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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Urlaub - Erreichbarkeit des Arbeitnehmers
Urlaub - Erreichbarkeit des Arbeitnehmers
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
In Zeiten von Handy, E-Mail und Laptop ist es weit verbreitet, dass Arbeitnehmer auch in ihrer Freizeit erreichbar sind, um mehr oder weniger dringende betriebliche Fragen zu klären. Was jedoch für viele Mitarbeiter selbstverständlich ist, kann während ihres Urlaubs für den Betrieb zum Fallstrick werden. Der Beitrag informiert sie über die wichtigen Details.
2. Anspruch auf bezahlte Freistellung
Nach § 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Der gesetzliche Mindesturlaub ist nicht abdingbar und ist darüber hinaus auch nicht von einem konkreten Erholungsbedürfnis abhängig. Das Gleiche gilt in der Regel für zusätzlichen Urlaub nach tarifvertraglichen Regelungen.
Der Urlaub wird vom Arbeitgeber zeitlich festgelegt; er hat dabei die Wünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, soweit nicht dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang genießen (§ 7 Abs. 1 BUrlG). Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder in der Person liegende Gründe die Teilung erforderlich machen. Aber auch dann müssen mindestens zwölf Werktage Urlaub am Stück gewährt werden (§ 7 Abs. 2 BUrlG). Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn in diesem Zeitraum ein Feiertag liegt und der Arbeitnehmer deshalb einen Tag weniger Urlaub verbraucht (ArbG Koblenz, 14.10.2020 – 7 Ca 1140/20).
Mit der Festlegung des Urlaubszeitraums hat der Arbeitnehmer das Recht, anstelle der geschuldeten Arbeitsleistung die ihm zustehende Freizeit uneingeschränkt und selbstbestimmt zu nutzen (BAG, 20.06.2000 - 9 AZR 405/99).
Der Betriebs- bzw. Personalrat hat bei der Erstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplanes ein Mitbestimmungsrecht (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG, § 75 Abs. 3 Nr. 3 BPersVG). Dies gilt auch für die Festsetzung des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn über die zeitliche Lage kein Einvernehmen erzielt werden kann.
2.1 Keine Erreichbarkeit
Mit dem Grundsatz der selbstbestimmten Nutzung der Urlaubszeit ist es arbeitsrechtlich nicht vereinbar, wenn mit dem Arbeitnehmer entweder ausdrücklich vereinbart wird, dass er für Anfragen des Betriebes - z.B. per Telefon oder E-Mail - zur Verfügung steht oder dies ohne besondere Absprache praktiziert wird. Entsprechende Klauseln in Arbeitsverträgen sind – zumindest in Bezug auf den gesetzlichen Mindesturlaub - unzulässig. Es besteht dann die Gefahr, dass der Mitarbeiter die Nichterfüllung seines Urlaubsanspruchs geltend macht und die Tage, an denen er kontaktiert wurde, nachgewährt werden müssen. Lediglich bei leitenden Angestellten kann es notwendig sein, für dringende Fälle erreichbar zu bleiben; eine solche Regelung ist auch arbeitsrechtlich zulässig. Sie sollte aber auf jeden Fall arbeitsvertraglich geregelt werden.
Außerdem kann eine stillschweigende Erwartung an den Mitarbeiter, ggf. für betriebliche Kontakte erreichbar zu sein, Stress auslösen. Wichtig ist es daher, die Kriterien für Kontakte im Vorfeld für alle Beteiligten verbindlich und nachvollziehbar festzulegen. Hilfreich ist auch eine funktionierende Vertretungsregelung.
Der Beschäftigungsausschuss des Europäischen Parlaments hat gefordert, dass die Nichterreichbarkeit von Arbeitnehmern in der Freizeit, also insbesondere auch im Urlaub künftig ein Grundrecht werden soll. In erster Linie zielt die Initiative darauf ab, dass die Arbeitnehmer in den arbeitsfreien Zeiten ihre Arbeitsgeräte abschalten können, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Damit soll verhindert werden, dass die Nutzung digitaler Geräte zu einer Art konstanter "Rufbereitschaft" fernab geregelter Arbeitszeiten führt. Nicht davon tangiert werden reguläre Bereitschaftsdienste oder Rufbereitschaften. Zunächst muss die EU-Kommission den gesetzlichen Rahmen schaffen, den die Mitgliedsstaaten umsetzen müssen. In Deutschland entsprechen die Vorschläge des Europäischen Parlaments weitgehend der Rechtslage.
2.2 Kein Rückruf
Ebenso strenge Kriterien gelten für den Abbruch des Urlaubs. Der Rückruf aus einmal angetretenem Urlaub kommt regelmäßig nicht in Betracht. Dies gilt auch für Fälle, in denen z. B. der betriebliche Ablauf durch die Abwesenheit des Mitarbeiters beeinträchtigt wird und die Erfüllung von Aufträgen in Frage gestellt ist. Solche Probleme müssen bereits bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs bedacht werden (vgl. § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG). Nach der Rechtsprechung des BAG (20.06.2000 - 9 AZR 405/99) ist eine Vereinbarung, wonach der Arbeitnehmer verpflichtet ist, bei Bedarf den Urlaub abzubrechen und die Arbeit wieder aufzunehmen, rechtsunwirksam, da sie gegen § 13 Abs. 1 BUrlG verstößt. Dies gilt auch für einen entsprechenden Vorbehalt bei der Urlaubsgewährung. Daher ist der Arbeitnehmer auch nicht verpflichtet, seine Urlaubsanschrift im Betrieb zu hinterlassen.
3. Ausnahmen
3.1 Betriebliche Notsituation
Liegt ein echter Notfall vor, ist der Arbeitnehmer ausnahmsweise verpflichtet, auch während des Urlaubs für Auskünfte zur Verfügung zu stehen und ihn ggf. auch vorzeitig zu beenden. Der Begriff des "echten Notfalls" ist jedoch eng auszulegen. In der einschlägigen Fachliteratur wird dies auf Fälle beschränkt, in denen beispielsweise der Zusammenbruch des Unternehmens durch Anwesenheit des Mitarbeiters verhindert werden kann oder eine Interessenabwägung ergibt, dass dem Betrieb ein Festhalten an der Urlaubsgewährung unzumutbar wäre (ErfK, Gallner, 18. Aufl. 2018, Rn. 27 zu § 7 BUrlG).
3.2 Freiwillige Bereitschaft
Erklärt sich der Arbeitnehmer freiwillig bereit, für Fragen zur Verfügung zu stehen oder bei Bedarf seinen Urlaub zu unterbrechen, ist ihm dies unbenommen und für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs unschädlich. Kein Arbeitnehmer ist zur Erholung verpflichtet.
Beispiel:
Ein Abteilungsleiter sagt seinen Mitarbeitern vor Urlaubsantritt zu, dass er für sie bei wichtigen Fragen auch während der Freistellung auf dem Handy erreichbar bleibt.
Da der Arbeitgeber in diesem Fall die Erreichbarkeit nicht verlangt hat, wird die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nicht beeinträchtigt.
4. Was Sie (nicht) tun sollten…
1. Vor der Bewilligung von Urlaub sollten Sie sorgfältig prüfen, ob sie in der angestrebten Zeit auf den Mitarbeiter verzichten können. Ggf. müsste der Wunschzeitraum unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG abgelehnt und ein Ausweichtermin gefunden werden.
2. Sie sollten keine Vereinbarungen über die Erreichbarkeit während der Freistellung oder über eine ggf. in Betracht kommende Unterbrechung des Urlaubs treffen. Soweit der Mitarbeiter von sich aus seine Bereitschaft hierzu erklärt, sollte deutlich gemacht werden, dass der Betrieb das nicht von ihm erwartet und es als freiwilliges Entgegenkommen anzusehen ist.