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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Politische Betätigung - Allgemeines
Politische Betätigung - Allgemeines
Information
Die politische Betätigung ist ein Teilaspekt des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Danach hat jeder das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten.
Diese grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit besteht unabhängig davon, ob eine Äußerung
rational, irrational oder emotional,
begründet oder unbegründet ist oder
von anderen als nützlich, schädlich, wertvoll oder als wertlos angesehen wird (BVerfG v. 16.10.1998 - 1 BvR 1685/92; BAG v. 24.6.2004 - 2 AZR 63/03)
Die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit bezieht sich sowohl auf den Inhalt als auch auf die Form der Meinungsäußerung (BVerfG v. 16.10.1998 - 1 BvR 1685/92; BAG v. 24.06.2004 - 2 AZR 63/03).
Werturteile fallen in den Schutzbereich des Rechts auf Meinungsfreiheit. Dasselbe gilt für Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen, sofern sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind (BAG, 05.12.2019 - 2 AZR 240/19; Rn. 93)
Schmähkritik genießt nicht den Schutz von Art. 5 Abs. I Satz 1 GG. Eine Schmähung ist eine Äußerung - unter Berücksichtigung von Anlass und Kontext - jedoch nur dann, wenn jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern allein die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BAG, 05.12.2019 - 2 AZR 240/19; Rn. 87).
Auch im Arbeits- oder Dienstverhältnis gilt grundsätzlich das Recht auf freie Meinungsäußerung. Nach Art 5 Abs. 2 GG findet dieses Recht allerdings seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind zu den allgemeinen Gesetzen auch die Grundregeln über das Arbeitsverhältnis zu rechnen (BAG, 02.03.1982 - 1 AZR 694/79; BAG, 09.12.1982 - 2 AZR 620/80).
Der Erhalt des Betriebsfriedens stellt nach der Rechtsprechung des Bun- desverfassungsgerichts ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers iSv. § 241 Abs. 2 BGB dar, da eine Störung seine wirtschaftliche Betätigungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG berührt (BVerfG 14. November 1995 - 1 BvR 601/92). Eine Störung des Betriebsfriedens kann auch Folge einer berechtigten Interessenwahrnehmung durch den Arbeitnehmer sein. Auf den Erhalt des Betriebsfriedens gerichtete Verhaltenspflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB bedürfen daher einer Konkretisierung unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen und grundrechtlichen Gewährleistungen. Allein der Umstand, dass eine Störung eingetreten ist, genügt nicht für die Annahme, ein Arbeitnehmer, der dazu beigetragen hat, habe auch seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers verletzt. Für sich genommen stellt selbst eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Betriebsfriedens noch keine Pflichtverletzung dar, sondern nur deren mögliche Folge (BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 63/03).
Der Arbeitgeber hat überdies die Möglichkeit, auf das betriebliche Miteinander bezogene Verhaltenspflichten durch (mitbestimmte) betriebliche Regelungen oder Einzelweisungen in Ausübung seines Direktionsrechts gemäß § 106 Satz 2 GewO selbst konkret festzulegen (BAG v. 30.7.2020 – 2 AZR 43/20).
Politische Gespräche im Betrieb allein stellen deshalb wegen des Verfassungsrangs der Meinungsfreiheit grundsätzlich keine Störung des Betriebsfriedens dar.
Parteipolitische Propaganda im Betrieb, z.B. durch ständige verbale Agitation, durch das Verteilen von Flugblättern, durch Anschläge am Schwarzen Brett oder durch die Versendung von betriebsinternen E-Mails sind regelmäßig unzulässig und stellen einen Verstoß gegen die vertragliche Rücksichtnahmepflicht dar.
Ob die oben genannten Voraussetzungen vorliegen und von der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung – letztinstanzlich – anerkannt werden, lässt sich meist nur im Einzelfall in der Praxis entscheiden.
Politische Betätigung kann sowohl ehrenamtlich als auch hauptamtlich erfolgen.
Wenn also ein engagierter Kommunalpolitiker ("Feierabend-Politiker") seine Kollegen und Kolleginnen im Büro für den Eintritt in seine Partei werben oder ihnen - ungefragt - eine Entscheidung seiner Fraktion im Stadtrat erläutern will, dann ist dies ggf. anders als der Besuch eines Ministers anlässlich der Einweihung einer großtechnischen Anlage zu bewerten.
Schließlich ist "politische Betätigung", wenn sie sich außerhalb des Betriebes vollzieht ein Grundrecht und durch das Grundgesetz und zahlreiche Einzelgesetze geschützt. Vgl. dazu im Einzelnen unter Politische Betätigung - Schutznormen zugunsten der Arbeitnehmer.
Insbesondere bevorstehende politische Bundestags-, Landtags- oder Gemeindewahlen können für einzelne Betriebe zu problematischen Situationen führen, wenn im Zuge des Wahlkampfs die Belegschaft mit Auftritten von Politikern im Betrieb konfrontiert wird. Das gilt grundsätzlich unabhängig davon, von wem der Auftritt organisiert wird, also vom Arbeitgeber, vom Betriebsrat oder von einer Gewerkschaft.
Auftritte von Politikern, die vom Betriebsrat im Rahmen von Betriebsversammlungen organisiert werden, sind besonders während der Zeit von Wahlkämpfen problematisch.
Da der Wahlkampf in der Regel konfrontativ geführt wird, können sich schnell Diskussionen auf den Betrieb übertragen und dadurch den Betriebsfrieden gefährden. Dies gilt umso mehr, als Auftritten von Politikern im Betrieb im Gegensatz zu anderen Wahlkampfveranstaltungen latent der Charakter einer Pflichtveranstaltung innewohnen kann, auch wenn die Freiwilligkeit der Teilnahme ausdrücklich betont wird.
Da durch eine parteipolitische Betätigung im Betrieb der Arbeitsablauf und der Betriebsfrieden (§ 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG) besonders gefährdet werden können, verbietet § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Betriebsrat jede parteipolitische Betätigung im Betrieb. Eine konkrete Gefährdung des Betriebsfriedens ist nach der Rechtsprechung für das Verbot einer parteipolitischen Betätigung nicht erforderlich (vgl. dazu eingehend BAG, 22.07.1980 - 6 ABR 5/78; BAG, 12.06.1986 - 6 AZR 559/84; BVerfG, 28.04.1976 - 1 BvL 71/73).
Das Verbot der parteipolitischen Betätigung gem. § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG ist aber wegen des Rechts auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 GG eng auszulegen und anzuwenden (BAG, 17.03.2010 - ABR 95/08). In diesem Urteil hat das Bundesarbeitsgericht einen an die Arbeitnehmer des Betriebs gerichteten Aufruf des Betriebsrats - ohne Bezug auf eine Partei, sich an bevorstehenden politischen Wahlen und Abstimmungen zu beteiligen, nicht als unzulässige parteipolitische Betätigung angesehen.
Die Behandlung von Angelegenheiten tarifpolitischer, sozialpolitischer, umweltpolitischer und wirtschaftlicher Art, die den Betrieb unmittelbar betreffen, sind jedoch gem. § 74 Abs. 2 Satz 3, 2. Halbsatz BetrVG gestattet.
Als Akteure für eine politische Betätigung im Betrieb kommen insbesondere in Betracht:
Betriebsrat, ebenso Gesamt- und Konzernbetriebsrat, Jugend- und Auszubildendenvertretungen,
einzelne Betriebsratsmitglieder,
Arbeitgeber und die Mitglieder eines Geschäftsführungs- und Vertretungsorgans, wenn der Arbeitgeber keine natürliche Person ist,
Gewerkschaften,
Arbeitnehmer.
Als Akteure für eine politische Betätigung in einer Dienststelle des öffentlichen Dienstes kommen insbesondere in Betracht:
Personalrat, ebenso Gesamt- oder Hauptpersonalrat, Jugend- und Auszubildendenvertretungen,
einzelne Personalratsmitglieder,
Dienstherr, vertreten durch die Mitglieder seiner Leitungs- und Vertretungsorgane,
Gewerkschaften,
Arbeitnehmer,
Beamte.
Siehe auch
Politische Betätigung - Akteure und VerbotsadressatenPolitische Betätigung - Allgemeinpolitische Betätigung im BetriebPolitische Betätigung - Arbeitnehmer im öffentlichen DienstPolitische Betätigung - AusländerPolitische Betätigung - Behandlung betriebsbezogener, politischer AngelegenheitenPolitische Betätigung - Friedenspflicht für Arbeitgeber und BetriebsratPolitische Betätigung - Gewerkschaftliche Betätigung im BetriebPolitische Betätigung - Parteipolitische Betätigung im BetriebPolitische Betätigung - Rechtsfolgen bei VerstoßPolitische Betätigung - RechtsprechungsübersichtPolitische Betätigung - Schutznormen zugunsten der Arbeitnehmer