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BSG, 10.11.1993 - 9/9a RV 36/92 - Fehlen von Entscheidungsgründen im Urteil ; Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ; Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
Bundessozialgericht
Urt. v. 10.11.1993, Az.: 9/9a RV 36/92
Fehlen von Entscheidungsgründen im Urteil ; Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ; Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
BSG, 10.11.1993 - 9/9a RV 36/92
Tenor:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. August 1992 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
1
I
Der 1956 geborene Kläger leistete 1976/77 seinen Grundwehrdienst und nahm 1987 an einer einwöchigen Reserveübung teil. Einige Tage danach stellte sich der Kläger bei einem HNO-Arzt wegen Ohrgeräuschen vor, die er auf Schießübungen zurückführte.
2
Der Beklagte lehnte die Anerkennung des Ohrgeräusches als Wehrdienstbeschädigung ab (Bescheid vom 4. Januar 1989, Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 1990). Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts <SG> Mainz vom 5. Juli 1991 und des Landessozialgerichts <LSG> Rheinland-Pfalz vom 21. August 1992). In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, daß Ansprüche nach §§ 84, 81 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) daran scheiterten, daß weder der schädigende Vorgang, nämlich das Knalltrauma erwiesen sei, noch das Ohrgeräusch (Tinnitus) mit Wahrscheinlichkeit auf die Schießgeräusche zurückzuführen sei. Angesichts des vom Kläger geschilderten Hergangs könne eine gesundheitliche Schädigung durch die Wehrdienstverrichtung des Schießens mit der Folge des Tinnitus allein über eine Traumatisierung in Betracht kommen. Sonstige denkbare Ursachen für einen Tinnitus, die vielfältig sein könnten, seien ihrer Art nach nicht geeignet, den Ursachenzusammenhang zu begründen. Für eine Traumatisierung des Innenohrs durch Knall fehle es nach den Sachverständigengutachten an den notwendigen Indizien, nämlich der Schädigung der Innenohrsinneszellen und einer - mindestens vorübergehenden - Einschränkung der Hörfähigkeit. Auch die Lokalisation des Tinnitus bei 1000 Hz statt bei 4000 Hz spreche gegen die Verursachung durch ein Knalltrauma. Für eine Kannversorgung bestehe kein Raum, weil die wissenschaftlich noch ungeklärten sonstigen Ursachen für den Tinnitus hier außer Betracht zu bleiben hätten.
3
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er trägt vor, das LSG habe die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, weil es an einer höchstrichterlichen Entscheidung zur Frage der Anerkennung von Ohrgeräuschen nach Knalleinwirkungen fehle. Er rügt, das angefochtene Urteil beruhe auf Verfahrensfehlern, weil nicht durch Zeugen die Umstände des Schießereignisses aufgeklärt worden seien und die vom LSG der Entscheidung zugrundegelegten Sachverständigengutachten Mängel aufwiesen. Das Urteil verletze auch den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör, weil sein Sachvortrag nicht ausreichend zur Kenntnis genommen worden sei.
4
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger einen "Tinnitus" als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen und Versorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 vH zu gewähren, hilfsweise,
5
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
6
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
7
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
8
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Gründe
9
II
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
10
Soweit sich die Revision auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache stützt, hätte zugleich dargelegt werden müssen, welche Vorschrift des Bundesrechts das angefochtene Urteil verletzt (§ 162 Sozialgerichtsgesetz<SGG>). Hieran fehlt es. Die Frage, ob die Knalleinwirkungen bei wehrdienstlichen Schießübungen Ohrgeräusche verursachen können, mag für zahlreiche Personen von Bedeutung sein. Es handelt sich jedoch um eine medizinische, also tatrichterlich zu beantwortende Frage und nicht um ein Problem des Bundesrechts. Rechtliche Fragen werden in der Revision nicht aufgezeigt.
11
Die vom Kläger behaupteten Verfahrensfehler liegen nicht vor.
12
Soweit der Kläger rügt, das LSG hätte den Sanitäter dazu vernehmen müssen, warum der Kläger den Truppenarzt nicht aufgesucht und bei der Abschlußuntersuchung auch keine Beschwerden angegeben habe, ist die Rüge unzulässig. Es wird nicht dargestellt, inwiefern die angefochtene Entscheidung hierauf beruhen könnte. Diese Darstellung ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger darauf verweist, daß er damals keine Hörbeeinträchtigung, sondern den isolierten Tinnitus davongetragen habe; denn von diesem Sachverhalt geht die angefochtene Entscheidung aus.
13
Die Rüge, das LSG habe die medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse, die in der sogenannten "Niederschrift" (bekanntgegeben mit Rundschreiben des BMA vom 20. September 1988 unter VIa 6-50122-2/16) festgehalten seien, nicht beachtet, findet im Urteil keine Stütze. Denn für seine Behauptung, den isolierten Tinnitus gebe es als Folge eines Knalltraumas, findet sich weder in der "Niederschrift" noch in der sonstigen vom Kläger eingereichten Literatur noch in den vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten ein Beleg. Insoweit ist auch die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs nicht belegt. Das Berufungsgericht hat den Vortrag des Klägers zur "Niederschrift" sowie die eingereichten Publikationen zur Kenntnis genommen, sie im Tatbestand aufgeführt und in den Entscheidungsgründen gewürdigt. Das LSG hat sich mit diesen Unterlagen auseinandergesetzt und ist ihnen inhaltlich nicht gefolgt. Die abweichende Beweiswürdigung belegt keine Verletzung rechtlichen Gehörs.
14
Die Rüge mangelnder Sachaufklärung ist unbegründet. Es ist nicht dargelegt, warum das LSG den Geräuschpegel bei Schießübungen, die Unwirksamkeit des Gehörschutzes der Soldaten und die Häufigkeit der Knalltraumen bei der Bundeswehr hätte ermitteln sollen. Es fehlen Ausführungen dazu, inwiefern vom Rechtsstandpunkt des Berufungsurteils aus hier Aufklärungsbedarf bestand. Denn die angefochtene Entscheidung stellt fest, daß der Kläger kein Knalltrauma erlitten hat, so daß es auf die Gefährdung der Soldaten im allgemeinen nicht ankam. Soweit der Kläger die medizinische Sachaufklärung beanstandet, weil die Ohrgeräusche auch durch eine Steilstellung der Halswirbelsäule verursacht worden sein könnten und diese Steilstellung wiederum durch das Schießen ausgelöst sei, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der in der Revisionsinstanz nicht zu beachten ist. Auch im übrigen ist nicht ersichtlich, warum sich bei der gegebenen Sach- und Rechtslage dem Gericht hätte aufdrängen müssen, weitere Sachverständigengutachten einzuholen. Insoweit wären nähere Ausführungen schon deshalb erforderlich gewesen, weil der Kläger im Berufungsverfahren ausdrücklich auf einen Antrag nach § 109 SGG verzichtet und die erhobenen Befunde als ausreichend angesehen hat.
15
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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