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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Ausschlussfristen - Berechnung der Ausschlussfrist und Wirkung
Ausschlussfristen - Berechnung der Ausschlussfrist und Wirkung
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Der Arbeitgeber und seine Personaler stehen oft vor der Frage, ob sie von Mitarbeitern geltend gemachte Ansprüche überhaupt (noch) erfüllen müssen. Die gesetzliche Verjährung lässt Forderungen regelmäßig zwar erst nach drei Jahren verblassen (s. dazu § 195 BGB und das Stichwort Verjährung). Das vorzeitige Aus einer Forderung kommt jedoch über individual- und kollektivrechtlich vereinbarter Ausschluss- und Verfallfristen viel schneller. Ihr Beginn knüpft in der Regel an die Fälligkeit der betroffenen Forderung, kann aber auch erst die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sein (s. dazu Gliederungspunkt 2.1. und das Stichwort Abfindung - Höhe und Fälligkeit der Abfindung). Das Ende einer Ausschluss-/Verfallfrist wird dagegen durch bloßen Zeitaublauf erreicht (s. dazu Gliederungspunkt 2.2.).
Praxistipp:
Arbeitnehmer machen vermeintlich bestehende Ansprüche häufig nicht zeitnah geltend. Sie wollen ein laufendes Arbeitsverhältnis nicht durch eine Auseinandersetzung über ihre Forderungen belasten und so einem (Arbeitsrechts)Streit aus dem Weg gehen. Das ändert sich, wenn das Arbeitsverhältnis zu Ende geht. Dann werden plötzlich Ansprüche für zurückliegende Zeiträume erhoben. Für Arbeitgeber und Personaler ist spätestens jetzt der Zeitpunkt erreicht, sich mit den einschlägigen Ausschluss- und Verfallfristen zu beschäftigen. In vielen Fällen laufen die Forderungen dann ins Leere.
Mit Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB). Dazu muss er eine entsprechende Einrede erheben. Die Wirkung von Ausschluss- und Verfallfristen ist demgegenüber wesentlich stärker (s. dazu Gliederungspunkt 3.). Mit Fristablauf ist der einer Ausschluss-/Verfallfrist unterliegende Anspruch weg. Der Schuldner muss keine Einrede erheben, die rechtsvernichtende Einwendung greift ohne sein Zutun. Ausschluss und Verfall sind im Arbeitsgerichtsprozess sogar von Amts wegen zu beachten. Natürlich ist es immer sinnvoll, den Gläubiger und das Gericht auf eine bestehende Ausschluss- und Verfallfrist hinzuweisen. Dazu muss der Schuldner im Prozess darlegen, dass diese individual- oder kollektivvertraglich vereinbarte Frist für den behaupteten Anspruch greift. Interessante Gerichtsentscheidungen werden im Rechtsprechungs-ABC vorgestellt (s. dazu Gliederungspukt 4.).
2. Berechnung der Ausschlussfrist
Der Beginn einer Ausschlussfrist richtet sich nach der anzuwendenden Rechtsgrundlage (s. dazu nachfolgend 3.1.). In der Regel wird an die Fälligkeit der von der Ausschlussfrist erfassten Forderung angeknüpft. Die Berechnung der Frist und des Fristablaufs erfolgt dann nach den §§ 186 ff. BGB. Das Ende einer Ausschlussfrist wird regelmäßig durch bloßen Zeitablauf erreicht (s. dazu nachfolgend 3.2.).
2.1 Der Beginn der Ausschlussfrist
Der Beginn einer Ausschlussfrist knüpft in aller Regel an ein bestimmtes Ereignis an. Dieses Ereignis geben die zugrunde liegenden individual- und/oder kollektivrechtlichen Grundlagen -
Arbeitsvertrag
Betriebsvereinbarung
Gesamtzusage
Tarifvertrag etc.
vor.
Beispiele:
(1) Der Arbeitsvertrag von Mitarbeiter M enthält eine Ausschlussfrist, nach der alle finanziellen Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit in Textform gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen sind. (2) Die "Betriebsvereinbarung Mehrarbeit" in Arbeitgeber G's Betrieb sieht vor: "Das Arbeitszeitkonto ist jeweils halbjährlich zum 30.06. und 31.12. auszugleichen. Beanstandungen des Ausgleichs sind innerhalb von drei Monaten nach dem 30.06. bzw. 31.12. in Textform zu erklären." (3) Der Branchentarifvertrag enthält die Regelung: "Ansprüche auf rückständige Vergütung sind im Falle einer Kündigung spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Textform gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen."
Die Fristberechnung erfolgt nach den §§ 186 ff. BGB. Für den Beginn einer Ausschlussfrist gilt § 187 Abs. 1 BGB:
"Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt."
Das bedeutet in den vorausgehenden
Beispielfällen:
(1) M's Vergütung ist jeweils am Monatsletzten fällig - das Arbeitsentgelt für den Monat Februar also am 28.02. bzw. am 29.02. im Schaltjahr. Die Ausschlussfrist beginnt somit nicht schon am Monatsletzten, sondern erst am Tag danach - für das Februar-Arbeitsentgelt also am 01.03. um 00:00 Uhr. (2) Bei B müssen Beanstandungen des Arbeitszeitkonto-Ausgleichs beginnend mit dem 01.07. bzw. mit dem 01.01. - jeweils ab 00:00 Uhr - erklärt werden. (3) Nach der tariflichen Regelung müssen Ansprüche auf rückständige Vergütung, wenn ein Arbeitsverhältnis am 31.10. endet, ab dem 01.11. - 00:00 Uhr - geltend gemacht werden.
Weitere Hinweise zur Fristberechnung gibt es in den Stichwörtern Ausschlussfristen - Beginn und Ende und Kündigungsfristen - Berechnung.
2.2 Das Ende der Ausschlussfrist
Das Ende einer Ausschlussfrist wird in der Regel durch bloßen Zeitablauf vorgegeben bzw. erreicht.
Beispiele:
In den Fällen des vorausgehenden Gliederungspunkts endet die Frist im Beispielfall (1) nach Ablauf von drei Monaten, im Beispielfall (2) nach Ablauf von drei Monaten ab dem 01.07. des laufenden bzw. ab dem 01.01. des Folgejahres, im Beispielfall (3) sechs Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Für das Fristende gibt § 188 Abs. 2 BGB vor:
"Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt …"
Das bedeutet in den vorausgehenden
Beispielfällen:
(1) 31.05., (2) 30.09. bzw. 31.03. und (3) 30.04.
Dass nicht alle Monate gleich lang sind und 28, 29, 30 und 31 Tage haben können, spricht § 188 Abs. 3 BGB an:
"Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats."
Auch hier wird wegen weiterer Einzelheiten zur Berechnung des Endes einer Ausschlussfrist auf die Stichwörter Ausschlussfristen - Beginn und Ende und Kündigungsfristen - Berechnung hingewiesen.
3. Wirkung der Ausschlussfrist
Arbeitsrechtliche Ansprüche verjähren wie alle zivilrechtlichen Ansprüche nach Maßgabe der §§ 194 ff. BGB (s. dazu das Stichwort Verjährung). Zur Wirkung der Verjährung sagt § 241 Abs. 1 BGB:
"Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern."
Die gesetzliche Verjährung lässt den Anspruch nicht entfallen, sondern berechtigt den Schuldner nur dazu, die dem Gläubiger - eigentlich - zustehende Leistung zu verweigern. Sie gibt ihm ein Leistungsverweigerungsrecht, auf das er sich berufen muss. Der behauptete Anspruch erlischt infolge seiner Verjährung nicht von selbst. Er besteht fort und ist weiterhin erfüllbar. Der Schuldner kann die Forderung noch bedienen, braucht es rechtlich aber nicht. Verweigert er die Leistung mit der Verjährungseinrede, kann der Gläubiger seine Forderung gerichtlich nicht mehr durchsetzen.
Praxistipp:
Das Arbeitsgericht muss den Eintritt einer Verjährung nur prüfen und beachten, wenn der Schuldner die Einrede der Verjährung erhebt.
Die Wirkung einer - egal ob individual- oder kollektivrechtlich geregelten - Ausschlussfrist ist dagegen anders. Greift sie, weil der Gläubiger seine Rechte nicht innerhalb der maßgeblichen Frist gesichert hat, verfällt der jeweilige Anspruch. Platt gesagt: Er ist weg. Dabei sind sowohl der Hauptanspruch als auch eventuelle Nebenforderungen aus dem Hauptanspruch - z.B. Verzugszinsen - infolge des eingetretenen Verfalls erledigt. Das BAG dazu (BAG, 19.06.2018 - 9 AZR 615/17):
"Unterliegt die Klageforderung einer Ausschlussfrist, ist deren Einhaltung ohne Rüge des Anspruchsgegners von Amts wegen zu prüfen (vgl. zu vertraglichen Ausschlussfristen BAG 11. Dezember 2014 - 8 AZR 838/13 - Rn. 21; vgl. zu tariflichen Ausschlussfristen: BAG 24. August 2016 - 5 AZR 853/15 - Rn. 26; 16. März 2016 - 4 AZR 421/15 - Rn. 14, BAGE 154, 252; 20. April 2012 - 9 AZR 504/10 - Rn. 18; Schaub ArbR-HdB/Treber 17. Aufl. § 209 Rn. 47 mwN). Der Schuldner muss sich nicht auf ihre Wirkung berufen. Es handelt sich um eine rechtsvernichtende Einwendung (vgl. BAG 24. August 2016 - 5 AZR 853/15 - aaO; 16. März 2016 - 4 AZR 421/15 - aaO). Die rechtzeitige Geltendmachung ist eine materiell-rechtliche Voraussetzung für den Fortbestand des behaupteten Anspruchs, die zur schlüssigen Darlegung der Begründetheit einer Klageforderung gehört (vgl. BAG, 20.04.2012 - 9 AZR 504/10 - aaO)."
Die Wirkung einer Ausschluss-/Verfallfrist ist wesentlich stärker als die Wirkung der Verjährung.
Praxistipp:
Ausschluss-/Verfallfristen sind von den Arbeitsgerichten nicht erst auf einen entsprechenden Einwand des Schuldners zu berücksichtigen, sondern von Amts wegen. Aufgabe des Schuldners im Prozess ist es jedoch gegebenenfalls, das Gericht auf die anzuwendende Ausschluss-/Verfallfrist hinzuweisen und das Bestehen und die Geltung der belasteten Ausschluss-/Verfallfrist darzulegen - und im Bestreitensfall auch zu beweisen.
4. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema Berechnung und Wirkung von Ausschlussfristen in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet vorgestellt:
4.1 Miterfasste Ansprüche
Der hier maßgebliche TV-Ärzte enthielt die Bestimmung: "§ 37 Ausschlussfrist. (1) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Ärzten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus." Arbeitnehmer N wurde versetzt, wehrte sich aber gegen die Versetzung. Das bedeutet für die ihm entstandenen Vergütungsdifferenzen: "Mit einer Klage auf vertragsgemäße Beschäftigung macht der Arbeitnehmer zugleich die für diese Beschäftigung vereinbarten Entgeltansprüche im Sinne der ersten Stufe einer (tarif-)vertraglichen Ausschlussfrist geltend" (BAG, 18.09.2019 - 5 AZR 240/18 - Leitsatz).
4.2 Rechtsvernichtende Wirkung
Anzuwendende oder geltende tarifliche Verfallfristen sind von den Arbeitsgerichten von Amts wegen zu beachten. Der Schuldner muss sich zu Abwehr der Gläubigerforderung nicht extra auf die Wirkung einer Ausschluss-/Verfallfrist berufen. Es handelt sich bei ihr um eine rechtsvernichtende Einwendung (s. dazu schon BAG, 15.03.1960 - 1 AZR 464/57). "Ein einmal entstandener Anspruch, der von einer tariflichen Verfallklausel erfasst wird, geht mit dem ungenutzten Verstreichenlassen der Frist unter, ohne dass es einer weiteren rechtsgeschäftlichen Handlung des Schuldners bedarf" (BAG, 16.03.2016 - 4 AZR 421/15 - mit Hinweis auf BAG, 11.07.1990 - 5 AZR 609/89).
4.3 Streitiges Arbeitsverhältnis
Es gibt Ansprüche, die an den Bestand eines Arbeitsverhältnisses und/oder an seine Beendigung anknüpfen. So kann beispielsweise der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs davon abhängig sein, dass der Arbeitgeber mit ihm einen wirksam befristeten Arbeitsvertrag geschlossen hat. Der Streit zwischen ihm und dem Arbeitgeber über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt dann aber nicht dazu, dass der Abgeltungsanspruch hinausgeschoben und erst später fällig wird, wenn es um die Einhaltung einer Ausschlussfrist geht. "Die vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Befristungskontrollklage bestehende Ungewissheit der Parteien über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses steht der Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht entgegen. Die gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit der Befristung hat lediglich feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung. Maßgeblich ist allein die objektive Rechtslage" (BAG, 07.07.2020 – 9 AZR 323/19 – mit Hinweis auf BAG, 22.10.2019 – 9 AZR 98/19 u. BAG, 19.02.2019 – 9 AZR 321/19).
Siehe auch
Ausschlussfristen - AllgemeinesAusschlussfristen - Beginn der AusschlussfristAusschlussfristen - GeltendmachungAusschlussfristen - Sachlicher Geltungsbereich