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BAG, 22.02.1996 - 8 AZR 822/93 - Kündigung einer Lehrerin auf Grundlage des Einigungsvertrages wegen früherer Tätigkeit als SED-Funktionärin; Frühere exponierte Tätigkeit einer Leherin als SED-Funktionsträgerin als Grund für die Annahme ihrer fehlenden persönlichen Eignung im Schuldienst und Kündigungsgrund; Bekenntnis zu den Schutzgütern der freiheitlich demokratischen Grundordnung als Mindestvoraussetzung der persönlichen Eignung einer Lehrerin
Bundesarbeitsgericht
Urt. v. 22.02.1996, Az.: 8 AZR 822/93
Kündigung einer Lehrerin auf Grundlage des Einigungsvertrages wegen früherer Tätigkeit als SED-Funktionärin; Frühere exponierte Tätigkeit einer Leherin als SED-Funktionsträgerin als Grund für die Annahme ihrer fehlenden persönlichen Eignung im Schuldienst und Kündigungsgrund; Bekenntnis zu den Schutzgütern der freiheitlich demokratischen Grundordnung als Mindestvoraussetzung der persönlichen Eignung einer Lehrerin
Verfahrensgang:
vorgehend:
LAG Sachsen - 29.09.1993 - 6 (4) Sa 173/92
Rechtsgrundlagen:
Einigungsvertrag Anl. I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1
BAG, 22.02.1996 - 8 AZR 822/93
In dem Rechtsstreit
hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 1996
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ascheid,
die Richter Dr. Wittek und Dr. Müller-Glöge sowie
den ehrenamtlichen Richter Brückmann und
die ehrenamtliche Richterin Morsch
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 29. September 1993 - 6 (4) Sa 173/92 - aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 Einigungsvertrag (fortan: Abs. 4 Ziff. 1 EV) gestützten ordentlichen Kündigung.
2
Die 1940 geborene Klägerin war seit 1963 als Lehrerin im Schuldienst der ehemaligen DDR beschäftigt. Von 1982 bis 1989 war sie ehrenamtliche Parteisekretärin an der Polytechnischen Oberschule in W.. An dieser Schule übte sie von 1983 bis 1984 und erneut von 1989 bis 1990 auch das Amt der stellvertretenden Direktorin aus. Von 1970 bis 1989 war die Klägerin SED-Abgeordnete der Stadtverordnetenversammlung in W..
3
Mit Schreiben des Oberschulamtes vom 14. Februar 1992 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin unter Hinweis auf deren jahrelange Tätigkeiten als Parteisekretärin und als Abgeordnete der SED in der Stadtverordnetenversammlung wegen mangelnder persönlicher Eignung zum 30. Juni 1992.
4
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Kündigung sei unwirksam. Allein aus ihren in der Vergangenheit wahrgenommenen Funktionen könne nicht auf ihre fehlende persönliche Eignung für den Lehrerberuf geschlossen werden. Dazu hat sie vorgetragen:
5
Das Amt des ehrenamtlichen Parteisekretärs habe sie nicht freiwillig übernommen. Sie sei die einzig mögliche Kandidatin gewesen. Sie habe mehrfach versucht, diese Funktion loszuwerden. Eine solche Möglichkeit habe sich aber erst 1988 für das Jahr 1990 ergeben. Die Auflösung der Parteigruppe im Zuge der Wende sei dem geplanten Wechsel zuvorgekommen. Ihr Amt als Parteisekretärin habe sie zurückhaltend ausgeübt. Sie habe sich stets daran gehalten, die anderen Weltanschauungen der Schüler, deren Eltern und der Kollegen zu akzeptieren. Sie habe dabei auch die starke Bindung eines Großteils der Bevölkerung von W. an den katholischen Glauben berücksichtigt und das "Territorium W." gegenüber kreislichen Stellen verteidigt. Im Frühjahr 1989 habe sie intensiver über die Gesamt- und Schulpolitik nachgedacht und in Zusammenarbeit mit der Direktorin an einem veränderten Verhältnis zur Katholischen Kirche mitgewirkt. Nach Gesprächen mit dem Pfarrer bzw. Kaplan und stark christlich gebundenen Eltern sei 1989 der Initiativgruppe "Christliche Eltern" durch die Schulleitung die Mitwirkung im Elternbeirat der Schule eingeräumt worden.
6
Auch als Abgeordnete der Stadtverordnetenversammlung sei es ihr in erster Linie um die Belange der Stadt und ihrer Bürger gegangen. Die SED habe für sie keine entscheidende Rolle gespielt.
7
So habe sie auch zu einer Gruppe kritischer Abgeordneter gehört, die sich aus Umweltgründen gegen ein geplantes Wohnbauprojekt gewandt hätten.
8
Im übrigen sei die Kündigung bereits deshalb unwirksam, da der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei.
9
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 14. Februar 1992 nicht beendet sei, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht;
ferner - für den Fall, daß sie mit dem Feststellungsantrag obsiege - den Beklagten zu verurteilen, sie zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
10
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
11
Er hat die Auffassung vertreten, aus den in der Vergangenheit von der Klägerin wahrgenommenen Funktionen ergebe sich, daß die Klägerin sich mit den Bildungszielen der SED in hohem Maße identifiziert habe. Deshalb könne sie nun nicht den Schülern die Werte des Grundgesetzes glaubwürdig vermitteln und sei für den Lehrerberuf ungeeignet. Der Bezirkspersonalrat sei ausreichend beteiligt worden.
12
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils
Gründe
13
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
14
A.
Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die ordentliche Kündigung sei nach Abs. 4 Ziff. 1 EV gerechtfertigt. Die mangelnde persönliche Eignung der Klägerin ergebe sich aus ihren früheren Tätigkeiten als ehrenamtliche Parteisekretärin und als Stadtverordnete der SED. Das Amt der Parteisekretärin habe sie mindestens sieben Jahre bis zur Wende ausgeübt. Nach außen habe sie in diesem Amt den SED-Staat repräsentiert. Deshalb komme es nicht darauf an, ob sie die ihr zugewiesenen Aufgaben intensiv oder eher zurückhaltend wahrgenommen habe. Daß sie die Funktion der Parteisekretärin zur Zufriedenheit der übergeordneten Parteileitungen ausgeführt habe, ergebe sich schon aus der langen Amtsdauer. Es könne dahinstehen, ob das langjährige SED-Mandat der Klägerin in der Stadtverordnetenversammlung für sich genommen die mangelnde persönliche Eignung für den Lehrerberuf begründen könne. Zumindest werde durch diese Tätigkeit die durch das Amt des Parteisekretärs begründete besondere Identifikation mit dem SED-Staat untermauert. Konkrete Umstände, aus denen geschlossen werden könne, daß sie zu den Werten des Grundgesetzes stehe, habe sie nicht aufgezeigt.
15
Der Bezirkspersonalrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Daß der Beklagte im Beteiligungsverfahren den Beginn der Tätigkeit der Klägerin als Parteisekretärin mit 1981 statt 1982 angegeben habe, sei nicht entscheidend.
16
B.
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten nicht in allen Punkten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat den Entlastungsvortrag der Klägerin bei der notwendigen Einzelfallprüfung nicht hinreichend gewertet.
17
1.
Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne dieser Bestimmung ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsgemäße Bildung und Ausübung einer Opposition (vgl. BVerfGE 2, 1 [BVerfG 23.10.1952 - 1 BvB 1/51] - Leitsatz 2 -).
18
a)
Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht (BVerfG Beschluß vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 [BVerfG 22.05.1975 - 2 BvL 13/73] = AP Nr. 2 zu Art. 33 Abs. 5 GG; BAG Urteil vom 18. März 1993 - 8 AZR 356/92 - BAGE 72, 361, 364 f. = AP Nr. 12 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu B III 1, 2 der Gründe).
19
b)
Der Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV liegt zugrunde, daß Arbeitnehmer von einem früheren Arbeitgeber eingestellt worden sind, mit denen der jetzige Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag nicht geschlossen hätte, wenn er an ihrer persönlichen Eignung berechtigte Zweifel gehabt hätte. Abs. 4 Ziff. 1 EV erlaubt daher - auch - eine Prüfung, ob der früher eingestellte Arbeitnehmer für die jetzige Tätigkeit persönlich geeignet ist, ohne daß bereits Vertragsverletzungen und damit konkrete Störungen des Arbeitsverhältnisses eingetreten sein müßten. Die Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber im übergeordneten staatlichen Interesse nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers in jedem Falle zunächst zu erproben (BAG Urteil vom 18. März 1993, a.a.O.). Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen (vgl. zum Beurteilungsspielraum BAG Urteil vom 6. Juni 1984 - 7 AZR 456/82 - AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II 2 a aa der Gründe; BAG Urteil vom 28. Januar 1993 - 8 AZR 169/92 - BAGE 72, 176, 182 = AP Nr. 3 zu Art. 13 Einigungsvertrag, zu III der Gründe; BVerwG Urteil vom 27. November 1980 - 2 C 38.79 - AP Nr. 10 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Volksschulen; BVerwG Urteil vom 28. November 1980 - 2 C 24.78 - AP Nr. 12 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Entlassung eines Beamten auf Probe), denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen.
20
c)
Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit den Zielsetzungen der SED identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen, nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist. Eine Umkehr der im Kündigungsschutzprozeß allgemein bestehenden Beweislast findet nicht statt (vgl. Senatsurteil vom 28. April 1994 - 8 AZR 57/93 - AP Nr. 22 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 3 b der Gründe).
21
d)
Bei der Auslegung und Anwendung des Abs. 4 Ziff. 1 EV ist der Bedeutung und Tragweite von Art. 12 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung zu tragen. Danach begründet die für Verbleib und Aufstieg im öffentlichen Dienst der DDR notwendige und übliche Loyalität und Kooperation für sich allein keine mangelnde Eignung. Die Kündigung erfordert - auf der Grundlage des Parteivortrags - eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers nach seinem gesamten Verhalten vor und nach dem Beitritt. Abs. 4 Ziff. 1 EV eröffnet nicht die Möglichkeit, die Tragbarkeit eines Arbeitnehmers für den öffentlichen Dienst allein nach seiner Stellung in der Hierarchie der DDR und seiner früheren Identifikation mit dem SED-Regime pauschal zu beurteilen. Die innere Einstellung eines Menschen kann sich ändern, und die Erfahrungen und Einsichten, die gerade Bürger der DDR nach 1989 gemacht haben, können eine solche Änderung herbeigeführt haben (BVerfG Beschluß des 1. Senats vom 21. Februar 1995 - 1 BvR 1397/93 - AP Nr. 44 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu C I 3 b aa der Gründe). Der besondere Kündigungstatbestand des Abs. 4 Ziff. 1 EV ist in dieser - der dargestellten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprechenden - Auslegung verfassungsgemäß (BVerfG, a.a.O., zu C I der Gründe).
22
e)
Entgegen der Ansicht der Revision verstößt eine solche Anwendung von Abs. 4 Ziff. 1 EV nicht gegen das ILO-Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vom 25. Juni 1958 (BGBl. 1961 II, S. 98). Die Kündigung wegen Nichteignung eines Lehrers knüpft nicht an die politische Meinung des einzelnen Lehrers an, sondern an die durch seine in der ehemaligen DDR wahrgenommenen Funktionen begründete mangelnde persönliche Eignung, als Lehrer gemäß seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung die Grundwerte unserer Verfassung den Schülern glaubwürdig zu vermitteln. Wer über längere Zeit aufgrund seiner Funktion eine verfassungsmäßige Ordnung als revanchistisch und imperialistisch zu bekämpfen hatte, kann nun nicht glaubhaft eine gegenteilige Auffassung vertreten, wenn er sich nicht durch konkretes Verhalten von dem ideologischen Auftrag distanziert hat. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob nicht das mit dem Rang eines innerstaatlichen Gesetzes geltende Übereinkommen Nr. 111 verfassungskonform im Lichte der mit Verfassungsrang bestehenden politischen Treuepflicht (Art. 33 Abs. 2 und 5 GG) einschränkend auszulegen ist (vgl. BAG Urteil vom 28. April 1994 - 8 AZR 57/93 - a.a.O., zu B II 2 e der Gründe, m.w.N.; BAG Urteil vom 13. Oktober 1994 - 2 AZR 261/93 - AP Nr. 36, a.a.O., zu B II 5 der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
23
2.
Ob nach diesen Grundsätzen die Kündigung wegen mangelnder persönlicher Eignung der Klägerin wirksam ist, kann aufgrund der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend beurteilt werden.
24
a)
Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die früheren Parteifunktionen der Klägerin begründeten Zweifel an ihrer persönlichen Eignung für den Lehrerberuf.
25
Aus der von der Klägerin von 1982 bis 1989 ausgeübten Tätigkeit als ehrenamtliche Parteisekretärin ihrer Schule kann auf ihre besondere Identifikation mit den Zielen der SED geschlossen werden. Die Parteisekretäre hatten als Repräsentanten der staatstragenden Partei in den Schulen der DDR in einer herausgehobenen Funktion an der ideologischen Umsetzung der grundgesetzfeindlichen Ziele der SED mitzuwirken. Wer wiederholt in ein solch wichtiges Parteiamt gewählt wurde, bei dem kann davon ausgegangen werden, daß er sich mit diesen Zielen besonders identifiziert hat, was ihn für eine Tätigkeit als Lehrer ungeeignet macht (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 28. April 1994 - 8 AZR 57/93 -, a.a.O., zu B II 3 a aa der Gründe).
26
Diese Indizwirkung wird noch dadurch untermauert, daß die Klägerin von 1970 bis 1989 SED-Abgeordnete der Stadtverordnetenversammlung in W. war. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese kommunale Tätigkeit als Abgeordnete der SED allein schon Zweifel an der persönlichen Eignung für den Lehrerberuf begründen würde.
27
b)
Die Revision rügt allerdings zu Recht, daß das Landesarbeitsgericht bei der Einzelfallprüfung die Klägerin entlastende Umstände nicht ausreichend gewürdigt hat. Zwar ist dem Landesarbeitsgericht darin zu folgen, daß die Klägerin nicht ausreichende nachprüfbare Tatsachen dafür vorgetragen habe, daß sie zu dem Amt des Parteisekretärs genötigt worden sei und sie diese Funktion habe wieder loswerden wollen. Anders verhält es sich jedoch mit der Darlegung der Klägerin zur Art und Weise der Ausübung des Parteisekretärsamtes. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist es durchaus beachtlich, ob die Klägerin die ihr durch das Parteisekretärsamt zugewiesenen Aufgaben intensiv oder eher zurückhaltend wahrgenommen hat. Die bereits in der ersten Instanz vorgelegte Stellungnahme der Klägerin vom 14. April 1992 zu ihrer Amtsführung hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht nicht gewürdigt. Die Erklärung der Klägerin, sie habe ihr Amt zurückhaltend und mit Toleranz gegenüber Andersdenkenden ausgeübt, wird bestätigt durch die Erklärungen der Elternbeiratsvorsitzenden, einer Kollegin und des Personalrats. Der Vortrag der Klägerin, sie habe auf die religiösen Bindungen der W. Bevölkerung Rücksicht genommen, ist schon deshalb nachprüfbar, weil die Klägerin Gespräche mit dem katholischen Pfarrer bzw. Kaplan behauptet, die 1989 zur Beteiligung der Initiativgruppe "Christliche Eltern" im Elternbeirat geführt haben soll. Bei dieser Sachlage war es nicht ausreichend, daß sich der Beklagte auf die Indizwirkung der Parteisekretärstätigkeit der Klägerin berief. Er mußte darlegen und beweisen, daß die Klägerin entweder das Amt des Parteisekretärs entgegen ihrer Behauptung nach den politischen Vorgaben der SED geführt habe oder aus anderen Gründen persönlich für den Lehrerberuf ungeeignet sei. Dazu wird das Landesarbeitsgericht dem Beklagten noch Gelegenheit zu geben haben.
28
In die Einzelfallprüfung wird auch die jahrelange Tätigkeit der Klägerin als SED-Abgeordnete in der Stadtverordnetenversammlung von W. einzubeziehen sein. Auch hierbei wird die Stellungnahme der Klägerin über die Art und Weise der Ausübung ihrer Abgeordnetentätigkeit zu würdigen sein. Allein die Länge der Tätigkeit als kommunale SED-Abgeordnete wird nicht für die Annahme ausreichen, sie habe das Amt stets im Sinne der SED und deren Zielen genutzt.
29
3.
Soweit die Revision rügt, die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei, kann ihr nicht gefolgt werden. Die dahingehenden Ausführungen des Berufungsgerichts sind ohne Rechtsfehler.
30
Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß die unrichtige Unterrichtung des Bezirkspersonalrats, die Klägerin sei seit 1981, statt seit 1982 Parteisekretärin gewesen, bei einer unstreitigen Ausübung des Amtes bis 1989 unerheblich ist. Im übrigen waren dem zuständigen Bezirkspersonalrat die wesentlichen Kündigungsgründe mitgeteilt worden. Dabei ist es unerheblich, daß der Bezirkspersonalrat nicht unmittelbar vom Beklagten, sondern mittelbar über den Kreispersonalrat beteiligt worden war.
Ascheid
Dr. Wittek
Müller-Glöge
Brückmann
Morsch
Von Rechts wegen!