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BAG, 17.10.1991 - 8 AZR 321/90 - Schmerzensgeld wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts; Benachteiligung beim beruflichen Aufstieg; Rechtmäßigkeit der Berücksichtigung anderer Bewerber; Diskriminierende Stellenausschreibung
Bundesarbeitsgericht
Urt. v. 17.10.1991, Az.: 8 AZR 321/90
Schmerzensgeld wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts; Benachteiligung beim beruflichen Aufstieg; Rechtmäßigkeit der Berücksichtigung anderer Bewerber; Diskriminierende Stellenausschreibung
Verfahrensgang:
vorgehend:
ArbG Köln 28.02.1989 - 1 Ca 4301/88
LAG Köln - 10.05.1990 - AZ: 8 Sa 462/89
BAG, 17.10.1991 - 8 AZR 321/90
Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts
hat aufgrund der mündlichen Verhandlung
vom 17. Oktober 1991
durch
die Richter Dr. Ascheid, Kremhelmer und Dr. Müller-Glöge sowie
die ehrenamtlichen Richter Sperl und Brückmann
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. Mai 1990 - 8 Sa 462/89 - wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1
Die am 1. September 1954 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1973 bei der Beklagten beschäftigt. Sie arbeitet seit dem 1. Dezember 1985 als Sektionsleiterin im Inlandseinsatz zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 4.748,- DM.
2
Unter dem 23. Juni 1987 schrieb die Beklagte zwei Stellen mit der Bezeichnung "OG/Einsatzreserve" zur internen Besetzung aus. Nach der Arbeitsplatzbeschreibung sollte die Aufgabe des jeweiligen Stelleninhabers in der Urlaubs- und Abwesenheitsvertretung von Stationsleitern, deren Vertretern und ST/BLs auf ausländischen Stationen bestehen. An fachlicher Qualifikation waren die Lehrgänge C1/D1 erwünscht. Die Lehrgänge SO/A2 und/oder SP/A2 wurden erwartet. Die bei Übernahme der Position fehlenden und für die Erfüllung der Aufgabe erforderlichen Fachlehrgänge bis zur ST/D1-Qualifikation konnten nachgeholt werden. Weiterhin wurde langjährige Berufserfahrung im Stationsbereich - möglichst in Führungspositionen - mit guten Leistungen vorausgesetzt, ebenso wie die Bereitschaft und Fähigkeit, auch kurzfristig eine Position im Ausland auf Dauer zu übernehmen. Die Klägerin bewarb sich am 2. Juli 1987 auf diese Stellenausschreibung. Sie legte u.a. den Besuch der Lehrgänge SP/A1, SP/A2 sowie SO/A1 dar und verwies darauf, daß sie den Lehrgang SO/A2 bis September 1987 abgeschlossen haben werde. Neben der Klägerin bewarben sich noch 40 weitere Mitarbeiter der Beklagten auf diese Stellen. Unter den Bewerbern waren insgesamt drei weibliche Beschäftigte. Der Hauptabteilungsleiter He. führte Vorstellungsgespräche mit den Bewerbern B., D., E., H., Ha. und V. Die Beklagte übernahm mit Zustimmung des Betriebsrates die Bewerber B. und D. in die "OG/Einsatzreserve". Im Nachzugsverfahren hatte die Beklagte eine weitere Stelle in der "OG/Einsatzreserve" zu besetzen. Diese Stelle besetzte sie mit dem Bewerber E. Nachdem sich die Beklagte für die Besetzung der Stelle mit Herrn E. entschieden hatte, wurde vom Hauptabteilungsleiter He. ein Gespräch mit der Klägerin geführt.
3
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei bei der Besetzung der ausgeschriebenen Stellen wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden. Erstinstanzlich hat sie mit ihrer Klage Zahlung der entgangenen Gehaltsdifferenz ab Dezember 1987, tatsächliche Beschäftigung gemäß der Stellenausschreibung und ein Schmerzensgeld geltend gemacht.
4
Sie hat behauptet, dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrates sei von der Sekretärin des Hauptabteilungsleiters He., Frau Ei., auf Antrage deutlich zu verstehen gegeben worden, Frauen seien nicht universell einsetzbar. Frau Ei. habe auch gemeint, daß es schwierig sei, zwei Vertreterpläne zu erstellen, und man in Zukunft sogar nachdenken müsse, derartige Positionen nur noch für Männer auszuschreiben. Anläßlich des Gesprächs vom 6. Januar 1988 habe der Hauptabteilungsleiter He. ihr, der Klägerin, gegenüber geäußert. Frauen seien nicht universell einsetzbar, es sei seiner Sekretärin nicht zuzumuten, zwei Einsatzpläne zu machen. Herrn He. werde auch der Satz nachgesagt, ein deutscher Passagier erwarte von einem Vertreter der Lufthansa im Ausland, daß er männlich, blond und blauäugig sei. Auch der Umstand, daß die Beklagte nur männliche Mitarbeiter zu Vorstellungsgesprächen eingeladen habe, ohne sie zu berücksichtigen, verdeutliche, daß die Beklagte geschlechtsspezifisch auswähle und sie dadurch bewußt benachteilige.
5
Die Klägerin hat beantragt,
- 1.
die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 5.400,- DM brutto nebst Auslandszulagen und 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit (24. Juni 1988) zu zahlen
- 2.
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, die monatliche Differenz von 600,- DM brutto plus Auslandszulagen über den Mai 1988 hinaus zu zahlen
- 3.
die Beklagte zu verurteilen sie, die Klägerin, entsprechend der Stellenausschreibung vom 23. Juni 1987 mit der Berufsbezeichnung OG/Einsatzreserve tatsächlich zu beschäftigen
- 4.
die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, zu zahlen
6
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
7
Sie hat die tatsächlichen Behauptungen der Klägerin bestritten und geltend gemacht, die Stellen nach Eignung der Bewerber besetzt zu haben.
8
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin bezüglich des Antrags zu 4) Berufung eingelegt und beantragt,
9
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28. Februar 1989 - 1 Ca 4301/88 - aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.200,- DM zu zahlen.
10
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Schmerzensgeldanspruch weiter.
Gründe
11
Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen der Klägerin den erhobenen Schmerzensgeldanspruch nicht zuerkannt. Die tatsächlichen Voraussetzungen der allein in Betracht zu ziehenden Anspruchsgrundlagen §§ 831, 823 Abs. 1, 847 BGB und §§ 31, 823 Abs. 1, 847 BGB liegen nicht vor.
12
Das Berufungsgericht hat unter Zugrundelegung der Tatsachenlage mit Recht nicht feststellen können, daß ein Organ oder Verrichtungsgehilfe der Beklagten das Persönlichkeitsrecht der Klägerin im Stellenbesetzungsverfahren "OG/Einsatzreserve" verletzt hätte. Eine derartige Verletzungshandlung hätte zwar in einer im Geschlecht der Klägerin begründeten Benachteiligung liegen können (§ 611 a Abs. 1 Satz 1 BGB). Das Landesarbeitsgericht hat jedoch zu einer solchen angeblichen Benachteiligung ausgeführt, die Bewerber B., D. und E. seien mit Recht aufgrund ihrer Qualifikation, Beschäftigungszeiten und Auslandserfahrungen bei der Stellenbesetzung berücksichtigt worden. Deshalb scheide insofern eine geschlechtsbedingte Benachteiligung der Klägerin aus. Eine derartige Benachteiligung liege auch nicht darin, daß die Beklagte die Klägerin nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe. Die eingeladenen, aber bei der Stellenbesetzung unberücksichtigt gebliebenen Bewerber H., Ha. und V. hätten die nach der Ausschreibung geforderten Voraussetzungen in größerem Maß erfüllt als die Klägerin. Ferner hat das Landesarbeitsgericht geprüft, ob die Beklagte die Klägerin dadurch benachteiligt haben könnte, daß sie die Klägerin nicht die notwendige Auslandserfahrung sammeln ließ. Wegen unzureichender Substantiierung des diesbezüglichen Sachvortrags der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht eine entsprechende Feststellung nicht treffen können.
13
Die Rügen der Revision greifen nicht durch.
14
Soweit die Klägerin geltend macht, sie wäre für die dritte vakante Stelle besser geeignet gewesen als die Mitbewerber E., H., Ha. sowie V. und hierzu auf fehlende Lehrgänge oder unterschiedliche Berufserfahrungen verweist, ist dieses Vorbringen rechtlich unerheblich. Das Landesarbeitsgericht hat die Auswahlentscheidung der Beklagten nachvollziehbar und umfassend, ohne Verstoß gegen Denkgesetze gewürdigt. Es hat keine Abwägungsfehler feststellen können, zumal die "LH - interne Stellenausschreibung" die Lehrgänge zum Teil nur als erwünscht oder als nachholbar gekennzeichnet hatte.
15
Wenn die Klägerin auf die nach Abschluß des Besetzungsverfahrens gegebenen Begründungen ihrer Nichtberücksichtigung verweist, kann hieraus nicht auf einen Abwägungsfehler geschlossen werden, zumal nicht festgestellt worden oder ersichtlich ist, daß zwischen den Erklärenden und den Entscheidungsträgern Personenidentität bestanden haben könnte.
16
Die Klägerin macht erstmalig mit ihrer Revision geltend, die Stellenausschreibung vom "29. Juni 1987" habe nicht § 611 b BGB entsprochen, weil sie nur an Mitarbeiter und nicht auch an Mitarbeiterinnen gerichtet gewesen sei. Das Berufungsgericht hat sich mit dieser Frage nicht befaßt und insbesondere den Inhalt der Stellenausschreibung nicht ausgelegt. Eine Stellenausschreibung vom 29. Juni 1987 befindet sich auch nicht bei den Akten. Sollte die in Ablichtung bei den Akten befindliche "LH-interne Stellenausschreibung" vom 23. Juni 1987 gemeint sein, die im Tatbestand des Berufungsurteils auszugsweise wiedergegeben ist, steht einer umfassenden Auslegung und Würdigung dieser Erklärung die Verwendung LH-interner Abkürzungen entgegen. Die von "FRA-PF 11" stammende Ausschreibung ist jedenfalls nicht an "Mitarbeiter" oder "Mitarbeiterinnen" gerichtet, sondern enthält im Adressatenfeld die Angabe "An Verteiler: Überregional D./FRA OG". Ob diese Ausschreibung mit der Angabe in der Spalte "Berufsbezeichnung Mitarbeiter OG/Einsatzreserve (2 Planstellen)" nur die Bezeichnung der Planstellen wiedergibt, wie die Beklagte in ihrer Revisionserwiderung annimmt, oder die gesuchten Angestellten meint, ist nicht eindeutig im Sinne einer Verletzung des § 611 b BGB auszulegen. Es bestand somit für das Landesarbeitsgericht keine Veranlassung, ohne vorherigen entsprechenden Sachvortrag der Klägerin zu einer etwaigen gesetzwidrigen Beschränkung des Adressatenkreises von sich aus, der Stellenausschreibung vom 23. Juni 1987 eine gesetzwidrige einengende Interpretation zu geben. Folglich konnte das Landesarbeitsgericht auch nicht davon ausgehen, das in einer Verletzung des § 611 b BGB liegende Indiz eines Verstoßes gegen § 611 a BGB sei gegeben.
17
Entgegen der Auffassung der Revision konnte das Landesarbeitsgericht eine "unstreitige" Äußerung des Hauptabteilungsleiters der Beklagten He. des Inhalts, daß Frauen auf dieser Position nicht universell einsetzbar seien, und es sei seiner Sekretärin nicht zuzumuten, zwei Einsatzpläne zu machen, nicht berücksichtigen, weil diese Behauptung der Klägerin in den Tatsacheninstanzen nicht als unstreitig festgestellt worden ist. Im Tatbestand des angefochtenen wie des arbeitsgerichtlichen Urteils wird dieser Sachvortrag als streitiges Vorbringen der Klägerin dargestellt. Eine Tatbestandsberichtigung ist nicht durchgeführt worden. Diesbezügliche Verfahrensrügen sind nicht erhoben worden. Im übrigen weist die Beklagte zu Recht darauf hin, daß sie die Behauptung der Klägerin stets bestritten und die Klägerin keinen Beweis angetreten habe.
18
Des weiteren macht die Klägerin mit ihrer Revision erstmalig geltend, im Schreiben der Beklagten vom 15. April 1988 werde unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß man grundsätzlich männliche Bewerber als geeigneter für die ausgeschriebene Position ansehe. Eine entsprechende Feststellung hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen. Das in der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 1990 in Ablichtung überreichte Schreiben der Personalführung der Beklagten wird im Urteil nicht angesprochen und inhaltlich nicht gewürdigt. In diesem Schreiben von der Personalleiterin K., das im Auftrage des Vorstandsmitglieds Dr. ... als Antwort auf das Schreiben der Klägerin vom 25. Februar 1988 gefertigt wurde, wird ausgeführt, aus näher erläuterten Gründen könne ein theoretisch wünschenswerter Anteil von 50 % weiblicher Mitarbeiter in der Einsatzreserve nicht angestrebt werden. Eine geringere Eignung einer Frau für jede einzelne der dort vorhandenen Planstellen wurde ausdrücklich nicht geltend gemacht. Wenn die Klägerin meint, dies habe die Beklagte aber ausdrücken wollen und auch mit dem Schreiben zum Ausdruck gebracht, hätte sie dies in einer Tatsacheninstanz vorbringen müssen. Ohne einen derartigen Hinweis war das Landesarbeitsgericht nicht veranlaßt, auf eine derartige Auslegung des Schreibens einzugehen.
Dr. Ascheid
Kremhelmer
Dr. Müller-Glöge
Sperl
Brückmann
Von Rechts wegen!