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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Kündigung - personenbedingt: besonderer Kündigungsschutz
Kündigung - personenbedingt: besonderer Kündigungsschutz
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.Besondere Kündigungsverbote und -erschwerungen
- 3.1
- 3.2
- 3.3
- 3.4
- 3.5
- 3.6
- 3.7
- 3.8
- 3.9
- 3.10
- 3.11
- 3.12
- 3.13
- 3.14
- 3.15
- 3.16
- 3.17
- 3.18
- 3.19
- 3.20
- 3.21
- 3.22
- 3.23
- 3.24
- 3.25
- 3.26
- 3.27
- 3.28
- 3.29
- 3.30
- 3.31
- 3.32
- 3.33
- 3.34
- 3.35
- 3.36
- 3.37
- 3.38
- 3.39
- 3.40
- 3.41
- 3.42
- 3.43
- 3.44
- 3.45
- 3.46
- 4.Rechtsprechungs-ABC
- 4.1
- 4.2
- 4.3
- 4.4
- 4.5
- 4.6
- 4.7
- 4.8
- 4.9
- 4.10
- 4.11
- 4.12
- 4.13
- 4.14
- 4.15
- 4.16
- 4.17
- 4.18
- 4.19
- 4.20
- 4.21
- 4.22
- 4.23
- 4.24
- 4.25
- 4.26
- 4.27
- 4.28
- 4.29
- 4.30
- 4.31
Information
1. Allgemeines
Der Arbeitgeber und Personaler müssen bei einer personenbedingten Kündigung nicht nur den allgemeinen KSchG-Kündigungsschutz beachten. Die Überraschung kommt für sie oft von einer ganz anderen Seite: Das deutsche Arbeitsrecht kennt eine Fülle von Regelungen, die Arbeitnehmern einen besonderen Kündigungsschutz gewähren. Dieser besondere Kündigungsschutz knüpft in den meisten Fällen an ein bestimmtes persönliches Merkmal des Arbeitnehmers - zum Beispiel seine Schwerbehinderung - oder an eine besondere Funktion - zum Beispiel als Betriebsrat - an (s. dazu Gliederungspunkt 2.).
Praxistipp:
Da der besondere Kündigungsschutz vorrangig ist, brauchen Arbeitgeber und Personaler oft keine Zeit darauf zu verwenden, die Personenbedingtheit einer Kündigung zu prüfen. Greift der besondere absolute Kündigungsschutz, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Kündigung vielleicht sozial gerechtfertigt gewesen wäre. Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert dann schon am besonderen Kündigungsschutz. Er ist daher zu prüfen, bevor über die Anforderungen des allgemeinen Kündigungsschutzes nachgedacht wird.
Im dritten Gliederungspunkt dieses Stichworts werden 46 besondere Kündigungsbeschränkungen vorgestellt - und diese Aufzählung erhebt noch lange keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die wichtigsten Regelungen des besonderen Kündigungsschutzes werden in alphabetischer Reihenfolge kurz erläutert. Allgemein bekannt dürfte der besondere Kündigungsschutz von Betriebsräten, Schwangeren und Schwerbehinderten sein. Weniger bekannt ist der besondere Kündigungsschutz politischer Mandatsträger vom Europäischen Parlament über den Deutschen Bundestag bis hin in die Stadt- und Gemeinderäte. Noch weniger bekannt wird der besondere Kündigungsschutz für SCE- und SE-Vertreter sein - dazu unter den Gliederungspunkten 3.32 und 3.33 mehr. Interessante Entscheidungen werden im Rechtsprechungs-ABC vorgestellt (s. dazu Gliederungspunkt 4.).
2. Abgrenzung allgemeiner/besonderer Kündigungsschutz
Die personenbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers,
der noch nicht ununterbrochen länger als sechs Monate in demselben Betrieb oder Unternehmen (§ 1 Abs. 1 KSchG; s. dazu das Stichwort Kündigungsschutz - Wartezeit) oder
der in einem sogenannten Kleinbetrieb (bis 31.12.2003 nicht mehr als fünf Mitarbeiter, ab 01.01.2004 nicht mehr als zehn Mitarbeiter) beschäftigt ist (§ 23 Abs. 1 KSchG; s. dazu die Stichwörter Kündigungsschutz - Betriebsgröße und Kündigungsschutz - Kleinbetrieb),
braucht im Prinzip nur form- und fristgerecht zu sein. Die Kündigungsbeschränkungen des KSchG gelten für dieses Arbeitsverhältnis nicht.
Hat ein Arbeitnehmer dagegen nach dem KSchG Kündigungsschutz, weil
er ununterbrochen länger als sechs Monate in demselben Betrieb oder Unternehmen beschäftigt ist (§ 1 Abs. 1 KSchG) und
dieser Betrieb kein Kleinbetrieb im Sinn des § 23 Abs. 1 KSchG ist,
muss seine personenbedingte Kündigung im Ergebnis sozial gerechtfertigt sein. Der Arbeitgeber darf hier nicht einfach drauflos kündigen, sondern er muss sich an die vom KSchG und der Rechtsprechung vorgegebenen Maßstäbe halten und einen der KSchG-Kündigungsgründe haben (s. dazu das Stichwort Kündigung - personenbedingt: Prüfungsschema).
In jedem Fall muss der Arbeitgeber - egal, ob es sich um ein Beschäftigungsverhältnis innerhalb oder außerhalb des KSchG-Bereichs handelt - den so genannten besonderen Kündigungsschutz beachten.
Beispiel:
Arbeitgeber A1 führt einen so genannten Kleinbetrieb, Arbeitgeber A2 einen Betrieb, in dem das KSchG Anwendung findet. Beide wollen einer Mitarbeiterin, die sich wegen persönlicher Defizite als ungeeignet für die weitere Zusammenarbeit erwiesen hat, personenbedingt kündigen. A1 hat damit keine Probleme, bei A2 muss die Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt sein. Sind die beiden Mitarbeiterinnen schwanger, schließt ihre Schwangerschaft nach § 17 MuSchG in beiden Fällen eine Kündigung aus. Die Mitarbeiterinnen fallen als Schwangere in den besonderen Kündigungsschutz des Mutterschutzgesetzes.
Beim besonderen Kündigungsschutz gibt es
absolute und
relative
Kündigungsverbote.
Greift der absolute besondere Kündigungsschutz, kommt es im KSchG-Bereich nicht mehr darauf an, ob die personenbedingte Kündigung ansonsten nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt wäre. Der absolute besondere Kündigungsschutz lässt die Kündigung schon auf der ersten Stufe scheitern. Beim relativen besonderen Kündigungsschutz ist die Kündigung unter bestimmten Umständen, zum Beispiel nach Zustimmung einer Arbeitsschutzbehörde oder nach Zustimmung des Betriebsrats oder aus anderen Gründen zulässig.
3. Besondere Kündigungsverbote und -erschwerungen
Der Gesetzgeber sieht für viele Arbeitnehmer und Gruppen von Arbeitnehmern einen besonderen Kündigungsschutz vor. Dieser besondere Kündigungsschutz hängt in der Regel von Umständen ab, die in der Funktion oder Person des geschützten Arbeitnehmers liegen. Das lässt den weiteren Schluss zu, dass gerade diese Gründe in der Person eines Arbeitnehmers allein niemals ein Grund sein können, ihn zu kündigen.
3.1 Abfallbeauftragte
Das Kreislaufwirtschaftsgesetz verpflichtet bestimmte Arbeitgeber, einen so genannten Abfallbeauftragten zu bestimmen (s. dazu §§ 58 ff. KrWG). Er hat den gleichen besonderen Kündigungsschutz wie der Immissionsschutzbeauftragte (§ 60 Abs. 3 KrWG mit Hinweis auf §§ 55 Abs. 1, 1a, 2 Satz 1 und 2, Abs. 3 und 4, 56 bis 58 BImSchG - mehr dazu im Gliederungspunkt 3.22 - Immissionsschutzbeauftragte).
3.2 Ältere Arbeitnehmer
Ältere Arbeitnehmer haben nach vielen Branchentarifverträgen einen besonderen Kündigungsschutz. Er knüpft in der Regel an Alter und Dauer der Betriebszugehörigkeit an. Viele dieser tariflichen Regelungen schließen die ordentliche Kündigung aus. Die Rechtsprechung hilft hier mit dem Institut der außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist. Mehr dazu im Stichwort Kündigung - personenbedingt: Unkündbarkeit (s. dazu auch die Stichwörter Kündigungsschutz - gesetzlicher u. Kündigungsschutz - tarifvertraglicher).
3.3 Altersteilzeit
Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers, Altersteilzeitarbeit in Anspruch zu nehmen, gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinn des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG (§ 8 Abs. 1 Halbs. 1 AltTZG). Die Altersteilzeit-Möglichkeit darf auch nicht bei der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zum Nachteil des Arbeitnehmers berücksichtigt werden (§ 8 Abs. 1 Halbs. 2 AltTZG, s. dazu auch das Stichwort Kündigung - betriebsbedingt: Sozialauswahl). Weitere Informationen zum Thema Kündigungsschutz von Altersteilzeit-Mitarbeitern gibt es im Stichwort Altersteilzeit - Arbeitnehmerschutz).
3.4 Europawahl - Bewerber und Abgeordnete
Wer sich als Bewerber für eine Europawahl aufstellen lässt, hat arbeitsrechtlich nach dem Europaabgeordnetengesetz - EuAbgG - gewisse Privilegien.
Zunächst gilt nach § 3 Abs. 1 EuAbgG: "Niemand darf gehindert werden, sich um ein Mandat im Europäischen Parlament zu bewerben, es zu erwerben, anzunehmen oder auszuüben." Und weiter in § 3 Abs. 2 EuAbgG: "Benachteiligungen am Arbeitsplatz im Zusammenhang mit der Bewerbung um ein Mandat sowie dem Erwerb, der Annahme und Ausübung eines Mandats sind unzulässig."
Der EU-Sicherheitsvorkehrungen wären allerdings unvollständig, wenn Mandatsträger nicht auch einen besonderen Kündigungsschutz hätten. Ihn liefert § 3 Abs. 3 EuAbgG: "Eine Kündigung oder Entlassung wegen des Erwerbs, der Annahme oder Ausübung des Mandats ist unzulässig. Im Übrigen ist eine Kündigung nur aus wichtigem Grunde zulässig. Der Kündigungsschutz beginnt mit der Aufstellung des Bewerbers durch das dafür zuständige Organ des Wahlvorschlagsberechtigten. Er gilt ein Jahr nach Beendigung des Mandats fort."
3.5 Auszubildende
Ein Berufsausbildungsverhältnis kann nach der Probezeit von beiden Vertragspartnern nur noch aus einem wichtigen Grund gekündigt werden (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG) oder vom Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen, wenn er seine Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will (§ 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG und das Stichwort Auszubildende - Kündigung).
3.6 Beauftragter für Biologische Sicherheit
Unternehmen, die gentechnische Anlagen betreiben (s. dazu § 2 GenTSG und § 1 GenTSV), müssen einen Beauftragten oder einen Ausschuss für die Biologische Sicherheit bestellen (s. dazu § 6 Abs. 4 GenTG und § 16 Abs. 4 GenTSV; zum Begriff s. § 3 Nr. 9 GenTSG). Der Beauftragte hat umfangreiche Aufgaben (§ 18 GenTSV), zum Beispiel die Überwachung des Projektleiters bei gentechnischen Arbeiten (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 GenTSV). Er darf wegen der Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben nicht benachteiligt werden (§ 19 Abs. 2 GenTSV). Das heißt, der Arbeitgeber darf sein Arbeitsverhältnis nicht deswegen kündigen, weil der Beauftragte seine Aufgaben wahrnimmt - wohl aber aus anderen Gründen i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG und aus Gründen, die mit Stellung und Aufgaben des Beauftragten nichts zu tun haben.
3.7 Befristet Eingestellte
Befristet eingestellte Arbeitnehmer dürfen nach § 5 TzBfG nicht wegen der Inanspruchnahme von Rechten nach dem TzBfG benachteiligt, das heißt auch nicht gekündigt werden (s. dazu auch die Stichwörter Befristung - Beendigung und Kündigungsschutz - befristete Arbeitsverhältnisse). Ein allgemeiner Kündigungsgrund nach dem KSchG schließt die Anwendung des § 5 TzBfG aus (s. zum Benachteiligungsverbot befristet Eingestellter auch das Stichwort Befristung - Diskriminierungsverbot).
3.8 Bergmannsversorgungsschein-Inhaber
Der Inhaber eines Bergmannsversorgungsscheins darf nur mit vorheriger Zustimmung der Zentralstelle gekündigt werden (§ 10 Abs. 1 Satz 1 BVSG NW). Ist der Inhaber des Bergmannsversorgungsscheins gleichzeitig schwerbehindert, hat die Zentralstelle ihre Entscheidung bis zur Entscheidung des Integrationsamts im Kündigungszustimmungsverfahren nach den §§ 168 ff. SGB IX auszusetzen (§ 10 Abs. 5 Satz 1 BVSG NW). "Wird der Kündigung zugestimmt, so darf die Zentralstelle nur aus gewichtigen Gründen abweichend entscheiden" (§ 10 Abs. 5 Satz 2 BVSG NW). Bei schwerbehinderten Bergmannsversorgungsschein-Inhabern besteht also ein doppeltes Zustimmungserfordernis.
3.9 Betriebsräte und andere BetrVG-Organe
§ 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG sieht für Betriebsräte und andere Betriebsverfassungsorgane vor: "Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, einer Bordvertretung oder eines Seebetriebsrats ist unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist". Bei Betriebsstilllegungen gilt § 15 Abs. 4 und 5 KSchG. Mehr zum Thema Kündigungsschutz von Betriebsverfassungsorganen im Stichwort Kündigungsschutz - Mandatsträger.
3.10 Betriebsübergang
Weder der bisherige Betriebsinhaber noch der Betriebserwerber dürfen ein Arbeitsverhältnis wegen des (Teil-)Betriebsübergangs kündigen. So eine Kündigung ist unwirksam (§ 613a Abs. 4 Satz 1 BGB). Das Recht zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen aus anderen Gründen - zum Beispiel aus denen des § 1 Abs. 2 KSchG - bleibt unberührt (§ 613a Abs. 4 Satz 2 BGB - siehe dazu auch das Stichwort Betriebsübergang - Kündigungsverbot).
3.11 Bundestagsabgeordnete
Nach Art. 48 Abs. 2 Satz 1 GG darf niemand daran gehindert werden, das Amt eines Abgeordneten zu übernehmen und auszuüben. "Eine Kündigung oder Entlassung aus diesem Grund ist unzulässig" (Art. 48 Abs. 2 Satz 2 GG). Der besondere Kündigungsschutz der Bundestagsabgeordneten erstreckt sich ausschließlich auf Kündigungen, die wegen der Übernahme oder Ausübung des Abgeordnetenamts erfolgen. Das heißt: Die Kündigung aus anderen Gründen ist möglich - also insbesondere aus betriebs-, personen- oder verhaltensbedingten Gründen i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.
3.12 Datenschutzbeauftragter
Der von einer öffentlichen Stelle benannte Datenschutzbeauftragte kann gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 BDSG sicher sein, dass er bei der Erfüllung seiner Aufgaben "keine Anweisungen bezüglich der Ausübung dieser Aufgaben erhält." Er "darf von der öffentlichen Stelle wegen der Erfüllung ... seiner Aufgaben nicht abberufen oder benachteiligt werden" (§ 6 Abs. 3 Satz 3 BDSG; s. dazu auch das Stichwort Datenschutz - Datenschutzbeauftragter). "Die Abberufung ... des Datenschutzbeauftragten ist nur in entsprechender Anwendung des § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuches zulässig" (§ 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG). Und § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG schließt für die Kündigung an:
"Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, welche die öffentliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen."
Zudem gibt es einen nachwirkenden Kündigungsschutz: "Nach dem Ende der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragte oder Datenschutzbeauftragter ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Jahres unzulässig, es sei denn, dass die öffentliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt ist" (§ 6 Abs. 4 Satz 3 BDSG).
Für nichtöffentliche Stellen findet das BDSG nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 Satz 2 BDSG entsprechende Anwendung (s. dazu die Stichwörter Datenschutz - Allgemeines ff.).
3.13 EG-Betriebsräte
Zur Stärkung des Rechts auf grenzübergreifende Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit tätigen Unternehmen und Unternehmensgruppen werden Europäische Betriebsräte oder Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer vereinbart (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EBRG). Zum Schutz inländischer Arbeitnehmervertreter bestimmt § 40 Abs. 1 EBRG: "Für die Mitglieder eines Europäischen Betriebsrats, die im Inland beschäftigt sind, gelten § 37 Abs. 1 bis 5 und die §§ 78 und 103 desBetriebsverfassungsgesetzes sowie § 15 Abs. 1 und 3 bis 5 desKündigungsschutzgesetzes entsprechend." Das Gleiche gilt für die Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums und die Arbeitnehmervertreter im Rahmen eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung (§ 40 Abs. 2 EBRG).
3.14 EG-Parlamentsabgeordnete
Benachteiligungen am Arbeitsplatz, die im Zusammenhang mit der Bewerbung um ein Mandat im Europäischen Parlament sowie dem Erwerb, der Annahme und Ausübung des Mandats stehen, sind unzulässig (§ 3 Abs. 2 EuAbgG). "Eine Kündigung oder Entlassung wegen des Erwerbs, der Annahme oder Ausübung des Mandats ist unzulässig. Im Übrigen ist eine Kündigung aus wichtigem Grund zulässig. Der Kündigungsschutz beginnt mit der Aufstellung des Bewerbers durch das dafür zuständige Organ des Wahlvorschlagsberechtigten. Er gilt ein Jahr nach Beendigung des Mandats fort" (§ 3 Abs. 3 EuAbgG).
3.15 Elternzeit Nehmende
Damit Arbeitnehmer einen Anreiz haben, Elternzeit zu nehmen, gibt ihnen der Gesetzgeber für diese Zeit einen besonderen Kündigungsschutz: Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, nicht kündigen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG). Der Kündigungsschutz beginnt
frühestens acht Wochen vor Beginn einer Elternzeit bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes (§ 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BEEG) und
frühestens 14 Wochen vor Beginn einer Elternzeit zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes (§ 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BEEG).
Während der Elternzeit ist eine Kündigung nach § 18 Abs. 1 Satz 3 BEEG ohnehin ausgeschlossen.
In besonderen Fällen kann die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle ausnahmsweise eine Kündigung für zulässig erklären (§ 18 Abs. 1 Satz 4 BEEG). Dieser besondere Kündigungsschutz gilt entsprechend, wenn Arbeitnehmer während der Elternzeit bei demselben Arbeitgeber Teilzeit arbeiten oder ohne Elternzeit in Anspruch zu nehmen, Teilzeitarbeit leisten und Anspruch auf Elterngeld nach § 1 BEEG während des Bezugszeitraums nach § 4 Abs. 1 BEEG haben (§ 18 Abs. 2 BEEG). Mehr zum Thema Kündigungsschutz während der Elternzeit im Stichwort Kündigung - betriebsbedingt: Elternzeit.
3.16 Familienpflegzeit Nehmende
Arbeitnehmer haben seit dem 01.01.2012 die Möglichkeit, für die Pflege naher Angehöriger in häuslicher UmgebungFamilienpflegezeit zu nehmen. Die Dauer dieser Familienpflegezeit beträgt maximal 24 Monate (§ 2 Abs. 1 Satz 1 FPfZG). Die Inanspruchnahme der Familienpflegezeit setzt voraus, dass die bisherige Arbeitszeit verringert wird, wöchentlich aber noch "mindestens 15 Stunden betragen" muss, § 2 Abs. 1 Satz 2 FPfZG).
Das FPfZG verweist in § 2 Abs. 3 auf die §§ 5 bis 8 des Pflegezeitgesetzes - PflegeZG. Dort ist in § 5 Abs. 1 ein besonderer Kündigungsschutz für Pflegezeit Nehmende geregelt, der auch für die Familienpflegezeit gilt.
"Der Arbeitgeber darf das Beschäftigungsverhältnis von der Ankündigung, höchstens jedoch zwölf Wochen vor dem angekündigten Beginn, bis zur Beendigung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 oder der Freistellung nach § 3 nicht kündigen."
§ 5 Abs. 1 PflegeZG enthält allerdings kein absolutes Kündigungsverbot. § 5 Abs. 2 PflegeZG ergänzt: " In besonderen Fällen kann eine Kündigung von der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ausnahmsweise für zulässig erklärt werden. Die Bundesregierung kann hierzu mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen."
3.17 Gefahrgutbeauftragte
Unternehmer und Inhaber eines Betriebs, die an der Beförderung gefährlicher Güter mit Eisenbahn-, Straßen-, Wasser- oder Luftfahrzeugen beteiligt sind, müssen mindestens einen Gefahrgutbeauftragten bestellen. (§ 3 Abs. 1 Satz 1 GbV). Dieser Gefahrgutbeauftragte darf wegen der Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben nicht benachteiligt werden (§ 9 Abs. 1 GbV). Das schließt es allerdings nicht aus, Gefahrgutbeauftragte wegen eines anderen Grunds zu kündigen, der nichts mit ihrer Bestellung als Gefahrgutbeauftragter und der Wahrnehmung der daraus resultierenden Aufgaben zu tun hat.
3.18 Gewässerschutzbeauftragte
Gewässerbenutzer sind nach Maßgabe des § 64 Abs. 1 WHG verpflichtet, einen oder mehrere "Betriebsbeauftragte für Gewässerschutz" zu bestellen. Dieser Gewässerschutzbeauftragter darf wegen der Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben nicht benachteiligt werden (vgl. § 66 WHG i.V.m. § 58 BImSchG). Zudem hat der Gewässerschutzbeauftragte über § 66 WHG i.V.m. § 58 Abs. 2 BImSchG einen besonderen Kündigungsschutz.
3.19 "Gleichgestellte"
Über § 168 SGB IX i.V.m. §§ 2 Abs. 3, 151 Abs. 2, Abs. 3 SGB IX braucht ein Arbeitgeber auch dann die Zustimmung des Integrationsamts, wenn er einen Schwerbehinderten gleichgestellten Mitarbeiter kündigen will. Die Gleichstellung erfolgt gemäß § 151 Abs. 2 SGB IX auf Antrag des behinderten Menschen nach § 152 SGB IX durch die Bundesagentur für Arbeit. Sie wird wegen § 151 Abs. 2 Satz 2 SGB IX mit dem Tag des Antragseingangs wirksam. Das wiederum bedeutet: Der Verwaltungsakt, der die Gleichstellung feststellt, ist für Rechtsposition des betroffenen Arbeitnehmers konstitutiv. "Im Unterschied zu den kraft Gesetzes geschützten Personen, bei denen durch die Anerkennung als schwerbehinderter Mensch ein bestehender Rechtsschutz nur festgestellt wird, wird der Schutz des Behinderten durch die Gleichstellung erst begründet" (BAG, 10.04.2014 - 2 AZR 647/13).
3.20 Gleichstellungsbeauftragte
Eine Gleichstellungsbeauftragte darf nach § 28 Abs. 1 Satz 1 BGleiG bei der Erfüllung ihrer Pflichten nicht behindert und wegen ihrer Tätigkeit in ihrer beruflichen Entwicklung nicht benachteiligt werden. Vor Kündigungen, Versetzungen und Abordnungen ist die Gleichstellungsbeauftragte genauso wie ein Mitglied der Personalvertretung geschützt (§ 28 Abs. 4 BGleiG).
3.21 Heimarbeiter
Das KSchG findet keine Anwendung auf Heimarbeiter. Sie sind keine "Arbeitnehmer" i.S.d. KSchG. Die §§ 29, 29a HAG sehen für Heimarbeiter jedoch gewisse Kündigungsbeschränkungen vor (s. dazu auch das Stichwort Heimarbeit - Arbeitsrecht). Schwangere Heimarbeiterinnen (s. dazu § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 MuSchG) werden durch das Kündigungsverbot in § 17 Abs. 1 MuSchG und zudem durch § 17 Abs. 3 MuSchG geschützt: "Der Auftraggeber oder Zwischenmeister darf eine in Heimarbeit beschäftigte Frau in den Fristen nach Absatz 1 Satz 1 nicht gegen ihren Willen bei der Ausgabe von Heimarbeit ausschließen; die §§ 3, 8, 11, 12, 13 Abs. 2 und § 16 bleiben unberührt. Abs. 1 gilt auch für eine Frau, die der in Heimarbeit beschäftigten Frau gleichgestellt ist und deren Gleichstellung sich auch auf § 29 des Heimarbeitsgesetzes erstreckt. Abs. 2 gilt für eine in Heimarbeit beschäftigte Frau und eine ihr Gleichgestellte entsprechend" (mehr dazu im Stichwort Heimarbeit - Arbeitsrecht).
3.22 Immissionsschutzbeauftragte
Arbeitgeber müssen nach den §§ 53 ff. BImSchG Immissionsschutzbeauftragte bestellen. Dieser Immissionsschutzbeauftragte darf nach § 58 Abs. 1 BImSchG "wegen der Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben nicht benachteiligt werden". Und § 58 Abs. 2 Satz 1 BImSchG schließt an:
"Ist der Immissionsschutzbeauftragte Arbeitnehmer des zur Bestellung verpflichteten Betreibers, so ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Betreiber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen."
Neben dem besonderen Kündigungsschutz in der aktiven Zeit als Immissionsschutzbeauftragter gibt es noch einen besonderen nachwirkenden Kündigungsschutz: "Nach der Abberufung als Immissionsschutzbeauftragter ist die Kündigung innerhalb eines Jahres, vom Zeitpunkt der Beendigung der Bestellung an gerechnet, unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Betreiber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen" (§ 58 Abs. 2 Satz 2 BImSchG).
3.23 Mutterschutz - In-vitro-Fertilisation
Junge Mütter und Schwangere haben nach § 17 MuSchG einen besonderen Kündigungsschutz. Erfolgt die Befruchtung der Eizelle außerhalb des Körpers der Frau über eine In-vitro-Fertilisation, greift das Kündigungsverbot des § 17 Abs. 1 MuSchG bereits ab dem Zeitpunkt, in dem das befruchtete Ei - Embryonentransfer - eingesetzt wird - und nicht erst ab dem Zeitpunkt, in dem sich das befruchtete Ei erfolgreich eingenistet hat (= Nidation). Zudem muss hier das AGG beachtet werden: Nach der Rechtsprechung des EuGH (26.02.2008 - C-506/06) kann es nämlich eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts darstellen, wenn eine Kündigung hauptsächlich deswegen erklärt wird, weil sich die Mitarbeiterin einer Behandlung zur In-vitro-Fertilisation unterzogen hat (BAG, 26.03.2015 - 2 AZR 237/14).
3.24 Junge Mütter
Arbeitnehmerinnen, die ein Kind zur Welt gebracht haben oder eine Fehlgeburt hatten, werden durch § 17 Abs. 1 MuSchG bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung/Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche vor Kündigungen geschützt. Mehr dazu um Gliederungspunkt 3.35 - Schwangere.
3.25 Katastrophenschutzhelfer
Arbeitnehmern, die im Katastrophenschutz helfen, dürfen aus ihrer Verpflichtung zum Dienst im Katastrophenschutz und aus diesem Dienst selbst keine Nachteile im Arbeitsverhältnis erwachsen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 KatSchErwG). Das schließt es aus, ihnen zu kündigen, weil oder während sie im Katastrophenschutz eingesetzt sind. Selbstverständlich ist eine Kündigung aus anderen Gründen nicht ausgeschlossen.
3.26 Kreistagsmitglieder (NRW)
§ 29 Abs. 1 KrO NW sagt: "Niemand darf gehindert werden, sich um ein Mandat als Mitglied des Kreistags oder eines Ausschusses zu bewerben, es anzunehmen oder auszuüben. Benachteiligungen am Arbeitsplatz in Zusammenhang mit der Bewerbung, der Annahme oder der Ausübung eines Mandats sind unzulässig. Entgegenstehende Vereinbarungen sind nichtig. Kündigungen oder Entlassungen aus Anlaß der Bewerbung, Annahme oder Ausübung eines Mandats sind unzulässig."
Vergleichbare Regelungen gibt es auch in den anderen Bundesländern.
3.27 Landtagsabgeordnete (NRW)
Ähnlich wie Art. 48 Abs. 2 GG für Bundestagsabgeordnete sagt Art. 46 Abs. 1 der nordrhein-westfälischen Verfassung: "Abgeordnete dürfen an der Übernahme und Ausübung ihres Mandats nicht gehindert oder hierdurch in ihrem Amt oder Arbeitsverhältnis benachteiligt werden. Insbesondere ist unzulässig, sie aus diesem Grunde zu entlassen oder ihnen zu kündigen." Wie bei den Bundestagsabgeordneten sind Entlassungen und/oder Kündigungen, die mit dem Abgeordnetenmandat nichts zu tun haben, weiterhin möglich.
Vergleichbare Regelungen gibt es auch in anderen Landesverfassungen.
3.28 Maßregelungsverbot
Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt (§ 612a BGB). Eine "Maßnahme" i.S.d. Gesetzes ist auch eine Kündigung (mehr dazu im Stichwort Maßregelungsverbot).
3.29 Massenentlassungen
Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 20 Arbeitnehmern müssen so genannte Massenentlassungen nach Maßgabe des § 17 KSchG bei der Agentur für Arbeit anzeigen. Entlassungen, die nach § 17 KSchG anzuzeigen sind, werden vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit nur mit deren Zustimmung wirksam - wobei die Zustimmung auch rückwirkend bis zum Tag der Antragstellung erteilt werden kann (§ 18 Abs. 1 KSchG).
3.30 MgVG-Vertreter
Das MgVG regelt die Mitbestimmung der Arbeitnehmern in den Unternehmensorganen der aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgehenden Gesellschaft (§ 1 Abs. 1 Satz 1 MgVG). Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben genießen die Arbeitnehmervertreter im Aufsichts- oder Verwaltungsorgan der aus der grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgehenden Gesellschaft den gleichen Kündigungsschutz wie die Arbeitnehmervertreter nach den Gesetzen und Gepflogenheiten des Mitgliedstaats, in dem sie beschäftigt sind (§ 32 MgVG; s. dazu auch das Stichwort Kündigungsschutz - Mandatsträger).
3.31 Personalräte und andere Organe nach dem Personalvertretungsrecht
"Die Kündigung eines Mitglieds einer Personalvertretung, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder einer Bordvertretung oder Seebetriebsrats ist unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist" (§ 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG, s. dazu auch das Stichwort Kündigungsschutz - Mandatsträger).
3.32 Pflegezeit Nehmende
Der Arbeitgeber darf das Beschäftigungsverhältnis von der Ankündigung bis zur Beendigung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 PflegeZG oder der Pflegezeit nach § 3 PflegeZG nicht kündigen (§ 5 Abs. 1 PflegeZG). "In besonderen Fällen kann eine Kündigung von der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ausnahmsweise für zulässig erklärt werden" (§ 5 Abs. 2 Satz 1 PflegeZG).
3.33 Ratsmitglieder (NRW)
Nach § 44 Abs. 1 GO NW sagt: "Niemand darf gehindert werden, sich um ein Mandat als Ratsmitglied, Mitglied einer Bezirksvertretung oder Mitglied eines Ausschusses zu bewerben, es anzunehmen oder auszuüben. Benachteiligungen am Arbeitsplatz im Zusammenhang mit der Bewerbung, der Annahme oder der Ausübung eines Mandats sind unzulässig. Entgegenstehende Vereinbarungen sind nichtig. Kündigungen oder Entlassungen aus Anlass der Bewerbung, Annahme oder Ausübung eines Mandats sind unzulässig".
Vergleichbare Regelungen gibt es auch in den anderen Bundesländern.
3.34 Rentner
Der Anspruch eines Versicherten auf eine Rente wegen Alters ist kein Grund, der die Kündigung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber nach dem KSchG zu rechtfertigen vermag, § 41 Satz 1 SGB VI. Das heißt: Allein der Umstand, dass ein Arbeitnehmer eine Rente beantragen kann, berechtigt seinen Arbeitgeber nicht dazu, dessen Arbeitsverhältnis zu beenden. Eine Kündigung aus anderen Gründen ist natürlich weiterhin möglich.
3.35 Schwangere
Die Kündigung gegenüber einer Frau ist unzulässig
während ihrer Schwangerschaft (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MuSchG),
bis zum Ablauf von vier Monaten nach einer Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MuSchG) und
bis zum Ende ihrer Schutzfrist nach der Entbindung, mindestens jedoch bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MuSchG).
Weiter vorausgesetzt: dem Arbeitgeber war die Schwangerschaft, die Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche oder die Entbindung zur Zeit der Kündigung bekannt oder sie wurden ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt (§ 17 Abs. 1 Satz 1 MuSchG). Das Überschreiten der 2-Wochen-Frist ist unschädlich, wenn es auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird (§ 17 Abs. 1 Satz 2 MuSchG). Und ganz wichtig:
"Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Vorbereitungsmaßnahmen des Arbeitgebers, die er im Hinblick auf eine Kündigung der Frau trifft."
Die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin nach Maßgabe des § 17 Abs. 2 MuSchG ausnahmsweise für zulässigerklären (mehr Informationen zum Thema Kündigung von Schwangeren sind im Stichwort Kündigung - betriebsbedingt: Schwangerschaft hinterlegt).
3.36 Schwerbehinderte Menschen
Entgegen einer weit verbreiteten Meinung ist die Kündigung von Schwerbehinderten nicht ausgeschlossen oder gar unmöglich. Der Arbeitgeber muss nur ein besonderes, vom SGB IX vorgegebenes Verfahren einhalten. So sagt § 168 SGB IX (= § 85 SGB IX a.F.):
"Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes."
Die weiteren Voraussetzungen der Schwerbehindertenkündigung und das Zustimmungsverfahren sind in den §§ 169 ff. SGB IX (= §§ 86 ff. SGB IX a.F.) geregelt (siehe dazu auch das Stichwort Kündigung - betriebsbedingt: Schwerbehinderte). Seit dem 30.12.2016 gilt zudem: "Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung [der Schwerbehindertenvertretung] nach ... [§ 178 Abs. 2 Satz 2 SGB IX (bis 31.12.2017: § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F.)] ausspricht, ist unwirksam."
3.37 SCE-Vertreter
Das SCEBG regelt die Beteiligung von Arbeitnehmern in einer Europäischen Genossenschaft (SCE = société coopérative européenne), die Gegenstand der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22.07.2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft ist. Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben genießen die Arbeitnehmervertreter des SCE-Betriebsrats und andere Arbeitnehmervertreter den gleichen Kündigungsschutz wie die Arbeitnehmervertreter nach den Gesetzen und Gepflogenheiten des Mitgliedstaats, in dem sie beschäftigt sind (§ 44 SCEBG; s. dazu auch das Stichwort Kündigungsschutz - Mandatsträger).
3.38 SE-Vertreter
Das SEBG regelt die Beteiligung von Arbeitnehmern in einer Europäischen Gesellschaft (SE = société européenne), die Gegenstand der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 08.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft ist. Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben genießen die Arbeitnehmervertreter des SE-Betriebsrats und andere Arbeitnehmervertreter den gleichen Kündigungsschutz wie die Arbeitnehmervertreter nach den Gesetzen und Gepflogenheiten des Mitgliedstaats, in dem sie beschäftigt sind (§ 42 SEBG; s. dazu auch das Stichwort Kündigungsschutz - Mandatsträger).
3.39 Sicherheitsbeauftragte
Arbeitgeber müssen in Unternehmen mit regelmäßig mehr als 20 Beschäftigten unter Beteiligung des Betriebs- oder Personalrats unter Berücksichtigung der im Unternehmen für die Beschäftigten bestehenden Unfall- und Gesundheitsgefahren und der Zahl der Beschäftigten Sicherheitsbeauftragte bestellen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Diese Sicherheitsbeauftragten dürfen nach § 22 Abs. 3 SGB VII wegen der Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben nicht benachteiligt werden. Das heißt im Klartext: keine Kündigung wegen eines Grunds, der in der Wahrnehmung der Aufgaben des Sicherheitsbeauftragten liegt (wohl aber aus anderen Gründen).
3.40 Störfallbeauftragte
Die Bestellung eines Störfallbeauftragten ist in den §§ 58a ff. BImSchG geregelt. Auch der Störfallbeauftragte hat einen besonderen Kündigungsschutz. § 58 BImSchG gilt für ihn entsprechend (§ 58d BImSchG; mehr dazu unter dem Gliederungspunkt 3.22 - Immissionsschutzbeauftragte).
3.41 Teilzeitbeschäftigte
Der Gesetzgeber fördert die Möglichkeit, an Stelle von Vollzeit "nur" Teilzeit zu arbeiten (s. dazu § 8 TzBfG: Verringerung der Arbeitszeit). Zusätzlich stellt er teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer unter einen besonderen Kündigungsschutz: "Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wegen der Weigerung des Arbeitnehmers, von einem Vollzeit- in ein Teilzeitarbeitsverhältnis oder umgekehrt zu wechseln, ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt" (§ 11 TzBfG). Das heißt: Unwirksam ist nur die Kündigung wegen der Weigerung. Hat der Arbeitgeber dringenden betriebliche Erfordernisse oder andere Kündigungsgründe nach dem KSchG, darf er schon kündigen. Ist die Weigerung nur der Auslöser, aber nicht der Kündigungsgrund, greift § 11 TzBfG nicht.
3.42 Tierschutzbeauftragter
Träger von Einrichtungen, in denen Tierversuche an Wirbeltieren oder Kopffüßern durchgeführt werden, haben einen oder mehrere Tierschutzbeauftragte zu bestellen (§ 10 Abs. 1 TierSchG, § 5 Abs. 1 Satz 1 TierSchVersV). Der Tierschutzbeauftragte ist bei der Erfüllung seiner Aufgaben weisungsfrei (§ 5 Abs. 6 Satz 1 TierSchVersV). "Er darf wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht benachteiligt werden" (§ 5 Abs. 6 Satz 2 TierSchVersV). Benachteiligt wird ein Tierschutzbeauftragter auch dann, wenn er eine Kündigung bekommt, weil er seine Aufgaben erfüllt hat. Das schließt § 5 Abs. 6 Satz 2 TierSchVersV aus. Eine Kündigung aus anderen Gründen, insbesondere denen aus § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, ist dagegen immer möglich.
Für Tierschutzbeauftragte in Schlachthöfen gilt die TierSchlV und die EG-VO Nr. 1099/2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung (hier insbesondere Art. 17 der VO).
3.43 Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen
In Betrieben und Dienststellen, in denen wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, werden eine Vertrauensperson und wenigstens ein stellvertretendes Mitglied gewählt, das die Vertrauensperson im Falle der Verhinderung vertritt (§ 177 SGB IX, Schwerbehindertenvertretung).
Für die Kündigung von Schwerbehindertenvertretern sieht § 179 Abs. 3 SGB IX: "Die Vertrauenspersonen besitzen gegenüber dem Arbeitgeber die gleiche persönliche Rechtsstellung, insbesondere den gleichen Kündigungs-, Versetzungs- und Abordnungsschutz, wie ein Mitglied des Betriebs-, Personal-, Staatsanwalts- oder Richterrates. Das stellvertretende Mitglied besitzt während der Dauer der Vertretung und der Heranziehung nach § 178 Absatz 1 Satz 4 und 5 die gleiche persönliche Rechtsstellung wie die Vertrauensperson, im Übrigen die gleiche Rechtsstellung wie Ersatzmitglieder der in Satz 1 genannten Vertretungen."
3.44 Vollzeitbeschäftigte
Das TzBfG sieht - wie bei den Teilzeitbeschäftigten, s. o. Gliederungspunkt 3.41. - auch für Vollzeitbeschäftigte einen besonderen Kündigungsschutz vor, wenn sie sich weigern, von einem Vollzeit- in ein Teilzeitarbeitsverhältnis zu wechseln. Auch hier gilt: Nur die Kündigung wegen der Weigerung ist unzulässig, nicht die Kündigung aus einem anderen Grund (den ein cleverer Arbeitgeber sicherlich finden wird).
3.45 Wahlinitiatoren
Lädt ein Arbeitnehmer nach §§ 17 Abs. 3, 17a Nr. 3 Satz 2, 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 BetrVG zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung ein oder beantragt er nach §§ 16 Abs. 2 Satz 1, 17 Abs. 4, 17a Nr. 4, 63 Abs. 3, 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 oder 116 Abs. 2 Nr. 7 BetrVG die Bestellung eines Wahlvorstands, ist seine Kündigung vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig (§ 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG). Ausnahme: Es liegt ein wichtiger Grund vor (§ 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG). Wird kein Betriebsrat, keine Jugend- und Auszubildendenvertretung, keine Bordvertretung und auch kein Seebetriebsrat gewählt, besteht der Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG drei Monate vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an gerechnet (§ 15 Abs. 3 Satz 2 KSchG). Für den Fall einer Betriebsstilllegung gilt § 15 Abs. 4 und 5 BetrVG. Mehr zum besonderen Kündigungsschutz von Wahlinitiatoren im Stichwort Kündigungsschutz - Mandatsträger.
3.46 Wahlvorstände, Wahlbewerber
Die Kündigung eines Wahlvorstand-Mitglieds ist vom Zeitpunkt seiner Bestellung, die Kündigung eines Wahlbewerbers vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an, jeweils bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 BetrVG beziehungsweise nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist (§ 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG). Für den Fall einer Betriebsstilllegung gilt § 15 Abs. 4 und 5 BetrVG. Mehr zum besonderen Kündigungsschutz von Wahlinitiatoren im Stichwort Kündigungsschutz - Mandatsträger.
4. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema besonderer Kündigungsschutz bei personenbedingten Kündigungen in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet vorgestellt:
4.1 Abfallbeauftragter
Der besondere Kündigungsschutz nach § 55 Abs. 3 KrW-/AbfG in Verbindung mit § 58 Abs. 2 BImSchG setzt voraus, dass der begünstigte Arbeitnehmer zum Betriebsbeauftragten für Abfall bestellt worden ist. Diese Bestellung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform und kann daher auch im schriftlichen Arbeitsvertrag enthalten sein. Fehlt eine genaue Beschreibung der Aufgaben des Beauftragten, macht das seine Bestellung nicht unwirksam und steht dem Eingreifen des besonderen Kündigungsschutzes nicht entgegen (BAG, 26.03.2009 - 2 AZR 633/07).
4.2 AGG-Entschädigung
"§ 168 SGB IX, wonach die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts bedarf, gehört zu den Vorschriften, die Verfahrenspflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten. Hat der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung die nach § 168 SGB IX erforderliche vorherige Zustimmung des Integrationsamts nicht eingeholt, kann dieser Umstand die Vermutung iSv. § 22 AGG begründen, dass die Benachteiligung, die der schwerbehinderte Mensch durch die Kündigung erfahren hat, wegen der Schwerbehinderung erfolgte" (BAG, 02.06.2022 - 8 AZR 191/21 - Leitsatz).
4.3 Alkoholabhängigkeit
"1. Die Versagung der Feststellung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit" bei einer alkoholkranken Flugbegleiterin "gehört nicht zu den Tatbeständen, für die nach dem MTV Lufthansa eine Ausnahme von dem an sich gegebenen Ausschluss der Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung langjährig beschäftigter Arbeitnehmer gilt. (…). 2. Die Versagung der Feststellung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit kann eine außerordentliche personenbedingte Kündigung mit Auslauffrist rechtfertigen, wenn sie dazu führt, dass der Arbeitnehmer dauerhaft leistungsunfähig ist. 3. Die Gerichte für Arbeitssachen haben nicht eigenständig zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Versagung der Feststellung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit gegeben waren. Diese Prüfung ist allein Sache der nach dem LuftSiG zuständigen Stellen und der Verwaltungsgerichte. (…). 4. Hat die zuständige Behörde eine für den Arbeitnehmer zeitlich unbefristete negative Entscheidung getroffen, ist bezogen auf den Kündigungszeitpunkt davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer dauerhaft gehindert war, seine geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Auf die Erfolgsaussichten des von ihm angestrengten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens kommt es nicht an" (LAG Köln, 16.09.2020 – 5 Sa 658/19 – Leitsätze – mit Hinweis auf BAG, 26.11.2009 - 2 AZR 272/08).
4.4 Behinderung < GdB 50
"Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf steht einer nationalen Regelung entgegen, nach der ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer aufgrund gerechtfertigter, aber wiederkehrender Abwesenheiten vom Arbeitsplatz auch dann entlassen darf, wenn die Fehlzeiten die Folge von Krankheiten sind, die auf eine Behinderung des Arbeitnehmers [hier: Adipositas mit einem Einzel-GdB von 32 %, keine Schwerbehinderung i.S.d. nationalen SGB IX, Anm. d. Verf.] zurückzuführen sind, es sei denn, diese Regelung geht unter Verfolgung des legitimen Ziels der Bekämpfung von Absentismus nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinaus; dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts" (EuGH, 18.01.2018 - C-270/16 - Leitsatz - Spanien).
4.5 Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen?
Der vereinfachte Fall: Das Arbeitsverhältnis des schwerbehinderten Mitarbeiters S unterfiel einem tariflichen Sonderkündigungsschutz. Sein Arbeitgeber A wurde insolvent und kündigte das Arbeitsverhältnis im Rahmen der InsO-Eigenverwaltung. Zuvor hatte A mit seinem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste i.S.d. § 125 InsO vereinbart und den zukünftigen Mitarbeiterbedarf auf sein neues unternehmerisches Konzept abgestellt. S meinte, er habe als Schwerbehinderter gem. § 164 Abs. 4 SGB IX (= § 81 Abs. 4 SGB IX a.F.) einen Beschäftigungsanspruch.
Das Bundesarbeitsgericht sah das anders. Der tarifliche Sonderkündigungsschutz hat wegen § 113 Satz 1 InsO keine Wirkung - wogegen keine verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Und weil A nach seiner neuen organisatorischen Ausrichtung keine geeignete Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für S mehr hat, kommt auch der Anspruch aus § 164 Abs. 4 SGB IX nicht zum Tragen. A war nicht verpflichtet, für S einen neuen Arbeitsplatz zu schaffen oder seinen früheren zu erhalten. Nach seinem neuen Organisationskonzept - die Hilfstätigkeiten, die S ausübte, werden nun von den Fachkräften miterledigt - war S' Arbeitsplatz nicht mehr vorhanden. S wurde nicht mehr gebraucht (BAG, 16.05.2019 - 6 AZR 329/18).
4.6 Datenschutzbeauftragter - 1
Das Arbeitsverhältnis eines Datenschutzbeauftragten unterliegt nach § 4f BDSG besonderen Regeln, nach § 4f Abs. 3 Satz 5 BDSG auch einem besonderen Kündigungsschutz. § 4f BDSG regelt allerdings nicht, was mit dem Amt des Datenschutzbeauftragten passiert, wenn zwei Arbeitgeber fusionieren, ihre Rechtsfähigkeit verlieren und ein neuer Arbeitgeber entsteht (hier: zwei Krankenkassen). Dabei ist die Lösung ganz einfach: Mit dem Erlöschen des Arbeitgebers endet auch das Amt des Datenschutzbeauftragten. Es ist nur für die Dauer des Arbeitsverhältnisses Bestandteil des Arbeitsvertrags (BAG, 29.09.2010 - 10 AZR 588/09 - mit dem Hinweis, dass nach dem Ende des Amts kein Anspruch auf Beschäftigung als Datenschutzbeauftragter gegen den neu gegründeten Arbeitgeber besteht).
4.7 Datenschutzbeauftragter - 2
Weder die Arbeitgeberentscheidung, zukünftig für die Datenschutzaufgaben einen betriebsfremden Dritten einzusetzen, noch die Mitgliedschaft des bisherigen Datenschutzbeauftragen im Betriebsrat sind ein wichtiger Grund für den Widerruf der Bestellung im Sinn des § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG. Der besondere gesetzliche Abberufungsschutz soll dem Datenschutzbeauftragten Unabhängigkeit und die weisungsfreie Ausübung seines Amts sichern. Die nachfolgende Organisationsentscheidung - externer statt interner Datenschutzbeauftragter - ist kein wichtiger Grund. Auch die bloße Mitgliedschaft im Betriebsrat lässt keinen Zweifel an der Zuverlässigkeit des Beauftragten aufkommen - da müssen schon konkrete Pflichtverstöße vorliegen (BAG, 23.03.2011 - 10 AZR 562/09).
4.8 Datenschutzbeauftragter - 3
Ein wichtiger betriebsbedingter Grund für die außerordentliche Kündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers kann nur dann angenommen werden, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter trotz Fortfalls seiner Beschäftigungsmöglichkeit noch über Jahre hinweg vergüten müsste, ohne dass der Entgeltzahlung eine entsprechende Arbeitsleistung gegenübersteht (= sinnentleertes Arbeitsverhältnis). Endet das Amt des Datenschutzbeauftragten, ist seine ordentliche Kündigung wegen § 4f Abs. 3 Satz 6 BDSG noch für ein Jahr ausgeschlossen. "Einen solchen Zeitraum ggf. auch ohne adäquate Gegenleistung überbrücken zu müssen, ist einem Arbeitgeber grundsätzlich nicht unzumutbar" (BAG, 23.01.2014 - 2 AZR 372/13).
4.9 Datenschutzbeauftragter - 4
§ 4f Abs. 1 Satz 1 BDSG sieht vor: "Öffentliche und nicht-öffentliche Stellen, die personenbezogene Daten automatisiert verarbeiten, haben einen Beauftragten für den Datenschutz schriftlich zu bestellen." Das Gesetz lässt es durchaus zu, dass die Stelle mehrere Datenschutzbeauftragte bestellt, z.B. wie in diesem Fall einen stellvertretenden Datenschutzbeauftragten. Und das hat Auswirkungen auf den besonderen Kündigungsschutz: "Beruft eine Stelle, die der Bestellpflicht nach § 4f Abs. 1 BDSG unterliegt, mehrere interne Datenschutzbeauftragte, können diese alle Sonderkündigungsschutz gemäß § 4f Abs. 3 Satz 5, 6 BDSG erwerben" (BAG, 27.07.2017 - 2 AZR 812/16 - Leitsatz).
4.10 Datenschutzbeauftragter
Über § 38 Abs. 2 BDSG gelten die Kündigungsschutzbestimmungen für den Datenschutzbeauftragten öffentlicher Stellen auch für den Datenschutzbeauftragten nichtöffentlicher Stellen, wenn dessen Benennung verpflichtend ist (s. dazu § 38 Abs. 1 BDSG). Die Kündigung des Datenschutzbeauftragten setzt einen wichtigen Grund voraus. Und das ist sowohl mit Unionsrecht als auch mit nationalem Verfassungsrecht vereinbar. § 38 Abs. 1 Satz 1 BDSG und § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG beeinträchtigen auch nicht die Ziele, die die EU-DSGVO vorgibt. Soweit § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG in die durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Berufsausübungsfreiheit des Arbeitgebers eingreift, ist dieser Eingriff verhältnismäßig. "Für die Wirksamkeit einer .. außerordentlichen Kündigung reicht es nicht aus, dass ein wichtiger Grund für sie 'objektiv' vorgelegen hat, wenn nur eine ordentliche Kündigung ausgesprochen wurde" (BAG, 25.08.2022 - 2 AZR 225/20 – mit Hinweis auf BAG, 23.04.1981 - 2 AZR 1112/78).
4.11 Elternzeit - 1
§ 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG sagt, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, "höchstens jedoch acht Wochen vor Beginn der Elternzeit" und selbstverständlich auch während der Elternzeit nicht kündigen darf. Dabei ist der Endtermin der 8-wöchigen Vorfrist der prognostizierte Tag der Geburt - nicht der Zeitpunkt der tatsächlichen Niederkunft. Der Zeitpunkt der Geburt ist nur der früheste Zeitpunkt für die Inanspruchnahme von Elternzeit. Die Frist kann von diesem Zeitpunkt - da sich eine Geburt nicht auf den Tag genau voraussagen lässt - nicht berechnet werden. Für die Berechnung muss es eine sichere Annahme geben - und das ist eben nur der Fall, wenn der voraussichtliche Tag der Entbindung als Maßstab genommen wird (BAG, 12.05.2011 - 2 AZR 384/10).
4.12 Elternzeit - 2
§ 18 BEEG regelt den besonderen Kündigungsschutz für die Elternzeit. Der Arbeitgeber darf Elternzeit Nehmende "ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, nicht kündigen." Der Schutz beginnt "1. frühestens acht Wochen vor Beginn der Elternzeit bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes und 2. frühestens 14 Wochen vor Beginn einer Elternzeit zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes" (§ 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG). Junge Eltern müssen ihre Elternzeit allerdings nicht am Stück nehmen, sie dürfen sie auf mehrere Zeitabschnitte anlegen. Und dann? "Wird die Elternzeit gemäß § 16 Abs. 1 Satz 6, 1. Halbsatz i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BEEG auf mehrere Zeitabschnitte verteilt, findet der vorwirkende Kündigungsschutz des § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 BEEG für jeden dieser Zeitabschnitte Anwendung" (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 13.04.2021 – 2 Sa 300/20 – Leitsatz).
4.13 Elternzeit - 3
Die Kündigung eines Elternzeit Nehmenden setzt die Zulässigkeitserklärung der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle voraus. Die behördliche Zustimmungserklärung ist ein Verwaltungsakt, ein Bescheid. Und für den gilt: "1. Wird der Bescheid, mit dem die zuständige Behörde eine Kündigung während der Elternzeit für zulässig erklärt hat, im Widerspruchsverfahren aufgehoben, ist die Kündigung nach § 18 Abs. 1 Satz 3 BEEG unwirksam. Das gilt auch dann, wenn der die Zulässigkeitserklärung aufhebende Widerspruchsbescheid noch nicht bestandskräftig ist. 2. Eine Aussetzung des Rechtsstreits nach § 148 Abs. 1 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den die Zulässigkeitserklärung aufhebenden Widerspruchsbescheid kommt aufgrund des arbeitsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatzes regelmäßig nicht in Betracht" (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 11.05.2021 – 5 Sa 263/20 – Leitsätze).
4.14 Elternzeit - 4
§ 18 Abs. 1 Satz 3 BEEG sagt, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit nicht kündigen darf. Dieser besondere Kündigungsschutz beginnt nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG ab dem Zeitpunkt, "von dem an Elternzeit verlangt worden ist". Da sich der Kündigungsschutz auf die Dauer der Elternzeit bezieht, muss er logischerweise enden, wenn die Elternzeit endet. Das heißt: "Die Elternzeit und damit das Kündigungsverbot während der Elternzeit enden, sobald eine der materiellen Voraussetzungen der Elternzeit gem. § 15 Abs. 1, 1a BEEG nachträglich wegfällt (z.B. wegen Wechsels der Betreuungsperson). Auf die Zustimmung der Arbeitgeberin kommt es nicht an. § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG ist nicht anwendbar" (LAG Baden-Württemberg, 17.09.2021 - 12 Sa 23/21 - Leitsätze).
4.15 Ersatz-Betriebsratsmitglied
Der besondere Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 1KSchG betrifft zunächst nur die Mitglieder des Betriebsrats, nicht die Ersatzmitglieder. Ist so ein Ersatzmitglied wegen einer langandauernden Erkrankung verhindert, sein Vertretungsamt wahrzunehmen, tritt es nicht in den Betriebsrat ein und bekommt damit auch nicht den besonderen Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG. In diesem Fall wird das nächstberufene Ersatzmitglied unmittelbarer Vertreter des verhinderten Betriebsratsmitglieds, und nicht des verhinderten Ersatzmitglieds (LAG Hessen, 30.03.2006 - 9/4 TaBV 209/05).
4.16 EU-Wahl-Bewerber
§ 3 Abs. 3 EuAbgG sagt: "Eine Kündigung oder Entlassung wegen des Erwerbs, der Annahme oder Ausübung des Mandats ist unzulässig. Im übrigen ist eine Kündigung nur aus wichtigem Grund zulässig. Der Kündigungsschutz beginnt mit der Aufstellung des Bewerbers durch das dafür zuständige Organ des Wahlvorschlagsberechtigten. Er gilt ein Jahr nach Beendigung des Mandats fort." Trotzdem heißt es für gescheiterte EU-Wahl-Bewerber: "Nach § 3 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 EuAbgG besteht kein nachwirkender Kündigungsschutz für Wahlbewerber, die kein Mandat im Europäischen Parlament erlangt haben" (BAG, 18.05.2017 - 2 AZR 79/16 - Leitsatz).
4.17 Gleichbehandlung Arbeitnehmer/Beamte
"1. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG … ist … dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat erlaubt, mit einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen Arbeitnehmern mit bestimmten Behinderungen einen spezifischen vorherigen Schutz bei Entlassung zu gewähren, ohne einen solchen Schutz auch Beamten mit den gleichen Behinderungen zuzubilligen, es sei denn, dass ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz erwiesen ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Bei dieser Prüfung muss der Vergleich der Situationen auf einer Prüfung aller maßgeblichen nationalen Rechtsvorschriften zur Regelung der Stellung einerseits der Arbeitnehmer mit einer bestimmten Behinderung und andererseits der Beamten mit der gleichen Behinderung beruhen, wobei insbesondere das Ziel des Schutzes vor der im Ausgangsverfahren streitigen Entlassung zu berücksichtigen ist."
"2. Falls Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 im Licht des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen sollte, würde die Pflicht zur Einhaltung des Unionsrechts erfordern, dass der Anwendungsbereich der nationalen Vorschriften, die Arbeitnehmer mit einer bestimmten Behinderung schützen, so ausgeweitet wird, dass diese Schutzvorschriften auch Beamten mit der gleichen Behinderung zugutekommen" (EuGH, 09.03.2017 - C-406/15 - Leitsätze - Bulgarien).
4.18 Gleichstellungsbeauftragte
Hat der Rat einer Stadt den Wegfall der Stelle der Gleichstellungsbeauftragten beschlossen und gleichzeitig damit den Beschluss gefasst, diese Funktion zukünftig durch eine ehrenamtlich tätige Kraft wahrnehmen zu lassen, ist das kündigungsrechtlich nicht zu beanstanden. Mit der Entscheidung des Stadtrats entfällt die Beschäftigungsgrundlage für die bisher hauptamtlich tätige Stelleninhaberin. Es handelt sich hier auch nicht um eine bloße Austauschkündigung, weil die Arbeitgeberstellung hier nicht pro forma aufgegeben wurde, um damit den gesetzlichen Kündigungsschutz zu umgehen (BAG, 18.09.2008 - 2 AZR 561/07).
4.19 Keine klare Ansage
Arbeitgeber A hat das Arbeitsverhältnis von Mitarbeiter M mit dem Satz "Hiermit kündige ich das mit Ihnen seit dem 04.06.1996 bestehende Beschäftigungsverhältnis bei der B S A gemäß § 34 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) außerordentlich" beenden wollen. M war schwerbehindert und tariflich ordentlich "unkündbar". Der von A in Bezug genommene TVöD enthielt in § 34 Abs. 1 Kündigungsfristen für eine ordentliche Kündigung, in § 34 Abs. 2 die Regelungen für den besonderen tariflichen Kündigungsschutz. Verwirrend, oder? Meinte auch das Berufungsgericht: "Eine 'außerordentliche Kündigung', die auf die tariflichen Regelungen zur ordentlichen Kündigung Bezug nimmt, ist mit Blick auf das vom Kündigenden gemeinte Beendigungsdatum unbestimmt und daher insgesamt unwirksam" (LAG Köln, 27.05.2021 – 6 Sa 20/21 – Leitsatz).
4.20 Klagefrist
Die allgemeine Klagefrist für eine Kündigungsschutzklage beträgt 3 Wochen (§ 4 Satz 1 KSchG). In § 7 KSchG heißt es: "Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtszeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an wirksam". "Kennt der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung die Schwangerschaft der Arbeitnehmerin nicht und möchte die Arbeitnehmerin wegen eines Verstoßes gegen § 9 MuSchG Kündigungsschutzklage erheben, ist diese Klage gemäß § 4 Satz 1 KSchG binnen drei Wochen ab Zugang der Kündigung zu erheben" (LAG Nürnberg, 04.12.2006 - 7 Ta 207/06 - mit dem Hinweis, dass § 4 Satz 4 KSchG, Bekanntgabe der Entscheidung der Zustimmungsbehörde, hier nicht einschlägig ist).
4.21 Priorität
Der Arbeitgeber muss bei einer Kündigung wegen dringender betrieblicher Erfordernisse (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG) eine Sozialauswahl vornehmen (§ 1 Abs. 3 KSchG). Dabei hat er alle vergleichbaren Arbeitnehmer mit in die Auswahl einzubeziehen. Nur: Mitarbeiter, die einen besonderen Kündigungsschutz haben und deren Arbeitsverhältnis durch eine ordentliche Kündigung nicht beendet werden kann, sind bei der Sozialauswahl grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Gesetzliche Kündigungsverbote gehen dem allgemeinen KSchG-Kündigungsschutz vor (LAG Rheinland-Pfalz, 11.12.2008 - 10 Sa 383/08).
4.22 Schwangere
Der Gesetzgeber sieht in § 17 Abs. 1 Satz 1 MuSchG ein Kündigungsverbot für Frauen "1. während ihrer Schwangerschaft, 2. bis zum Ablauf von vier Monaten nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche und 3. bis zum Ende ihrer Schutzfrist nach der Entbindung, mindestens jedoch bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung" vor. So weit, so gut. Aber was ist in Fällen, in den der Arbeitsvertrag zwar geschlossen, aber noch nicht durch Arbeitsaufnahme in Vollzug gesetzt worden ist? Nun, für diesen Fall meint das Bundesarbeitsgericht: "Das Kündigungsverbot gegenüber einer schwangeren Arbeitnehmerin gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 MuSchG gilt auch für eine Kündigung vor der vereinbarten Tätigkeitsaufnahme" (BAG, 27.02.2020 – 2 AZR 498/19 – Leitsatz).
4.23 Schwerbehinderte Menschen - 1
Der Gesetzgeber wollte mit § 90 Abs. 2a SGB IX (a.F., seit 01.01.2018 § 173 SGB IX) - Einschränkung des Kündigungsschutzes - ausschließen, dass der besondere Kündigungsschutz auch für den Zeitraum gilt, in dem ein in der Regel aussichtsloses Anerkennungsverfahren betrieben wird. Das heißt nicht, dass nun jedes Anerkennungsverfahren in der Zeit nach Zugang einer Kündigung hinfällig ist, sondern eben nur das in der Regel aussichtslose, "weil im Wesentlichen nicht mit Rücksicht auf eine mögliche Behinderung des Gekündigten, sondern zum Zweck der Behinderung der Kündigungsabsicht missbräuchlich eingeleitete Anerkennungsverfahren" (BAG, 06.09.2007 - 2 AZR 324/06).
4.24 Schwerbehinderte Menschen - 2
Einem im Kündigungszeitpunkt anerkannten Schwerbehinderten steht der Kündigungsschutz nach den §§ 85 ff. SGB IX (a.F., seit 01.01.2018: §§ 168 ff. SGB IX) auch dann zu, wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderung oder dem Anerkennungsantrag im Zeitpunkt der Kündigung gar nichts weiß. § 85 stellt in Verbindung mit § 2 SGB IX auf die "Schwerbehinderung", das heißt den objektiven GdB und nicht auf dessen behördliche Feststellung, ab. Trotzdem hat der Arbeitnehmer die Obliegenheit, seinen Arbeitgeber nach der Kündigung auf den besonderen Kündigungsschutz hinzuweisen - was er in der Regel innerhalb von drei Wochen tun muss. "Eine Einschränkung der Möglichkeit des Arbeitnehmers, sich auf den Kündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch zu berufen, ist aber nur gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber tatsächlich schutzbedürftig ist" (BAG, 09.06.2011 - 2 AZR 703/09).
4.25 Schwerbehinderte Menschen - 3
Der vereinfachte Fall: Arbeitgeber A hatte Mitarbeiter M wegen langandauernder Erkrankung ordentlich personenbedingt gekündigt. M war mit einem GdB von 50 schwerbehindert und seit Jahren arbeitsunfähig krank. Er bezog sogar eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung M's lag vor. M's Kündigungsschutzklage war nur erfolgreich, weil A vor der Kündigung seinen Personalrat nicht angehört hatte. Dann verlangte M von A eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG, weil er als Behinderter durch die Kündigung diskriminiert werde.
Hier ist weder eine mittelbare noch eine unmittelbare Diskriminierung zu erkennen. Der Arbeitgeber hat nicht wegen der Behinderung des Arbeitnehmers gekündigt, sondern wegen dessen langandauernder Erkrankung. Das ist ein anerkannter Kündigungsgrund. Der Arbeitgeber nutzt ein zulässiges Gestaltungsmittel, um sich von einem Arbeitnehmer, bei dem kein Ende seiner Arbeitsunfähigkeit abzusehen war, zu trennen. Hier fehlt der Kausalzusammenhang zwischen Kündigung und der - angeblichen - Benachteiligung. "Die mit Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochene ordentliche krankheitsbedingte Kündigung eines Schwerbehinderten wegen andauernder Arbeitsunfähigkeit stellt für sich genommen kein Indiz für eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung des Arbeitnehmers dar" (LAG Köln, 04.07.2013 - 13 Sa 1198/12 - Leitsatz - mit dem Ergebnis, dass der Kläger keinen Anspruch auf die eingeklagte AGG-Entschädigung von mindestens 30.000 EUR hatte).
4.26 Schwerbehinderte Menschen - 4
Der besondere Kündigungsschutz Schwerbehinderter ist schwer zu knacken. Von Arbeitgeberseite wird daher häufig Verwirkung eingewandt, vor allem dann, wenn die Schwerbehinderung vor Ausspruch der Kündigung nicht bekannt war. Die Annahme einer Verwirkung - ein Sonderfall des § 242 BGB - hat jedoch strenge Grenzen. So lässt sich eine Verwirkung erst bejahen, wenn der Arbeitgeber keine Kenntnis von der Schwerbehinderung hat und der Arbeitnehmer es unterlässt, sich innerhalb angemessener Frist nach Zugang der Kündigung darauf zu berufen. Das Gesetz sieht dafür keine besondere Frist vor. Mit Blick auf die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG ist jedoch davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber die Schwerbehinderung innerhalb von drei Wochen nach Kündigungszugang anzeigen muss. "Hinzuzurechnen ist die Zeitspanne, innerhalb derer er den Zugang der Mitteilung über den bestehenden Sonderkündigungsschutz beim Arbeitgeber zu bewirken hat. Ein Berufen auf den Sonderkündigungsschutz innerhalb dieses Zeitraums ist regelmäßig nicht als illoyal verspätet anzusehen" (BAG, 22.09.2016 - 2 AZR 700/15 hier: am 22. Tag nach Zugang der Kündigung und rechtzeitig erhobener Kündigungsschutzklage).
4.27 Schwerbehinderte Menschen - Auslandsbezug
§ 2 Abs. 2 SGB IX (a.F.) definiert den Begriff "schwerbehindert". Schwerbehindert ist ein Mensch, wenn bei ihm "ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und" er seinen "Wohnsitz, .. gewöhnlichen Aufenthalt oder" seine "Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches" hat. Das heißt für den besonderen Kündigungsschutz bei Auslandsbezug (hier: Chief Engineer auf einem unter italienischer Flagge fahrenden Kreuzfahrtschiff): "Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen bedarf nur dann der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts gemäß § 85 SGB IX (a.F., seit 01.01.2018: § 168 SGB IX), wenn eine der Varianten des § 2 Abs. 2 SGB IX vorliegt und das Arbeitsverhältnis dem deutschen Vertragsstatut unterfällt" (BAG, 22.10.2015 - 2 AZR 720/14 - Leitsatz).
4.28 Schwerbehinderte Menschen - EU-Schutz
Bislang war die Kündigung schwerbehinderter Mitarbeiter in der Probezeit kein Problem. Sie hatten weder den allgemeinen KSchG- noch den besonderen SGB IX-Kündigungsschutz. Eine Entscheidung des EuGH könnte nun zum Umdenken zwingen: "Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass der Begriff 'angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung' im Sinne dieses Artikels impliziert, dass ein Arbeitnehmer – und zwar auch derjenige, der nach seiner Einstellung eine Probezeit absolviert –, der aufgrund seiner Behinderung für ungeeignet erklärt wurde, die wesentlichen Funktionen seiner bisherigen Stelle zu erfüllen, auf einer anderen Stelle einzusetzen ist, für die er die notwendige Kompetenz, Fähigkeit und Verfügbarkeit aufweist, sofern der Arbeitgeber durch diese Maßnahme nicht unverhältnismäßig belastet wird" (EuGH, 10.02.2022 - C-485/20 - Leitsatz - Belgien).
4.29 Tarifliche "Unkündbarkeit"
Es gibt Tarifverträge, die vorsehen, dass Arbeitnehmer nach Erreichen einer gewissen Altersgrenze und/oder einer bestimmten Betriebszugehörigkeit ordentlich nicht mehr gekündigt werden können - nur noch außerordentlich aus wichtigem Grund. So ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB liegt bei auch bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern (nur) dann vor, "wenn es dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach einem insoweit anzulegenden objektiven Maßstab nicht zuzumuten ist, den Arbeitnehmer auch nur bis zum Ablauf der (fiktiven) ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen." In Fällen dieser Art wäre die außerordentliche Kündigung nämlich auch dann gerechtfertigt, "wenn die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen wäre" (BAG, 29.06.2017 - 2 AZR 47/16 - mit Hinweis auf BAG, 13.05.2015 - 2 AZR 531/14).
4.30 Wahlbewerber
Auch wenn die Betriebsabteilung, in der der Arbeitnehmer beschäftigt war, stillgelegt worden ist: seine Kündigung ist unwirksam, wenn seine Übernahme in eine andere Abteilung zu gleichwertigen Bedingungen möglich ist. § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG gilt auch für eine betriebsbedingte Änderungskündigung. Auch wenn der Arbeitgeber grundsätzlich eine Änderungskündigung aussprechen darf, um seiner Übernahmepflicht nachzukommen: er muss dabei eine gleichwertige Beschäftigungsmöglichkeit anbieten (BAG, 12.03.2009 - 2 AZR 47/08).
4.31 Wahlbewerber für Europawahl
§ 3 Abs. 3 EuAbgG sagt: "Eine Kündigung oder Entlassung wegen des Erwerbs, der Annahme oder Ausübung des Mandats ist unzulässig. Im Übrigen ist eine Kündigung nur aus wichtigem Grunde zulässig. Der Kündigungsschutz beginnt mit der Aufstellung des Bewerbers durch das dafür zuständige Organ des Wahlvorschlagsberechtigten. Er gilt ein Jahr nach Beendigung des Mandats fort." Betrifft das auch erfolglose Wahlbewerber? Das BAG meint nein: "Nach § 3 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 EuAbgG besteht kein nachwirkender Kündigungsschutz für Wahlbewerber, die kein Mandat im Europäischen Parlament erlangt haben" (BAG, 18.05.2017 - 2 AZR 79/16 - Leitsatz).
Siehe auch
Alterszeilzeit - ArbeitnehmerschutzKündigung - personenbedingt: AllgemeinesKündigung - personenbedingt: Einzelfall-ABCKündigung - personenbedingt: KrankheitKündigung - personenbedingt: MitbestimmungKündigung - personenbedingt: PrognoseKündigung - personenbedingt: PrüfungsschemaKündigung - personenbedingt: Ultima RatioKündigung - personenbedingt: vermeidbare Fehler