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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Ethikrichtlinien - Rechtsschutz: Betriebsrat
Ethikrichtlinien - Rechtsschutz: Betriebsrat
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Der Arbeitgeber kann nicht darauf hoffen, dass eine Missachtung von BetrVG-Mitbestimmungsrechten bei der Einführung von Ethikrichtlinien folgenlos bleibt. Die Arbeitnehmervertretung hat unterschiedliche Möglichkeiten, sich einzubringen. Das fängt bei der Einleitung des Einigungsstellenverfahrens nach §§ 87 Abs. 2, 76 BetrVG an und hört beim arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach § 2a ArbGG auf.
Praxistipp:
Sowohl das Einigungsstellen- als auch das Gerichtsverfahren sind eine teure Angelegenheit. Arbeitgeber und Betriebsrat werden sich anwaltlich vertreten lassen. Insoweit hilft es nicht wirklich, dass im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren grundsätzlich keine Gerichtsgebühren anfallen. Beide Verfahren ziehen sich unter Umständen lange hin. Das bedeutet für den Arbeitgeber einen oft unnötigen - und unkalkulierbaren - Aufwand an Zeit und Geld. Beides kann er sparen, wenn er den Betriebsrat rechtzeitig in die Ethikrichtlinien-Problematik einbezieht und alles daran setzt, mit ihm eine Einigung zu erzielen.
Bei den gerichtlichen Auseinandersetzungen bietet sich für den Betriebsrat zunächst eine Feststellungsklage an. Mit ihr kann er erreichen, sein Mitbestimmungsrecht bei Einführung einer Ethikrichtlinie gerichtlich bestätigen zu lassen. Auf der zweiten Stufe kommt eine Unterlassungsklage in Betracht. Mit ihr kann der Betriebsrat dem Arbeitgeber aufgeben, ganz konkrete mitbestimmungswidrig durchgeführte Maßnahmen zu unterlassen. Diese Unterlassungsverpflichtung lässt sich gerichtlich sogar über die Androhung eines Ordnungsgelds sichern.
2. Einigungsstelle
Will der Arbeitgeber in einem mitbestimmten Betrieb Ethikrichtlinien einführen, muss er sich mit dem Betriebsrat darüber einig werden. Da Ethikrichtlinien in den meisten Fällen aus mitbestimmungspflichtigen und mitbestimmungsfreien Regelungen bestehen, brauchen die Betriebspartner von Rechts wegen nur über die mitbestimmungspflichtigen Teile eine Einigung zu erzielen.
Beispiel:
Die von Arbeitgeber A gewünschte Ethikrichtlinie sieht unter anderem vor: "3.0 Wir halten uns an alle gültigen Gesetze und Verordnungen"; "3.1.2. Wir werden jeden Verstoß von Arbeitskollegen gegen geltende Gesetze und Verordnungen unverzüglich der HR-Stelle melden". Wegen des allgemeinen Hinweises auf die Einhaltung von Gesetzen und Verordnungen braucht sich A nicht mit Betriebsrat B zu einigen. Zum einen ist das eine Selbstverständlichkeit, zum anderen besteht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG in sozialen Angelegenheiten ohnehin nur soweit, wie keine gesetzliche Regelung da ist. Der Punkt 3.1.2. ist dagegen mitbestimmungspflichtig. Hier müssen A und B eine Einigung finden.
Können sich die Betriebspartner nicht einigen, entscheidet die Einigungsstelle (§ 87 Abs. 2 Satz 1 BetrVG). Ihr Spruch ersetzt die Einigung, die zwischen den Betriebspartnern nicht möglich war (§ 87 Abs. 2 Satz 1 BetrVG). Das Einigungsstellenverfahren wird im Stichwort Einigungsstelle näher vorgestellt. Wegen der Möglichkeiten, den Spruch der Einigungsstelle gerichtlich überprüfen zu lassen, wird auf das Stichwort Ethikrichtlinien - Durchsetzung verwiesen. Die dort für den Arbeitgeber vorgesehenen Möglichkeiten gelten auch für den Betriebsrat.
3. Feststellungsklage
Missachtet der Arbeitgeber bei der Einführung von Ethikrichtlinien Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, kann der Betriebsrat eine Feststellungsklage erheben. Sie setzt nach § 256 ZPO voraus, dass der Betriebsrat
ein rechtliches Interesse daran hat,
dass ein Rechtsverhältnis, nämlich die Beachtung seines Mitbestimmungsrechts,
alsbald durch richterliche Entscheidung festgestellt wird.
Das Bestehen eines betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrechts eines BetrVG-Organs bei einem bestimmten Regelungstatbestand ist ein Rechtsverhältnis, das nach § 256 ZPO einer gerichtlichen Feststellung zugänglich ist (BAG, 22.07.2008 - 1 ABR 40/07). Das rechtliche Interesse an der Feststellung des Mitbestimmungsrechts ergibt sich schon daraus, dass der Arbeitgeber es bestreitet oder bereits missachtet hat (BAG, 22.07.2008 - 1 ABR 40/07).
Praxistipp:
Der Antrag des Betriebsrats kann global auf die Feststellung zielen, "dass die Einführung und Anwendung der Ethikrichtlinie des Arbeitgebers seiner zwingenden Mitbestimmung unterliegt". So ein Globalantrag läuft allerdings Gefahr, vom Arbeitsgericht abgewiesen zu werden, wenn ihm nicht komplett stattgegeben werden kann, weil die vom Arbeitgeber beabsichtigte Ethikrichtlinie auch mitbestimmungsfreie Teile enthält.
Daher ist es sinnvoll, einzelne, mitbestimmungspflichtige Tatbestände herauszugreifen und beispielsweise zu beantragen, "festzustellen, dass folgende Regelung der Ethikrichtlinie des Arbeitgebers seiner zwingenden Mitbestimmung unterliegt: 'Wir ergreifen alle Maßnahmen, um ungebührliche Vorgesetztenverhältnisse zu vermeiden. Sollte trotzdem ein Interessenkonflikt entstehen, wird der betroffene Mitarbeiter das Problem der Rechtsabteilung, dem Kontrollbüro und einem Mitglied des Führungsteams seines Arbeitsbereichs schriftlich mitteilen, damit der Fall geprüft und Maßnahmen zur Behebung des Interessenkonflikts ergriffen werden können."
Der Antrag muss sich bei einer Feststellungsklage nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis als Ganzes erstrecken (BAG, 20.05.2008 - 1 ABR 19/07). Er kann sich auch auf daraus folgende einzelne
Beziehungen,
Ansprüche,
Verpflichtungen
oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (BAG, 20.05.2008 - 1 ABR 19/07). Der Betriebsrat kann auch die Feststellung verlangen, dass eine bestimmte Maßnahme des Arbeitgebers wegen Missachtung seines Mitbestimmungsrechts unwirksam ist.
Ein Rechtsverhältnis im Sinn des § 256 Abs. 1 ZPO ist jedes
durch die Herrschaft einer Rechtsnorm
über einen konkreten Lebenssachverhalt
entstehende rechtliche Verhältnis
einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache (BAG, 10.02.2009 - 1 ABR 94/07).
Das heißt: bloße Elemente und Vorfragen können nicht zum Gegenstand eines Feststellungsantrags gemacht werden (BAG, 03.05.2006 - 1 ABR 63/04). Außerdem hat der Antrag den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu entsprechen. Er muss "bestimmt" sein - was sich möglicherweise auch durch eine Auslegung ermitteln lässt. Sie muss die zuverlässige Feststellung ermöglichen, an welchen Maßnahmen des Arbeitgebers der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht festgestellt wissen will (BAG, 30.09.2008 -1 ABR 81/07). Der Streitgegenstand muss so genau bezeichnet sein, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (BAG, 28.02.2006 - 1 ABR 4/05).
4. Unterlassungsklage
Der Betriebsrat kann nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVGbei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem BetrVG beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben,
eine Handlung zu unterlassen,
die Vornahme einer Handlung zu dulden oder
eine Handlung vorzunehmen.
Handelt der Arbeitgeber dann einer ihm vom Gericht auferlegten Verpflichtung zuwider, kann er über ein Ordnungsgeld, das im Höchstmaß 10.000 EUR betragen kann, zur Beachtung der Verpflichtung gezwungen werden. Aber: § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verlangt grobe Verstöße des Arbeitgebers. Dabei muss es sich um objektiv erhebliche und offensichtlich schwerwiegende Pflichtverletzungen des Arbeitgebers handeln (BAG, 26.07.2005 - 1 ABR 29/04).
Auf ein Verschulden des Arbeitgebers kommt es nicht an. Und selbst eine einmalige Pflichtverletzung kann einen groben Verstoß darstellen (BAG, 26.07.2005 - 1 ABR 29/04). Aber nicht jede Missachtung von Mitbestimmungsrechten ist gleich ein grober Verstoß. Vertritt der Arbeitgeber beispielsweise nur seine Rechtsauffassung in einer schwierigen und ungeklärten Rechtsfrage, kann man ihm daraus keinen groben Verstoß unterstellen (BAG, 28.05.2002 - 1 ABR 32/01).
Für Fälle, in denen der Unterlassungsanspruch aus § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wegen Fehlens des groben Verstoßes wegfällt, bejaht die Rechtsprechung seit Jahren einen allgemeinen Unterlassungsanspruch. Er folgt aus dem verletzten Mitbestimmungsrecht in Verbindung mit § 2 Abs. 1 BetrVG - dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (BAG, 26.07.2005 - 1 ABR 29/04).
Praxistipp:
Egal, aus welchem Rechtsgrund der Betriebsrat seinen - angeblichen - Unterlassungsanspruch herleitet: Die Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber wird durch ein gerichtliches Verfahren selten besser. In den meisten Fällen verhärten sich die Fronten weiter und es ist kaum noch möglich, sich auf vernünftiger Basis zu verständigen und zu einer Lösung zu kommen, die dem Wohl des Betriebs und der dort Beschäftigten dient. Der Betriebsrat sollte also mit der Einleitung arbeitsgerichtlicher Verfahren zurückhaltend sein - was auf der anderen Seite natürlich voraussetzt, dass der Arbeitgeber dessen Mitbestimmungsrechte bei der Einführung von Ethikrichtlinien ernst nimmt.
Der allgemeine Unterlassungsanspruch ist nicht willkürlich angelegt. Er lässt sich auch nicht gleich bei jeder Verletzung von Mitbestimmungsrechten rechtfertigen. Will man den allgemeinen Unterlassungsanspruch bejahen, kommt es
auf den einzelnen Mitbestimmungstatbestand,
seine konkrete gesetzliche Ausgestaltung und
die Art der Rechtsverletzung
an (BAG, 26.07.2005 - 1 ABR 29/04). Und ganz wichtig: es muss überhaupt ein Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte vorliegen (BAG, 15.05.2007 - 1 ABR 32/06).
Beispiel:
Arbeitgeber A will "Ethikrichtlinien" einführen, in denen er sich darauf beschränkt, seine Mitarbeiter zu gesetzestreuem Verhalten zu verpflichten. Er zitiert in seinem Papier einige Bestimmungen aus dem AGG, dem StGB, dem Steuerrecht sowie einige Passagen aus den Unfallverhütungsvorschriften. A stellt keine eigenen Regeln auf. Betriebsrat B hält die Einführung von A's "Ethikrichtlinien" für mitbestimmungspflichtig und er verklagt ihn vor dem Arbeitsgericht auf Unterlassung ihrer Einführung. Das Mitbestimmungsrecht in sozialen Angelegenheiten greift nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG nur, "soweit eine gesetzliche ... Regelung nicht besteht". Alles, was A hier als "Ethikrichtlinie" vorgibt, ist bereits gesetzlich geregelt. A will von seinen Mitarbeitern nichts, was nicht ohnehin schon vom Gesetzgeber oder der Berufsgenossenschaft gefordert wird. Seine "Ethikrichtlinien" - deswegen auch die "" - sind nicht mitbestimmungspflichtig. B hat keinen Unterlassungsanspruch. Es liegt kein Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte vor.
Zudem muss die Maßnahme des Arbeitgebers eine Außenwirkung haben. Fehlt sie bei einem rechtlich bedeutungslosen Vorgang, gibt es keine rechtliche Grundlage für einen Unterlassungsanspruch (BAG, 26.08.2008 - 1 AZR 349/07 - hier: Aufnahme eines Mitarbeiters in einen Arbeitszeitverteilungsplan, der keine Rechtspflichten begründete).
Der allgemeine Unterlassungsanspruch verlangt eine
bevorstehende und
wiederholte
Verletzungsgefahr (BAG, 28.02.2006 - 1 ABR 4/05). Dafür ist eine ernstliche, auf Tatsachen gründende Besorgnis weiterer Eingriffe zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung erforderlich. Für diese Besorgnis besteht grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung - es sei denn, dass die tatsächliche Entwicklung einen weiteren Eingriff unwahrscheinlich macht (BAG, 29.02.2000 - 1 ABR 4/99 - mit dem Hinweis, dass dies bei einem einmaligen, in der Vergangenheit abgeschlossenen Vorgang der Fall ist).
5. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema Rechtsschutz des Betriebsrats gegen mitbestimmungswidrig eingeführte Ethikrichtlinien des Arbeitgebers in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet hinterlegt:
5.1 Bestimmtheitsgebot
Ein Unterlassungsantrag muss bereits aus rechtsstaatlichen Gründen eindeutig erkennen lassen, was vom Schuldner verlangt wird. Er muss wissen, in welchen Fällen gegen ihn als Sanktion ein Ordnungsgeld verhängt werden kann. Dabei darf die Prüfung, welche Verhaltensweisen der Schuldner unterlassen muss, nicht durch eine ungenaue Antragsformulierung und einen entsprechend ungenauen gerichtlichen Titel aus dem Erkenntnis- in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden (BAG, 14.11.2006 - 1 ABR 5/06 - mit dem Hinweis, dass die vom Arbeitgeber stattdessen zu ergreifenden Maßnahmen nicht näher zu konkretisieren sind).
5.2 Einigungsstelle
Beschließt die Eingungsstelle, für einen Teil der vom Betriebsrat verlangten Regelung (hier: Einbeziehung einer Gefährdungsanalyse in eine Betriebsvereinbarung, mit der Verhaltensgrundsätze festgelegt werden sollen) nicht zuständig zu sein, kann der Betriebsrat via Arbeitsgericht keinen anderen Beschluss erzwingen. Er hat nicht das vom Gesetz verlangte Feststellungsinteresse. Die "Einigungsstelle Verhaltensgrundsätze" hat zunächst in eigener Zuständigkeit darüber zu entscheiden, "auf welche Weise sie den ihr übertragenen Regelungsauftrag erfüllt. Vor Abschluss des darauf gerichteten Verfahrens kann der Betriebsrat keine gerichtliche Entscheidung darüber herbeiführen, ob die Einigungsstelle zu Unrecht einem von ihm geäußerten Regelunsgbegehren nicht entspricht" (BAG, 17.09.2013 - 1 ABR 24/12 - mit dem Hinweis, dass ein entsprechender Antrag des Betriebsrats im Ergebnis darauf hinauslaufen würde, ihm iSe. Rechtsgutachtens die Richtigkeit seiner Rechtsauffassung zu bestätigen).
5.3 Feststellungsantrag
Stellt der Betriebsrat im arbeitsgerichtlichen Verfahren einen einheitlichen, auf die Feststellung seines Mitbestimmungsrechts an dem Gesamtwerk des Verhaltenskodexes gerichteten Antrag, ist es unschädlich, dass nicht im Einzelnen näher beschrieben ist, an welchen der vielen Regelungen und Passagen des Gesamtwerks der Konzernbetriebsrat aus welchen Gründen ein Mitbestimmungsrecht reklamiert. Dementsprechend kann dem Antrag entweder nur ganz entsprochen werden oder er kann nur insgesamt abgewiesen werden. Eine teilweise Stattgabe bezüglich einzelner Passagen der Ethikrichtlinie ist hier nicht möglich (BAG, 22.07.2008 - 1 ABR 40/07).
5.4 Konzernbetriebsrat
Für die Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten ist nach der Kompetenzzuweisung des BetrVG vorrangig der von den Mitarbeitern unmittelbar durch seine Wahl legitimierte Betriebsrat zuständig. Seine Aufgabe ist es, die Interessen der Belegschaften der einzelnen Betriebe gegenüber dem Unternehmer zu vertreten. Diese Aufgabe weist § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dem Gesamtbetriebsrat, § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dem Konzernbetriebsrat zu - aber nur dann, wenn die zu regelnde Angelegenheit nicht auf den einzelnen Betrieb oder zumindest auf das Unternehmen beschränkt ist und deshalb die Interessen der Arbeitnehmer nicht mehr auf betrieblicher Ebene beziehungsweise der Ebene des Unternehmens gewahrt werden (BAG, 22.07.2008 - 1 ABR 40/07 - hier: Einführung einer konzerneinheitlichen Unternehmensphilosophie).
5.5 Regelungsspielraum
Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nur mitzubestimmen, wenn es um das Ordnungsverhalten der Mitarbeiter geht. Sein Mitbestimmungsrecht greift aber bloß dann, wenn ein Regelungsspielraum besteht. Gerade die Ausfüllung dieses Regelungsspielraums verlangt die Beteiligung des Betriebsrats (LAG Düsseldorf, 14.11.2005 - 10 TaBV 46/05).
5.6 Unterlassungsanspruch - 1
Ein grober Verstoß des Arbeitgebers gegen seine in § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG normierten Pflichten kann bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG zu einem Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung führen. Einen Anspruch auf Unterlassung von Maßnahmen, in denen der Betriebsrat eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Mitarbeiter sieht, kann der Betriebsrat nicht mit § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG rechtfertigen. § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG begründet kein Mitbestimmungsrecht, dessen Beachtung durch einen allgemeinen Unterlassungsanspruch gestützt ist (BAG, 28.05.2002 - 1 ABR 32/01).
5.7 Unterlassungsanspruch - 2
Unterlassungsansprüche gegen den Arbeitgeber können sich auch ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage ergeben. So folgt beispielsweise aus § 2 Abs. 1 BetrVG - dem Gebot partnerschaftlicher Zusammenarbeit der Betriebspartner - in den Angelegenheiten der gesetzlichen Mitbestimmung als Nebenpflicht das Gebot, alles zu unterlassen, was der Wahrnehmung des konkreten Mitbestimmungsrechts entgegensteht. Dabei ist die Anerkennung eines gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten Unterlassungsanspruchs stets davon abhängig, ob so ein Anspruch zur Sicherung des Rechts erforderlich ist (BAG, 28.05.2002 - 1 ABR 32/01).
5.8 Unterlassungsanspruch - 3
Der Betriebsrat hat außerhalb des § 23 Abs. 3 BetrVG bei der Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte einen allgemeinen Unterlassungsanspruch. Er folgt aus dem verletzten Mitbestimmungsrecht und dem in § 2 Abs. 1 BetrVG hinterlegten Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Dabei führt allerdings nicht jede Rechtsverletzung gleich zu einem Unterlassungsanspruch - es kommt auf die einzelnen Mitbestimmungstatbestände, deren konkrete gesetzliche Ausgestaltung und die Art der Rechtsverletzung an (LAG Düsseldorf, 14.11.2005 - 10 TaBV 46/05 - mit dem Hinweis, dass ein Unterlassungsanspruch bei einer Missachtung der Mitbestimmung aus § 87 Abs. 1 BetrVG anerkannt sei).
5.9 Verbrauch des Mitbestimmungsrechts
Toleriert der Konzernbetriebsrat die Einführung von Ethikrichtlinien vorläufig "ohne Aufgabe seiner Rechtsposition" und kündigt er gleichzeitig an, ein "arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren" einzuleiten, verbraucht er damit sein Mitbestimmungsrecht nicht. Der Umstand, dass der Konzernbetriebsrat sich mit dem Arbeitgeber darauf verständigt hat, die vorläufige Einführung des Verhaltenskodexes zu tolerieren und zur Klärung des Mitbestimmungsrechts ein Beschlussverfahren einzuleiten, rechtfertigt nicht den Schluss, der Konzernbetriebsrat habe damit sein Mitbestimmungsrecht bereits abschließend ausgeübt (BAG, 22.07.2008 - 1 ABR 40/07).
Siehe auch