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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Unterschlagung
Unterschlagung
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Nach der gesetzlichen Definition des Strafgesetzbuchs versteht man unter Unterschlagung die rechtswidrige Aneignung einer fremden beweglichen Sache (§ 246 StGB). Unterschlagung kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft werden, wurde die fremde Sache dem Täter vorher anvertraut sogar mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Bereits der Versuch ist strafbar.
Wie beim Diebstahl wird eine Unterschlagung geringwertiger Sachen nur auf Antrag strafrechtlich verfolgt (§ 248 StGB).
Arbeitgeber und Betriebsrat müssen sich mit Unterschlagungen in der Praxis unter zahlreichen Gesichtspunkten beschäftigen, wie z.B. dem Einbehalten von Kundengeldern zum Nachteil des Arbeitgebers oder dem widerrechtlichen Verkauf von Firmeneigentum, welches dem Mitarbeiter zuvor überlassen war.
Die Abgrenzung zum Diebstahl ist in der Praxis nicht immer einfach. Vereinfacht könnte man sagen, ein Dieb begeht eine Wegnahmehandlung, während sich bei einer Unterschlagung die Sache oft schon im Besitz des Täters befand, der die Sache dann nicht an den Eigentümer herausgibt und sich selbst wie ein Eigentümer verhält.
Unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten sind diese strafrechtlichen Feinheiten jedoch zu vernachlässigen. Wichtig ist: Beide Taten stellen Verstöße gegen den Arbeitsvertrag dar und müssen dementsprechend vom Arbeitgeber nicht hingenommen werden.
2. Arbeitsrechtliche Situation
Wer eine Unterschlagung begeht oder eine solche Straftat versucht, verstößt in erheblicher Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten. In der Rechtsprechung ist daher anerkannt, dass jede Unterschlagung grundsätzlich einen Kündigungsgrund darstellt.
Nicht ganz so eindeutig lässt sich die Frage beantworten, ob der Arbeitgeber vorher noch eine Abmahnung aussprechen muss oder ob er ohne Weiteres fristlos kündigen kann.
Üblicherweise ist zumindest bei einer vollendeten Straftat der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung gerechtfertigt, jedoch kann in besonderen Fällen auch "nur" eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung in Betracht kommen.
Nur selten muss nach einer Unterschlagung eine Abmahnung ausgesprochen werden, da auf das Verbot strafbarer Handlungen nicht besonders hingewiesen werden muss. Höchstens im Rahmen von Bagatelldelikten muss der Mitarbeiter an seine arbeitsvertraglichen Pflichten erinnert werden.
3. Kündigung - fristgerecht oder fristlos?
Strafbare Handlungen zulasten des Arbeitgebers oder von Kollegen rechtfertigen grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach § 626 BGB. Nur in Ausnahmefällen, etwa bei langen und beanstandungsfreien Beschäftigungszeiten des Mitarbeiters sowie einer Unterschlagung von geringwertigen Gegenständen ist eine fristgerechte Kündigung angemessen.
Für eine fristlose Kündigung reicht es bereits aus, wenn ein Mitarbeiter nicht zwingend die Absicht hat, unterschlagene Geldbeträge für sich zu behalten. Schon wer Kundengelder von nicht unerheblichen Wert entgegen seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht unverzüglich bei seinem Arbeitgeber abliefert, um diesen wegen nicht gezahltem Lohn unter Druck zu setzen, riskiert eine fristlose Kündigung (LAG Rheinland-Pfalz, 12.10.2004 - 5 Sa 608/04).
Die Beweislast für eine Unterschlagung zur Rechtfertigung einer Kündigung liegt aber immer beim Arbeitgeber (LAG Köln, 26.06.2006 - 14 Sa 21/06). Im Falle der Unterschlagung von Geld oder Schecks gilt dies vor allem, wenn der Arbeitgeber keine bestimmte Vorgehensweise beim Empfang von Kunden- oder Fremdgeldern angeordnet hat. Voraussetzung für eine wirksame Kündigung wegen einer Unterschlagung ist immer, dass der Arbeitgeber Tatsachen vorträgt, die eine Straftat zumindest wahrscheinlich erscheinen lassen. Dafür ist nicht ausreichend, wenn der Mitarbeiter nur eine fehlende Quittung oder einen Zahlungsbeleg nicht vorweisen kann. Der Umstand des fehlenden Beleges allein muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass der Mitarbeiter Geld aus diesem Zahlungsvorgang für sich selbst vereinnahmt hat (LAG Düsseldorf, 17.01.2012 - 17 Sa 252/11). Der Arbeitgeber muss also belegen, dass es sich nicht nur um eine Unordentlichkeit, sondern eine Straftat handelt.
4. Verdachtskündigung
Bereits der hinreichend begründete Verdacht einer Unterschlagung kann eine Kündigung rechtfertigen.
Voraussetzung dafür ist aber nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte eine eindeutige Indizienlage (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, 16.02.2007 - 8 Sa 724/06). In dem zugrunde liegenden Fall wurde einem Mitarbeiter einer Waschanlage arbeitgeberseitig fristlos gekündigt, nachdem eine Differenz zwischen den Einnahmen und der Anzahl der ausgegebenen Waschmünzen aufgefallen war.
In der Urteilsbegründung heißt es, dass eine Verdachtskündigung zwar keinen vollständigen Beweis einer Straftat erfordere, aber zumindest aussagekräftige Indizien vorliegen müssten. Daran fehle es, wenn der Arbeitnehmer geltend mache, dass auch andere Personen Zugang zu den Waschmünzen gehabt hätten und der Arbeitgeber diesen Hinweis nicht widerlegt habe. Somit sei nicht ausgeschlossen, dass die Differenz auch anders erklärt werden könne als vom Arbeitgeber behauptet. Da der Verdacht einer Unterschlagung somit nicht eindeutig bestätigt werden konnte, gab das LAG der Klage des Mitarbeiters statt.
Befindet sich dagegen in einer Firmenkasse eine größere Mende Falschgeld, reicht die Indizienlage für eine fristlose Verdachtskündigung zumindest dann aus, wenn die Fälschungen so unübersehbar laienhaft ausgeführt sind, dass sie ohne Weiteres hätten auffallen müssen. Kann der Arbeitnehmer, der die Kasse verwaltet, dennoch die Herkunft der gefälschten Scheine nicht erklären, darf der Arbeitgeber annehmen, dass ein Austausch der echten Geldscheine stattgefunden hat und von einer Unterschlagung ausgehen. Auf den dringenden Tatverdacht des Mitarbeiters darf der Arbeitgeber dann konsequenterweise mit einer Verdachtskündigung reagieren (LAG Hamm, 26.08.2010 - 17 Sa 537/10).
5. Rückzahlungsvereinbarung
Erfolgt eine im Berufsleben begangene Unterschlagung zu Lasten des Arbeitgebers - was meist der Fall sein wird -, dürfte dieser nicht nur das Arbeitsverhältnis mit dem Täter beenden wollen, sondern auch stark an einer Erstattung des abhanden gekommen Geldes interessiert sein. Häufig ist ein Täter bereit, den entstandenen Schaden wenigstens teilweise zu ersetzen, wenn im Gegenzug eine geräuschlose Abwicklung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag oder zumindest durch Verzicht auf eine Strafanzeige vereinbart wird.
Praxistipp:
Sofern der zu erstattende Betrag nicht in einer Summe erbracht werden kann, sollte sich der Arbeitgeber ein schriftliches Schuldanerkenntnis geben lassen, sinnvollerweise in notarieller Form. Dort können dann auch die weiteren Zahlungsmodalitäten verbindlich festgelegt werden. Der Arbeitgeber sollte sich zudem zusichern lassen, dass sich der Schuldner bei Verzug der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwirft. Durch diese Urkunde können weitere Prozesse zur Durchsetzung der Forderung vermeiden werden.
Hat der Täter ein notarielles Schuldanerkenntnis mit Ratenzahlungsvereinbarung unterzeichnet, kann er sich im Anschluss kaum noch etwas dagegen vorbringen, jedenfalls nichts, was rechtliche Wirkung entfalten könnte. Selbst wenn der Täter behaupten sollte, er habe den Schaden in der fest geschriebenen Höhe nicht verursacht oder der Arbeitgeber habe seine geschäftliche Unerfahrenheit ausgenutzt, wird die Wirksamkeit eines notariellen Schuldanerkenntnisses davon nicht berührt. Auch die Drohung mit einer Strafanzeige für den Fall, dass kein notarielles Schuldanerkenntnis unterzeichnet wird, ist in diesem Fall nicht unangemessen (BAG, 22.07.2010 - 8 AZR 144/09).
6. Sonstige Folgen
Hängt die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit von einer behördlichen Erlaubnis oder Genehmigung ab, führt eine nachgewiesene Unterschlagung häufig zum Verlust dieser Genehmigung. Ordnungsbehörden gehen dann regelmäßig von einem Verlust der erforderlichen beruflichen Zuverlässigkeit und widerrufen die Erlaubnis zur Berufsausübung (OVG Rheinland-Pfalz, 09.01.2012 - 6 B 11340/11.OVG). Gegen die behördliche Entscheidung müssen die betroffenen Personen den Verwaltungsrechtsweg gehen. Die Arbeitsgerichte sind also für Kündigungen wegen einer Unterschlagung zuständig, die Verwaltungsgerichte für den Lizenzentzug.
Siehe auch