Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Die Inhalte des Bereichs „Fachwissen SV“ geben Ihnen kostenlos Auskunft zu allen Themen der Sozialversicherung. Sie sind ein exklusives Angebot für eingeloggte Nutzer.
Jetzt einloggen:
Sie sind noch nicht registriert?
Vertragsstrafe - Herabsetzung
Vertragsstrafe - Herabsetzung
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.
- 4.
Information
1. Allgemeines
Der Schuldnerschutz scheint die Tätigkeit des Gesetzgebers schon immer beeinflusst zu haben. Die Regelungen über die Herabsetzung einer Vertragsstrafe in § 343 BGB standen schon in der Urfassung des BGB. Das Recht gibt dem Schuldner die Möglichkeit, eine in unangemessener Höhe vereinbarte Vertragsstrafe auf ein angemessenes Maß reduzieren zu lassen. Als Maßstab dienen dabei die Umstände des Einzelfalls, zu denen sowohl Art und Schwere des Vertragsverstoßes als auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schuldners gehören.
Praxistipp:
Heute, etliche Jahre nach der Schuldrechtsreform, wird man als Schuldner kaum noch dazu kommen, einen Herabsetzungsantrag stellen zu müssen. Vertragsstrafenabreden fallen voll in den Anwendungsbereich der AGB-Regeln des BGB. Das heißt: Bevor eine Vertragsstrafe durch Urteil herabgesetzt werden kann, muss sie erst auf ihre Wirksamkeit geprüft werden. Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Klauseln unwirksam, die den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Das bedeutet: Bei der Formulierung von Vertragsstrafenklauseln ist größter Wert darauf zu legen, dass sie einer späteren gerichtlichen Inhaltskontrolle standhalten.
§ 343 BGB ist geltendes Recht und ermöglicht es immer noch, eine unangemessene Vertragsstrafe herabzusetzen. Nur: Ist eine Vertragsstrafenvereinbarung unwirksam, gelten nach § 306 Abs. 2 BGBallein die gesetzlichen Bestimmungen. Über diese gesetzlichen Bestimmungen bekommt der Arbeitgeber aber keine wirksame Vertragsstrafe mehr in seinen Arbeitsvertrag. Die Rechtsprechung schließt seit der Schuldrechtsreform auch die so genannte geltungserhaltende Reduktion aus. Wenn eine Vertragsstrafenklausel unwirksam ist, fällt sie ersatzlos weg. Ohne wirksame Vertragsstrafenklausel und ohne eine danach verwirkte Vertragsstrafe gibt es keine Herabsetzungsmöglichkeit nach § 343 BGB (so schon: BAG, 04.03.2004 - 8 AZR 196/03).
2. Rechtlicher Ansatz: § 343 BGB
Ist eine verwirkte Vertragsstrafe unangemessen hoch, kann sie
auf Antrag des Schuldners
durch Urteil
auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden (§ 343 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist
jedes berechtigte Interesse des Gläubigers,
nicht nur sein Vermögensinteresse,
in Betracht zu ziehen, § 343 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach Entrichtung der Vertragsstrafe ist eine Herabsetzung ausgeschlossen, § 343 Abs. 1 Satz 3 BGB.
Das Gleiche gilt außer in den Fällen der §§ 339, 342 BGB auch, wenn jemand eine Strafe für den Fall verspricht, dass er eine Handlung vornimmt oder unterlässt (§ 343 Abs. 2 BGB).
§ 343 BGB soll durch eine gerichtliche Billigkeitskontrolle einen gewissen Schuldnerschutz gewährleisten. Dazu muss der Schuldner bei Gericht zunächst einen Herabsetzungsantrag stellen. Ist er begründet, wird die ursprünglich vereinbarte Vertragsstrafe durch Urteil auf eine nach Auffassung des Gerichts angemessene Höhe herabgesetzt. Als Maßstab dienen dem Gericht alle Umstände des Einzelfalls. Da sind auf Seiten des Schuldners insbesondere.
Art und Schwere des Verstoßes,
Grad seines Verschuldens und
seine wirtschaftlichen Verhältnisse.
Beurteilungszeitpunkt: Der Zeitpunkt, in dem der Gläubiger die Vertragsstrafe geltend macht. Für die Tatsachen, die die verwirkte Vertragsstrafe unangemessen machen, ist der Schuldner darlegungs- und beweispflichtig.
3. Systematik der Prüfung
§ 343 Abs. 1 Satz 1 BGB spricht davon, dass die Vertragsstrafe verwirkt sein muss. Das wiederum setzt voraus, dass sie zuvor wirksam vereinbart wurde. Unwirksame Vertragsstrafen können nicht verwirkt sein (BAG, 25.09.2008 - 8 AZR 717/07).
Bis zur Schuldrechtsreform war es so, dass Vertragsstrafenklauseln nach gewöhnlichem BGB-Recht beurteilt wurden. Das AGB-Gesetz galt im Arbeitsrecht nicht. Das gab frühzeitig Raum für die Anwendung des § 343 BGB. Hier wurde die angemessene Höhe einer Vertragsstrafe nicht allgemein, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bestimmt (BAG, 25.10.1994 - 9 AZR 265/93):
Beispiel:
Dieter Drücker war als Büroleiter der Eggs & Hopp Personalleasing GmbH eingestellt. In seinem Arbeitsvertrag stand ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Zur Sicherung dieses Wettbewerbsverbot hatten Dieter und die Eggs & Hopp GmbH vereinbart: "Handelt der Arbeitnehmer dem Wettbewerbsverbot zuwider, so kann der Arbeitgeber unbeschadet seiner sonstigen Rechte, für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von 6 Bruttomonatslöhnen verlangen." Ein Monatslohn des Büroleiters Drücker betrug 2.300 EUR. Nachdem Dieter selbst fristlos gekündigt hatte und bei einem neuen Arbeitgeber beschäftigt war, verlangte die Eggs & Hopp Personalleasing GmbH von ihm 13.800 EUR Vertragsstrafe. In diesem Fall sogar mit Erfolg.
Begründung im BAG-Urteil vom 25.10.1994 - 9 AZR 265/93: Der Büroleiter sei die entscheidende Kontaktperson für die Arbeitnehmer der Gesellschaft gewesen und gerade bei einem Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung bestehe die Gefahr, dass mit dem Wechsel zu einem anderen Konkurrenzunternehmen auch einzelne Unternehmer den Arbeitgeber wechseln. Daher sei das Interesse des Arbeitgebers an der Einhaltung des Wettbewerbsverbots sehr hoch einzustufen.
Mit Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 01.01.2002 ist das alte Recht überholt. Jetzt scheitern viele Vertragsstrafenversprechen schon vorher: an der AGB-Kontrolle des BGB. Deren Ziel ist es, die Vertragsklauseln des Verwenders Arbeitgeber von Anfang an transparent zu machen.
Da die §§ 305 ff. BGB mit dem 01.01.2002 auch auf Arbeitsverhältnisse Anwendung finden, bedarf es "der Statuierung genereller Wirksamkeitsschranken, da nur diese von vornherein für beide Parteien eine sichere Beurteilungsgrundlage - auch hinsichtlich der Erfolgsaussichten im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung - abgeben". Die Möglichkeit einer gerichtlichen Herabsetzung der Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB vermag dies nicht zu leisten. (BAG, 25.09.2008 - 8 AZR 717/07). Und weiter:
"Das Ergebnis des Herabsetzungsantrages nach § 343 BGB lässt sich ob der Vielfalt der berücksichtigungsfähigen Umstände des Einzelfalles nur schwer vorhersagen".
Daher ist vor Prüfung der Herabsetzungsmöglichkeit zunächst die Frage zu beantworten, ob die Vertragsstrafenklausel wirksam ist - dazu wird auf das Stichwort Vertragsstrafe - AGB-Kontrolle verwiesen. Besteht die Vertragstrafenklausel die AGB-Kontrolle, eröffnet sich die Möglichkeit, eine unangemessen hohe Vertragsstrafe auf ein angemessenes Maß herabzusetzen. Die Bestimmungen über die Unwirksamkeit vorformulierter Vertragsstrafenabreden gehen den allgemeinen Regeln über die Herabsetzung einer Vertragsstrafe vor (LAG Rheinland-Pfalz, 18.12.2008 - 2 Sa 378/08).
4. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema Herabsetzung von Vertragsstrafen in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet hinterlegt:
4.1 Ansatzpunkt
Auch wenn § 343 BGB die grundsätzliche Herabsetzung einer Vertragsstrafe ermöglicht - muss man erst mal dahinkommen. Die Herabsetzung einer Vertragsstrafe nach § 343 BGB auf ein angemessenes Maß kommt nur dann in Betracht, wenn eine Vertragsstrafe verwirkt ist. Das wiederum setzt voraus, dass sie überhaupt wirksam vereinbart wurde. Und das ist nicht der Fall, wenn die Vertragsstrafenabrede an der AGB-Kontrolle der §§ 305 ff. BGB scheitert (BAG, 25.09.2008 - 8 AZR 717/07).
4.2 Geltungserhaltende Reduktion
Soweit eine Vertragsstrafenklausel kein Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam ist, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. Das heißt: Wenn die Vertragsstrafenklausel durch die AGB-Kontrolle nach den §§ 306 ff. BGB fällt, ist sie unwirksam - eine geltungserhaltende Reduktion ist nicht möglich. Benachteiligt die Vertragsstrafenabsprache den Arbeitnehmer unangemessen, kann die Vertragsstrafe nicht auf eine angemessene Regelung oder ein angemessenes Maß reduziert werden. Wenn sich der Vertragsinhalt wegen § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften richtet, ist das vertragliche Vertragsstrafenversprechen ersatzlos weg (BAG, 14.08.2007 - 8 AZR 973/06).
4.3 Maßstab
"Unabhängig davon, ob die Herabsetzung einer übermäßig hohen Vertragsstrafe nur auf einen Antrag des Schuldners nach § 343 BGB zu erfolgen (...) oder ob eine generalisierende Rechtskontrolle stattzufinden hat, wird die Vereinbarung eines Bruttomonatsverdienstes als geeigneter Maßstab angesehen" (BAG, 27.04.2000 - 8 AZR 301/99).
4.4 Unangemessene Benachteiligung
Schon die Höhe der Vertragsstrafe kann zu einer unangemessenen Benachteiligung führen. Aber anders als bei der Herabsetzung nach § 343 BGB kommt es bei der Angemessenheitsprüfung nach AGB-Recht nur auf eine "typisierende Betrachtungsweise bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an". Dabei steht ein beliebiger Arbeitnehmer oder eine beliebige Arbeitnehmergruppe im Mittelpunkt, die Adressat der jeweiligen Vertragsstrafe sein könnten. Bei der Inhaltskontrolle einer Formularabrede nach § 307 BGB können in der Regel nur einer generalisierenden Betrachtung zugängliche Maßstäbe herangezogen werden, zum Beispiel die Bruttomonatsvergütung (BAG, 04.03.2004 - 8 AZR 196/03).
Siehe auch
Vertragsstrafe - AGB-Kontrolle
Vertragsstrafe - Mitbestimmmung
Vertragsstrafe - Rechtsgrundlagen
Vertragsstrafe - Regelungszweck
Vertragsstrafe - vermeidbare Fehler