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BAG, 22.12.1993 - 7 AZB 11/93 - Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für die Anfechtung einer Aufsichtsratswahl im Hinblick auf eine rechtmäßige Zusammensetzung des Aufsichtsrats
Bundesarbeitsgericht
Beschl. v. 22.12.1993, Az.: 7 AZB 11/93
Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für die Anfechtung einer Aufsichtsratswahl im Hinblick auf eine rechtmäßige Zusammensetzung des Aufsichtsrats
Verfahrensgang:
vorgehend:
ArbG Aachen 10.02.1993 - 2 BV 67/92
LAG Köln - 03.05.1993 - AZ: 10 Ta 49/93
BAG, 22.12.1993 - 7 AZB 11/93
In dem Beschlußverfahren
hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts
am 22. Dezember 1993
beschlossen:
Tenor:
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 6) gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 3. Mai 1993 - 10 Ta 49/93 - wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1
I.
Gegenstand des Unternehmens der am vorliegenden Beschlußverfahren beteiligten Arbeitgeberin ist nach § 2 des Gesellschaftsvertrages die Betriebsführung von Gas-, Wasser- und Stromversorgungen für Rechnung, im Namen und im Auftrag der L. GmbH, der S. GmbH. der S. AG, der W. GmbH und der W. GmbH. An der Betriebsführungsgesellschaft sind diese fünf Energie- und Wasserversorgungsunternehmen mit unterschiedlichen Stromeinlagen beteiligt. Sie selbst beschäftigt nur zwei Arbeitnehmer. In allen sechs Unternehmen werden insgesamt ca. 580 Arbeitnehmer beschäftigt. Bei der Betriebsführungsgesellschaft besteht satzungsgemäß ein 16köpfiger Aufsichtsrat. Die Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat ist am 6. Oktober 1992 durchgeführt worden. Diese Wahl hat der im gemeinsamen Betrieb der sechs Unternehmen gebildete Betriebsrat mit seinem am 20. Oktober 1992 beim Arbeitsgericht Aachen eingereichten Antrag angefochten und ihn ausschließlich darauf gestützt, daß der Aufsichtsrat nach § 76 Abs. 1 BetrVG 1952 mit einem Drittel Arbeitnehmervertreter besetzt werden müsse, weil alle ca. 580 Arbeitnehmer der sechs Unternehmen in einem einheitlichen, von der Betriebsführungsgesellschaft geleiteten Betrieb eingegliedert und deshalb zusammenzurechnen seien. Die richtige Zusammensetzung des Aufsichtsrats sei eine Vortrage, über die das angerufene Arbeitsgericht im Rahmen des Wahlanfechtungsverfahrens entscheiden könne.
2
Der Betriebsrat hat beantragt,
die Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat der E. Betriebsführungsgesellschaft mbH vom 6. Oktober 1992 für unwirksam zu erklären.
3
Die übrigen Beteiligten haben beantragt,
den Antrag als unzulässig zurückzuweisen.
4
Sie haben die Auffassung vertreten, der Betriebsrat rüge in Wirklichkeit die Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Darüber könnten die Arbeitsgerichte auch nicht als Vortrage entscheiden. Zuständig sei das Landgericht in dem dafür vorgesehenen Verfahren.
5
Das Arbeitsgericht Aachen hat sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Aachen verwiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht den Beschluß des Arbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen weiteren sofortigen Beschwerde begehren die Betriebsführungsgesellschaft und der Aufsichtsrat die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.
6
Der Betriebsrat beantragt,
die weitere sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Gründe
7
II.
Die weitere sofortige Beschwerde der beteiligten Arbeitgeberin und des Aufsichtsrats ist zulässig, aber unbegründet.
8
1.
Nach § 17 a Abs. 4 Satz 4 und 6 GVG, § 78 Abs. 2 ArbGG ist die weitere sofortige Beschwerde statthaft. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 569, 577 ZPO).
9
In entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 2, § 72 Abs. 6 in Verbindung mit § 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG entscheidet der Senat jedenfalls dann ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter, wenn die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergeht (vgl. BAG Beschluß vom 10. Dezember 1992 - 8 AZB 6/92 - AP Nr. 4 zu § 17 a GVG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen, zu II der Gründe; BAG Beschluß vom 15. April 1993 - 2 AZB 32/92 - EzA § 5 ArbGG 1979 Nr. 8. zu II der Gründe).
10
2.
Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nach § 2 a Abs. 1 Nr. 3 ArbGG für zulässig erachtet.
11
Zutreffend stellt das Landesarbeitsgericht auf den Streitgegenstand ab. Bei der Ermittlung des Streitgegenstandes ist vom Antrag auszugehen und bei seiner Auslegung das Vorbringen des Antragstellers mitzuberücksichtigen. Im vorliegenden Fall ist der gestellte Antrag eindeutig formuliert. Das Vorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine vom klaren Wortlaut abweichende Auslegung.
12
a)
Der Betriebsrat hat seinen Antrag eindeutig als Wahlanfechtung abgefaßt und auch in der Antragsbegründung verdeutlicht, daß er die Aufsichtsratswahl anfechten wolle. Auf den Einwand der Betriebsführungsgesellschaft im Schriftsatz vom 13. November 1992, daß die Frage der Zusammensetzung des Aufsichtsrats in den Zuständigkeitsbereich der ordentlichen Gerichte falle, hat er sich auf§ 2 a Abs. 1 Nr. 3 ArbGG (Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für Entscheidungen über die Wahl von Vertretern der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat) berufen und darauf hingewiesen, daß die Zusammensetzung des Aufsichtsrats im Wahlanfechtungsverfahren nur eine Vortrage sei. An dieser Auffassung hat der Betriebsrat auch im Beschwerdeverfahren vor dem Landesarbeitsgericht festgehalten.
13
b)
Der Betriebsrat hat davon abgesehen, ein Statusverfahren nach § 98 AktG zu betreiben, und im Laufe des vorliegenden Beschlußverfahrens klargestellt, daß sein Antrag nicht mißverständlich formuliert, sondern wirklich als Wahlanfechtung gemeint ist. Für eine vom erklärten Willen abweichende Auslegung des Antrags ist kein Raum, sondern verstieße, wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, gegen § 308 Abs. 1 ZPO.
14
c)
Daran ändert es nichts, daßüber die maßgeblichen Vorschriften für die Bildung und Zusammensetzung des Aufsichtsrats die ordentlichen Gerichte in einem dafür vorgesehenen besonderen Verfahren entscheiden (§ 98 AktG. § 77 Abs. 1 BetrVG 1952, § 6 Abs. 2 MitbestG); denn dieses Verfahren hat der Betriebsrat gerade nicht einleiten wollen. Ebenso ist es für die Zulässigkeit des Rechtswegs unerheblich, daß die Arbeitsgerichte nach § 96 Abs. 2 AktG, § 77 Abs. 1 BetrVG 1952 bis zum Erlaß einer gerichtlichen Entscheidung nach § 98 AktG die bisherige Zusammensetzung des Aufsichtsrats zugrunde zu legen haben und nicht beanstanden können. Dies führt nur dazu, daß innerhalb der Frist für die Anfechtung der Aufsichtsratswahl kein rechtserheblicher Anfechtungsgrund vorgetragen wurde. Daß ein Antrag offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, rechtfertigt es nicht, ihn entgegen dem erklärten Willen des Antragstellers auszulegen.
Dr. Seidensticker
Dr. Steckhan
Kremhelmer
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