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BFH, 04.02.1987 - I B 68/86 - Frage der Beteiligtenfähigkeit an einem Beschwerdeverfahren
Bundesfinanzhof
Beschl. v. 04.02.1987, Az.: I B 68/86
Frage der Beteiligtenfähigkeit an einem Beschwerdeverfahren
Fundstelle:
BFH/NV 1988, 237
BFH, 04.02.1987 - I B 68/86
Tatbestand
1
Der Beschwerdeführer ist ehemaliger Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, die im Jahre 1980 gegründet worden war.
2
Am 15. September 1983 wurde die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH mangels einer kostendeckenden Konkursmasse abgelehnt. Liquidatoren der aufgelösten GmbH waren die ehemaligen Geschäftsführer.
3
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) erließ gegen die GmbH während des Liquidationsstadiums Gewerbesteuermeßbescheide und Körperschaftsteuerbescheide für 1980 und 1981 sowie Umsatzsteuerbescheide für 1980 bis 1983, gegen die die GmbH i. L., vertreten durch den Beschwerdeführer, nach erfolglosem Einspruch Klage erhob.
4
Während des Klageverfahrens wurde die GmbH im Handelsregister gelöscht. Nachdem die Beteiligten auf Anfrage des Finanzgerichts (FG) mitgeteilt hatten, daß die Bestellung eines Nachtragsliquidators nicht beabsichtigt sei, stellte das FG das Verfahren entsprechend § 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluß ein.
5
Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht der Beschwerdeführer geltend, daß die Entscheidung des FG rechtswidrig sei, weil, unabhängig von der Frage der Prozeßfähigkeit der gelöschten GmbH, über seinen Klageantrag kraft eigenen Anfechtungsrechts hätte entschieden werden können und müssen.
6
Nach Ablauf der Beschwerdefrist hat der Beschwerdeführer ergänzend vorgetragen, daß die Beschwerde für die GmbH i. L. eingelegt worden sei. Insoweit liege in der Beschwerdeschrift eine erkennbar falsche Bezeichnung vor, die im Wege der Auslegung richtigzustellen sei. Denn bei erkennbar äußerlich unrichtiger Bezeichnung sei grundsätzlich diejenige Person als Beteiligter anzusehen, die nach dem objektiven Sinn der Erklärung betroffen sein solle.
7
Im übrigen sei auch der Beschwerdeführer als ehemaliger Geschäftsführer der Klägerin selbst beschwerdeberechtigt, da er als für die betrieblichen Steuerschulden Haftender ein berechtigtes Interesse daran habe, die Drittwirkung bestandskräftiger Steuerfestsetzungen gemäß § 166 der Abgabenordnung (AO 1977) zu vermeiden. Das sich hieraus ergebende eigene Klagerecht schließe die Beschwerdeberechtigung ein.
Entscheidungsgründe
8
Die Beschwerde ist unzulässig.
9
1.
Die Klägerin der Vorinstanz - die GmbH i. L. -, die auch durch die Löschung im Handelsregister ihre Beteiligtenfähigkeit nicht verloren hat (ständige Rechtsprechung; vgl. zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. März 1986 VII R 146/81, BFHE 146, 492, BStBl II 1986, 589 unter 2. mit weiteren Nachweisen), hat gegen den mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Beschluß des FG nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 129 Abs. 1 FGO Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdeschrift vom 25. April 1986 enthält lediglich ein Rechtsmittel des ehemaligen Geschäftsführers der Klägerin (Beschwerdeführer). Zwar ist das Anbringen eines Rechtsbehelfs als Prozeßhandlung der Auslegung zugänglich, wobei nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern der in der Erklärung verkörperte Wille anhand der erkennbaren Umstände zu ermitteln ist (BFH-Urteil vom 6. Februar 1979 VII R 82/78, BFHE 127, 135, BStBl II 1979, 374). Aus der Beschwerdeschrift ist jedoch eine unrichtige Bezeichnung des Rechtsmittelführers nicht zu ersehen. Etwaige Zweifel an der zutreffenden Bezeichnung des Beschwerdeführers werden durch die Beschwerdebegründung ausgeräumt. Hierin stellt der Beschwerdeführer ausdrücklich klar, daß er sich durch den Beschluß des FG in seinen eigenen Rechten verletzt sieht, weil die Vorinstanz über seinen Klageantrag kraft eigenen Anfechtungsrechts hätte entscheiden müssen.
10
Angesichts dieses eindeutigen Inhalts der Erklärung bleibt für eine Auslegung gegen den Wortlaut der Beschwerdeschrift kein Raum.
11
Eine Umdeutung der Person des Beschwerdeführers kommt ebenfalls nicht in Betracht. Denn auch sie ist nur möglich, wenn der schriftlichen Erklärung zu entnehmen ist, daß der Verfasser etwas anderes will, als er erklärt, das Gewollte aber gleichwohl erkennbar aus ihr hervorgeht (vgl. Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Rdnr. 1006/5). Aus der Beschwerdeschrift selbst lassen sich jedoch keine Anhaltspunkte erkennen, die Anlaß zu einer solchen Umdeutung geben und diese rechtfertigen könnten. Eine mögliche Richtigstellung im Schriftsatz vom 25. Juli 1986 wurde erst nach Ablauf der Beschwerdefrist vorgenommen.
12
2.
Dem Beschwerdeführer selbst steht keine Beschwerdebefugnis nach § 128 Abs. 1 FGO zu.
13
Er war kein Beteiligter nach § 57 FGO des durch Beschluß eingestellten Klageverfahrens. Hierbei braucht nicht geprüft zu werden, ob der Beschwerdeführer, wie seine Begründung nahelegt, möglicherweise auch im eigenen Namen Klage erhoben hatte. Denn über eine derartige Klage hat das FG in dem angefochtenen Beschluß nicht befunden.
14
Der Beschwerdeführer ist auch nicht sonst im Sinne des § 128 Abs. 1 FGO von der Entscheidung des FG betroffen. Insbesondere kann aus § 166 AO 1977 keine Beschwerdebefugnis hergeleitet werden. Die Vorschrift regelt lediglich die Folgen einer unterlassenen Anfechtung der Steuerfestsetzung. Soweit sich die rechtliche Befugnis zur Anfechtung der Steuerfestsetzung aus der Stellung als gesetzlicher Vertreter des Steuerpflichtigen ergibt, vermag auch § 166 AO 1977 eine Anfechtungsbefugnis kraft eigenen Rechts nicht zu begründen.
15
3.
Der Senat entscheidet in der Besetzung von drei Richtern durch Beschluß (§ 10 Abs. 3, 2. Halbsatz FGO). Er kann hierbei offenlassen, ob es sich bei der Einstellung des Verfahrens durch Beschluß um eine der Art nach richtige Entscheidung der unteren Instanz gehandelt hat, da auch eine falsche Entscheidungsform ohne Auswirkung auf die Besetzung des Rechtsmittelgerichts bliebe (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 12. August 1981 I B 72/80, BFHE 134, 216, BStBl II 1982, 128). Denn auch das Rechtsmittel der Revision wäre mangels Zulässigkeit nach § 126 Abs. 1 FGO durch Beschluß zu verwerfen.