überschnitten und in denen beide jeweils allein entschieden. Im Laufe des Jahres 2003 gab der Kläger zu 1) zu Gunsten der Klägerin zu 2) gegenüber verschiedenen Versicherungsunternehmen mehrere Erklärungen über eine selbstschuldnerische Bürgschaft ab, die zum Teil in der Höhe begrenzt, zum Teil abhängig von bestehenden oder zukünftigen Forderungen gegen die Klägerin zu 2) waren. Auch verzichtete er in dieser Zeit auf ihm zustehendes Gehalt.
3
Im März 2004 begehrte die Klägerin zu 2) von der beklagten Krankenkasse die "Erstellung einer Bescheinigung über die Sozialversicherungsfreiheit" des Klägers zu 1). Die Beklagte stellte daraufhin mit zwei Bescheiden vom 16.4.2004 gegenüber beiden Klägern fest, dass der Kläger zu 1) als Geschäftsführer der Klägerin zu 2) in der Zeit vom 1.1. bis zum 31.12.2003 als abhängig Beschäftigter in allen Zweigen der Sozialversicherung der Versicherungspflicht unterlegen habe. Ab 1.1.2004 bestehe für ihn als Gesellschafter-Geschäftsführer Versicherungsfreiheit. Widersprüche und Klagen der Kläger blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28.7.2004, Urteil des Sozialgerichts (SG) Köln vom 7.3.2006).
4
Mit Urteil vom 20.12.2006 hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen auf die Berufung der Kläger das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide aufgehoben sowie festgestellt, dass der Kläger zu 1) in seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2) bereits ab 1.1.2003 nicht abhängig beschäftigt war und keine Sozialversicherungspflicht bestand. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Bei einer Gesamtschau überwögen die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Gesichtspunkte bei Weitem. Zwar habe der Kläger zu 1) mangels Gesellschaftsbeteiligung in der streitgegenständlichen Zeit keine beherrschende Stellung gehabt. Auch sei sein tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der GmbH nicht dergestalt gewesen, dass er jede nicht genehme Weisung habe verhindern können. Jedoch habe der Kläger zu 1) in dem ihm zugewiesenen Aufgabenbereich nach eigenem Gutdünken walten und schalten können, sodass insoweit eine Einordnung in den Betrieb der Klägerin zu 2) nicht festzustellen sei. Gegen eine abhängige Beschäftigung spreche auch der freiwillige Gehaltsverzicht, wenn dies die wirtschaftliche Situation der Klägerin zu 2) erfordert habe, weil ein solches Verhalten keineswegs typisch für Arbeitnehmer sei. Letztlich entscheidend sei aber der Umstand, dass der Kläger zu 1) mit den Erklärungen über eine selbstschuldnerische Bürgschaft ein Unternehmerrisiko übernommen habe, wie dies nur Selbstständige täten.
5
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beigeladene zu 1) gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
6
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1) gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 20.12.2006 ist unbegründet. Zwar hat die Beigeladene zu 1) das Rechtsmittel gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG frist- und formgerecht begründet, die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen jedoch nicht vor.
7
Das Bundessozialgericht (BSG) darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn - die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder - das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder - bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
8
Die Beigeladene zu 1) beruft sich allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Sie hat folgende Fragen formuliert:
"1. Kann ein Geschäftsführer einer GmbH, der weder als Gesellschafter an deren Kapital beteiligt noch mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist (echter Fremdgeschäftsführer), als selbstständig Tätiger beurteilt werden, wenn neben diesem einer oder mehrere weitere Geschäftsführer bestellt sind, und die verschiedenen Geschäftsführer für unterschiedliche Tätigkeitsfelder zuständig sind?
2. Ist bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung eines Geschäftsführers einer GmbH, der weder als Gesellschafter an deren Kapital beteiligt noch mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist (echter Fremdgeschäftsführer), die Übernahme von persönlichen Haftungsrisiken in nicht unerheblicher Höhe (z.B. in Form von selbstschuldnerischen Bürgschaften) als Unternehmerrisiko im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Möglichkeit von Ausnahmefällen, in denen ein Fremdgeschäftsführer als selbstständig Tätiger anzusehen ist (BSG v. 13.12.1960, 3 RK 2/56, BSGE 13, 196, 200; BSG v. 29.10.1986, 7 RAr 43/85, USK 86145, Rz 16; BSG v. 8.12.1987, 7 RAr 25/86, USK 87170, Rz 30; BSG v. 11.2.1993, 7 RAr 48/92 USK 9347, Rz 20; BSG v. 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, Rz 21; BSG v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R, Rz 17), zu bewerten?"
9
Die Beigeladene zu 1) hält die Rechtsfragen für noch nicht geklärt, weil die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Status von Fremdgeschäftsführern einer GmbH lediglich verlautbare, dass diese in der Regel als abhängig Beschäftigte einzustufen seien, zwar prinzipiell Ausnahmen von dieser Regel angenommen werden könnten und hierbei insbesondere auf die Art und den Umfang der Weisungsgebundenheit sowie darauf abzustellen sei, ob die Tätigkeit für ein fremdes oder das eigene Unternehmen ausgeübt werde, einen Ausnahmefall selbstständiger Tätigkeit bei Fremdgeschäftsführern jedoch bisher allein in einem Fall familiärer Verbundenheit zwischen (Fremd)Geschäftsführer und Gesellschafter angenommen habe, wenn der (Fremd)Geschäftsführer die Geschäfte faktisch wie ein Alleininhaber nach eigenem Gutdünken führe. Im Kern sieht die Beigeladene zu 1) höchstrichterliche Aussagen dazu als erforderlich an, ob ein Fremdgeschäftsführer, der nur für einen "Teil der Aufgabenbereiche einer GmbH zuständig" sei, selbstständig tätig sein könne, und es für die Bewertung des Unternehmerrisikos von GmbH-Geschäftsführern bei der an der Gesellschaftsbeteiligung orientierten formalen Betrachtungsweise verbleiben solle oder ein Unternehmerrisiko auch bei freiwillig übernommenen Haftungsrisiken angenommen werden könne. Des Weiteren wird auf das Urteil des Senats vom 18.12.2001 (B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 82) verwiesen, in dem dieser erneut in Frage gestellt habe, ob es Ausnahmen einer Selbstständigkeit von Fremdgeschäftsführern geben könne.
10
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet, weil die aufgeworfenen Rechtsfragen nicht (mehr) klärungsbedürftig sind und der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung deshalb nicht vorliegt.
11
Soweit die Beigeladene zu 1) als klärungsbedürftig ansieht, ob ein GmbH-Geschäftsführer ohne Kapitalbeteiligung dann, wenn er in einem Teilaufgabenbereich der GmbH allein und weisungsunabhängig entscheide, (überhaupt) als selbstständig Tätiger in Betracht kommen könne, bzw - wie das LSG (lediglich) entschieden hat - jedenfalls eine Eingliederung in den Betrieb der GmbH zu verneinen sei, hat das BSG diese Frage mit seiner Rechtsprechung zu Fremdgeschäftsführern, die nicht neben einem oder mehreren weiteren Geschäftsführern, sondern allein bestellt sind (vgl etwa Urteil des Senats vom 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 20, mwN aus der älteren Rspr , zB Urteil vom 22.8.1973, 12 RK 24/72, SozR Nr 22 zu § 3 AVG; aber auch Urteil vom 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 1: Alleingeschäftsführer mit Kapitalbeteiligung, jedoch ohne Mehrheit der Gesellschaftsanteile und Sperrminorität), bereits geklärt. Aus dieser Rechtsprechung ergeben sich genügende Anhaltspunkte zur Beurteilung der herausgestellten Frage. Denn hindert schon die auf eine Alleingeschäftsführung gegründete umfassende Zuständigkeit eines GmbH-Geschäftsführers die Annahme seiner Eingliederung in den Betrieb der GmbH nicht, so muss das erst recht bei (bloßer) Teilzuständigkeit eines Geschäftsführers auf der Grundlage einer Teilgeschäftsführung gelten. Auch im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 4.7.2007 (B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 8) bedarf die gestellte Frage keiner weiteren Klärung. In dieser Entscheidung hat das BSG bei einer Mehrheit von Gesellschafter-Geschäftsführern mit jeweils eigenen Aufgabenbereichen, die jeder für sich weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine Sperrminorität verfügten, deren Eingliederung in den Betrieb der GmbH nicht ausgeschlossen. Soweit das LSG die (alleinige) Teilverantwortlichkeit des Klägers zu 1) in einem bestimmten Aufgabenbereich hervorgehoben und gegen seine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin zu 2) gewertet hat, ist seine Auffassung danach unzutreffend.
12
Auch keine Klärungsbedürftigkeit liegt vor, soweit die Beigeladene zu 1) höchstrichterlich entschieden haben möchte, ob Haftungsrisiken, wie sie nach Abgabe von Erklärungen einer selbstschuldnerischen Bürgschaft wie im vorliegenden Fall entstehen, als Unternehmerrisiken gewertet werden dürfen oder ein Unternehmerrisiko von GmbH-Geschäftsführern weiterhin formal nach der Beteiligung am Stammkapital zu beurteilen ist. Mit seinen Urteilen vom 25.1.2001 (B 12 KR 17/00 R, SozVers 2001, S 329) und 4.6.1998 (B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN) hat der Senat allgemein dargelegt, dass maßgebliches Kriterium für ein Unternehmerrisiko sei, ob sich der Erfolg eines Einsatzes sächlicher Mittel als ungewiss darstelle. Er hat weiter ausgeführt, dass die Belastung mit Risiken im Zusammenhang mit der Verwertung der Arbeitskraft nur dann für Selbstständigkeit spreche, wenn ihr eine größere Freiheit bei der Gestaltung und Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehe oder diese zu höheren Verdienstchancen führe (Urteil vom 25.1.2001, aaO, S 332). Schließlich hat der Senat entschieden, dass die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen sei, mit zusätzlichen Risiken nicht die Annahme von Selbstständigkeit rechtfertige. Daraus ergibt sich, dass die Übernahme eines - arbeitnehmeruntypischen - Risikos wie des Risikos der Inanspruchnahme aus einer - freiwillig eingegangenen - selbstschuldnerischen Bürgschaft, ohne dass parallel die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind, das Vorliegen eines Unternehmerrisikos nicht begründen kann.
Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.