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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Kündigung - betriebsbedingt: Umwandlung
Kündigung - betriebsbedingt: Umwandlung
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Der Grund für eine betriebsbedingte Kündigung kann sich auch im Zusammenhang mit der Umwandlung eines Unternehmens ergeben. Die Umwandlung allein ist aber nie ein durchschlagender Grund für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Das dringende betriebliche Erfordernis für eine Kündigung wegen dringender betrieblicher Erfordernisse muss sich aus anderen Umständen ergeben.
So kann es passieren, dass bestimmte Arbeitsplätze nach einer Umwandlung überflüssig werden oder der Arbeitgeber sich entschließt, einen Betrieb oder Betriebsteil nach einer Spaltung stillzulegen. In diesen Fällen gibt es über die §§ 322 ff. UmwG zwar einen gewissen Bestandsschutz. Das Gesetz will aber zukünftige Entwicklungen des Unternehmens nicht unnötig aufhalten. Insoweit ist der Kündigungsschutz bei betriebsbedingten Kündigungen im Zusammenhang mit einer Umwandlung nur ein relativer - kein absoluter. Liegen dringende betriebliche Erfordernisse vor, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im abgespaltenen Betrieb entgegenstehen, können sie eine Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG schon sozial rechtfertigen.
2. Arten der Umwandlung
Das UmwG kennt mehrere Arten der Umwandlung:
Verschmelzung, § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwG in Verbindung mit den §§ 2 ff. UmwG - 2. Buch des UmwG;
Spaltung (Aufspaltung, Abspaltung, Ausgliederung), § 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG in Verbindung mit den §§ 123 ff. UmwG - 3. Buch des UmwG;
Vermögensübertragung, § 1 Abs. 1 Nr. 3 UmwG in Verbindung mit den §§ 174 ff. UmwG - 4. Buch des UmwG;
Formwechsel, § 1 Abs. 1 Nr. 4 UmwG in Verbindung mit den §§ 190 ff. UmwG - 5. Buch des UmwG.
Nach § 1 Abs. 2 UmwG ist eine Umwandlung im Sinn des § 1 Abs. 1 UmwG außer in den im UmwG genannten Fällen nur möglich, wenn sie durch ein Bundes- oder Landesgesetz ausdrücklich vorgesehen ist.
3. Arbeitsrechtliche Besonderheiten der Umwandlung
Führen die an einer
Spaltung oder
Teilübertragung
nach dem 3. oder 4. Buch beteiligten Rechtsträger nach dem Wirksamwerden der Spaltung oder der Teilübertragung einen Betrieb gemeinsam, gilt dieser Betrieb als Betrieb im Sinn des Kündigungsschutzrechts (§ 322 UmwG).
Die kündigungsrechtliche Stellung eines Arbeitnehmers, der vor dem Wirksamwerden einer Spaltung oder Teilübertragung nach dem 3. oder 4. Buch zu dem übertragenden Rechtsträger in einem Arbeitsverhältnis steht, verschlechtert sich auf Grund der Spaltung oder Teilübertragung für die Dauer von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens nicht (§ 323 Abs. 1 UmwG).
Beispiel:
Die A-GmbH spaltet ihre Geschäftbereiche in die B- und C-GmbH auf. Die Spaltung wird zum 30.11. wirksam. Arbeitnehmer N, der bis zur Spaltung bei der A-GmbH beschäftigt war, soll nun für die B-GmbH tätig sein. Hier behält er seine kündigungsrechtliche Stellung, das heißt insbesondere seine Kündigungsfrist, etwaige Kündigungsbeschränkungen und den allgemeinen Kündigungsschutz.
§ 323 Abs. 1 UmwG soll nur die Verschlechterungen der kündigungsrechtlichen Stellung unterbinden, die sich auf Grund der Spaltung oder Teilübertragung ergeben. Spätere Verschlechterungen - Stellenabbau, Stilllegung, Umstrukturierung etc. - will § 323 Abs. 1 UmwG nicht verhindern. Sie können als dringende betriebliche Erfordernisse eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen.
Eine Sozialauswahl ist zwischen Arbeitnehmern des Ursprungsbetriebs und Arbeitnehmern des Betriebs des abgespalteten Unternehmens nur dann vorzunehmen, wenn die Unternehmen nach der Spaltung immer noch einen gemeinsamen Betrieb führen (BAG, 22.09.2005 - 6 AZR 526/04). Ist einer der Betriebe, die früher einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet haben, im Kündigungszeitpunkt stillgelegt, sind damit in der Regel auch die Arbeitgeberfunktionen im Bereich sozialer und personeller Angelegenheiten sowie die unternehmerische Funktion im Bereich der wirtschaftlichen Angelegenheiten dem zuvor noch einheitlichen Leitungsapparat der beteiligten Unternehmen entzogen - bildlich gesehen fehlt nun die gemeinsame Klammer (BAG, 22.09.2005 - 6 AZR 526/04). § 323 Abs. 1 UmwG gehört zum zwingenden Arbeitnehmerschutzrecht. Ein Arbeitnehmer kann darauf nicht im Voraus verzichten.
Schon das Kündigungsschutzgesetz sieht in § 1 Abs. 5 für mitbestimmte Betriebe Kündigungserleichterungen vor (s. dazu das Stichwort Kündigung - betriebsbedingt: Interessenausgleich). Kommt in einem Betrieb mit Betriebsrat bei einer Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung ein Interessenausgleich zu Stande (§§ 111, 112 BetrVG), in dem diejenigen Arbeitnehmer namentlich bezeichnet werden, die nach der Umwandlung einem bestimmten Betrieb oder Betriebsteil zugeordnet werden, so kann die Zuordnung der Arbeitnehmer durch das Arbeitsgericht nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden (§ 323 Abs. 2 UmwG).
Beispiel:
Die A-GmbH hatte ein Großraumbüro, in dem mehrere Personalsachbearbeiter tätig waren. Die Geschäftsbereiche wurden von allen Personalsachbearbeitern betreut. Eine konkrete Zuordnung dieser Sachbearbeiter zu den Mitarbeitern des Geschäftsbereiche B und C ließ sich nicht vornehmen. Die A-GmbH schließt mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich über ihre Aufspaltung in die B- und C-GmbH und ordnet Personalsachbearbeiter P darin über eine Namensliste der C-GmbH zu. P widerspricht dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die C-GmbH. In einem nachfolgenden Kündigungsrechtsstreit kann die Zuordnung des P zur C-GmbH nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
Eine grobe Fehlerhaftigkeit der Zuordnung lässt sich unter anderem in Fällen, in denen
die objektive Zuordnung zu einem Rechtsträger eindeutig ist und
die abweichende Zuordnung zu einem anderen Rechtsträger ohne sachlichen Grund vorgenommen wird,
bejahen.
§ 613a Absätze 1, 4, 5 und 6 BGB - einige der Regelungen für den Betriebsübergang - bleiben durch die Wirkungen der Eintragung einer Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung unberührt (§ 324 UmwG). So ist eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam und der neue Arbeitgeber tritt über die Regelung in § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten der übernommenen Arbeitsverhältnisse ein. Zudem haben Arbeitnehmer nach § 613a Abs. 6 BGB die Möglichkeit, dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den neuen Inhaber zu widersprechen. Im Ergebnis ist das Widerspruchsrecht in den meisten Fällen jedoch wertlos: Der alte Rechtsträger erlischt, es gibt keinen "Betriebsveräußerer" mehr, zu dem das Arbeitsverhältnis fortbestehen könnte.
4. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der wichtigsten Entscheidungen zum Thema betriebsbedingte Kündigung und Umwandlung in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet hinterlegt:
4.1 Insolvenz - 1
Die kündigungsrechtliche Stellung eines Arbeitnehmers nach § 323 Abs. 1 UmwG wird durch § 113 InsO nur insoweit verdrängt, als diese Rechtspositionen des Arbeitnehmers dem Kündigungsrecht des Insolvenzverwalters entgegenstehen. Das ist unter anderem bei den Punkten Kündigungsfrist und Kündigungsverbot der Fall. Ziel des § 323 Abs. 1 UmwG ist es, die Verschlechterung der kündigungsrechtlichen Stellung auf Grund einer Umwandlung zu vermeiden. Erfolgt die Verschlechterung wegen einer später eintretenden Insolvenz, geht die Sonderregelung in § 113 Satz 1 InsO der Besitzstandsregelung in § 323 Abs. 1 UmwG vor (LAG München, 21.09.2004 - 11 Sa 27/04).
4.2 Insolvenz - 2
§ 323 Abs. 1 UmwG steht einer Kündigung durch den Insolvenzverwalter wegen einer Stilllegung des Betriebs in der Insolvenz des abgespaltenen Unternehmens nicht entgegen. § 323 Abs. 1 UmwG gilt bloß für Verschlechterungen, die auf Grund der Spaltung eintreten. Das ist nur der Fall, wenn sie eine unmittelbare Folge der Spaltung sind (BAG, 22.09.2005 - 6 AZR 526/04).
4.3 Schutzzweck - 1
§ 323 Abs. 1 UmwG ist eine Besitzstandsregelung für Arbeitnehmer. Ihre kündigungsrechtliche Stellung soll im Fall einer Umwandlung für die Dauer von zwei Jahren nicht verschlechtert werden. § 323 Abs. 1 UmwG erfasst sämtliche kündigungsrechtlichen Rechtspositionen des Arbeitnehmers wie Kündigungsfrist, Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten und Kündigungsverbote. Nicht erfasst wird die kündigungsrechtliche Position Sozialauswahl im Zeitpunkt der Spaltung. Etwas anderes würde nämlich zu einer fiktiven Sozialauswahl führen, bei der der Arbeitgeber auf die Situation abstellen müsste, die sich zum Zeitpunkt der Kündigung ohne die Spaltung ergeben hätte (LAG München, 21.09.2004 - 11 Sa 29/04).
4.4 Schutzzweck - 2
§ 323 Abs. 1 UmwG ist nicht auf Umstrukturierungsfälle anzuwenden, die sich - wie beispielsweise ein Betriebsteilübergang im Weg der Einzelrechtsnachfolge - außerhalb des Umwandlungsgesetzes vollziehen. Eine analoge Anwendung des § 323 Abs. 1 UmwG scheidet aus, weil es keine Regelungslücke gibt und der Gesetzgeber mit § 323 Abs. 1 UmwG eine besondere arbeitsrechtliche Schutzvorschrift allein für das Umwandlungsrecht geschaffen hat. Betroffene Arbeitnehmer werden durch § 613a BGB - Betriebsübergang - ausreichend geschützt (BAG, 15.02.2007 - 8 AZR 397/06 - mit dem Hinweis, dass der im Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsveräußerer auf Grund der Beschäftigtenzahl erwachsene Kündigungsschutz nicht nach § 613a Abs. 1 BGB mit dem Arbeitsverhältnis auf den Erwerber übergeht, wenn in dessen Betrieb die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 KSchG nicht vorliegen).
4.5 Sozialauswahl
Auch die befristete Beschäftigungsgarantie aus einer Betriebsvereinbarung gehört zur kündigungsrechtlichen Stellung eines Arbeitnehmers im Sinn des § 323 Abs. 1 UmwG. Die kündigungsrechtliche Stellung aus § 323 Abs. 1 UmwG erfasst aber nicht die kündigungsrechtliche Rechtsposition Sozialauswahl im Zeitpunkt der Spaltung. "Wird einem Arbeitnehmer innerhalb von zwei Jahren nach der Spaltung betriebsbedingt gekündigt, ist die Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG deshalb nur auf den Betrieb des derzeitigen Arbeitgebers und nicht auf das vor der Spaltung bestehende (Gesamt-)Unternehmen zu erstrecken" (LAG München, 14.10.2004 - 11 Sa 1596/03).
Siehe auch