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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Ausschlussfristen - Sachlicher Geltungsbereich
Ausschlussfristen - Sachlicher Geltungsbereich
Inhaltsübersicht
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Information
1. Von Ausschlussfristen nicht erfasste Ansprüche
Sinn und Zweck von Ausschlussfristen ist es, Ansprüche der Arbeitsvertragsparteien möglichst schnell zu klären. Mit der Anwendung von Ausschlussfristen werden der Arbeitsvertragsparteien Ansprüche genommen. Ausschlussfristen sind deshalb grundsätzlich eng auszulegen. Im Umkehrschluss sind Ausnahmevorschriften zu Ausschlussfristen weit auszulegen, wenn sie nicht eindeutig sind.
Absolute Rechte, wie z.B. Ansprüche aus Persönlichkeitsrechtsverletzungen oder der Anspruch auf Herausgabe von Eigentum fallen nicht unter Ausschlussklauseln, die ihren Wirkungsbereich auf Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag oder dem Arbeitsverhältnis erstrecken.
Umstritten ist allerdings, ob vertragliche Ausschlussfristen, die gegen das Verbot von § 309 Nr. 7 BGB verstoßen, wonach die Haftung wegen Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit nicht begrenzt oder gar ausschlossen werden darf. Das BAG hat entschieden, dass es sich bei der Vereinbarung einer Ausschlussklausel allein um die Vereinbarung einer Obliegenheit zur rechtzeitigen schriftlichen Geltendmachung handelt, nicht aber um einen Haftungsausschluss oder eine Haftungsbegrenzung (BAG, 28.09.2005 - 5 AZR 52/05).
Ansprüche aus dem Gesichtspunkt des verschleiertem Arbeitseinkommens nach § 850h ZPO werden wegen ihres Fiktionscharakters und ihre gesetzlichen Unabdingbarkeit ebenfalls nicht von tariflichen Ausschlussfristen umfasst. Gleiches gilt auch für sachenrechtliche Herausgabeansprüche, die wegen ihrer Unabdingbarkeit nicht der Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien unterliegen. Tarifvertragliche Ausschlussfristen gelten auch nicht für den Krankengeldanspruch gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse.
Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unterliegen nur dann tarifvertraglichen Ausschlussfristen, wenn sich dies eindeutig und unmissverständlich aus dem Tarifvertrag ergibt. Die Stammrechte betrieblicher Versorgungsansprüche werden ebenfalls nicht von tariflichen Ausschlussfristen umfasst. Tarifvertraglichen Ausschlussfristen unterliegen ebenfalls nicht die Ansprüche von Angehörigen eines Arbeitnehmers auf Unterstützung im Todesfall.
Eine tarifliche Ausschlussfrist, nach der gegenseitige Ansprüche aller Art aus dem Arbeitsverhältnis nur innerhalb einer Frist von einem Monat seit Fälligkeit des Anspruchs schriftlich geltend gemacht werden können, ist auf Urlaubsansprüche nicht anzuwenden.
Weitere Fälle, die von einer Ausschlussfrist nicht umfasst sind:
Anspruch auf Beschäftigung nach dem allgemeinen und besonderen Beschäftigungsanspruch,
Fehlerhafte Eingruppierung in ein tarifliches Vergütungsschema,
Ansprüche aus der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied (Schulungskosten),
Ansprüche auf Ruhegeld,
Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte.
Stammrechte aus betrieblicher Altersversorgung,
Ansprüche aus einer Gruppenunfallversicherung,
Ansprüche der Hinterbliebenen eines Arbeitnehmers auf tarifliches Sterbegeld,
Vorruhestandsleistungen im Baugewerbe,
Sozialplanansprüche mit Vorsorgecharakter.
Nach Auffassung des LAG Düsseldorf sind von der einmonatigen Ausschlussfrist des § 10 MTV DGB-IGZ keine Ansprüche auf gleichen Lohn gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1, 4 AÜG erfasst sind (LAG Düsseldorf, 29.8.2012 – 12 Sa 576/12). Das BAG hat offen gelassen, ob Regelungen zu Ausschlussfristen in Tarifverträgen der Arbeitnehmerüberlassungsbranche überhaupt den Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt erfassen (BAG, 13.3.2013 – 5 AZR 424/12).
2. Von Ausschlussfristen erfasste Ansprüche
Sinn und Zweck der Ausschlussfristen ist es, Ansprüche der Arbeitsvertragsparteien schnell zu klären. Da dem Gläubiger durch die Ausschlussfristen Ansprüche genommen werden, sind diese eng auszulegen. Eine spezielle Ausschlussfrist, die den Anspruch auf Nachzahlung von Lohn oder Gehalt wegen zu niedriger Eingruppierung betrifft, erfasst daher nicht auch einen Anspruch auf Nachzahlung von Lohn oder Gehalt wegen Einstufung in eine zu niedrige Tarifstufe (Berechnung nach Berufsjahren).
Ausschlussfristen sind eng auszulegen, weil die die Geltendmachung bestehender Ansprüche einschränken. Ausnahmevorschriften in tariflichen Ausschlussfristen sind dagegen weit auszulegen, wenn sie nicht eindeutig formuliert sind.
Eine tarifvertragliche Ausschlussfrist erfasst grundsätzlich auch solche Ansprüche, die vor der Bezugnahme auf den Tarifvertrag entstanden sind (LAG Düsseldorf, 24.10.2012 – 5 Sa 704/12). Ist in einem Tarifvertrag die fristgemäße Geltendmachung von „tariflichen Ansprüchen“ erforderlich, so fallen unter eine solche Tarifbestimmung auch gesetzliche und vertragliche Ansprüche, deren Bestand von einem tariflichen ausgestalteten Anspruch abhängig ist (BAG, 19.1.1999 – 9 AZR 637/97; BAG, 8.9.2010 – 7 AZR 513/09). Hierzu gehört auch ein auf § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG gestützter Anspruch des Betriebsrats. Ist in einem Tarifvertrag eine Ausschlussfrist ausdrücklich für sämtliche Rechte aus dem Arbeitsverhältnis vorgesehen, so bezieht sich diese Ausschlussfrist nicht nur auf tarifliche Ansprüche, sondern auch auf außertarifliche Ansprüche oder gesetzliche Rechte.
Beispiel für eine solche Regelung:
"Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag" oder "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis"
Eine solche Ausschlussfrist gilt auch für Ansprüche des Arbeitgebers auf Rückzahlung überzahlter Lohnbeträge. Dies gilt unabhängig davon, ob die Rückzahlungspflicht während oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden ist. Stellt dagegen die Ausschlussfrist auf Ansprüche ab, die bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses bereits entstanden waren, werden Rückzahlungsansprüche des Arbeitgebers von einer solchen Ausschlussfrist nicht umfasst (BAG, 04.09.1991 5 AZR 647/90).
Einmalige Abfindungsansprüche aus Sozialplänen werden von tariflichen Ausschlussklauseln, die sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer bestimmt Frist erlöschen lassen, erfasst. Die nachträgliche Vereinbarung des Sozialplans steht dem nicht entgegen (BAG, 30.11.1994 - 10 AZR 79/94).
Weitere Anwendungsfälle:
Mehrarbeitsvergütung,
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall,
Anspruch des Arbeitnehmers auf Karenzentschädigung,
Ansprüche auf vermögenswirksame Leistungen
Anspruch auf Zeugniserteilung,
Anspruch auf Zeugnisberichtigung
Ansprüche auf 13. Monatsgehalt,
Anspruch auf Ersatz eines auf Grund verspäteter Lohnzahlung entstandenen Steuerschadens,
Rückzahlungsansprüche des Arbeitgebers,
Abfindungsansprüche aus gerichtlichem Vergleich,
Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlich begangener Handlungen (BAG, 18.8.2011 – 8 AZR 187/10).
Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Fürsorgepflicht,
Vertragsstrafen.
Urlaubgeld und Urlaubsabgeltung (BAG, 9.8.2011 – 9 AZR 365/10; LAG Schleswig-Holstein, 7.2.2013 – 4 Sa 315/12; LAG Berlin-Brandenburg, 18.1.2013 – 6 Sa 1894/12; LAG Berlin-Brandenburg, 19.10.2012 – 13 Sa 1104/12).
Nach § 37 Abs. 1 TVöD verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten nach Fälligkeit vom Angestellten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden, soweit tarifvertraglich nichts anderes bestimmt ist. Nicht unter die Ausschlussfrist fallen dem Grunde nach Ansprüche auf Reisekosten nach, Umzugskosten, Trennungsentschädigung und Trennungsgeld nach.
Darüber hinaus finden sich weitergehende Formulierung in Arbeitsverträge, die nicht nur aus das Arbeitsverhältnis als solches abstellen, sondern eine Verfallsfrist für Ansprüche vorsehen, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen.
Beispiel für eine solche Regelung:
"Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang bzw. in Verbindung stehen."
Nach der Rechtsprechung sind solche Ausschlussklauseln zulässig. Allerdings sind nur solche Ansprüche erfasst, die mit dem Arbeitsverhältnis in besonders engen Zusammenhang stehen. Von einer solchen Ausschlussklausel sind u.a. umfasst,
Anspruch auf Rückzahlung des Arbeitnehmerdarlehen,
Wiedereinstellungsanspruch.
3. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema sachlicher Geltungsbereich von Ausschlussfristen in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet vorgestellt:
3.1 Altverträge
Die Verjährung kann gem. § 202 Abs. 1 BGB "bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden." § 309 Nr. 7 BGB verbietet ergänzend einen Haftungsausschluss in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden". "Eine vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes als Allgemeine Geschäftsbedingung vereinbarte arbeitsvertragliche Ausschlussfrist, die sich ohne Einschränkung auf 'alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis' bezieht, ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung einschränkend dahingehend auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich Haftungsansprüche iSv. § 202 Abs. 1 BGB und § 309 Nr. 7 BGB nicht erfasst" (BAG, 24.09.2019 - 9 AZR 273/18 - Leitsatz).
3.2 Ausgenommen Vorsatz
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nach § 309 Nr. 7 lit. a) BGB "ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen" unwirksam. Trotzdem gilt: "Unter angemessener Berücksichtigung der tatsächlichen und rechtlichen Besonderheiten der Haftung im Arbeitsverhältnis führt es nicht zur Unwirksamkeit einer die Haftung wegen Vorsatzes ausnehmenden Ausschlussklausel in einem Formulararbeitsvertrag, wenn sie im Übrigen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 Buchst. a BGB nicht beachtet und bei Nichteinhaltung der Ausschlussfrist Haftungsansprüche verfallen, auf die sich die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 Buchst. a BGB beziehen" (BAG, 22.10.2019 - 9 AZR 532/18 - Leitsatz - zur Klausel "Die Haftung für vorsätzliches Verhalten bleibt von dieser Ausschluss- und Verfallklausel unberührt").
3.3 Mindestlohn - 1
"1. Eine vom Arbeitgeber vorformulierte arbeitsvertragliche Verfallklausel, die entgegen § 3 Satz 1 MiLoG auch den gesetzlichen Mindestlohn erfasst, verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist insgesamt unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31. Dezember 2014 geschlossen wurde. 2. § 3 Satz 1 MiLoG schränkt die Anwendung der §§ 306, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht ein" (BAG, 18.09.2018 - 9 AZR 162/18 - Leitsätze).
3.4 Mindestlohn - 2
Wenn eine Arbeitsvertragsklausel bei Vertragsschluss transparent ist, "verliert sie ihre Wirksamkeit nicht, wenn spätere Gesetzesänderungen zu ihrer Intransparenz führen" (s. dazu BAG, 18.09.2018 - 9 AZR 162/18). Damit führt die Klausel "Die Parteien vereinbaren, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen drei Monaten nach Fälligkeit verfallen" in einem bis zum 16.08.2014 (= Inkrafttreten des MiLoG) geschlossenen Altvertrag (hier: vom 06.03.1997) nicht zur Intransparenz, "sondern lediglich zur Teilunwirksamkeit der im Arbeitsvertrag … vereinbarten Ausschlussfristenregelung, dass diese entgegen § 3 Satz 1 MiLoG auch den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 MiLoG) erfasst, der nach dem am 16. August 2014 in Kraft getretenen Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MiLoG) ab dem 1. Januar 2015 zu zahlen ist." "Die fehlende Ausnahme des gesetzlichen Mindestlohns in einem 'Altvertrag' hat für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2015 lediglich die Teilunwirksamkeit der Ausschlussfristenregelung nach § 3 Satz 1 MiLoG zur Folge" (BAG, 24.09.2019 - 9 AZR 273/18 - mit Hinweis auf BAG, 18.09.2018 - 9 AZR 162/18; bestätigt durch BAG, 22.10.2019 - 9 AZR 532/18).
3.5 Teilnichtige Verfallklausel
"1. Zahlt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Urlaubsentgelt nicht vor Urlaubsantritt aus, ist die Urlaubserteilung des Arbeitgebers jedenfalls im bestehenden Arbeitsverhältnis nach Treu und Glauben gesetzeskonform so zu verstehen (§ 157 BGB), dass der Arbeitgeber damit zugleich streitlos stellt, dass er für den gewährten Urlaub dem Grunde nach zur Zahlung von Urlaubsentgelt nach den gesetzlichen Vorgaben und etwaigen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen verpflichtet ist, sofern dem nicht konkrete Anhaltspunkte entgegenstehen. 2. Eine als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellte Verfallklausel, welche die von § 77 Abs. 4 Satz 4 BetrVG und § 4 Abs. 4 Satz 3 TVG geschützten Ansprüche umfasst, ist insoweit teilnichtig (§ 139 BGB). Allein dieser Verstoß und eine sich nur daraus ergebende unzureichende Transparenz führen aber nicht zur Gesamtunwirksamkeit der Verfallklausel nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB" (BAG, 30.01.2019 - 5 AZR 43/18 - Leitsätze).