Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Familienpflegezeit - Auswirkungen Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Familienpflegezeit - Auswirkungen Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.
- 4.
- 5.
- 6.
- 7.
- 8.
- 9.
- 10.
Information
1. Allgemeines
Durch das Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) soll es dem Arbeitnehmer ermöglicht werden, Beruf und die Pflege naher Angehöriger für einen Zeitraum von zwei Jahren miteinander zu vereinbaren. Der Beitrag gibt Ihnen die Informationen, die Sie für die Umsetzung der Regelungen in der täglichen Praxis brauchen.
2. Rechtsanspruch
Der Arbeitnehmer hat einen Rechtsanspruch auf die Reduzierung der Arbeitszeit. Nur wenn der Betrieb 25 oder weniger Arbeitnehmer hat, setzt die teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung nach wie vor eine Vereinbarung zwischen Betrieb und Mitarbeiter voraus (siehe hierzu auch Familienpflegezeit – Allgemeines). Der Betrieb kann dann im Einzelfall entscheiden, ob er eine solche Vereinbarung abschließt.
Praxistipp:
Der Arbeitgeber ist bei der Entscheidung über solche Anträge nicht völlig frei; vielmehr müssen die allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätze (wie z.B. billiges Ermessen, Gleichbehandlung und Willkürverbot) beachtet werden. Sinnvoll ist es daher, bei Ablehnung die Gründe in einem internen Vermerk festzuhalten.
Daneben kann ein Rechtsanspruch auf zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit nach § 9a TzBfG bestehen.
3. Ankündigung gegenüber dem Betrieb
Will der Arbeitnehmer die Familienpflegezeit in Anspruch nehmen, muss er dies dem Arbeitgeber spätestens acht Wochen vor dem gewünschten Beginn schriftlich ankündigen. Gleichzeitig muss er angeben, für welchen Zeitraum er die teilweise Freistellung in Anspruch nehmen will und wie er die Arbeitszeit verteilen möchte. Falls er zuvor nach dem Pflegzeitgesetz freigestellt war, muss sich die Familienpflegezeit unmittelbar daran anschließen. In diesem Fall gilt eine verlängerte Ankündigungsfrist von drei Monaten. Zu beachten ist dabei auch, dass die Dauer von Pflegezeit und Familienpflegezeit zusammen auf 24 Monate beschränkt ist.
Durch das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite wurde § 16 FPfZG mit befristeter Wirkung eingefügt. Die Regelungen wurden dann mehrfach verlängert. Aktuell gilt für eine Familienpflegezeit, die spätestens am 01.12.2022 beginnt, eine verkürzte Ankündigungsfrist. Die Anzeige an den Arbeitgeber muss danach spätestens zehn Arbeitstage vor dem gewünschten Beginn erfolgen.
Ausreichend ist darüber hinaus für die Inanspruchnahme der Familienpflegezeit, die spätestens am 01.12.2022 beginnt, auch eine Mitteilung in Textform, also auch per E-Mail, Fax oder SMS. Mit diesen Regelungen soll einerseits eine schnelle Reaktion auf Umstände möglich sein, die sich infolge der Corona-Pandemie ergeben; andererseits soll die Inanspruchnahme durch den Verzicht auf die Schriftform erleichtert werden (vgl. BT-Drs. 19/19216 S. 108).
4. Vereinbarung
Unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf die Freistellung besteht oder nicht, haben die Arbeitsvertragsparteien über den Umfang der Verringerung und die Verteilung der Arbeitszeit eine schriftliche Vereinbarung zu treffen. Dies dient der Rechtssicherheit für die Beteiligten. Zur Schriftform siehe §§ 126, 126a BGB. Im Hinblick auf die Corona-Pandemie kann die Vereinbarung auch in Textform erfolgen.
Praxistipp:
Für die erforderliche schriftliche Vereinbarung können Sie den Vordruck "Vereinbarung über teilweise Freistellung" verwenden.
Der Betrieb kann die Wünsche des Mitarbeiters auch ablehnen – allerdings müssen "dringende betriebliche Gründe" bestehen. Die entgegenstehenden Gründe müssen im Hinblick auf die Formulierung im Gesetz schwerwiegend sein. Davon kann in der Regel ausgegangen werden, wenn die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit zu erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Belange führen würde. Das Merkmal "dringend" steigert die zu erfüllenden Anforderungen und kann mit den Worten "nahezu zwingend" oder "unabweisbar" umschrieben werden. Eine Ablehnung kommt danach nur in Ausnahmefällen in Betracht (siehe BT-Drucksache 18/3086 zum Elterngeld plus, S. 12).
5. Dauer der Freistellung
Die Freistellung kann der Arbeitnehmer je pflegebedürftigem Angehörigen bis zu 24 Monate in Anspruch nehmen. Es handelt sich dabei um die Höchstdauer, sodass auch kürzere Zeiträume möglich sind. Entscheidet sich der Mitarbeiter für eine kürzere Inanspruchnahme, ist spätere Verlängerung nur möglich, wenn der Arbeitgeber zustimmt (§ 2a Abs. 3 FPfZG). Lediglich, wenn ein vorgesehener Wechsel in der Pflegeperson aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann, besteht ein Rechtsanspruch auf die Verlängerung (z.B. bei schwerwiegender Erkrankung der vorgesehenen Person).
Vorübergehend kann wegen der Corona-Pandemie die Familienpflegezeit, soweit die Höchstdauer noch nicht ausgeschöpft ist, mit Zustimmung des Arbeitgebers erneut in Anspruch genommen werden. Die Regelung gilt z.Zt. für Familienpflegezeiten, die spätestens am 30.06.2022 enden.
Grundsätzlich ist auch der Arbeitnehmer an die Dauer der Freistellung gebunden, weil der Betrieb ja entsprechend disponiert und ggf. eine Ersatzkraft eingestellt hat. Daher ist die vorzeitige Beendigung nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich (§ 2a Abs. 5 FPfZG). Lediglich wenn der nahe Angehörige nicht mehr pflegebedürftig ist oder die häusliche Pflege unzumutbar ist, endet die Familienpflegezeit vier Wochen nach Eintritt der veränderten Umstände.
Wird zunächst Pflegezeit nach dem PflegeZG in Anspruch genommen, kann eine Freistellung i.R.d. Familienpflegezeit nur im direkten Anschluss daran erfolgen.
Nach § 16 FPfZG i.d.F. durch das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite musste sich die Familienpflegezeit vorübergehend nicht unmittelbar an eine Pflegezeit anschließen, wenn der Arbeitgeber zustimmte und die Gesamtdauer von 24 Monaten nicht überschritten wurde. Voraussetzung war nach der gesetzlichen Regelung, dass die Familienpflegezeit spätestens mit dem 30.09.2020 endete. Die Ankündigungsfrist betrug abweichend von § 2a Abs. 1 S. 1 FPfZG zehn Tage. Ähnlich wurden die Bedingungen für den Fall gelockert, dass sich eine Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz an die Familienpflegezeit anschließen sollte. Aktuell gelten die Sonderregelungen bis zum 31.12.2022 (Art. 2b des Gesetzes zur Zahlung eines Bonus für Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen [Pflegebonusgesetz], das am 19.05.2022 vom Bundestag beschlossen und am 10.06.2022 vom Bundesrat gebilligt wurde – vgl. BT-Drs. 20/1909).
6. Befristeter Vertrag mit Ersatzkraft
Die Vereinbarung einer Familienpflegezeit gilt als sachlicher Grund für eine Befristung eines Arbeitsvertrages mit einer Vertretungskraft (§ 2 Abs. 3 FPfZG i.V.m. § 6 PflegeZG). Einzelheiten dazu siehe Pflegezeit - Beschäftigung von Ersatzkräften.
7. Kündigungsschutz
Von der Ankündigung der Familienpflegezeit, höchstens jedoch von zwölf Wochen vor deren Beginn an bis zu deren Ende darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nur ausnahmsweise in besonderen Fällen (wie z.B. Betriebsstilllegungen) kündigen (§ 2 Abs. 3 FPfZG i.V.m. § 5 Abs. 1 PflegeZG). Voraussetzung ist, dass die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle dem zustimmt. Zum Verfahren siehe Pflegezeit - Kündigungsschutz .
8. Sicherung des Lebensunterhaltes
Zur finanziellen Absicherung des Mitarbeiters siehe Familienpflegezeit – Allgemeines.
9. Versicherungsschutz
Da die Mindestarbeitszeit 15 Stunden wöchentlich beträgt kann im Hinblick auf den gesetzlichen Mindestlohn davon ausgegangen werden, dass das Arbeitsentgelt mehr als 450 EUR monatlich beträgt. Daher besteht in der Regel weiterhin Versicherungspflicht in der Sozialversicherung.
In der Krankenversicherung kann bei Mitarbeitern, deren Vergütung die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreitet, infolge der verminderten Arbeitszeit und des geringeren Verdienstes Versicherungspflicht eintreten. Ist der Mitarbeiter privat krankenversichert, kann er dann seinen Versicherungsvertrag außerordentlich kündigen (§ 205 Abs. 2 VVG). Außerdem besteht die Möglichkeit, sich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen (§ 8 Abs. 1 Nr. 2a SGB V).Das Gleiche gilt für Arbeitnehmer, die im unmittelbaren Anschluss an eine Freistellung nach § 2 des FPfZG eine Teilzeitbeschäftigung aufnehmen, die bei Vollbeschäftigung zur Versicherungsfreiheit wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze führen würde. Voraussetzung ist, dass der Beschäftigte zuvor seit mindestens fünf Jahren wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei war.
Der Antrag muss innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse gestellt werden (§ 8 Abs. 2 SGB V). Infrage dafür kommt jede nach § 173 Abs. 2 SGB V wählbare Krankenkasse. Soweit aufgrund der eintretenden Versicherungspflicht bereits eine Mitgliedschaft begründet wurde, ist diese Krankenkasse für die Befreiung zuständig. Die Befreiung ist unwiderruflich (§ 8 Abs. 2 S. 3 SGB V). Allerdings erstreckt sie sich nur auf die Dauer der Familienpflegezeit (§ 8 Abs. 2a SGB V). Liegt das Arbeitsentgelt danach immer noch unter der Grenze, tritt Versicherungspflicht ein.
Die Befreiung wirkt vom Beginn der Versicherungspflicht an. Sind jedoch bereits Leistungen der Krankenkasse in Anspruch genommen worden, tritt die Wirkung mit Beginn des Kalendermonats, der auf den Antrag folgt, ein.
10. Arbeitshilfen
Praxistipp:
Zu allen wichtigen Aspekten der Familienpflegezeit hält das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Merkblätter, Broschüren und Formulare bereit (www.familien-pflege-zeit.de).