Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Gebärdensprachdolmetscher
Gebärdensprachdolmetscher
Normen
§ 17 Abs. 2 SGB I
§ 82 SGB IX
§ 19 Abs. 1 Satz 2 SGB X
KHV
Kurzinfo
Leistungen zur Förderung der Verständigung werden erbracht, um Leistungsberechtigten mit Hör- und Sprachbehinderungen die Verständigung mit der Umwelt aus besonderem Anlass zu ermöglichen oder zu erleichtern. Die Leistungen umfassen insbesondere Hilfen durch Gebärdensprachdolmetscher und andere geeignete Kommunikationshilfen.
Die Sozialversicherungsträger sind verpflichtet, für Menschen mit Hörbehinderungen und Menschen mit Sprachbehinderungen die Kosten für einen Gebärdensprachdolmetscher bzw. andere Kommunikationshilfen bei der Ausführung von Sozialleistungen zu übernehmen.
Menschen mit Hörbehinderungen und Menschen mit Sprachbehinderungen haben das Recht, zur Verständigung in der Amtssprache mit Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachebegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren; Aufwendungen für Dolmetscher sind von der Behörde oder dem für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträger zu tragen. Falls die Behörde Dolmetscher oder Übersetzer herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) eine Vergütung; mit Dolmetschern oder Übersetzern kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.
Information
Inhaltsübersicht
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1. Berechtigter Personenkreis
Leistungsberechtigt sind Menschen mit Hörbehinderungen (z.B. Gehörlose) oder mit starker Beeinträchtigung der Sprachfähigkeit/Aphasie (z.B. wegen autistischer Störung, Schädelhirntrauma, Hirntumor).
Nicht zum berechtigten Personenkreis zählen Personen mit kognitiven Beeinträchtigungen (z.B. Gedächtnis- und Denkstörungen, Psychosen).
2. Anspruchsauslösende Tatbestände/Voraussetzungen/Anspruchsumfang
Menschen mit Hörbehinderungen oder mit starker Beeinträchtigung der Sprachfähigkeit haben das Recht, bei der Ausführung, d.h. Inanspruchnahme von Leistungen - insbesondere bei ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen -, im Verwaltungsverfahren die Deutsche Gebärdensprache bzw. lautsprachbegleitende Gebärden zu verwenden oder über geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren. Voraussetzung ist, dass dem Betroffenen ohne die Verwendung der Gebärdensprache die Wahrnehmung seiner sozialen Rechte (§ 2 SGB I) nicht oder nicht vollständig möglich ist. Hierzu gehört insbesondere der Anspruch auf Gewährleistung einer wirtschaftlichen Krankenbehandlung (§ 12 Abs. 1 SGB V). Alternativ kommt eine Verwendung "anderer" Kommunikationshilfen in Betracht. Hierzu gehören Schriftdolmetscher, Simultanschriftdolmetscher, Oraldolmetscher und Kommunikationsassistenten.
Der Betroffene kann grundsätzlich nicht auf die schriftliche Artikulation verwiesen werden. Soweit der Kranken-/Pflegekasse oder dem Leistungserbringer kein eigenes der deutschen Gebärdensprache mächtiges Personal zur Verfügung steht, besteht ein Anspruch auf Bereitstellung eines Gebärdensprachdolmetschers oder einer anderen Kommunikationshilfe. Ein Gebärdensprachdolmetscher oder eine andere Kommunikationshilfe wird ausschließlich zur mündlichen Kommunikation zur Verfügung gestellt.
Eine Verwendung der Gebärdensprache unter Zuhilfenahme eines Gebärdensprachdolmetschers bzw. der Einsatz einer anderen Kommunikationshilfe kommt im Zusammenhang mit einem Verwaltungsverfahren (z.B. Leistungsantrag, Antrag auf freiwillige Mitgliedschaft) insbesondere für eine medizinisch notwendige, ambulante oder stationäre Untersuchung, ambulante oder stationäre Behandlung, Verabreichung von Heilmitteln, Versorgung mit Hilfsmitteln, Zahnersatzversorgung oder für Pflegeleistungen in Betracht.
Die Notwendigkeit für den Einsatz eines Gebärdensprachdolmetschers bzw. einer anderen Kommunikationshilfe ist im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Leistungen nur insoweit gegeben, als der Leistungserbringer (z.B. Vertragsarzt, Hilfsmittellieferant) vom Versicherten nur so die benötigten Informationen (z.B. zur Anamnese- und Befunderhebung) erhält, dem Versicherten vom Leistungserbringer die erforderlichen Hinweise nur so vermittelt werden. Bei laufend zu erbringenden Leistungen wird deshalb die Notwendigkeit für den Einsatz eines Gebärdensprachdolmetschers bzw. anderer Kommunikationshilfen oftmals nur zu Behandlungsbeginn bestehen (z.B. Heilmittelserien).
Der berechtigte Personenkreis wählt oft zur Verständigung einen Familienangehörigen oder eine ihm sonst nahestehende Person. Die Inanspruchnahme eines Gebärdensprachdolmetschers bzw. einer anderen Kommunikationshilfe wird sich deshalb auf die Fälle beschränken, in denen zur Verständigung kein Familienangehöriger oder Nahestehender zur Verfügung steht. Die durch (evtl. zusätzliche) Hinzuziehung eines Fremdsprachendolmetschers bzw. Verwendung einer ausländischen Gebärdensprache entstehenden (zusätzlichen) Kosten sind nicht erstattungsfähig.
3. Art der Bereitstellung
Die Kranken-/Pflegekassen bzw. ihre Verbände können Verträge mit Gebärdensprachdolmetschern (anderen Kommunikationshilfen) bzw. ihren Interessenvertretungen schließen. Im Falle einer Erstattung der dem Berechtigten für den Einsatz eines Gebärdensprachdolmetschers oder einer anderen Kommunikationshilfe entstandenen Kosten sind maximal die regional vereinbarten Beträge heranzuziehen.
Wenn keine regionalen Vergütungsvereinbarungen mit Gebärdensprachdolmetschern existieren, gelten die nach dem JVEG maßgebenden folgenden Beträge:
Honorar für die Leistungen der Dolmetscher:
Für jede angefangene Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten 85,00 EUR; das Honorar ist nach Maßgabe des § 5 der Kommunikationshilfenverordnung (KHV) gestaffelt. Bei gleichzeitiger Erledigung mehrerer Angelegenheiten ist die Vergütung nach der Anzahl der Angelegenheiten aufzuteilen. Ist ein Einsatz zur Nachtzeit (23 - 6 Uhr) oder an Sonn- und Feiertagen notwendig, beträgt der Aufschlag 20 %.Fahrkostenersatz:
Bei Benutzung von öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln Erstattung der tatsächlich entstandenen Auslagen maximal bis zur Höhe der entsprechenden Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Kosten für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks. Bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs 0,42 EUR für jeden gefahrenen Kilometer zuzüglich der baren Auslagen (insbesondere Parkentgelte). Bei Benutzung eines fremden Fahrzeugs gegen Entgelt (Taxi oder Mietwagen) maximal 0,42 EUR für jeden gefahrenen Kilometer, zusätzlich bare Auslagen wie Parkentgelte.Ersatz für besondere Aufwendungen:
Die auf die Vergütung entfallende Umsatzsteuer; als Nachweis sollte eine Bestätigung des Finanzamts über die Umsatzsteuerpflicht verlangt werden.
Einzelheiten zur Höhe der Vergütung können dem § 5 KHV entnommen werden.
4. Leistungszuständigkeit
Zuständig ist die Kranken-/Pflegekasse, an die sich das berechtigte Mitglied bzw. der berechtigte Familienversicherte in einem Verwaltungsverfahren wendet, sofern dies in der eigenen Angelegenheit, in der Angelegenheit eines gleichfalls hör- bzw. sprachbehinderten Familienversicherten oder eines noch nicht 15-jährigen (§ 36 SGB I) versicherten Kindes erfolgt. Wird der Hörbehinderte für einen zurzeit aus Krankheitsgründen nicht handlungsfähigen Angehörigen in dessen Angelegenheit tätig, ist die Krankenkasse des Angehörigen zuständig.
5. Erlernen der Gebärdensprache
Das Sozialgericht Koblenz hat entschieden, dass gesetzliche Krankenkassen bei Bedarf verpflichtet sein können, für die Kosten von Sprachkursen zum Erlernen der Gebärdensprache aufzukommen. Bei der Teilnahme an solchen Kursen handle es sich um Leistungen der Krankenbehandlung, für die die Krankenkassen im Fall medizinischer Notwendigkeit aufzukommen hätten (SG Koblenz, 01.03.2016 - S 14 KR 760/14).