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Telearbeit - Arbeitszeitprobleme
Telearbeit - Arbeitszeitprobleme
Inhaltsübersicht
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Information
1. Arbeitszeit
Wesentliche Vorschriften, die bei der Telearbeit und insbesondere bei der Arbeit im Homeoffice der Arbeitgeber beachten muss, sind Vorschriften im Arbeitszeitgesetz zu
Nach der gesetzlichen Definition in § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG ist Arbeitszeit i.S.d. Gesetzes "die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen".
D.h. es gibt danach keine Zwischenstufen zwischen Arbeit und Freizeit; jede außerhalb der Arbeitszeit verbrachte Zeit ist Ruhezeit (vgl. hierzu die Rechtsprechung des EuGH zur Arbeitszeit in der Entscheidung EuGH v. 1.12.2005 - C-14/04).
Ausgenommen hiervon sind die Sonderfälle wie Wegezeiten, Dienstreisen, Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft.
Die Arbeitszeitregelungen sind zwingender Natur. D.h. dass sie den Arbeitnehmer auch gegen dessen entgegengesetzten Willen schützen und diesem keine selbstgewählte Arbeitszeitgestaltung gegen zwingende Arbeitszeitvorschriften erlauben.
So muss er auch im Homeoffice die werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbZG einhalten, mit erlaubter Verlängerungsmöglichkeit gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 ArbZG.
Dieses Verbot gilt selbst bei einem Wissen oder einem Einverständnis des Arbeitgebers.
Ein zentrales Problem welches sich in der Praxis der mobilen Arbeit oder der Arbeit im Homeoffice stellt, ist wie rechtlich die Aktivitäten für den Arbeitgeber nach Beendigung der Arbeit, also in der Freizeit des Arbeitnehmers, einzuordnen sind, also z.B. kurze Telefonate oder das Abrufen und Beantworten von Mails nach Feierabend.
Ein Teil der juristischen Literatur und Kommentierung nimmt an, dass solche kurzfristigen Ruhezeitunterbrechungen keine Arbeitszeit i.S.d. Arbeitszeitgesetzes darstellen (vgl. dazu nur Baeck/Deutsch, ArbZG, § 5 Rnr. 14, Steffan, in NZA 2015,1412 und Jacobs, in NZA 2016, 735). Der Arbeitnehmer sei nach dem Sinn und Zweck von § 5 Abs. 1 ArbZG vor Überanspruchung zu schützen und deshalb sei von einer ungeschriebenen Erheblichkeitsschwelle auszugehen, unterhalb derer die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbZG nicht verletzt sei.
Eine - zutreffende - Gegenmeinung vertritt dagegen die Ansicht, dass der rechtlich vorgegebene Begriff "Arbeit" nicht durch den damit verbundenen Zeitaufwand definiert ist, sondern der Zeitaufwand nur gemessen wird (Anzinger/Koberski ArbZG, § 5 Rnr 12; Schliemann ArbZG, § 5 ArbZG, Rnr 10; Buschmann/Ulbe ArbZG, § 5 Rnr. 8; Kohte in NZA 2015, 1412).. Da Art. 3 RL 2003/88/EG eine zusammenhängende Ruhezeit vorsieht, bedeutet dies dass jede Arbeit bzw. Arbeitsaufnahme zu einem Neustart und damit auch zu einer Anrechnung auf die tägliche Höchstarbeitszeit führt.
Zur Lösung des juristischen Meinungsstreits müsste eine höchstrichterliche Rechtsprechung für die Zukunft für die betriebliche Praxis verbindliche Leitsätze vorgeben.
Zulässig ist eine vertragliche Vereinbarung, durch die sich der Telearbeitnehmer verpflichtet, ein Arbeitszeittagebuch zu führen und dieses regelmäßig dem Arbeitgeber und auf Verlangen der zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen.
Eine Arbeitszeiterfassung kann auch mit elektronischen Personalzeiterfassungs-Systemen erfolgen, bei denen allgemein oder mit speziell für die Telearbeit entwickelter Schnittstellen-Software Beginn und Ende der individuellen Arbeitszeit auf einem Arbeitszeitkonto registriert werden.
Sollen vertragliche Vereinbarungen über die Arbeitszeit getroffen werden, sind neben evtl. geltenden Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen stets das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) zu berücksichtigen. Aber auch wenn gesetzliche oder kollektivrechtliche Bestimmungen über die Arbeitszeit bereits bestehen, verbleibt doch ausreichend Spielraum, der eine individuelle, arbeitsvertragliche Regelung notwendig erscheinen lässt. Neben der vertraglichen Regelung einer täglichen Höchstarbeitszeit mit der Einhaltung von Ruhepausen und Ruhezeiten und einer wöchentlichen, monatlichen oder jährlichen Regelarbeitszeit von X Stunden, deren Erfüllbarkeit im Einklang mit dem Arbeitszeitgesetz möglich sein muss, sollten folgende Fragen abschließend zwischen Telearbeitnehmer und Arbeitgeber geregelt werden:
Präsenzzeiten
Zuschläge für Nacht-, Feiertags- und Wochenendarbeit sowie
die Frage der Zeiterfassung.
Insbesondere Telearbeitnehmer unterliegen auf Grund der räumlichen Trennung ihres Arbeitsplatzes von der Betriebsstätte des Unternehmens keiner einheitlichen Anwesenheitskontrolle; weder Vorgesetzte noch andere Mitarbeiter erhalten einen detaillierten Überblick über die tatsächlich erbrachte Arbeitszeit.
Der Arbeitgeber hat aber regelmäßig ein erhebliches Interesse an dem Arbeitszeitnachweis; so möchte er zunächst wissen, ob der Telearbeitnehmer seiner vertraglichen Arbeitszeitleistung auch tatsächlich nachkommt. Darüber hinaus kann der Nachweis von erbrachter Arbeitszeit auch für die Berechnung von Kosten und der Erstellung von Rechnungen gegenüber Kunden notwendig sein. Ist dies der Fall, müssen Telearbeitnehmer und Arbeitgeber sich darüber einig sein, welche Arbeitszeiten, wie und wann nachzuweisen sind.
Zweckmäßig erscheint hier ein Arbeitszeitnachweis in Form eines Tätigkeitsprotokolls, wenn die mit der Telearbeit gewünschte Flexibilität erhalten bleiben soll. Ein solches Tätigkeitsprotokoll kann auch durch die verwendete Software auf dem PC des Mitarbeiters und/oder durch die Verbindung mit dem betrieblichen Zentralrechner erzeugt werden.
1.1 Fürsorgepflicht
Darüber hinaus sollte der Arbeitgeber ein Interesse an der Einhaltung vorgegebener und vorgeschriebener Arbeitszeiten haben, da ihn als Arbeitgeber Fürsorgepflichten bezüglich der Gesundheit des Mitarbeiters treffen und die Einhaltung von Arbeitszeitschutzvorschriften von den zuständigen Arbeitsschutzbehörden überwacht werden. Verantwortlich für die Einhaltung der Arbeitszeitschutzvorschriften ist in erster Linie der Arbeitgeber, auch wenn er die Aufzeichnung der Arbeitszeiten dem Mitarbeiter überlässt. So ist z.B. der Arbeitgeber nach § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG verpflichtet, die über die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden hinausgehende Arbeitszeit eines Arbeitnehmers aufzuzeichnen.
1.2 Kontrolle
Die Kontrolle der Arbeitszeit wird dort erleichtert, wo bestimmte Präsenzzeiten zwischen Telearbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart werden. Allerdings gilt zu beachten, dass sich Arbeitnehmer häufig für Telearbeitsverhältnisse entscheiden, um im täglichen Arbeitsleben auch als Arbeitnehmer die Arbeitszeitsouveränität für sich zu behalten. Besteht daher aus Sicht des Arbeitgebers Notwendigkeit über die Einhaltung von Präsenzzeiten, sollten diese unbedingt in den Arbeitsvertrag eingearbeitet werden. Bei der alternierenden Telearbeit sollte im Hinblick auf die Aufteilung der Arbeitszeit auf mehrere Arbeitsorte eine Unterscheidung zwischen betriebsbestimmter und selbst bestimmter Arbeitszeit getroffen werden und es sollten bei Bedarf Bürotage festgelegt werden. Auch bei einer häuslichen Telearbeit muss der Arbeitszeitschutz eingehalten werden.
1.3 Arbeitszeit-Autonomie
Die Möglichkeiten, die die Telearbeit dem Arbeitnehmer im Bereich der freien Zeiteinteilung bietet, legen es nahe, dass der Telearbeitnehmer zumindest teilweise auch außerhalb der klassischen Arbeitszeit tätig sein wird. Dann aber sollte diese selbst bestimmte Entscheidung des Telearbeitnehmers nicht zulasten des Arbeitgebers, d.h. zur Vergütung von Zuschlägen für Nacht- oder Wochenendarbeit führen. Die Eigenverantwortung des Telearbeitnehmers steht somit im Vordergrund. Andererseits sollte der Telearbeitsplatzinhaber gegenüber "normalen" Arbeitnehmern auch nicht benachteiligt werden.
Fallen Überstunden an oder hat der Telearbeitnehmer Nacht- oder Wochenend- bzw. Feiertagsarbeit zu leisten, stehen im Überstunden-, Feiertags- oder Nachtarbeitszuschläge nur dann zu, wenn dies im einzelnen Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder in einem Tarifvertrag so vereinbart worden ist oder betriebsüblich ist. Aus diesem Grund sollten Arbeitnehmer und Arbeitgeber vertraglich festschreiben, in welchem Rahmen der Telearbeitsplatzinhaber über seine Arbeitsleistung in zeitlicher Hinsicht frei verfügen darf und unter welchen Voraussetzungen Zuschläge gezahlt werden müssen. Arbeitsvertraglich kann dies so aussehen, dass die Arbeitsleistung grundsätzlich zu einer Zeit erbracht werden muss, die Zuschläge nicht auslösen; im Übrigen die einen Zuschlag auslösenden Überstunden vom Telearbeitnehmer im Voraus bewilligt werden müssen.
2. Feiertagsregelungen
Die räumliche Trennung des Telearbeitsplatzes von der Betriebsstätte des Arbeitgebers kann im Bereich der Feiertagsregelungen durchaus zu unterschiedlichen arbeitsfreien Tagen zwischen den verschieden Arbeitsplätzen führen, soweit sie in verschiedenen (Bundes-) Ländern angesiedelt sind. Da die Feiertagsregelungen der Länder ausschließlich auf der Regelungskompetenz eines Landes auf seinem (eigenen) Gebiet beruht, gilt das Feiertagsrecht des jeweiligen Arbeitsortes. Insoweit gilt auch die Feiertagsvergütungspflicht des Arbeitgebers nach § 2 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) ausschließlich für den jeweiligen Arbeitsort.
Unproblematisch sind unterschiedliche Feiertagsregelungen dann, wenn der Telearbeitsplatzinhaber zumindest teilweise unabhängig von der Betriebsstätte arbeitet, d.h. seine geschuldete Arbeitsleistung erbringen kann. Anders gestaltet sich die Situation dort, wo der Telearbeiter auf eine dauerhafte Online-Verbindung zur Betriebsstätte des Arbeitgebers angewiesen ist, weil beispielsweise ein steter Informationsaustausch mit anderen Mitarbeitern für die Arbeit erforderlich ist. Hier kann ein Feiertag dazu führen, dass der Telearbeitsplatzinhaber für diesen Tag faktisch ohne Arbeit ist. Deshalb sollten hier Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Telearbeitsplatzinhaber getroffen werden, die den Bereich der Feiertagsregelungen abschließend und für beide Seiten praktikabel regeln.
Hier kann ein Feiertag dazu führen, dass der Telearbeitsplatzinhaber für diesen Tag faktisch "arbeitslos" ist. Zwar ist für den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich ausreichend, dass dieser seine Arbeitsleistung dem Arbeitgeber anbietet, dennoch sollten hier Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Telearbeitsplatzinhaber getroffen werden, die den Bereich der Feiertagsregelungen abschließend und für beide Seiten praktikabel regeln.
3. Bildungsurlaub
Telearbeitnehmer, deren Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses in einem anderen Bundesland als dem des Betriebes liegt, sollten sich über die Anwendbarkeit von länderspezifischen Regelungen hinsichtlich des Bildungsurlaubs informieren.
Da die Bildungsurlaubsgesetze Ländersache sind und teilweise sich der Anspruch auf Bildungsurlaub nach dem Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses richtet, können hier schnell Streitigkeiten entstehen; sei es, dass der Betrieb in einem Bundesland liegt, das keinen Bildungsurlaub gewährt, der Telearbeitnehmer hingegen den Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses in einem Bundesland hat, das dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Bildungsurlaub gewährt, oder umgekehrt.
Siehe auch
Bildungsurlaub Telearbeit - ArbeitsschutzTelearbeit - ArbeitsvertragTelearbeit - VertragsrechtÜberstunden - Allgemeines