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BAG, 12.02.1987 - 2 AZR 135/86 - Folgen einer anderen Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen als das erstinstanzliche Gericht durch das Berufungsgericht ohne erneute Vernehmung des Zeugen
Bundesarbeitsgericht
Urt. v. 12.02.1987, Az.: 2 AZR 135/86
Folgen einer anderen Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen als das erstinstanzliche Gericht durch das Berufungsgericht ohne erneute Vernehmung des Zeugen
BAG, 12.02.1987 - 2 AZR 135/86
Redaktioneller Leitsatz:
- 1.
Nach § 398 Abs 1 ZPO kann das Prozeßgericht nach seinem Ermessen die wiederholte Vernehmung eines Zeugen anordnen. Die Wiederholung der Vernehmung ist jedoch immer dann erforderlich, wenn das Berufungsgericht die Aussage eines Zeugen anders als der Erstrichter bewerten will.
- 2.
Die Prüfung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen gewinnt dann eine ganz besondere Bedeutung, wenn aus der Aussage eines Zeugen ein für die Entscheidung des Rechtsstreits ganz wesentlicher Punkt hergeleitet werden soll.
Tatbestand
1
Zwischen den Parteien besteht Streit, ob zwischen ihnen (oder zwischen dem Kläger und einer libyschen Reederei) ein Heuerverhältnis besteht, das die Beklagte durch fristlose Kündigung beendet haben will. Außerdem machen sie durch Klage und Widerklage Zahlungsansprüche geltend.
2
Der Kläger verhandelte 1980 mit der Beklagten wegen einer Tätigkeit auf einem Schiff. Ohne daß es zur Unterzeichnung eines schriftlichen Vertrages kam, war der Kläger sodann vom 12. Juni 1980 bis 9. September 1980 als nautischer Offizier auf dem unter libyscher Flagge fahrenden Schiff M/T "Serir" und teilweise auf dem M/T "Marsa Al Hariga" tätig. Beide Schiffe lagen während der Beschäftigungszeit des Klägers im Dock in Malta. Sie gehören der libyschen Staatsreederei General National Maritime Transport Compani Tripolis (im folgenden: GNMTC).
3
Der Kläger verließ am 10. September 1980 das Schiff "Serir" und kehrte in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Mit Schreiben vom 17. September 1980 teilte die Beklagte ihm folgendes mit:
"Sehr geehrter Herr S,
gemäß der uns zugegangenen Information, sind Sie am 9. Sept. 1980 wegen fortwährender Trunkenheit fristlos gekündigt worden. In Übereinstimmung mit den Vertragsbestimmungen sind Sie für alle durch Ihren Vertragsbruch herrührenden Kosten schadensersatzpflichtig.
Nach der uns bisher vorliegenden vorläufigen Abrechnung besteht ein Saldo in Höhe von DM 2.778,15 zu unseren Gunsten. Eine detaillierte Abrechnung wird Ihnen in den nächsten Tagen noch zugehen.
Wir haben Sie schon im Vorwege davon in Kenntnis zu setzen, daß wir beabsichtigen, Sie für den uns entstandenen Schaden in Regreß zu nehmen und unser Befremden über Ihr uns unverständliches Verhalten mitzuteilen."
4
Der Kläger hat vorgetragen, er habe mit der Beklagten einen unbefristeten mündlichen Arbeitsvertrag abgeschlossen, aufgrund dessen er seine Tätigkeit aufgenommen habe. Die Beklagte habe eigene Schiffe unter fremder Flagge laufen und übernehme deren Besatzung. Bei den Vertragsverhandlungen mit dem Angestellten Sch der Beklagten habe irgendein schriftlicher Text nicht vorgelegen, er sei auch nicht darauf hingewiesen worden, daß die Beklagte nur als Vermittler auftrete. Soweit er in einem Ermittlungsverfahren angegeben habe, die Beklagte sei Vertragsagent für Besatzungsangelegenheiten und Reparaturarbeiten gewesen, habe sich dies nicht auf seinen konkreten Vertrag bezogen.
5
Am 9. September 1980 sei er von einem Mitarbeiter der Beklagten krankenhausreif geschlagen worden, weshalb er den Heimweg angetreten und sich bei der Beklagten als arbeitsunfähig gemeldet habe. An diesem Tag sei ihm weder mündlich eine Kündigung ausgesprochen noch ein Kündigungsschreiben ausgehändigt worden. Da die Beklagte in dem Schreiben vom 17. September 1980 von einer solchen Kündigung ausgehe, wende er sich rein vorsorglich auch gegen den Inhalt dieses Schreibens. Unter Berücksichtigung anderen Verdienstes stehe ihm für die Zeit vom 10. September 1980 bis 30. September 1982 noch ein Anspruch aus Annahmeverzug in Höhe von 71.764,33 DM zu.
6
Der Kläger hat beantragt,
- 1.
festzustellen, daß sein am 12. Juni 1980 angetretenes Arbeitsverhältnis mit der Beklagten weder durch eine fristlose Kündigung vom 9 September 1980 noch durch Erklärung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 17. September 1980 an ihn aufgelöst worden sei, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbestehe;
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 71.764,33 DM nebst 14 % Zinsen seit 14. Juni 1983 zu zahlen.
7
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und im Wege der Widerklage begehrt, den Kläger zu verurteilen, an sie 2.739,39 DM zu zahlen.
8
Die Beklagte hat geltend gemacht, der Kläger sei am 12. Juni 1980 in ihren Geschäftsräumen erschienen und habe gefragt, ob für ihn etwas frei sei. Ihr Personalsachbearbeiter Sch habe ihm daraufhin erklärt, er könne sofort als zweiter Offizier auf der M/T "Serir" anfangen. Der Personalsachbearbeiter habe ihm den Employment Contract vorgelegt, der damals noch nicht die maschinenschriftlichen Eintragungen enthalten habe, und ihn darauf hingewiesen, Arbeitgeber sei die libysche Staatsreederei, der Vertrag unterliege dem libyschen Seegesetz und sei auf sechs Monate befristet. Der Kläger habe den Text gelesen und erklärt, er sei mit allem in dem Vertrag einverstanden. Da die Vertragsurkunde aus Zeitmangel nicht mehr habe maschinenschriftlich ausgefertigt werden können, habe der Kläger vorgeschlagen, man solle ihm den Vertrag nach Fertigstellung zwecks Gegenzeichnung an Bord schicken. So sei es auch geschehen. Am 10. Juli 1980 sei der Kläger, zwischenzeitlich auf dem M/T "Marsa Al Hariga" beschäftigt, zum Ersten Offizier befördert worden und habe am 31. Juli 1980 einem ihrer Mitarbeiter, der ihn an Bord auf die Herausgabe des Heuervertrages angesprochen habe, erklärt, es müsse ein neuer Vertrag erstellt werden, weil er mittlerweile Erster Offizier und auf einem anderen Schiff eingesetzt sei. So sei es nicht zur Unterzeichnung der Urkunde durch den Kläger gekommen.
9
Dem Kläger sei zudem schon früher aus von ihr vermittelten Heuerverträgen bekannt gewesen, daß sie diese - unstreitig - nicht im eigenen Namen abgeschlossen habe, sondern nur für die von ihr vertretenen ausländischen Reedereien.
10
Am 9. September 1980 sei es an Bord des Schiffes "Serir", auf dem der Kläger mittlerweile wieder tätig gewesen sei, infolge Trunkenheit des Klägers zu einer Schlägerei gekommen. Der Kapitän habe daraufhin die fristlose Kündigung ausgesprochen und dem Kläger das Kündigungsschreiben in dem Lokal "Beach Bar" durch den Kadetten T aushändigen lassen. Die ihr insbesondere mit der Rückführung des Klägers entstandenen Kosten mache sie mit der Widerklage geltend.
11
Das Arbeitsgericht hat den Kapitän und den Personalsachbearbeiter Sch als Zeugen vernommen. Es hat sodann über die Klage abschließend durch Teilurteil entschieden und festgestellt, das am 12. Juni 1980 zustandegekommene Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten sei weder durch eine fristlose Kündigung vom 9. September 1980 noch durch Erklärung der Beklagten vom 17. September 1980 aufgelöst worden, sondern bestehe zu unveränderten Bedingungen fort. Außerdem hat es die Beklagte unter Klagabweisung im übrigen zur Zahlung von 66.489,07 DM brutto nebst 14 % Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit 14. Juni 1983 verurteilt.
12
Die Wirksamkeit der Kündigung hat es verneint, weil die Beklagte den Beweis des Zugangs der Kündigungserklärung nicht habe führen können. Dem Schreiben vom 17. September 1980 hat es nicht den rechtlichen Gehalt einer eigenständigen Kündigungserklärung beigemessen.
13
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht ohne Durchführung einer erneuten Beweisaufnahme die Klage abgewiesen.
14
Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter, soweit ihnen das Arbeitsgericht entsprochen hat.
15
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Gründe
16
Die Revision ist begründet.
17
Das angefochtene Urteil war aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
18
I.
1.
Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Frage, ob der Kläger sich in einem Arbeitsvertrag zur Beklagten befunden habe mit den sich daraus ergebenden Folgen, sei nach deutschem Recht zu beurteilen. Bei dem vorliegenden Arbeitsverhältnis mit Auslandsberührung gelte der Grundsatz der Privatautonomie. Eine ausdrückliche Vereinbarung der Parteien zur Rechtswahl fehle. Soweit die Beklagte behaupte, es sei die Anwendung libyschen Rechts vereinbart, mache sie gerade geltend, daß dieses Recht im Verhältnis des Klägers zur libyschen Staatsreederei anzuwenden sei. Da der Kläger deutscher Staatsangehöriger sei und seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland habe, ebenso wie die Beklagte ihren Sitz, sei unter Berücksichtigung des Umstandes, daß eine materiell-rechtliche Forderung gegen einen in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Arbeitgeber geltend gemacht werde, deutsches Recht anzuwenden. Auch die Beklagte hätte sich für die Anwendung libyschen Rechts nur entschieden, wenn nicht sie, sondern die libysche Reederei GNMTC der Arbeitgeber des Klägers gewesen sei. Wenn aber von einem deutschen Unternehmer ein deutscher Arbeitnehmer ins Ausland entsandt werde, sei unter Berücksichtigung der Interessenlage und der besonderen Umstände des Einzelfalles nach dem mutmaßlichen Parteiwillen von der Anwendung deutschen Rechts auszugehen.
19
Mangels ausdrücklicher Rechtswahl sei das Recht der Flagge nicht maßgebend, da die Beklagte nicht Eigner des Schiffes gewesen sei.
20
2.
Die Beklagte sei nicht Vertragspartner des Klägers, sie habe bei Abschluß des Heuervertrages den Reeder GNMTC vertreten, zu dem sie in einem Dienstleistungsvertrag gestanden habe. Die Beklagte habe den Nachweis erbracht, daß sie den Kläger nur für die Reederei GNMTC eingestellt habe. Der hierzu in der Vorinstanz vernommene Zeuge Sch habe klar ausgesagt, daß er den Kläger darauf aufmerksam gemacht habe, die Beklagte nehme die Einstellungen lediglich als Agent des libyschen Reeders vor. Das Arbeitsgericht habe diese Aussage zu Unrecht als widersprüchlich angesehen. Aus der Aussage des Zeugen, der Kläger sei vorher schon "bei uns" tätig gewesen, lasse sich nicht herleiten, daß der Zeuge damit von entsprechenden Arbeitsverhältnissen ausgegangen sei. Die Formulierung "bei uns" könne sich auch auf eine Vermittlungstätigkeit durch die Beklagte beziehen.
21
Soweit das Arbeitsgericht darauf hingewiesen habe, es seien von der Beklagten Heuerabrechnungen erstellt worden, verwechsele es die Passivlegitimation mit der Frage nach der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Im übrigen spreche eine Vielzahl von weiteren Umständen gerade dafür, daß die Beklagte den Kläger in fremdem Namen eingestellt habe, und stütze damit gleichzeitig die Aussage des Zeugen Sch ab. Soweit die Beklagte mit einem Schreiben vom 17. September 1980 Schadensersatz verlangt und diese Forderung nicht ausdrücklich im Namen der Reederei GNMTC geltend gemacht habe, wirke sich dieses nach Vertragsschluß liegende Verhalten nicht zu ihren Lasten aus, denn die Erklärungen der Beklagten bei Vertragsschluß seien eindeutig gewesen. Somit sei nicht von einem zwischen den Parteien bestehenden Heuerverhältnisses auszugehen, das durch die Beklagte hätte gekündigt werden können.
22
II.
Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das angefochtene Urteil war aufgrund der Verfahrensrüge des Klägers aufzuheben.
23
1.
Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Anwendung deutschen Rechts bejaht. Die von der Beklagten behauptete Vereinbarung der Anwendung des libyschen Rechts betraf nur den Fall des von ihr angenommenen Zustandekommens eines Vertrages zwischen dem Kläger und der libyschen Reederei. Über die Frage, welches Recht dann anzuwenden ist, wenn über das Zustandekommen eines Vertrages mit der Beklagten gestritten wird, haben die Parteien nach zutreffender Ansicht des Berufungsgerichts eine Rechtswahl nicht getroffen. Das Landesarbeitsgericht hat daher unter Berücksichtigung der Interessenlage und der von ihm angeführten Umstände des Einzelfalles (deutsche Staatsangehörigkeit, Sitz der beklagten Firma in der Bundesrepublik Deutschland, Abschlußort) nach den mutmaßlichen Parteiwillen deutsches Recht für anwendbar erklärt (vgl. BAG Urteil vom 26. Februar 1985 - 3 AZR 1/83 AP Nr. 23 Internat. Privatrecht Arbeitsrecht).
24
2.
Das Landesarbeitsgericht hat jedoch gegen die Verfahrensvorschriften der §§ 286 Abs. 1, 398 ZPO verstoßen, indem es ohne erneute Vernehmung des Zeugen Sch dessen Glaubwürdigkeit anders beurteilt hat als das erstinstanzliche Gericht.
25
Nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO muß der Tatsachenrichter bei der Frage, ob er eine streitige Tatsache für bewiesen ansieht oder nicht, die Beweisergebnisse - unter Berücksichtigung des gesamten Ergebnisses der Verhandlungen - umfassend und widerspruchsfrei würdigen (BAGE 7, 51 [BAG 17.11.1958 - 2 AZR 277/58] = AP Nr. 18 zu § 3 KSchG; BAG Urteil vom 6. Dezember 1963 - 5 AZR 234/63 - AP Nr. 1 zu § 286 ZPO). Nach § 398 Abs. 1 ZPO kann das Prozeßgericht nach seinem Ermessen die wiederholte Vernehmung eines Zeugen anordnen. Die Wiederholung der Vernehmung ist jedoch immer dann erforderlich, wenn das Berufungsgericht die Aussage des Zeugen anders als der Erstrichter bewerten will (Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 44. Aufl., § 398 Anm. 2 b dd; Thomas/ Putzo, ZPO, 14. Aufl.,§ 398 Anm. 1; Zöller-Stephan, ZPO, 14. Aufl., § 398 Rz 5; BGH NJW 1976, 1742 [BGH 23.06.1976 - VIII ZR 15/75]; 1982, 108; 1982, 1052 m.w.N.; 1982, 287 4 f.; 1986, 2885 ). Die den Parteien gegenüber gebotene Objektivität verpflichtet das Gericht, die Glaubwürdigkeit eines Zeugen selbständig zu prüfen und zu beurteilen. Diese Prüfung der Glaubwürdigkeit gewinnt eine ganz besondere Bedeutung, wenn aus der Aussage eines Zeugen ein für die Entscheidung des Rechtsstreites ganz wesentlicher Punkt hergeleitet werden soll (vgl. BAG Urteil vom 10. Mai 1978 - 4 AZR 726/76 - AP Nr. 8 zu § 286 ZPO).
26
Das Landesarbeitsgericht hat gegen diese Verfahrensgrundsätze verstoßen, indem es sein Urteil auf die Aussage des Zeugen Sch gestützt und dabei die Glaubwürdigkeit dieses bei den Verhandlungen mit dem Kläger allein anwesenden Zeugen anders als das Arbeitsgericht beurteilt hat. Es hat nicht etwa nur aus einer von ihm in Übereinstimmung mit der Vorinstanz als glaubwürdig erachteten Aussage andere Schlüsse hergeleitet als der erstinstanzliche Richter.
27
a)
Das Landesarbeitsgericht hat richtig gesehen, daß es der zunächst maßgebende Streitpunkt des Rechtsstreits war, ob die durch den Zeugen Sch vertretene Beklagte bei den Verhandlungen mit dem Kläger darauf hingewiesen hatte, sie trete nicht im eigenen Namen auf, sondern vermittele nur für eine libysche Reederei. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, die Beklagte habe ihrer Darlegungslast durch die Aussage Sch nicht genügt, denn der Zeuge Sch sei insgesamt unglaubwürdig. Das Arbeitsgericht hat den durch die Aussage Sch vorliegenden Beweisstoff nicht nur zum Ausgangspunkt anderer Schlußfolgerungen gemacht als später das Landesarbeitsgericht, sondern es ist, wie sich aus seinen Formulierungen ergibt, davon ausgegangen, wegen der Unglaubwürdigkeit des Zeugen sei der Beweisstoff nicht zugunsten der Beklagten verwertbar. Das Arbeitsgericht hat zunächst ausgeführt, der Umstand, daß die Beklagte sich erst nach zweijähriger Prozeßdauer auf ihre fehlende Passivlegitimation berufen habe, spreche schon für ein "prozeßtaktisches" Verhalten und nicht für eine wahre Behauptung. Ganz erhebliche Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen Sch ergäben sich daraus, daß dieser Zeuge erst auf Vorhalt des Gerichts zur angeblich fehlenden Arbeitgeberstellung der Beklagten bekundet habe. Die Zeugenaussage sei "auch" in sich widersprüchlich gewesen. Die "Unrichtigkeit" seiner Aussage ergebe sich aus einer Vielzahl von Umständen. Die Summe aller Umstände führe dazu, daß der Zeuge Sch die Unwahrheit gesagt habe.
28
b)
Das Landesarbeitsgericht hat seine abweichende Entscheidung auf die Aussage Sch gestützt. Es hat nicht etwa angenommen, die Beklagte habe bereits mit anderen Beweismitteln den Beweis erbracht, so daß es letztlich auf den durch die Aussage Sch erbrachten Beweisstoff nicht ankäme. Das Berufungsgericht hat festgestellt, die Beklagte habe den ihr obliegenden Beweis erbracht, der hierzu in der Vorinstanz vernommene Zeuge Sch habe klar ausgesagt, er habe den Kläger darauf aufmerksam gemacht, daß die Beklagte seine Einstellung nur als Agent des libyschen Reeders vornehme. Es hat die Erklärungen der Beklagten bei Vertragsschluß als eindeutig gewertet und hierzu noch die eidesstattliche Versicherung des Zeugen unterstützend herangezogen. Jedoch hat es sich nicht damit auseinandergesetzt, daß der Zeuge in der Vernehmung vom 14. Juni 1983 bekundet hat, es sei nicht richtig, daß bei dem Gespräch mit dem Kläger ein schriftliches Vertragsexemplar vorgelegt worden sei, während es in der eidesstattlichen Versicherung heißt, der in englischer Sprache aufgemachte Employment Contract sei im einzelnen mit dem Kläger durchgesprochen worden.
29
Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, das Arbeitsgericht habe in der Aussage Sch, der Kläger sei schon vorher "bei uns" tätig gewesen, zu Unrecht einen Widerspruch gesehen, da der Zeuge damit nicht allein ein Arbeitsverhältnis gemeint habe, hat es nicht beachtet, daß das Arbeitsgericht diesen Umstand zur Bewertung der Glaubwürdigkeit insgesamt herangezogen hat (vgl. zur Notwendigkeit einer wiederholten Vernehmung, wenn das Berufungsgericht den Inhalt einer protokollierten Aussage anders verstehen will als der erstinstanzliche Richter: BGH NJW 1968, 1138, ebenso Senatsurteil vom 5. Februar 1981 - 2 AZR 1137/78 - nicht veröffentlicht). Auch die Feststellung des Landesarbeitsgerichts in bezug auf die vom Arbeitsgericht verwertete Heuerabrechnung, das Arbeitsgericht verwechsele hier die Passivlegitimation mit der Frage nach der "Glaubwürdigkeit des Zeugen" ändert nichts daran, daß das Arbeitsgericht ausdrücklich abschließend im Urteil ausgeführt hat, der Zeuge Sch habe die Unwahrheit gesagt. Soweit das Berufungsgericht eine "Vielzahl von weiteren Umständen" verwertet hat, hat es diesen Umständen keinen völlig selbständigen Beweiswert beigemessen, sondern ausgeführt, diese stützten damit gleichzeitig die Aussage des Zeugen Sch ab.
30
3.
Die vom Landesarbeitsgericht getroffene Feststellung, es sei kein Vertrag mit der Beklagten zustande gekommen, ist somit fehlerhaft und vermag die vom Landesarbeitsgericht ausgesprochene Klageabweisung nicht zu tragen. Die Sache mußte daher an das Landesarbeitsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden, weil der Senat aufgrund der fehlerhaften Sachverhaltsfeststellung keine rechtliche Würdigung vornehmen kann (§ 565 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 ZP0). Das Berufungsgericht wird den von ihm als glaubwürdig erachteten Zeugen selbst vernehmen und feststellen müssen, wie die Widersprüche in seinen Aussagen und Erklärungen zu werten sind. Es hat hierbei auch die Angaben zu beachten, die der Kläger im Ermittlungsverfahren gemacht hat, und wird aufgrund des persönlichen Eindrucks von Kläger und Zeugen zu entscheiden haben, ob es den Vortrag des Klägers im Prozeß gemäß § 138 ZPO als der Wahrheit entsprechend und welche beweisbedürftigen Tatsachen es als erwiesen ansieht.
Triebfürst
Dr. Weller
Ascheid
Baerbaum
Dr. Kirchner