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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Duale Studiengänge - praxisintegriert
Duale Studiengänge - praxisintegriert
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Die Bedeutung von Studiengängen, die die theoretischen, an der Hochschule vermittelten Inhalte mit den Anforderungen der täglichen Praxis verknüpfen, nimmt stetig zu. Ziel ist es, die Studierenden frühzeitig in die Unternehmen einzubinden, damit sie später optimal einsetzbar sind. Dies kann für Studierende und Betriebe erhebliche Vorteile haben. Immer häufiger werden Studiengänge angeboten, die durch berufspraktische Phasen eine hohe Verknüpfung mit der betrieblichen Praxis aufweisen. Sowohl unter arbeits- als auch unter sozialversicherungsrechtlichen Aspekten sind dabei Besonderheiten zu beachten. Entnehmen Sie dem Beitrag alle wichtigen Informationen hierzu.
2. Inhalt und Ablauf
Typisch für die praxisintegrierten Studiengänge ist, dass während der vorlesungsfreien Zeit in dem Betrieb Praktika zu absolvieren sind, die auch inhaltlich eng mit der Hochschulausbildung verzahnt sind. Diese Praxisphasen werden wesentlich von der Hochschule - durch die Studien- und Prüfungsordnung und/oder die Vereinbarungen mit den beteiligten Unternehmen - festgelegt und gesteuert. In der Regel wird vom Betrieb während der Praktika eine Vergütung gezahlt oder der Studierende durch ein Stipendium unterstützt. Im Gegensatz zum ausbildungsintegrierten Studium (Duale und triale Studiengänge - ausbildungsintegriert) wird jedoch neben dem Hochschulabschluss keine abgeschlossene Berufsausbildung erworben. In der Regel werden die Praxisphasen in einem Unternehmen durchgeführt, welches auch eine Vergütung zahlt.
3. Vertragsrecht
Der Einstieg in das Studium kann entweder direkt über die Hochschule oder durch Bewerbung bei dem Betrieb erfolgen. Zwischen den beteiligten Unternehmen und der Hochschule wird in der Regel eine Kooperationsvereinbarung geschlossen, die insbesondere die inhaltliche und zeitliche Abstimmung der Lerninhalte festlegt. Daneben ist ein Vertrag zwischen dem Unternehmen und dem Studierenden erforderlich, in dem die Details, insbesondere auch in Bezug auf die Praxisphasen, geregelt werden. Mitunter werden auch separate Verträge für das Studium und die betrieblichen Praktika geschlossen.
Praxistipp:
Beispiele für solche Verträge finden Sie unter www.dhbw.de/Informationen/Duale Partner.
Außerdem wird in der Regel eine Rückzahlungsvereinbarung geschlossen (vgl. hierzu auch Arbeitgeber - Übernahme von Studiengebühren).
Auf ein praxisintegrierendes duales Studium ist das BBiG - anders als im Falle eines ausbildungsintegrierenden Studiums - nicht anwendbar, wenn die praktische Tätigkeit Teil des Studiums und durch eine auf dem Hochschulgesetz beruhende Studien- oder Prüfungsordnung staatlich anerkannt ist. Findet das BBiG insgesamt keine Anwendung, kann es sich auch nicht um ein anderes Vertragsverhältnis i.S.d. § 26 BBiG handeln, das auf den Erwerb beruflicher Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder beruflicher Erfahrungen gerichtet ist.
Für die Praktika im Rahmen des dualen Studiums gilt der gesetzliche Mindestlohn nicht (§ 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 MiLoG – siehe auch Bundestags-Drucksache 18/2010 [neu] S. 24).
Ein Praktikumsvertrag kann als Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen sein. Stellen von allgemeinen Geschäftsbedingungen durch den Verwender liegt nur dann nicht vor, wenn beide Parteien die Einbeziehung der allgemeinen Geschäftsbedingungen verlangt haben (LAG Berlin-Brandenburg, 27.09.2019 - 2 Sa 842/19).
4. Steuerrecht
Eine evtl. Vergütung wird wie üblich nach den individuellen steuerlichen Merkmalen versteuert. Übernimmt der Betrieb die Studiengebühren, fallen keine Steuern an, wenn er Schuldner der Studiengebühren ist. Dann erlangt der Arbeitnehmer keinen geldwerten Vorteil. Dies gilt unter bestimmten Voraussetzungen auch, wenn der Studierende die Gebühren zahlen muss und der Betrieb ihm die Aufwendungen erstattet. Einzelheiten siehe Arbeitgeber – Übernahme von Studiengebühren.
Nach § 9 Abs. 4 S. 8 EStG ist erste Tätigkeitsstätte im Sinne des geltenden steuerlichen Reisekostenrechts auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums aufgesucht wird. Ein Studium oder eine Bildungsmaßnahme findet insbesondere dann außerhalb eines Dienstverhältnisses statt, wenn
diese nicht Gegenstand des Dienstverhältnisses sind, auch wenn sie seitens des Arbeitgebers durch Hingabe von Mitteln, wie z.B. eines Stipendiums, gefördert werden oder
diese ohne arbeitsvertragliche Verpflichtung absolviert werden und die Beschäftigung lediglich das Studium oder die Bildungsmaßnahme ermöglicht.
Für Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte ist die steuerliche Entfernungspauschale anzuwenden. Bei Erstattungen an den Studierenden ist es sinnvoll, zur steuerlichen Behandlung eine Auskunft des Finanzamtes einzuholen.
Siehe auch Rn. 33 des BMF-Schreibens vom 25.11.2020 (GZ: IV C 5 – S 2353/19/10011:006).
5. Sozialversicherung
5.1 Allgemeines
Die Teilnehmer an allen Formen von dualen Studiengängen stehen den "zur Berufsausbildung Beschäftigten" gleich (Besonderheiten gelten für die berufsbegleitenden dualen Studiengänge. Die Teilnehmer sind ggf. als Arbeitnehmer versicherungspflichtig.). Die Teilnehmer an den ausbildungsintegrierten und den praxisintegrierten dualen Studiengängen sind wie Beschäftigte zur Berufsausbildung in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig (§ 5 Abs. 4a S. 1 Nr. 2 SGB V, § 20 Abs. 1 SGB XI, § 1 S. 5 Nr. 2 SGB VI, § 25 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB III). Die Regelungen über die Versicherungsfreiheit geringfügiger Beschäftigungen gelten nicht. Ebenso ist auch der Übergangsbereich nicht anzuwenden. Der Student kann aber neben dem Studium eine Beschäftigung ausüben, für die ggf. auch die Geringfügigkeitsregelungen gelten. Versicherungspflicht besteht auch für die Zeiten, in denen der Student ausschließlich die Hochschule besucht (Studienphasen). Diese versicherungsrechtliche Beurteilung erfasst auch Praxisphasen im Ausbildungsbetrieb, die vor Beginn der Einschreibung bei der Hochschule liegen (viele Praxisphasen beginnen bereits am 1. September, während die offizielle Immatrikulation bei der Uni erst mit Wirkung vom 1. Oktober erfolgt). Voraussetzung ist, dass die "vorgelagerte" Praxisphase Bestandteil des dualen Studiums ist.
Für die Meldungen zur Sozialversicherung ist der Personengruppenschlüssel 102 (Azubis ohne besondere Merkmale) anzuwenden. Übersteigt das Arbeitsentgelt allerdings die Geringverdienergrenze von 325 EUR (siehe § 20 Abs. 3 SGB IV) nicht, ist der Personengruppenschlüssel 121 maßgebend.
Für Ausbildungen, die ab 2020 beginnen, gilt die monatliche Mindestvergütung von 515 EUR (§ 17 BBiG i.d.F. durch das Gesetz zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung vom 12.12.2019 (BGBl. I Nr. 48 S. 2522). Die Mindestvergütung steigt in den Folgejahren nach Ausbildungsfortschritt und Ausbildungsbeginn an. Für Ausbildungen, die 2023 beginnen, gilt im ersten Ausbildungsjahr eine Mindestvergütung von 620 EUR.
Soweit in Altfällen die Ausbildungsvergütung die Geringverdienergrenze von 325 EUR monatlich nicht übersteigt, gilt folgende Besonderheit: Neben dem allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent können die Krankenkassen von ihren Mitgliedern einen prozentualen Zusatzbeitrag erheben, der ebenfalls von dem Arbeitgeber berechnet, einbehalten und an die Krankenkasse gezahlt wird. Wie hoch der Zusatzbeitrag ist, entscheidet die einzelne Krankenkasse im Rahmen ihrer Finanzautonomie. Für bestimmte Personengruppen gilt der bundeseinheitliche Zusatzbeitrag. Dazu gehören auch die Mitglieder, für die die Geringverdienergrenze maßgebend ist. Der bundesweite Zusatzbeitrag wurde für 2023 auf 1,6 Prozent festgelegt. Er ist ebenfalls vom Arbeitgeber zu tragen.
Der bundesweite Zusatzbeitrag gilt auch in Monaten, in der (z.B. aufgrund von Sonderzahlungen) die Grenze von 325 EUR überschritten wird und Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Beiträge anteilig tragen.
Versicherungspflicht besteht auch, wenn keine Vergütung gezahlt wird. In Renten- und Arbeitslosenversicherung bleibt es dann bei der Versicherungspflicht (§ 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 SGB III) aufgrund des dualen Studiums. Dies gilt auch für die Studienphasen, wenn der Betrieb nur für die Praxisphasen im Betrieb eine Vergütung zahlt. Für die Beiträge wird eine fiktive Einnahme zugrunde gelegt (1 Prozent der monatlichen Bezugsgröße = 2023 monatlich West 33,95 EUR, Ost 32,90 EUR). Der Beitrag muss vom Arbeitgeber allein getragen werden. Meldungen sind mit dem Personengruppenschlüssel 102 zu erstatten. In Kranken- und Pflegeversicherung besteht Versicherungspflicht als "zur Berufsausbildung ohne Arbeitsentgelt Beschäftigte" (§ 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V, § 20 Abs. 1 SGB XI); dabei ist allerdings eine evtl. bestehende Familienversicherung vorrangig.
Hinweis:
Durch das siebte Gesetz zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 12.06.2020 (BGBl. I Nr. 28 S. 1248) wurden auch Auszubildende in praxisintegrierten schulischen Ausbildungsgängen in die Versicherungspflicht in allen Versicherungszweigen der Sozialversicherung einbezogen; sie wurden – wie Teilnehmer an dualen Studiengängen - den zur Berufsausbildung Beschäftigten gleichgestellt. Voraussetzung ist, dass auch in den schulischen Phasen ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht. Von der Neuregelung erfasst werden vor allem Auszubildende in Gesundheitsberufen. Die Neuregelungen sind zum 01.07.2020 in Kraft getreten. Erfasst werden auch Ausbildungen, die vor diesem Stichtag begonnen wurden, wenn für diese bereits bisher Beiträge gezahlt wurden. Einzelheiten siehe auch Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes Bund Nr. 2020/476 vom 24.06.2020 sowie § 416 SGB V.
5.2 Umlagen
Umlagepflicht besteht nach § 7 Abs. 2 AAG für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer und Auszubildenden, soweit der Arbeitgeber am Ausgleichsverfahren beteiligt ist. Teilnehmer an praxisintegrierten dualen Studiengängen sind während der Praxisphasen arbeitsrechtlich nicht als Arbeitnehmer oder Auszubildende i.S.d. BBiG anzusehen, wenn das Praktikum in die Hochschul- oder Fachschulausbildung eingegliedert ist und die praktische Ausbildung im Wesentlichen nicht betrieblich, sondern durch die Hochschule bzw. Fachschule geregelt und gelenkt wird (Abschn. B 2.2 Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von beschäftigten Studenten und Praktikanten vom 23.11.2016; siehe auch BAG, 17.06.2020 – 7 ABR 46/18). Unter diesen Voraussetzungen besteht daher keine Umlagepflicht für die Krankheits- und Mutterschaftsumlage. Die Insolvenzgeldumlage ist jedoch zu zahlen, da die Teilnehmer an praxisintegrierten dualen Studiengängen sozialversicherungsrechtlich zu den Beschäftigten gehören und daher auch grundsätzlich Anspruch auf Insolvenzgeld geltend machen können.
5.3 Unfallversicherung
In der versicherungsrechtlichen Beurteilung weicht die Gesetzliche Unfallversicherung von der für die übrigen Sozialversicherungsträger geltenden Rechtslage ab. Nach Auffassung der Unfallversicherung finden die praktischen Ausbildungsabschnitte nicht in der inhaltlichen und organisatorischen Verantwortung der Hochschule statt. Daher sind die Praxisphasen als Beschäftigungsverhältnis anzusehen, es besteht Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Für die Praxisphasen ist für die Unfallversicherung eine Jahresmeldung mit Abgabegrund 92 bis 16.02. des Folgejahres zu erstatten. Besteht keine Versicherungspflicht zur Sozialversicherung, sind außerdem die regulären An- und Abmeldungen mit dem Personengruppenschlüssel 190 zu machen. Während der theoretischen Ausbildung ist der Studierende an der Hochschule unfallversichert.
Praxistipp:
Da nach Meinung der Unfallversicherungsträger im Einzelfall auch eine abweichende Bewertung möglich ist, ist es sinnvoll, bei Zweifeln eine Auskunft der zuständigen Berufsgenossenschaft einzuholen.