Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Die Inhalte des Bereichs „Fachwissen SV“ geben Ihnen kostenlos Auskunft zu allen Themen der Sozialversicherung. Sie sind ein exklusives Angebot für eingeloggte Nutzer.
Jetzt einloggen:
Sie sind noch nicht registriert?
Versetzung - Ort der Arbeitsleistung
Versetzung - Ort der Arbeitsleistung
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.
- 4.Rechtsprechungs-ABC
- 4.1
- 4.2
- 4.3
- 4.4
- 4.5
- 4.6
- 4.7
- 4.8
- 4.9
- 4.10
- 4.11
- 4.12
- 4.13
- 4.14
- 4.15
- 4.16
- 4.17
- 4.18
- 4.19
- 4.20
- 4.21
- 4.22
- 4.23
- 4.24
- 4.25
- 4.26
- 4.27
- 4.28
- 4.29
- 4.30
- 4.31
Information
1. Allgemeines
Der Arbeitgeber darf mit seinem Weisungsrecht aus § 106 Satz 1 GewO auch den "Ort ... der Arbeitsleistung" bestimmen. Die Zuweisung einer anderen räumlichen Einheit kann sowohl im Betrieb als Arbeitsort als auch außerhalb des bisherigen Arbeitsorts erfolgen. Das Vorliegen einer echten Änderung des Arbeitsorts wird man aber nur annehmen können, wenn tatsächlich ein Ortswechsel stattfindet. Arbeitsort ist in der Regel der Betriebssitz des Arbeitgebers in einer politischen Gemeinde. Der konkrete Ort der Arbeitsleistung wird in der Regel im Arbeitsvertrag festgelegt.
Praxistipp:
Die Vereinbarung eines konkreten Arbeitsorts ist für Arbeitgeber mit mehreren Betrieben oft nachteilig. Sie verkürzen damit ihr Direktionsrecht. Zur Erhaltung weit gehender Flexibilität wird daher empfohlen, eine Versetzungsklausel in den Arbeitsvertrag aufzunehmen: "Der Arbeitgeber behält sich das Recht vor, den/die Mitarbeiter/in im Bedarfsfall auch an einem anderen Arbeitsort und/oder bei einer anderen Gesellschaft des Konzerns entsprechend seiner/ihrer Vorbildung und seinen/ihren Fähigkeiten für gleichwertige Tätigkeiten einzusetzen. Hierbei werden die persönlichen Belange des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin angemessen berücksichtigt."
Die Bestimmung des Arbeitsorts via Direktionsrecht ist nach § 106 Satz 1 GewO an billiges Ermessen und weitere Voraussetzungen gebunden. Ist der Ort der Arbeitsleistung vertraglich fest vereinbart, ist eine Versetzung über das Weisungsrecht ausgeschlossen. Hier würde dann in den Vertrag eingegriffen - und das verlangt eine Änderungskündigung. Diese Änderungskündigung muss im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und sozial gerechtfertigt sein. Selbst eine Betriebsverlegung erlaubt keine schrankenlose Versetzung - erfolgt sie an einen anderen Ort oder ist sie mit einer wesentlichen Änderung der Arbeitsumstände verbunden, verlangt auch das eine Änderungskündigung.
2. Ort der Arbeitsleistung
Der Arbeitsvertrag ist ein Schuldverhältnis. Der Ort, an dem die vertraglich geschuldete Arbeit zu leisten ist, steht in der Regel im Arbeitsvertrag.
Beispiel:
Die Zell & Lloyd GmbH betreibt mehrere Kinos in Norddeutschland. Sie akquiriert ihre Mitarbeiter meistens vor Ort und setzt sie auch nur dort ein. Eine dafür passende Vertragsklausel könnte lauten: "Der Arbeitgeber setzt den/die Arbeitnehmer/in in seinem Kino in X-Stadt ein." Mit dieser Abmachung wird X-Stadt als Ort der Arbeitsleistung festgelegt.
Aber aufpassen: Die Vereinbarung eines bestimmten Arbeitsorts hat für den Arbeitgeber kündigungsschutzrechtlich den großem Vorteil, dass sich die Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung nur auf die an diesem Arbeitsort beschäftigten Mitarbeiter erstreckt. Der Arbeitgeber braucht keine Arbeitnehmer mit in die soziale Auswahl einzubeziehen, die er an anderen Orten beschäftigt. Das führt im Ergebnis zu einer Verbesserung der Kündigungschancen - hat auf der anderen Seite aber den Nachteil, dass eine Versetzung via Direktionsrecht ausgeschlossen ist.
Ist
kein Ort für die Arbeitsleistung bestimmt und
auch nicht aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen,
hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an dem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hat (§ 269 Abs. 1 BGB).
Beispiele:
Die Renow & Püschow OHG betreibt ein großes Autohaus in Y-Stadt. Die Arbeitsverträge, die sie mit ihren Arbeitnehmern schließt, enthalten keine Regelung über den Arbeitsort. Da die Mitarbeiter der Renow & Püschow OHG ihre vertraglich geschuldete Arbeit nur am Standort Y-Stadt leisten können, ist Y-Stadt nach § 269 Abs. 1 der Ort der Arbeitsleistung. Er folgt aus den Umständen: der Natur des Schuldverhältnisses Arbeitsvertrag.
Die Honder KG betreibt mehrere Autohäuser im Münsterland. Vorstellungs- und Vertragsgespräche mit Arbeitnehmern finden jeweils in der Münsteraner Zentrale statt. Für die Bewerbungen wird jeweils eine Anzeige mit dem Text "Für unser Autohaus in ... suchen wir eine/n engagierte/n Fachverkäufer/in" geschaltet. Mit Gewissheit ist hier der Ort, in dem das jeweilige Autohaus liegt, Ort der Arbeitsleistung. Ob darüber hinaus auch andere Standorte Ort der Arbeitsleistung sind, muss sich aus den weiteren Umständen ergeben.
In der Regel ist der Betrieb des Arbeitgebers der Ort der Arbeitsleistung. Etwas anderes macht nach "den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses" ja keinen Sinn. Wo soll der Arbeitnehmer denn sonst arbeiten, wenn nicht im Betrieb des Arbeitgebers...
Der Ort der Arbeitsleistung gehört nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 NachwG sogar zu den nachweispflichtigen Vertragsbedingungen. Schwierig wird die Bestimmung des Arbeitsorts allerdings, wenn der Arbeitgeber mehrere Betriebsstätten hat. Soll der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein, verlangt der Arbeitsnachweis einen "Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann".
Für Außendienstmitarbeiter und Reisende etc. gelten besondere Regeln.
3. Änderung des Orts der Arbeitsleistung
Der Arbeitgeber hat nach § 106 GewO das Recht, den Ort der Arbeitsleistung "nach billigem Ermessen näher" zu bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingung nicht durch
den Arbeitsvertrag,
Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung,
Bestimmungen eines anwendbaren Tarifvertrags oder
gesetzliche Vorschriften
festgelegt ist.
Beispiel:
Die Zell & Lloyd GmbH nimmt in die Arbeitsverträge ihrer Mitarbeiter eine Versetzungsklausel auf. Darin behält sie sich vor, Arbeitnehmer unter Abwägung ihrer betrieblichen Interessen und der persönlichen Interessen dieser Mitarbeiter auch in ein anderes Kino zu versetzen - aber nicht weiter als in eine Betriebsstätte, die in einem Radius von 50 km um den ersten Arbeitsort liegt. Georg Kluhny, ein Mitarbeiter des Ticket-Schalters, soll vom Kino A ins Kino B versetzt werden. Liegen die vertraglich vereinbarten Voraussetzungen vor, kann die Zell & Lloyd GmbH diese Versetzung mit ihrem Weisungsrecht nach § 106 Satz 1 GewO vornehmen.
Ist der Ort der Arbeitsleistung vertraglich genau festgelegt, kommt eine Versetzung via Direktionsrecht nicht in Betracht. Der Arbeitgeber muss in diesem Fall eine Änderungskündigung aussprechen.
Beispiel:
Die Renow & Püschow OHG aus einem der oberen Beispielfälle entschließt sich, zu expandieren. Sie eröffnet in X-Stadt ein weiteres Autohaus. Das läuft zunächst mit den neu eingestellten Arbeitnehmern auch gut an - nach kurzer Zeit kommt es jedoch zu Problemen im Firmenkundengeschäft. Die Renow & Püschow OHG beschließt, ihren X-Städter Firmenkundenbetreuer nach Y-Stadt zu versetzen. Der hatte seinerzeit jedoch bei Vertragsschluss auf folgende Abmachung bestanden: "X-Stadt wird als fester Arbeitsort vereinbart." Damit liegt ein arbeitsvertragliches Versetzungshindernis vor. Die Renow & Püschow OHG muss eine Änderungskündigung aussprechen - für die sie natürlich dringende betriebliche Erfordernisse braucht.
Der Ort der Arbeitsleistung ist in der Regel der Betriebssitz des Arbeitgebers. Dieser Betriebssitz liegt in einer politischen Gemeinde, die räumlich durch ihre Gemeindegrenzen abgesteckt ist. Insoweit ist es für die Annahme einer Änderung des Arbeitsorts unerheblich, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer innerhalb des Betriebs oder innerhalb der politischen Gemeinde, in der sein Betrieb sitzt, einen anderen Arbeitsbereich zuweist.
Beispiele:
Die Hannes & Moritz GmbH, ein deutschlandweit tätiges Unternehmern des Textileinzelhandels, weist Fachverkäuferin Manu Lassma in ihrer Z-Städter Filiale an, ab dem 01.06. statt wie bisher in der Damenabteilung in der Jugendabteilung zu arbeiten. Der funktionale Aufgabenbereich von Manu - der Verkauf von Textilien an Kunden - bleibt der gleiche. Der Ort der Arbeitsleistung - Z-Stadt - auch. Manus Wechsel von der Damen- in die Jugendabteilung ist keine Änderung des Orts der Arbeitsleistung - selbst wenn die Jugendabteilung der X-Städter Filiale auf einer anderen Etage der Betriebsstätte liegen sollte.
Die osCar GmbH, ein Kurierdienst, hat im niedersächsischen Osnabrück mehrere Betriebsstätten, von denen sie ihre Touren innerhalb Osnabrücks und in das angrenzende Umland fährt. Kurierfahrer Harry Hodrodt wurde bisher in der Filiale OS-Nord eingesetzt. Die osCar GmbH weist ihn an, ab dem 01.10. von der Filiale OS-West aus zu fahren. Auch hier liegt keine Änderung des Arbeitsorts vor, die mit einer Änderungskündigung durchgesetzt werden muss - Tätigkeit (Kurierfahrten) und Arbeitsort (Osnabrück) blieben gleich.
Bei einer Betriebsverlegung wird man,
wenn die Verlegung innerhalb derselben politischen Gemeinde, also innerhalb des Arbeitsorts, stattfindet, eine Versetzung für ausreichend,
wenn die Verlegung nicht innerhalb derselben politischen Gemeinde, sondern an einen entfernteren Ort stattfindet, eine Änderungskündigung für erforderlich
halten.
Die einvernehmliche Änderung des Orts der Arbeitsleistung ist immer möglich. Sie setzt allerdings voraus, dass beide Vertragspartner mit dieser Änderung einverstanden sind.
Soweit es den Ort der Arbeitsleistung als Teil des Arbeitsbereichs i.S.d. § 95 Abs. 3 BetrVG betrifft, wird auf Gliederungspunkt 3. des Stichworts Versetzung - Inhalt der Arbeitsleistung verwiesen.
4. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema Versetzung und Ort der Arbeitsleistung in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet hinterlegt:
4.1 AGB-Prüfung
Der Arbeitgeber hat mit seinem arbeitsvertraglichen Weisungsrecht die Befugnis, seinen Mitarbeitern nach Vorgabe des § 106 GewO einen anderen als den bisherigen Arbeitsort zuzuweisen. Soll die Wirksamkeit einer Versetzung, die auf AGB-Regelungen i. S. der §§ 305 ff. BGB beruht, vom Arbeitsgericht geprüft werden, hat das Arbeitsgericht im ersten Schritt den Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls durch Auslegung zu ermitteln (s. dazu BAG, 25.08.2010 - 10 AZR 275/09). Dabei hat es festzustellen, "ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat" (BAG, 30.11.2016 - 10 AZR 11/16 - mit Hinweis auf BAG, 13.11.2013 - 10 AZR 1082/12).
4.2 Arbeitsbereich
Zum Arbeitsbereich eines Arbeitnehmers i.S.d. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG gehören sowohl seine Aufgabe und Verantwortung als auch die Art seiner Tätigkeit und deren Einordnung in die Arbeitsabläufe des Betriebs. Der Begriff "Arbeitsbereich" ist räumlich und funktional zu verstehen. Neben der Art der Tätigkeit und dem eingerichteten Platz in der Organisation des Betriebs umfasst er auch den Ort der Arbeitsleistung. "Um die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs handelt es sich, wenn sich das gesamte Bild der Tätigkeit des Arbeitnehmers so verändert hat, dass die neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters als eine 'andere' anzusehen ist" (BAG, 16.03.2010 - 3 AZR 31/09).
4.3 Betriebsverlegung
Bei einer Betriebsverlegung ist eine Versetzung nach §§ 99 Abs. 1, 100 BetrVG in Verbindung mit § 95 Abs. 3 BetrVG mitbestimmungspflichtig, wenn den Arbeitnehmern "ein anderer, räumlich nicht unerheblich entfernter Arbeitsort zugewiesen wird". Hier wird nämlich der Arbeitsbereich geändert. Das gilt umso mehr gilt, wenn nicht nur eine "ansonsten intakt bleibende organisatorische Einheit" verlegt wird, sondern der zunächst bestehende Betriebsteil vom Restbetrieb abgespalten und danach "unter Verlust seiner Identität in den erheblich größeren Betrieb" an einem anderen Standort eingegliedert wird. Hier bedeutet die Eingliederung in eine fremde neue Betriebsorganisation für die betroffenen Arbeitnehmer des Betriebsteils in jedem Fall "eine erhebliche Änderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist" (LAG Köln, 19.03.2004 - 8 TaBV 13/04).
4.4 "Heimatbasis"
"Art. 19 Nr. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass im Fall der Klage eines Mitglieds des bei einer Fluggesellschaft beschäftigten oder ihr zur Verfügung gestellten Flugpersonals zur Klärung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts der Begriff 'Ort, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet' im Sinne dieser Vorschrift nicht mit dem Begriff 'Heimatbasis' im Sinne von Anhang III der Verordnung (EWG) Nr. 3922/91 des Rates vom 16. Dezember 1991 zur Harmonisierung der technischen Vorschriften und der Verwaltungsverfahren in der Zivilluftfahrt in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1899/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 geänderten Fassung gleichgesetzt werden kann. Der Begriff 'Heimatbasis' ist jedoch ein wichtiges Indiz für die Bestimmung des 'Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet' (EuGH, 14.09.2017 - C-168/16 - Belgien/Irland - Leitsatz).
4.5 Homeoffice
Beamte haben Anspruch auf eine amtsangemessene Beschäftigung. Dieser Anspruch wird nicht dadurch verletzt, dass der Dienstherr anordnet, dass ein Dienstnehmer (hier: Amtsinspektor in einem Bezirksamt) seinen Dienst vorübergehend (hier: drei Wochen) im Homeoffice leisten soll. Schon gar nicht, wenn die Anweisung im Rahmen der 2020er Corona-Krise erfolgt und der Dienstnehmer aufgrund seines Lebensalters zu den Menschen zählt, die dem erhöhten Risiko einer COVID-19-Erkrankung ausgesetzt sind. In diesem Fall ist die Fürsorgepflicht des Dienstherrn vorrangig, zumal die Anweisung, im Homeoffice zu arbeiten, lediglich den Einsatzort betrifft und die konkret wahrzunehmenden Aufgaben lediglich für einen kurzen Zeitraum verändert werden (VG Berlin, 14.04.2020 - VG 28 L 119/20).
4.6 Nachweis vs. Arbeitsvertrag
Der vereinfachte Fall: Während der NachwG-Nachweis von Arbeitnehmerin N X-Stadt als Arbeitsort mit Versetzungsvorbehalt nannte, fehlte in ihrem Arbeitsvertrag die Festlegung eines Arbeitsortes. Arbeitgeber G führte dann in der Folgezeit ein neues Standortkonzept durch und versetzte N an einen 25 km von X-Stadt entfernten Standort. Das wollte N nicht hinnehmen und klagte gegen ihre Versetzung – ohne Erfolg. Die Angabe des Arbeitsortes mit Versetzungsvorbehalt im NachwG-Nachweis ist keine vertragliche Festlegung. Der Arbeitgeber wird dadurch nicht gehindert, dem Arbeitnehmer via Direktionsrecht einen neuen Arbeitsort zuzuweisen (ArbG Erfurt, 08.06.2022 - 4 Ca 1602/21 - mit der weiteren Feststellung, dass N hier sogar die Pendelzeiten - billiges Ermessen - zumutbar waren).
4.7 Ort der Arbeitsleistung - Flugbegleiter
Bei einem Flugbegleiter ist der regelmäßige Arbeitsort nicht der Flughafen, sondern das Flugzeug. Die organisatorische Zuordnung zu einem konkreten Flughafen und die teilweise Eingliederung in die Organisationsstruktur dieses Flughafens begründen bei einem Flugbegleiter keinen gewöhnlichen Arbeitsort. Es ist auch nicht zwingend, dass Flugbegleiter das Flugzeug immer an ihrem Einsatzort besteigen. "Es ist durchaus üblich und wird durch den Flugplan bestimmt, dass der Flug an einem anderen Flughafen als dem dem fliegenden Personal zugeordneten Einsatzflughafen startet. Die Bestimmung des Einsatzorts legt damit den Ort fest, an dem das fliegende Personal seinen Dienst anzutreten hat" (BAG, 30.11.2016 - 10 AZR 11/16 - mit Hinweis auf BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08).
4.8 Ort der Arbeitsleistung - 1
Der Arbeitsort bestimmt sich nach allgemeinem Sprachgebrauch weder durch die räumliche Lage des Arbeitsplatzes innerhalb des Betriebsgebäudes noch durch das Betriebsgebäude und Betriebsgelände als Ganzes. Der Arbeitsort wird durch den Sitz des Betriebs und damit "in der Regel durch den Bezirk der politischen Gemeinde, in welcher das Betriebsgebäude liegt. (...) Der Umstand, dass sich der Arbeitsplatz innerhalb des Gebäudes verlagert hat, ist eine unbedeutende Geringfügigkeit" (BAG, 17.06.2008 - 1 ABR 38/07 - hier: innerbetriebliche Umsetzung von einer Abteilung in eine andere Abteilung auf einer anderen Etage).
4.9 Ort der Arbeitsleistung - 2
"Der Ort der Arbeitsleistung ergibt sich regelmäßig aus dem Arbeitsvertrag. Ist dies nicht der Fall, bestimmt sich der Erfüllungsort nach § 269 BGB auch bei Arbeitsverhältnissen nach den Umständen des Einzelfalls und der Natur des Arbeitsverhältnisses (...). Regelmäßig ist von einem einheitlichen gemeinsamen Erfüllungsort auszugehen. Dies ist der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zu erbringen hat..." (BAG, 29.09.2010 - 10 AZR 630/09).
4.10 Ort der Arbeitsleistung - 3
Eine vertragliche Fixierung auf einen bestimmten Arbeitsort wird vermieden, wenn der Arbeitgeber die Angabe eines bestimmten Arbeitsorts im Vertrag mit einer "durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen" kombiniert. Sind Inhalt und Ort der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag überhaupt nicht festgelegt, hat der Arbeitgeber ein Weisungsrecht im Umfang des § 106 GewO. In diesem Fall kommt es auf die Zulässigkeit eines vereinbarten Versetzungsvorbehalts überhaupt nicht an. Die Ausübungskontrolle erfolgt nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB. Beruht die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung, hat diese Entscheidung bei der Angemessenheitsprüfung ein "besonderes Gewicht" (BAG, 28.08.2013 - 10 AZR 569/12).
4.11 Ort der Arbeitsleistung - 4
"Ist im Arbeitsvertrag zwar der Ort der Arbeitsleistung [hier: 'für den Bereich Seniorenresidenz T'] bestimmt, ist aber zugleich die Möglichkeit eines Einsatzes auch in anderen Betrieben des Unternehmens vorgesehen [hier: durch Inbezugnahme eines Tarifvertrags, der eine Versetzungsmöglichkeit vorsieht], verhindert dies regelmäßig die Beschränkung der Arbeitspflicht auf den im Vertrag genannten Arbeitsort [es folgen Hinweise auf BAG, 28.08.2013 - 10 AZR 569/12 u. BAG, 19.01.2011 - 10 AZR 738/09]. Insoweit macht es keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. Dadurch wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Befugnis zur Versetzung an andere Arbeitsorte bestehen soll" (BAG, 20.11.2014 - 2 AZR 512/13).
4.12 Ort der Arbeitsleistung - 5
Die Beschränkung der Leistung Arbeit auf den im Vertrag genannten Ort ist ausgeschlossen, wenn die Bestimmung des Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen einhergeht (s. dazu BAG, 28.08.2013 - 10 AZR 569/12; BAG, 26.09.2012 - 10 AZR 311/11). Dabei ist es unerheblich, "ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird." Es wird bloß klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll. Sind Inhalt und Ort der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag nicht festgelegt, bestimmt § 106 Satz 1 GewO den Umfang des Arbeitgeber-Direktionsrechts. Ob der vereinbarte Versetzungsvorbehalt zulässig ist, ist in Fällen dieser Art unerheblich. "Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB" (BAG, 27.07.2016 - 7 ABR 55/14 - mit Hinweis auf BAG, 28.08.2013 - 10 AZR 569/12; BAG, 26.09.2012 - 10 AZR 311/11).
4.13 Ort der Arbeitsleistung - 6
"Art. 19 Nr. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 ... über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass im Fall der Klage eines Mitglieds des bei einer Fluggesellschaft beschäftigen oder ihr zur Verfügung gestellten Flugpersonals zur Klärung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts der Begriff 'Ort, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet' im Sinne dieser Vorschrift nicht mit dem Begriff 'Heimatbasis' im Sinne von Anhang III der Verordnung (EWG) Nr. 3922/91 ... zur Harmonisierung der technischen Vorschriften und der Verwaltungsverfahren in der Zivilluftfahrt in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1899/2006 ... geänderten Fassung gleichgesetzt werden kann. Der Begriff 'Heimatbasis' ist jedoch ein wichtiges Indiz für die Bestimmung des 'Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet'" (EuGH, 14.09.2017 - C-168/16 u. C-169/16 - Leitsatz - Belgien (Ryanair)).
4.14 Ort der Arbeitsleistung - 7
Das BetrVG sagt nicht, in welchem Umfang sich die Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist, ändern müssen, um eine nach § 95 Abs. 3 BetrVG zu beurteilende, im Ergebnis mitbestimmungspflichtige Versetzung zu bejahen. Im Zweifel hilft die Rechtsprechung weiter: "1. Allein die Zuweisung von Arbeit an einem 12 km entfernten Betriebsteil innerhalb derselben politischen Gemeinde stellt die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG dar, die bei Überschreitung von einem Monat die Zustimmungspflicht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG auslöst. 2. Dies gilt selbst dann, wenn sich weder die Arbeitsaufgabe noch die Verantwortung noch die Eingliederung in die Organisation ändern" (LAG Nürnberg, 10.05.2021 - 1 TaBV 3/21 - Leitsätze).
4.15 Ort der Arbeitsleistung - 8
Eine mitbestimmungspflichtige Versetzung i.S.d. §§ 99 Abs. 1 Satz 1, 95 Abs. 3 BetrVG lässt sich schon dann bejahen, "wenn dem einzelnen Arbeitnehmer ein anderer Arbeitsort zugewiesen wird, ohne dass sich seine Arbeitsaufgabe ändert oder er in eine andere organisatorische Einheit eingegliedert wird" (dazu: BAG, 21.09.1999 - 1 ABR 40/98 – und BAG, 19.02. 1991 – 1 ABR 21/90). Anders ist es, wenn ein Betrieb oder ein räumlich gesonderter Betriebsteil innerhalb einer politischen Gemeinde um wenige Kilometer verlagert wird (so: BAG, 27.06. 2006 - 1 ABR 35/05). Der Arbeitsbereich eines Arbeitnehmers ist räumlich und funktional zu verstehen. Er beinhaltet zum einen die Arbeitsleistung, dann die Art der Tätigkeit und schließlich auch den "gegebenen Arbeitsplatz in der betrieblichen Organisation" des Arbeitgebers (BAG, 20.10.2021 - 7 ABR 34/20; s. dazu auch BAG, 17.11.2021 - 7 ABR 18/20).
4.16 Personalgestellung
§ 4 Abs. 3 TVöD sagt: "Werden Aufgaben der Beschäftigten zu einem Dritten verlagert, ist auf Verlangen des Arbeitgebers bei weiter bestehendem Arbeitsverhältnis die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung bei dem Dritten zu erbringen (Personalgestellung)." Ist das dann eine dauerhafte und damit nach der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Leiharbeit unzulässige Arbeitnehmerüberlassung (wenn der öffentliche Arbeitgeber keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besitzt)? Oder greift hier die Bereichsausnahme des § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG aufgrund von Bestimmungen in einem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes? Letztlich hängt die Beantwortung der Fragen davon ab, ob die Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD in den Schutzbereich der EU-Richtlinie über Leiharbeit fällt. Und diese Antwort kann nur der EuGH geben. Er ist für die Auslegung des Unionsrechts zuständig (BAG, 16.06.2021 – 6 AZR 390/20 (A) – Vorlagebeschluss).
4.17 Reisekosten als Schadensersatz
Ist die Versetzung eines Arbeitnehmers - hier aus dem hessischen Arbeitgeberbetrieb "für mindestens 2 Jahre, ggf. auch länger" in die sächsische Niederlassung - unwirksam, muss der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter Schadensersatz leisten. Zum ersatzfähigen Schaden gehören u.a. die Reisekosten des Mitarbeiters - hier die Kosten für die Nutzung des Privat-Pkw für die wöchentlichen Fahrten zwischen seinem Hauptwohnsitz in Hessen und seiner Wohnung in Sachsen. Dabei ist im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO nicht die Trennungsgeldverordnung (TVG), sondern das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) als Maßstab heranzuziehen (BAG, 28.11.2019 - 8 AZR 125/18 - mit dem Ergebnis: 0,30 EUR/km Kilometergeld).
4.18 Sitzverlagerung
Eine zustimmungspflichtige Versetzung i.S.d. § 99 Abs. 1 Satz 1, 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG scheidet aus, wenn "betriebliche Einheiten am Sitz des Betriebs um wenige km innerhalb der politischen Gemeinde insgesamt verlagert werden, ohne dass sich am konkreten Arbeitsplatz der Arbeitnehmer und seiner Beziehung zur betrieblichen Umgebung sonst etwas ändert" (s. dazu BAG, 27.06.2006 – 1 ABR 35/05). In so einem Fall wird schon nach allgemeinem Sprachgebrauch kein anderer Dienst- oder Arbeitsort zugewiesen. Der Sitz eines Betriebs als typischer Dienst- oder Arbeitsort ist die politische Gemeinde, in der er sich befindet. Veränderungen finden hier nicht auf der individuellen personellen Ebene statt, "sondern auf der Ebene des gesamten Betriebs oder Betriebsteils. So eine Veränderung wird vom Mitbestimmungszweck des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht erfasst (BAG, 17.11.2021 - 7 ABR 18/20).
4.19 Unbegründeter Aufhebungsvertrag
Führt der Arbeitgeber eine personelle Einzelmaßnahme i.S.d. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ohne Zustimmung des Betriebsrats durch, kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die personelle Maßnahme aufzuheben. Die Begründetheit des Aufhebungsantrags setzt allerdings voraus, dass die beanstandete Arbeitgebermaßnahme tatsächlich zustimmungspflichtig war. Verlagert der Arbeitgeber die Arbeitsplätze in derselben politischen Gemeinde X-Stadt vom Standort A-Straße zum etwas 12 km entfernten Standort B-Straße, ist das keine Versetzung der betroffenen Mitarbeiter i.S.d. §§ 99 Abs. 1 Satz 1, 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Der Arbeitsort bleibt X-Stadt, er verändert sich nicht. Daher kann der Betriebsrat in einem Fall wie diesen nicht die Aufhebung der streitigen Maßnahme verlangen (BAG, 17.11.2021 - 7 ABR 18/20).
4.20 Vertragliche Beschränkung
Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Ort der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen bestimmt, verhindert das die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung (s. dazu BAG, 13.11.2013 - 10 AZR 1082/12). Haben die Vertragspartner keinen Ort (und keinen Inhalt) der Leistungspflicht festgelegt "ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO." In diesem Fall kommt es nicht einmal mehr auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts an. "Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB" (BAG, 14.06.2017 - 10 AZR 330/16 (A) - mit Hinweis auf BAG, 30.11.2016 - 10 AZR 11/16 u. BAG, 18.10.2012 - 6 AZR 86/11).
4.21 Versetzung ins Ausland
Wenn es im Arbeitsvertrag nicht anders steht und auch konkludent nicht etwas anderes als abgemacht anzunehmen ist, darf der Arbeitgeber Arbeitnehmer (hier: Pilot) via Direktionsrecht – § 106 GewO – anweisen, an einem im Ausland gelegenen Arbeitsort des Unternehmens zu arbeiten. Das Weisungsrecht aus § 106 GewO ist nicht auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Trotzdem ist das Recht, einen Arbeitnehmer zu versetzen, nicht schrankenlos. Es unterliegt gemäß § 106 GewO einer Billigkeitskontrolle (s. dazu das Stichwort Direktionsrecht - Inhaltskontrolle). Wendet der Arbeitgeber einen für ihn maßgeblichen Tarifsozialplan ist, ist es nicht unbillig, wenn er die mit der Versetzung verbundenen sonstigen Nachteile nicht stärker ausgleicht, als der Tarifvertrag es von ihm verlangt (BAG, 30.11.2022 - 5 AZR 336/21 – mit dem weiteren Ergebnis, dass über die vorsorglich ausgesprochene Änderungskündigung nicht entscheiden werden musste, weil die Versetzung schon durch das Direktionsrecht gedeckt war).
4.22 Versetzungsklausel - 1
Die in einem Formulararbeitsvertrag enthaltene Versetzungsklausel muss die AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB bestehen. Dabei liegt eine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung im Sinn des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht vor, wenn die arbeitsvertragliche Klausel materiell der Regelung in § 106 Satz 1 GewO entspricht. Danach kann der Arbeitgeber den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen. Das billige Ermessen wird eingehalten, wenn "die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt sind" (BAG, 13.04.2010 - 9 AZR 36/09 - zur Versetzungsklausel im Praxistipp des 1. Gliederungspunkts).
4.23 Versetzungsklausel - 2
Haben die Parteien des Arbeitsvertrags den Ort der Arbeitsleistung nicht vertraglich festgelegt, ergibt sich das Weisungsrecht des Arbeitgebers für dessen Konkretisierung direkt aus § 106 GewO. Auch wenn die Parteien im Arbeitsvertrag einen Versetzungsvorbehalt aufgenommen, kommt es hier auf die Zulässigkeit des vereinbarten Versetzungsvorbehalts nicht mal an. "Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB" (BAG, 26.09.2012 - 10 AZR 412/11 - mit dem Hinweis, dass sich der Ort der Arbeitsleistung nicht allein durch den Umstand vertraglich konkretisiert, dass der Arbeitgeber sein Direktionsrecht über einen längeren Zeitraum nicht ausgeübt hat).
4.24 Vertragliche Beschränkung - Verhinderung
"Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung" (s. dazu BAG, 13.11.2013 - 10 AZR 1082/12). Ist der Ort der Arbeitsleistung oder ihr Inhalt nicht arbeitsvertraglich festgelegt, "ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB" (BAG, 30.11.2016 - 10 AZR 11/16 - mit Hinweis auf BAG, 26.09.2012 - 10 AZR 311/11).
4.25 Vorsorgliche Änderungskündigung
Es gibt Fälle, in denen es nicht sicher ist, ob der Arbeitgeber die Versetzung eines Arbeitnehmers an einen anderen Arbeitsort nach den Abmachungen im Arbeitsvertragim Wege des Direktionsrechts vornehmen darf oder eine Änderungskündigung angezeigt ist. Der Arbeitgeber kann bei dieser Sachlage vorsorglich von beiden Gestaltungsmitteln Gebrauch machen. Die vorsorglich erklärte Änderungskündigung ist dann dadurch auflösend bedingt, dass die Versetzung doch keine Änderung der Vertragsbedingungen erfordert. "Der Arbeitgeber, der erklärt, er spreche die Änderungskündigung vorsorglich im Sinne von hilfsweisenur für den Fall aus, dass seine Rechtsauffassung, er könne die beabsichtigte Änderung auch ohne Kündigung herbeiführen, in einem Rechtsstreit von den Arbeitsgerichten nicht geteilt werden sollte, bekundet damit, die Kündigung solle nur gelten, wenn er nicht schon einseitig zu der von ihm beabsichtigten Veränderung berechtigt ist, es dazu vielmehr einer Vertragsänderung bedarf" (BAG, 17.12.2015 - 2 AZR 304/15 - mit Hinweis auf BAG, 11.03.1998 - 2 AZR 325/97 u. BAG, 27.03.1987 - 7 AZR 527/85 - und der Auffassung, dass die Kündigung hier lediglich "an eine auflösende sog. Rechtsbedingung geknüpft" ist, "was zulässig ist").
4.26 Wachkraft des Bundesbeauftragten für Stasiunterlagen
Nach § 37a Satz 2 Halbs. 1 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes - StUG - sind ehemalige Stasi-Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des StUG beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatsicherheitsdienstes der ehemaligen DDR beschäftigt sind, "ihren Fähigkeiten entsprechend und unter Berücksichtigung sozialer Belange auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz innerhalb der Bundesverwaltung zu versetzen, wenn ihnen dies im Einzelfall zumutbar ist". Insoweit ist es nicht zu beanstanden, wenn der Bundesbeauftragte für Stasi-Unterlagen einen als Wachmann beschäftigten ehemaligen Stasi-Mitarbeiter an das Bundesverwaltungsamt abordnet. Das Direktionsrecht des öffentlichen Arbeitgebers folgt aus § 4 TVöD und § 106 GewO. § 37a Satz 2 Halbs. 1 StUG ist nicht verfassungswidrig (LAG Berlin-Brandenburg, 10.09.2014 - 15 SaGa 1468/14).
4.27 Weisungsrecht
Sind Inhalt und Ort der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag nicht festgelegt, ergibt sich der Umfang des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts aus § 106 GewO. In diesem Fall kommt es auf die Zulässigkeit eines darüber hinausgehenden Versetzungsvorbehalts überhaupt nicht an. Weist der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter dann einen anderen Arbeitsort zu, unterliegt diese Weisung der nur des Ausübungskontrolle nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB (BAG, 13.06.2012 - 10 AZR 296/11).
4.28 Zeitweise Versetzung
Was muss der Arbeitgeber bei einer Konzentration von Arbeitsaufgaben an einem neuen Standort tun, wenn im Arbeitsvertrag seines Mitarbeiters ein bestimmter Arbeitsort vereinbart ist und der Arbeitsvertrag nur die Möglichkeit vorsieht, diesen Mitarbeiter temporär an einen anderen Ort zu versetzen? Eine Änderungskündigung aussprechen oder eine Versetzung vornehmen? Der Arbeitgeber darf ja mit seiner Maßnahme nicht über das Ziel hinausschießen und den Bestand des Arbeitsverhältnisses in Frage stellen, wenn es auch ein milderes Mittel gibt, mit dem er sein Ziel erreichen kann. Nun, in diesem Fall war die Änderungskündigung das richtige Mittel, eine Versetzung an den neuen Standort hätte hier nach dem Vertrag nur auf Zeit, aber nicht auf Dauer erfolgen können (LAG Berlin-Brandenburg, 20.05.2022 - 13 Sa 1484/21).
4.29 Zurück aus dem Homeoffice!
Da hatte Arbeitgeber A Mitarbeiter M, Grafiker von Beruf, gestattet, von zuhause aus für ihn tätig zu sein. Dann stellte sich in der Folgezeit heraus, dass die Arbeit im Homeoffice wohl doch nicht so optimal war, wie zunächst gedacht. A änderte seine Weisung daraufhin und beorderte M wieder in den Betrieb. Der fand das gar nicht lustig und wehrte sich mit einer einstweiligen Verfügung gegen seinen Rückruf. Ohne Erfolg. Weder aus M's Arbeitsvertrag noch aus § 2 Abs. 4 SARS-VoV-2-ArbSchV lasse sich ein Anspruch auf Arbeiten im Homeoffice folgern. Und aus § 106 Satz 1 GewO lässt sich keine Pflicht des Arbeitgebers herleiten, sein Direktionsrecht via billiges Ermessen nur in der vom Arbeitnehmer gewünschten Weise auszuüben. Die Konkretisierung der Arbeitspflicht ist Sache des Arbeitgebers (LAG München, 26.08.2021 – 3 SaGa 13/21 – mit Blick auf die bessere technische Ausstattung des betrieblichen Arbeitsplatzes).
4.30 Zuweisung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes
Der vereinfachte Fall: Arbeitgeber A bot Mitarbeiter M, einem Ingenieur, nach einer Betriebsschließung an, seine Tätigkeit zukünftig in einem Homeoffice zu verrichten. M lehnte das ab. A nahm die Ablehnung zum Anlass, M's Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung zu kündigen. Pech für A: Die Anweisung eines Telearbeitsplatzes greift in den geschützten Vertragsbereich. Der Arbeitgeber kann das Arbeiten vom Homeoffice aus nicht einseitig via Direktionsrecht anordnen, wenn der Arbeitnehmer zu dieser Art Tätigkeit nach seinem Arbeitsvertrag nicht verpflichtet ist (LAG Berlin-Brandenburg, 10.10.2018 - 17 Sa 562/18 - mit dem Ergebnis, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam war).
4.31 Zwangsvollstreckung
Die Zwangsvollstreckung eines Arbeitnehmer-Weiterbeschäftigungsanspruchs erfolgt nach § 888 ZPO. Es handelt sich um eine so genannte "nicht vertretbare Handlung" - der Arbeitgeber muss durch Zwangsgeld oder Zwangshaft dazu angehalten werden, die nach dem vollstreckbaren Titel geschuldete Handlung (hier: die Weiterbeschäftigung) vorzunehmen. Dabei muss der Titel die Art der ausgeurteilten Tätigkeit nennen. Haben sich die Parteien im Erkenntnisverfahren nicht über den Ort der Arbeitsleistung und ein mögliches Versetzungsrecht des Arbeitgebers gestritten, muss die Wirksamkeit einer Versetzung im Vollstreckungsverfahren nicht geprüft werden (LAG Schleswig-Holstein, 06.09.2012 - 1 Ta 142/12).
Siehe auch
Änderungskündigung - AllgemeinesVersetzung - AllgemeinesVersetzung - ArbeitsentgeltVersetzung - billiges ErmessenVersetzung - Inhalt der ArbeitsleistungVersetzung - MitbestimmungVersetzung - RechtsschutzVersetzung - SchwerbehinderteVersetzung - VersetzungsklauselnVersetzung - Zeit der Arbeitsleistung