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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Übungsleiter - Rechtliche Zuordnung
Übungsleiter - Rechtliche Zuordnung
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Bei kaum einer anderen Berufsgruppe gibt es hinsichtlich der arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Einordnung so viele Zweifelsfälle wie bei Übungsleitern. Dies liegt u.a. daran, dass die Abgrenzung zwischen berufsmäßiger und ehrenamtlicher sowie zwischen abhängiger und selbstständiger Tätigkeit fließend und schwierig ist. Dabei kann eine falsche Einordnung erhebliche finanzielle Auswirkungen haben. Entnehmen Sie dem Beitrag, welche Aspekte bei der Zuordnung zu beachten sind. Die Konsequenzen, die sich ergeben, wenn der Übungsleiter als Arbeitnehmer anzusehen ist, sind unter dem Stichwort Übungsleiter als Arbeitnehmer dargestellt.
2. Rechtliche Stellung des Übungsleiters
2.1 Zuordnung
Die rechtliche Zuordnung zu den Übungsleitern erfordert eine Tätigkeit, die der Art nach zu diesem Aufgabenbereich gehört. Für die Zuordnung kann die Definition in § 3 Nr. 26 EStG herangezogen werden: Es handelt sich um Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder vergleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten, aus nebenberuflichen künstlerischen Tätigkeiten oder der nebenberuflichen Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen. Auch nebenamtlich tätige Helfer in Corona-Impfzentren, die im Rahmen von Aufklärungsgesprächen oder direkt an der Impfung beteiligt sind, profitieren von dem Steuervorteil. Für Helfer, die sich in der Verwaltung und der Organisation engagieren, gilt der niedrigere Ehrenamtsfreibetrag.
Andere Tätigkeiten wie z.B. als Vorstandsmitglied, als Kassierer oder als Gerätewart sind steuer- und sozialversicherungsrechtlich im Rahmen des Übungsleiterfreibetrages nicht begünstigt (Einzelheiten siehe R 3.26 LStR – siehe aber § 3 Nr. 26a EStG).
Keine Übungsleiter sind aufgrund ihrer Tätigkeit Versichertenälteste i.S.v. § 39 SGB IV sowie Mitglieder von Widerspruchsausschüssen. Nach Auffassung des BFH fehlt bei diesen Tätigkeiten die erforderliche pädagogische Ausrichtung. Zwar hat ein Versichertenberater persönlichen Kontakt zu den Interessenten und vermittelt ihnen auch Wissen über ihre Rentenansprüche. Im Vordergrund steht aber nicht die Entwicklung deren geistiger Fähigkeiten, sondern die Optimierung der Vermögenssituation (BFH, 03.07.2018 – VIII R 28/15).
Eine Tätigkeit, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Haupttätigkeit beim gleichen Arbeitgeber steht, wird nicht nebenberuflich ausgeübt, so dass der Übungsleiter-Freibetrag nicht angewandt werden kann. Ein solcher Zusammenhang mit einem bestehenden Dienstverhältnis ist anzunehmen, wenn beide Tätigkeiten gleichartig sind, der Steuerpflichtige mit der Nebentätigkeit eine ihm aus seinem Dienstverhältnis obliegende Nebenpflicht erfüllt oder auch in der zusätzlichen Tätigkeit der Weisung und Kontrolle des Arbeitgebers unterliegt (BFH, 13.12.2016 – VIII R 43/14 m.w.N.). Unter diesen Voraussetzungen ist von einem einheitlichen Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis auszugehen.
2.2 Ehrenamtliche Tätigkeit
Der Übungsleiter kann als Mitglied des Vereines ehrenamtlich tätig sein. Charakteristisch für diese Zuordnung ist, dass sich sein Einsatz aus der Vereinssatzung ableitet und für die Arbeitsleistung keine Vergütung gezahlt wird. Die Ausübung eines Ehrenamtes dient nicht der Sicherung oder Besserung der wirtschaftlichen Existenz. Sie ist vielmehr Ausdruck der inneren Haltung gegenüber den Belangen des Gemeinwohls (BAG, 29.08.2012 – 10 AZR 499/11). Ehrenamtlich tätige Übungsleiter wollen in der Regel vorrangig die Vereinszwecke fördern und verbinden mit ihrem Einsatz nicht die Erwartung einer Gegenleistung. Unschädlich ist dabei die Erstattung der Kosten, die dem Übungsleiter bei seiner Tätigkeit entstehen. Dazu gehört z.B. die Erstattung von Reisekosten im Rahmen der in den Lohnsteuerrichtlinien festgelegten Höchstbeträge oder ein pauschaler, geringfügiger Kostenersatz. Bei einem Ehrenamt besteht weder ein Arbeitsverhältnis noch liegt eine selbstständige Tätigkeit vor. Es kann sich um ein Auftragsverhältnis i.S.d. §§ 662ff. BGB handeln. Das KSchG gilt für Ehrenämter nicht; daher ist eine Beendigung jederzeit ohne Einhaltung einer Frist möglich (BAG, 29.08.2012 – 10 AZR 499/11).
Beispiel:
Im FC Bolz ist das Vereinsmitglied A., Vater des Spielers Christian, Trainer der F-Jugend. Er trainiert die Kinder zu den vom Vereinsvorstand festgelegten Zeiten und coacht auch bei den Punktspielen. Er erhält keine Vergütung; der Verein erstattet ihm die nachgewiesenen Fahrkosten mit je 0,30 EUR pro Kilometer. Da A. keine Vergütung erhält, ist er ehrenamtlich tätig. Das Rechtsverhältnis hat keine arbeits-, steuer- oder sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen.
2.3 Beschäftigungs- bzw. Arbeitsverhältnis
Wird für die Tätigkeit eine Vergütung gezahlt, kann ein abhängiges Beschäftigungs- bzw. Arbeitsverhältnis (im Folgenden nur als "Arbeitsverhältnis" bezeichnet) vorliegen. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer gleichzeitig Vereinsmitglied ist. Voraussetzung ist, dass sich der Übungsleiter in den Betrieb des Vereins eingliedert und weisungsgebunden ist. Der Vorstand regelt also die Lage der vereinbarten Arbeitszeit, die (zeitliche) Nutzung von Räumlichkeiten und Materialien etc. Dagegen dürfte auch ein als Arbeitnehmer tätiger Übungsleiter in methodischen Fragen (Trainingspläne, Spieleraufstellung etc.) frei sein. Für ein Arbeitsverhältnis sprechen außerdem die Festlegung einer dem Zeitaufwand adäquaten Vergütung, der Anspruch auf Urlaub und Entgeltfortzahlung (vgl. SG Heilbronn, 27.09.2016 – S 11 R 3919/13). Indizien dafür sind auch die Zahlung von Urlaubsgeld sowie eines 13. Monatsgehalts. Liegt ein Arbeitsverhältnis vor, hat der Verein als Arbeitgeber umfangreiche, auch finanzielle Verpflichtungen zu erfüllen.
Praxistipp:
Soweit ein Arbeitsverhältnis vorliegt, muss grundsätzlich auch der Mindestlohn (ab 01.10.2022 12 EUR pro Stunde) gezahlt werden. Darüber hinaus ist zu beachten, dass bei Minijobs und kurzfristigen Beschäftigungen sowie in bestimmten Wirtschaftszweigen die Arbeitszeit aufgezeichnet werden muss. Die Aufzeichnungen müssen Sie mindestens zwei Jahre aufbewahren (siehe § 17 Abs. 1 MiLoG). Die Einhaltung der Vorschriften wird von den Zollbehörden – Finanzkontrolle Schwarzarbeit - überprüft.
Keine Arbeitnehmer sind Fußball-Schiedsrichter. Sie sind weder in den Betrieb des DFB eingegliedert noch weisungsgebunden (ArbG Verden, 15.01.2019 – 2 Ca 227/18).
Die Honorierung des Einsatzes eines Fußballspielers insbesondere mit einer monatlichen "Garantiesumme" von 800 EUR spricht indiziell nachdrücklich für die Begründung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses (LSG Niedersachsen-Bremen, 27.07.2021 - L 2 BA 26/21 – Nichtzulassungsbeschwerde vom BSG als unzulässig verworfen: BSG, 06.04.2022 – B 12 R 31/21 B).
Die Spitzen der Sportorganisationen und das Bundesarbeitsministerium haben die Problematik der Übungsleiter im Zusammenhang mit dem Mindestlohn erörtert. Danach handelt es sich bei den Übungsleitern weit überwiegend um ehrenamtlich Tätige, so dass das MiLoG nicht anzuwenden ist. Ehrenamtlich tätig ist, wer unentgeltlich oder gegen Ersatz der Aufwendungen tätig wird. Davon kann ausgegangen werden, wenn entweder eine Entschädigung in Höhe der Übungsleiterpauschale oder ein Ersatz der tatsächlich nachgewiesenen Aufwendungen erfolgt. Auch wer mehr als die Übungsleiterpauschale erhält, ist nicht automatisch Arbeitnehmer. Es muss dann eine Einzelfallprüfung erfolgen, ob das MiLoG anzuwenden ist oder nicht. Ergibt sich aus diesen Grundsätzen, dass es sich nicht um einen Arbeitnehmer handelt, ist kein Mindestlohn zu zahlen. Dann sollte nach der Empfehlung der Sportorganisationen und des Bundesarbeitsministeriums im Rahmen der Sozialversicherung auch keine Anmeldung als Minijobber erfolgen.
2.4 Selbstständige Tätigkeit
Eine selbstständige Tätigkeit liegt vor, wenn der Übungsleiter weitgehend weisungsfrei arbeitet und in der Unterrichtsgestaltung weitgehend frei ist.
Merkmale, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, sind u.a. Festlegung von Dauer und Ort des Trainings durch den Übungsleiter, die Nutzung eigener Einrichtungen und Materialien (vgl. hierzu auch LSG Baden-Württemberg, 17.07.2015 – L 4 R 1570/12) sowie ein eigenes unternehmerisches Risiko (SG Heilbronn, 27.09.2016 – S 11 R 3919/13). Die Nutzung von Sportanlagen wird vom Übungsleiter selbst mit den Beauftragten des Vereins abgestimmt. Merkmal einer selbstständigen Tätigkeit kann auch die Nutzung eigener Arbeitsmittel (Trainingsgeräte) sein. Indizien sind auch ein eher geringer Zeitaufwand und eine geringe Vergütung. Die Vergütung wird dem Verein als Honorar in Rechnung gestellt. Ggf. ist auch Umsatzsteuer zu zahlen. Als Selbstständiger kann der Übungsleiter auch für andere Auftraggeber tätig sein und kann für einzelne Aufgaben selbstständig Hilfspersonen hinzuziehen. Er hat weder Urlaubs- noch Entgeltfortzahlungsansprüche. Der Selbstständige muss sich um die Versteuerung des Honorars kümmern. Sofern es sich um eine lehrende Tätigkeit handelt, kann diese als abhängige Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt werden. Entscheiden sind dabei grundsätzlich die Gegebenheiten des Einzelfalles (LSG Niedersachsen-Bremen, 01.02.2017 – L 2 R 139/16). Yoga- und Pilateslehrer, die als Übungsleiter für einen Sportverein tätig werden, können daher selbstständige Honorarkräfte sein. Ebenso kann eine selbstständige Tätigkeit bei einer Übungsleiterin, die ohne schriftliche Vereinbarung Bewegungskurse für eine Turnvereinigung durchführt, vorliegen (LSG Baden-Württemberg, 21.02.2019 – L 10 BA 1824/18).
Ein Diplom-Sportwissenschaftler, der im Bereich Personal Athletic Training und Gesundheitsmanagement tätig ist, als Übungsleiter/Trainer Volleyballgruppen eines Sportvereins betreut und die dafür erforderliche Lizenz besitzt, ist selbstständig tätig (LSG Nordrhein-Westfalen, 30.09.2020 – L 3 R 305/18).
Selbstständig tätige Übungsleiter können als Lehrer versicherungspflichtig in der Rentenversicherung sein (§ 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI). Voraussetzung ist, dass sie keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen. Die mit dem sozialversicherungsrechtlichen Status zusammenhängenden Pflichten müssen sie jedoch ebenfalls selbst erfüllen.
Dass ein Trainer bzw. Vereinssportlehrer zugleich Vorstandsvorsitzender des Vereins ist, ist für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung seiner Trainertätigkeit als selbständig oder abhängig beschäftigt, ohne Bedeutung. Ihm missliebige Beschlüsse der Mitgliederversammlung kann ein Vorstand eines eingetragenen Vereins rechtlich nicht verhindern (LSG Mecklenburg-Vorpommern, 24.02.2022 - L 4 R 73/15).
3. Kriterien für die Zuordnung
Für die Zuordnung zu einer der unter 2. beschriebenen Statusgruppen kommt es entscheidend zunächst auf die vertraglichen Vereinbarungen an, so wie sie tatsächlich gelebt werden. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Dabei ist es zu empfehlen, die wesentlichen Rechte und Pflichten in einem Vertrag zu fixieren. Doch im Zweifel sind nicht die vertraglichen Regelungen, sondern die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend.
Beispiel:
B. hat mit dem Tennisclub "Harmonie" einen Vertrag geschlossen, wonach er als freier Mitarbeiter die Trainings der Jugendmannschaft leitet. Es wird eine feste monatliche Vergütung von 1.000 EUR bei einer Arbeitszeit von 10 Stunden wöchentlich gezahlt. Die Trainingszeiten und die Teilnahme an Turnieren werden vom Vorstand des Vereins festgelegt. Die Nutzung der Sportanlagen erfolgt entsprechend der festgelegten Trainingszeiten. Das Trainingsprogramm sowie die Aufstellung der Mannschaft für die Punktspiele muss B. mit dem Vorstand abstimmen. Während der Sommerpause wird die Vergütung weitergezahlt, ebenfalls bei Krankheit des Trainers. Es besteht Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt. Beiträge zur Sozialversicherung und Lohnsteuer werden vom Verein nicht gezahlt.
Die tatsächlichen Verhältnisse sprechen eindeutig gegen die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit. Daher ist B. arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlich als Arbeitnehmer einzustufen.
Ihm missliebige Beschlüsse der Mitgliederversammlung kann ein Vorstand eines eingetragenen Vereins rechtlich nicht verhindern. Dass ein Trainer bzw. Vereinssportlehrer zugleich Vorstandsvorsitzender des Vereins ist, ist für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung seiner Trainertätigkeit als selbständig oder abhängig beschäftigt daher ohne Bedeutung (LSG Mecklenburg-Vorpommern, 24.02.2022 - L 4 R 73/15).
Siehe auch