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BFH, 29.07.2008 - IX B 37/08 - Gerichtliche Entscheidung trotz Antrags auf Terminsverlegung; Zurückverweisung eines Rechtsstreits an das Finanzgericht wegen Versagung des rechtlichen Gehörs
Bundesfinanzhof
Beschl. v. 29.07.2008, Az.: IX B 37/08
Verfahrensrecht: Auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen kann der beste Rechtsanwalt nicht
Verhandelt ein Gericht und entscheidet, obwohl von einer Seite ein Antrag auf Verlegung des Termins vorlag und „erhebliche Gründe dafür geltend gemacht wurden“, ist das „rechtliche Gehör“ versagt worden und es muss neu verhandelt werden. Der BFH: Das Finanzgericht hätte anerkennen müssen, dass die Verhinderung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts durch einen anderen Gerichtstermin „stets einen erheblichen Grund“ für eine Verlegung darstellt. Dies gelte insbesondere auch dann, wenn das einzige als Vertreter in Betracht kommende Mitglied einer Sozietät „im Steuerrecht nicht fachkundig ist und mit der Sache vorher auch noch nicht befasst war“.
Quelle: Wolfgang Büser
Gerichtliche Entscheidung trotz Antrags auf Terminsverlegung; Zurückverweisung eines Rechtsstreits an das Finanzgericht wegen Versagung des rechtlichen Gehörs
Verfahrensgang:
vorgehend:
FG Düsseldorf - 08.01.2008 - AZ: 10 K 502/04 E
Fundstellen:
DStRE 2008, 1358-1359 (Volltext mit amtl. LS)
Jurion-Abstract 2008, 222836 (Zusammenfassung)
BFH, 29.07.2008 - IX B 37/08
Gründe
1
Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Finanzgericht (FG) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das angefochtene Urteil beruht auf einem Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO; es verletzt den Anspruch der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes; § 96 Abs. 2 FGO, § 119 Nr. 3 FGO).
2
1.
Den Verfahrensbeteiligten wird rechtliches Gehör versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache entscheidet, obwohl sie einen Antrag auf Terminsverlegung gemäß § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend gemacht haben. Das FG ist in einem solchen Falle verpflichtet, den anberaumten Verhandlungstermin zu verlegen (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. Februar 2002 II B 38/01, BFH/NV 2002, 938, m.w.N.). Zu den erheblichen Gründen i.S. von § 155 FGO i.V.m. § 227 ZPO gehört auch die Verhinderung des sachbearbeitenden Bevollmächtigten durch einen anderen Gerichtstermin (z.B. BFH-Beschluss vom 25. April 2002 V B 174/01, BFH/NV 2002, 1182).
3
Eine Terminsaufhebung ist zwar nach der Rechtsprechung des BFH in einem solchen Falle nicht ohne weiteres geboten. Es ist zu prüfen, ob nicht eine Verlegung dieses Termins oder eine Vertretung durch einen anderen Prozessbevollmächtigten, insbesondere wenn der bisherige Prozessbevollmächtigte in einer Sozietät tätig ist, zumutbar ist. Im Zweifel ist jedoch dem Antrag auf Terminsaufhebung zu folgen, sofern nicht begründeter Anlass für die Absicht einer Prozessverschleppung besteht (z.B. BFH-Urteil vom 26. April 1991 III R 87/89, BFH/NV 1991, 830; BFH-Beschluss vom 30. November 1992 X B 18/92, BFH/NV 1993, 732, unter III. 1. b). Dies gilt insbesondere, wenn das einzige als Vertreter in Betracht kommende Mitglied der Sozietät im Steuerrecht nicht fachkundig ist und mit der Sache bisher auch noch nicht befasst war (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1182).
4
2.
Bei Anwendung dieser Grundsätze hätte das FG nicht in der Sache entscheiden dürfen. Diese war seit Februar 2004 anhängig. Zur mündlichen Verhandlung war mit Verfügung vom 23. November 2007 auf den 8. Januar 2008 geladen worden. Der Bevollmächtigte der Kläger hat mit Schriftsatz vom 29. November und 3. Dezember 2007 eine früher ergangene Ladung zu einem Amtsgerichtstermin am selben Tage angezeigt und begründet, warum er diesen wahrnehmen müsse und deshalb nicht zur mündlichen Verhandlung erscheinen könne. Es handelte sich --soweit aus den FG-Akten ersichtlich-- um einen erstmaligen Antrag auf Terminsverlegung. Der Bevollmächtigte hat auch dargelegt, dass sein als Vertreter in Betracht kommender Sozius als Rechtsanwalt nicht im Steuerrecht tätig sei.
5
3.
Der Senat hält es für sachgerecht, gemäß § 116 Abs. 6 FGO die Vorentscheidung wegen des Verfahrensfehlers aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
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