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BAG, 02.12.1994 - 5 AS 19/94 - Bindungswirkung von Verweisungsbeschlüssen; Gesuch um Bestimmung des Rechtswegs und des zuständigen Gerichts im arbeitsgerichtlichen Verfahren; Erforderlichkeit der Begründung von Verweisungsbeschlüssen
Bundesarbeitsgericht
Beschl. v. 02.12.1994, Az.: 5 AS 19/94
Bindungswirkung von Verweisungsbeschlüssen; Gesuch um Bestimmung des Rechtswegs und des zuständigen Gerichts im arbeitsgerichtlichen Verfahren; Erforderlichkeit der Begründung von Verweisungsbeschlüssen
BAG, 02.12.1994 - 5 AS 19/94
Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat
am 2. Dezember 1994
beschlossen:
Tenor:
Zuständig ist das Amtsgericht Gelnhausen.
Tatbestand
1
I.
Die Klägerin war vom 1. Januar 1988 bis zum 21. Juli 1993 Handelsvertreterin der Beklagten. Aus dem Vertragsverhältnis erhielt die Klägerin regelmäßig Provisionen in Höhe von weit mehr als 2.000,00 DM pro Monat. Ihr Ehemann war ihr Arbeitnehmer. Zuvor war er - bis zum 31. Dezember 1987 - Arbeitnehmer der Beklagten gewesen. Die Beklagte leistete weiter Zahlungen in Höhe von 6.500,00 DM. Die Parteien streiten darüber, welche Schulden damit getilgt wurden.
2
Die Klägerin erhob Klage mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin "von Urlaubsfreistellungsansprüchen" ihres Ehemannes in Höhe von 3.452,76 DM nebst Zinsen freizustellen. Zur Begründung heißt es in der Klageschrift: Ihrem Ehemann stünde gegen sie, die Klägerin, noch ein "Urlaubszahlungsanspruch" von 8 Tagen zu. Dieser Anspruch sei intern von der Beklagten auszugleichen, was diese mit Schreiben vom 30. August 1993 dem Grunde nach anerkannt habe.
3
Nach Gewährung rechtlichen Gehörs erklärte sich das Amtsgericht Gelnhausen durch nicht begründeten Beschluß vom 18. Juli 1994, der den Parteien am 22. August 1994 zugestellt wurde, für sachlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Hanau. Dieses hat sich mit Kammerbeschluß vom 31. Oktober 1994 ebenfalls für unzuständig erklärt und das Bundesarbeitsgericht "um die Bestimmung des Rechtswegs und des zuständigen Gerichts ersucht".
Gründe
4
II.
Zuständig ist das Amtsgericht Gelnhausen.
5
1.
Die Voraussetzungen für die Durchführung des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Nr. 6 ZPO sind erfüllt. Diese Vorschrift ist auch bei einem negativen Kompetenzkonflikt von Gerichten verschiedener Gerichtsbarkeiten anwendbar (BAGE 44, 246 [BAG 23.11.1983 - 5 AS 20/83] = AP Nr. 34 zu § 36 ZPO). Das Gesuch um Bestimmung des zuständigen Gerichts kann von einer Partei oder durch ein Gericht gestellt werden. Das Bundesarbeitsgericht ist vorliegend für die beantragte Bestimmung zuständig, weil es in dem Zuständigkeitsstreit zwischen dem Arbeitsgericht und dem Amtsgericht zuerst um die Bestimmung angegangen wurde (vgl. BAG Beschluß vom 29. September 1976 - 5 AR 232/76 - AP Nr. 20 zu § 36 ZPO, zu II 1 der Gründe, m.w.N.; BGHZ 44, 14, 15) [BGH 07.05.1965 - Ib ARZ 207/64].
6
Das Amtsgericht Gelnhausen und das Arbeitsgericht Hanau haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt, ersteres durch Beschluß vom 18. Juli 1994, letzteres durch Beschluß vom 31. Oktober 1994, der als Rückverweisung anzusehen ist.
7
2.
a)
Rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse sind für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend. Dies ergibt sich aus § 48 Abs. 1 ArbGG n.F., § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F. Die bindende Wirkung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch im Bestimmungsverfahren des § 36 Nr. 6 ZPO zu beachten (vgl. statt vieler: BAG Beschluß vom 11. Januar 1982 - 5 AR 221/81 - AP Nr. 27 zu § 36 ZPO; BAG Beschluß vom 3. November 1993 - 5 AS 20/93 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Nur so kann der Zweck des § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F. erreicht werden, unnötige und zu Lasten der Parteien gehende Zuständigkeitsstreitigkeiten zu vermeiden. Das bedeutet: Es ist das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den ersten Verweisungsbeschluß gelangt ist, es sei denn, dieser ist ausnahmsweise nicht bindend. In diesem Fall ist dasjenige Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den zweiten Verweisungsbeschluß gelangt ist, es sei denn, (auch) dieser ist ausnahmsweise nicht bindend.
8
Auch fehlerhafte Verweisungsbeschlüsse sind grundsätzlich bindend. Lediglich eine offensichtlich gesetzwidrige Verweisung kann diese Bindungswirkung nicht entfalten (BAG Beschluß vom 29. September 1976 - 5 AZR 232/76 - AP Nr. 20 zu § 36 ZPO, zu II 2 der Gründe; zum neuen Recht Beschluß vom 1. Juli 1992, a.a.O.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 18. Aufl., § 36 Rz 25, 28; einschränkend zum neuen Recht Zöller/Gummer, a.a.O., GVG § 17 a Rz 13). Offensichtlich gesetzwidrig ist ein Verweisungsbeschluß dann, wenn er jeder Rechtsgrundlage entbehrt, willkürlich gefaßt ist oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten oder einem von ihnen beruht (BAG Beschluß vom 1. Juli 1992 - 5 AS 4/92 -, a.a.O., zu II 3 a der Gründe; BGHZ 71, 69, 72 f. = NJW 1978, 1163, 1164).
9
b)
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Nach § 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG n.F. sind Verweisungsbeschlüsse zu begründen. Das hat das Amtsgericht Gelnhausen unterlassen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (BAG Beschluß vom 1. Juli 1992 - 5 AS 4/92 - EzA § 17 a GVG Nr. 1 = NZA 1992, 1047 [BAG 01.07.1992 - 5 AS 4/92], auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen) ist dieser Fehler allerdings dann unschädlich, wenn sich der Verweisungsgrund aus der Akte ergibt. Das ist hier nicht der Fall. Aus der Akte sind keine Anhaltspunkte für eine arbeitsgerichtliche Zuständigkeit ersichtlich. Weder gehört die Klägerin zu den Handelsvertretern, die nach § 5 Abs. 3 ArbGG als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes anzusehen sind, noch liegt ein Fall von Rechtsnachfolge im Sinne von § 3 ArbGG vor. Die Klägerin macht nur geltend, der gegen sie gerichtete Urlaubsanspruch ihres Ehemanns sei intern von der Beklagten auszugleichen. Das ist ersichtlich kein Fall der Rechtsnachfolge. Dies kann dem Amtsgericht Gelnhausen nicht verborgen geblieben sein.
10
Aus den genannten Gründen erweist sich der Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts Gelnhausen als offensichtlich gesetzwidrig.
11
3.
Dagegen ist der Rückverweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts Hanau bindend. Dieses hat die Zuständigkeit des Amtsgerichts Gelnhausen zu Recht bejaht.
Griebeling,
Schliemann,
Reinecke